Jetzt Heumilch erzeugen?

Fotos: Stahmann
Betriebsleitung
Anna und Andres Stückl mit Kilian, Sophia und Theresa sind begeistert von der Heumilch-Erzeugung.
Jetzt Heumilch erzeugen?
Heumilch schreibt in Österreich seit Jahren eine Erfolgsgeschichte.
Schafft sie jetzt auch in Süddeutschland den Durchbruch?
D
as Quotenende wird ein erhöhtes
Milchaufkommen mit sich bringen. Doch Expansion ist gerade
für Milchviehhalter in Berggebieten
wie dem Allgäu oder Oberbayern nur
schwer umsetzbar. Zeit also, um sich
über die Wertschöpfung Gedanken zu
machen. Die Frage lautet: Wie kann
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ich gegebene Produktionsnachteile in
Standortvorteile umwandeln?
Eine Möglichkeit ist das Schaffen
neuer Absatzwege. Am besten für ein
Premiumprodukt als Nische am Markt.
„Die Produktion von Heumilch
könnte so eine Nische sein“, ist sich
Markus Fischer sicher. Der Ostallgäuer
Milcherzeuger ist Vorsitzender der
gegründeten Arbeitsgemeinschaft
(ARGE) Heumilch in Deutschland.
Das Vorbild Österreich weckt Begehrlichkeiten, weil das Allgäu und
Oberbayern ähnliche Naturräume und
Bewirtschaftungsweisen haben wie
die österreichischen Heumilch-Boom-
Bio-Heumilch von
32 Kühen
Anna und Andres Stückl aus Füssen haben ihren Betrieb für
die Heumilcherzeugung komplett neu ausgerichtet.
W
ir würden nicht mehr zurückgehen“, sind sich Anna und Andres
Stückl einig. Die Erzeugung von
Bio-Heumilch ist für das Ehepaar aus
Prem bei Füssen inzwischen Herzensangelegenheit.
Als die „Schönegger Käsealm“ ihnen
vor vier Jahren garantierte, Bio-Heumilch abzunehmen, baute Familie
Stückl zunächst eine Heutrocknung
und -lagerung. Ein halbes Jahr später
errichtete sie einen Boxenlaufstall.
Gleichzeitig stellte sie auf „Bio“ um.
Ein radikaler Schnitt für den bis dahin
konventionellen Anbindebetrieb mit
Silagegewinnung.
Im hellen, luftigen Stall steht heute
eine -köpfige Herde aus Fleckvieh,
Braunvieh und Schwarzbunten. Auf
dem Futtertisch liegt ausschließlich
eine Heumischung aus den vier
Schnitten des vergangenen Jahres. Von
Mai bis Ende Oktober gehen die Kühe
zudem halbtags auf die Weide.
Stückls verabreichen am Transponder ein / er-Milchleistungsfutter, al-
regionen Vorarlberg und Tirol. In diesen Bundesländern macht Heumilch
bereits rund Prozent an der Gesamtproduktion aus.
Glänzende Zahlen: Die ARGE Heu-
milch Österreich kann mit glänzenden
Zahlen aufwarten:
•
Heumilcherzeuger, die einen
Heumilchzuschlag von fünf Cent pro
Kilogramm erhalten.
•
unterschiedliche Heumilchprodukte, von denen der Lebensmittelhandel jährlich
Tonnen absetzt,
was einem Rohmilchaufkommen von
Mio. kg entspricht. Tendenz steigend.
• Der Bekanntheitsgrad in der Bevölkerung von Heumilch und Heumilchpro-
lerdings im Schnitt nur kg pro Tier
und Tag. Trotz der geringen Kraftfuttermenge erreicht die Herde eine Leistung von
kg mit , % Fett und
, % Eiweiß. Voraussetzung dafür ist
eine hohe Heuqualität. Die Energiedichte des Trockenfutters pendelt je
nach Rohfasergehalt um MJ NEL.
Denn Stückls sind inzwischen
Heu-Profis. Von der Bodenheugewinnung haben sie längst Abstand genommen. „Da bleibt das Beste auf dem
Feld“, so Andres Stückl. Von den
ha
Grünland mäht er maximal ha pro
Schnitt auf einmal, weil die Unterdachtrocknung damit ausgelastet ist.
Kaum Schmutz: Um die Verschmut-
zung gering zu halten, mäht der Landwirt erst ab Mittag. Am gleichen Tag
wendet er zweimal, am Spätvormittag
des Folgetags nochmals. Nachmittags
schwadet er dann das Heu, lässt es eine
Stunde abtrocknen und erntet es mit
dem Ladewagen.
