Broschüre

JugendHilfe Arbeit
Reden wir über die Zukunft
GRUßWORT EINER EHEMALIGEN
// SHEILA BÖHM
HEBE DEN BLICK
UND DU SIEHST
KEINE GRENZEN
(„Die Möwe Jonathan“, Richard Bach)
2
Hallo, ich bin Sheila.
Ehemalige Jugendliche bei der Möwe und
heute – 16 Jahre später, Fördermitglied.
Mit 17 Jahren kam ich zur Möwe, da ich
Unterstützung benötigte. Heute möchte
ich Unterstützung anbieten und damit
„Danke“ sagen.
Die Möwe hat mich in der Übergangs­
phase in meine persönliche Selbstständig­
keit begleitet. In der Anfangszeit wohnte
ich ca. zwei Jahre in einer außen­geleiteten
WG in einem Haus mit zwei Wohnungen,
die sich jeweils zwei Jugendliche geteilt
haben. Unsere Betreuerinnen waren von 8
Uhr morgens bis 22 Uhr abends für uns
Jugendliche da. Highlights waren die Feri­
en, in denen wir fast immer mit der WG
und unseren Betreuerinnen in Urlaub ge­
fahren sind. Mein persönlicher Lieblingsur­
laub war Segeln in Italien und Kroatien!
Zwei weitere Jahre finanzierte mir die
Möwe eine eigene Wohnung und betreu­
te mich weiterhin auf meinem privaten
und schulischen Weg hin zum Abitur.
Bei der Möwe hatte ich stets das Gefühl,
dass ich Unterstützung und Betreuung
bekam, wenn ich sie brauchte, und gleich­
zeitig genügend Freiraum und Respekt vor
meiner Selbstständigkeit.
Wie kam ich zur Möwe? Über eine Freun­
din hörte ich von der Möwe und ging
selbst zum Jugendamt. Dort waren alle
sehr nett und haben sich in Ruhe mit mir
und meiner Familie überlegt, was das Bes­
te für mich ist.
Das habe ich bis heute nicht bereut und
kann nur jedem raten, der „Zoff“ zu Hause
hat und nicht weiter weiß: Redet darüber!
Sucht euch Unterstützung! Es gibt so viele
Jugendliche, denen es genau so geht –
dafür muss sich keiner schämen.
An die Zeit bei der Möwe denke ich sehr
gerne zurück! Ich habe viel gelernt – über
mich, meine Familie und ganz einfache
Dinge wie z.B. einen Haushalt zu führen.
Heute bin ich glücklich verheiratet, habe
Freunde, die mit mir durch dick und dünn
gehen und einen Job, der mir viel Spaß
macht.
Ich wünsche euch, dass ihr immer den
Mut habt, euer Glück in die eigene Hand
zu nehmen, euch Hilfe zu suchen, wenn
ihr sie braucht, und gleichzeitig auch an­
deren zu helfen.
Eure Sheila Böhm
3
INHALTSVERZEICHNIS
Grußwort einer Ehemaligen – Sheila Böhm
3
Inhaltsverzeichnis
4
Der Vorstand hat das Wort – Interview mit Herrn Klefenz und Herrn Fiebig
6
„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“ (Aristoteles) – Ein Ausschnitt unseres Teams
10
Unsere Sozialpädagogen – 8 Profile
12
Unsere