Das angewelkte Futter geht per Kran
dukten liegt bei über
Prozent und
nimmt weiter zu.
Die Erzeugung und Verarbeitung von
Heumilch hat auch in Süddeutschland
Tradition. Heumilch ist für die Hartkäse-Herstellung, wie den EU-weit geschützten Allgäuer Emmentaler, der
ideale Rohstoff und gleichzeitig ein
Muss. Die Lieferanten müssen strenge
Kriterien in der Fütterung, Milcherzeugung und -verarbeitung sowie in der
Lagerung erfüllen.
Dazu gehört auch eine silagefreie
Fütterung der Kühe. Denn für die
Hartkäserei-Tauglichkeit ist ein geringer Gehalt an Clostridiensporen in der
Rohmilch ein wichtiger Qualitätsparameter. Früher wurde diese Milch unter
dem Begriff „silagefrei“ geführt. Heu-
Ein Heukran mit Teleskoparm holt das
Futter aus dem Lagerraum und legt es
auf dem Futtertisch ab.
in die Trocknungsbox. Diese hat eine
Dachabsaugung, einen Kondenstrockner und einen Luftentfeuchter. „Im
nassen Sommer
haben wir für die
Trocknung aller Schnitte
kW
Strom verbraucht“, so Stückl.
Liegt Futter draußen und das Wetter
schlägt um oder es trocknet im Herbst
nur noch schlecht, lassen Stückls auch
Cobs oder Trocknungsballen machen.
Ein Heukran entnimmt das Futter
aus dem Lager und legt es auf den Futtertisch. Dort lässt es sich leicht verteilen. „In Minuten sind alle Kühe
gefüttert“, freut sich Anna Stückl.
Die Heufütterung wirkt sich auch
positiv auf die Tiergesundheit aus. Das
zeigen die geringen Tierarztkosten, die
gute Klauengesundheit und die
Zwischenkalbezeit von
Tagen.
te wird sie unter Marketingaspekten
meist als Heumilch bezeichnet.
Allerdings gehen die Anforderungen
der ARGE Heumilch Deutschland an
die Rohmilcherzeugung über die der
Emmentaler Milch hinaus. So muss
zum Beispiel der gesamte Viehbestand,
also auch das Jungvieh, ausschließlich
mit Grün- oder Dürrfutter versorgt
werden.
HEFT +
Weitere Informationen zu den
Richtlinien der ARGE Heumilch
Deutschland finden Sie unter
www.topagrar.com/leserservice
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Betriebsleitung
21 Molkereien und Käsereien erfassen Heumilch
schaftsministeriums bei den Molkereien im Freistaat ergeben. Die Molkereien weisen jedoch auf die geringen
Rohstoffmengen und den noch relativ
geringen Bekanntheitsgrad von Heumilchprodukten beim Verbraucher hin.
BADENWÜRTTEMBERG
Grafik: Driemer
BAYERN
Quelle: eigene Recherchen
Im Allgäu wird die meiste Heumilch erfasst. Zwei Verarbeiter, die Molkerei Alpenhain
und die Naturkäserei Tegernseer Land, sitzen in Oberbayern.
Käseherstellung dominiert. Die meisten süddeutschen Verarbeiter verwenden die Heumilch zur Käseproduktion,
wobei Hartkäse dominiert. Daneben
werden auch Schnitt- und Weichkäse
sowie Frischkäse-Spezialitäten wie Ricotta und Mozzarella erzeugt. Einige
Verarbeiter packen auch Butter, Joghurt und Quark ab.
„Wenngleich die in Bayern erfassten
Heumilchmengen noch relativ gering
sind, zeigt die Erfassung in den letzten
Jahren einen permanenten Aufwärtstrend“, resümiert Ludwig Huber vom
Institut für Ernährungswirtschaft und
Märkte an der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Der
Heumilchanteil an der gesamten Anlieferung liegt derzeit bei , Prozent.
Eine Erhebung der LfL bei den meldepflichtigen Molkereien im Freistaat ergab für
eine Heumilchanlieferung
von , Mio. kg, davon etwa % in
Bioqualität.
Für Baden-Württemberg liegen keine
aktuellen Zahlen vor. Im Jahr
hat
das Stuttgarter Landwirtschaftsministerium die Milchmenge, die Baden-Württemberger Betriebe unter
Verzicht auf Silagefütterung im Winter
10 top agrar südplus
erzeugt haben, auf rund
geschätzt.
Mio. kg
Im Schnitt 5 Cent Zuschlag: Den
Mehraufwand für die Erfüllung der
Emmentaler Bestimmungen bzw. der
ARGE Heumilch bekommen die Landwirte in Form eines Zuschlages honoriert. Der schwankt für konventionelle Milch nach eigenen Erhebungen
zwischen , und Cent je Liter. Im
Schnitt, so Huber, liegt der Auszahlungspreis für konventionelle Heumilch gut Cent je kg über dem Auszahlungspreis für Standardmilch.
Kleinere Sennereien in Tourismusgebieten, die viel Ware über die Direktvermarktung absetzen können, zahlen
noch besser. Bei Spezialitätenmolkereien, wie Emmentaler Käsereien, sind
Zuschläge häufig bereits im Grundpreis enthalten.
Dass für Heumilchprodukte zusätzliches Absatzpotenzial besteht, hat eine
Umfrage des bayerischen Landwirt-
Foto: Werkbild
Silagefreie Milch erfassen in Süddeutschland Molkereien und Sennereien in Schwaben und Oberbayern
(siehe Karte oben). Die meisten Heumilchverarbeiter sitzen im Regierungsbezirk Schwaben. Zwei Unternehmen
haben ihren Standort in Oberbayern
und drei befinden sich im württembergischen Allgäu.
Unter den Verarbeitern sind kleine
Hofkäsereien bis hin zu mittelständischen Marken-Molkereien wie Alpenhain, die Allgäuer Emmentalerkäserei
Leupolz oder die Schönegger Käsealm.
Heumilch wird vorwiegend zu Hartkäse
verarbeitet, der hier ein Salzbad nimmt.
Flächenprämien für Heumilch: Ge-
nau diese beiden Knackpunkte gilt es
zu lösen. Bayern fördert deshalb Heumilchbauern
im
Rahmen
von
KULAP. Über die Maßnahme „Heumilch – Extensive Futtergewinnung“
erhalten Heumilchbauern
Euro pro
ha. Wer in eine „Heutrocknungsanlagen auf Basis regenerativer Energie“ investiert, kann bei einem Investitionsvolumen zwischen
und
€
mit einer Förderung von % über das
bayerische Sonderprogramm Landwirtschaft rechnen.
In Baden-Württemberg greift das
Förderpaket FAKT. Für Milcherzeuger,
die sich mindestens für fünf Jahre dazu
verpflichten, auf ihrem gesamten Betrieb weder Silage zu gewinnen noch zu
verfüttern gibt es für alle Grünlandund Ackerfutterflächen, auf denen
Heu erzeugt wird,
€ pro ha.
Zudem unterstützt der Südwesten
Investitionen in die Heutrocknung ab
einer Mindestsumme von
€ mit
einem Fördersatz von %.
Mehr Marketing erforderlich: Solche
Fördermaßnahmen helfen, in den
Markt einzusteigen und Preisschwankungen nach unten abzufedern. Dennoch halten Marktexperten die Wertschöpfungskette bei Heumilch für
fraglich, solange sich nicht die entsprechenden Erlöse am Markt erzielen lassen. So stagniert der Emmentaler- und
Bergkäseabsatz seit Jahren.
Speziell als Heumilch deklarierte
und beworbene Produkte sind hierzulande so gut wie nicht in den Regalen
zu finden. Vor allem nicht im Segment
der weißen Linie, wozu Trinkmilch,
Quark, Joghurt , Schmand und Sahne
gehören. Es fehlt an Verarbeitungskapazitäten in den Heumilchregionen.
Die vorhandenen Trinkmilchhersteller
verfolgen derzeit andere Vermarktungskonzepte, wie Bio, GVO-Freiheit,
Weide- oder Bergbauernmilch.
Von einem größeren Wachstum der
Heumilcherzeugung ist nur dann auszugehen, wenn zur staatlichen Unterstützung koordinierte Marketingmaßnahmen für Heumilch kommen.
Josef und Maria Hainz aus Dietramszell stellten auf
Heumilch um, um die Tiergesundheit zu verbessern.
A
ls die Molkerei Alpenhain Ende
Heumilcherzeuger suchte,
ergriffen Josef und Maria Hainz aus
dem oberbayerischen Dietramszell sofort die Chance. Schon seit längerem
trugen sie sich mit dem Gedanken, auf
Heumilch umzustellen. Denn in der
außerorts gelegenen Fahrsiloanlage
traten Schimmelecken auf, die auf
Mäusefraß am Silostock und Krähenlöcher in der Siloplane zurückzuführen waren. Das Ehepaar machte die
Silagen für die sich häufenden Probleme im Stall wie Kälberdurchfall und
Euterentzündungen verantwortlich.
Seit Juni
liefert das Ehepaar,
das
Fleckviehkühe auf ha Grünland hält, Heumilch. Dafür erhält es
einen Zuschlag von ct/kg. Die Milch
wird aber derzeit noch nicht getrennt
gesammelt und verarbeitet.
Genauso wichtig wie der Zuschlag
ist den Milchviehhaltern die bessere
Ein Blick zu den Nachbarn nach Österreich zeigt, wie das gehen kann.
Über Facebook, mit Kinderbüchern,
Broschüren, Plakaten, Verkostungsaktionen und Videos macht die ARGE
Heumilch seit
mobil. Der neueste
Clou ist eine rollierend hinterleuchtete
Werbewand. Frische Gräser und Kräuter werden in bewegten Bildern vor den
Augen der Betrachter von der Heumilchkuh Hanni genüsslich verspeist.
Und dies viermal mitten in Wien.
Wie hoch sind die Mehrkosten? Eine
Platzierung der Heumilch im Premiumbereich ist schon deshalb vonnöten,
um die Mehrkosten für die Erzeugung
abzudecken.
Pauschale Empfehlungen dazu sind
schwierig, weil die Ausgangssituationen der Betriebe sehr unterschiedlich
sind. Handelt es sich um einen Emmen-
Foto: Stahmann
Gesündere Tiere
und höherer Preis
Mit seiner RundballenTrocknung erreicht
Josef Hainz beste
Heuqualitäten.
Tiergesundheit. Seit die Kühe nur Heu
und Gras erhalten, gibt es keine Probleme mehr mit Kälberdurchfällen und
Euterentzündungen. „Antibiotika
mussten wir seit der Umstellung kein
einziges Mal mehr verabreichen“, freut
sich Josef Hainz. Die Zellzahlen liegen
bei
. Auch die Herdenleistung
ist mit
kg bei , % Fett und
, % Eiweiß auf einem guten Niveau, da % der Futterration aus
Grundfutter bestehen muss.
Rundballen-Trocknung: Um gute
Futterqualitäten zu erreichen, investierte der Betrieb
€ in eine Unterdachtrocknung für Rundballen. Da-
taler Betrieb, der schon aus Tradition
bei der Milchproduktion auf Silage verzichtet? Oder handelt es sich um einen
wirklichen Neueinsteiger, der bisher
vorwiegend Silage gefüttert hat?
Neueinsteiger müssen sich über die
hohen Kosten für die Heubergung,
-trocknung und -lagerung im Klaren
sein. So ist bei der Einfuhr von Anwelkgut mit
% TS mit Trocknungskosten von , bis , Cent pro kg Heu
zu rechnen. Außerdem nimmt die
Heugewinnung deutlich mehr Zeit in
Anspruch als die Silagebereitung.
Und: Heumachen will gelernt sein.
Hohe Qualitäten setzen kurze Feldliegezeiten voraus. Das erfordert moderne
und schlagkräftige Trocknungsanlagen,
die das Futter schonend und ausreichend auf den gewünschten TS-Gehalt
bringen.
Damit lassen sich auch hohe Grund-
mit kann er gleichzeitig Heuballen
mit einem Durchmesser von , Meter trocknen. Um die Lagerkapazitäten
zu erhöhen, überdachte er ein Fahrsilo
mit einer Rundbogenhalle und baute
einen Feldstadl. Zudem kaufte er wegen der zweitägigen Abholung einen
neuen Milchtank. Insgesamt investierte der Betrieb
€ für die Umstellung auf Heumilch.
Für das Ehepaar hat sich die Investition gelohnt. „Wir gehen wieder gern
in den Stall“, bestätigt Maria Hainz.
Positiv sei auch die verringerte Geruchsbelästigung und der Rückgang
des Plastikmülls, weil keine Silofolien
mehr anfallen.
futterleistungen ermelken, die bei den
Kraftfutter-Vorgaben der ARGE-Heumilch für eine wirtschaftliche Milcherzeugung auch nötig sind.
Friederike Stahmann
Schnell gelesen
• In Österreich erzeugen
8 000 Betriebe Heumilch.
• In Süddeutschland nimmt die
Heumilch-Erfassung zu, ist
aber noch bei unter 1 %
Marktanteil.
• Bayern und Baden-Württem-
berg zahlen 80 bis 100 €/ha
Prämie für Heumilchbetriebe.
• Soll Heumilch aus der Nische
kommen, muss der Markt
intensiver bearbeitet werden.
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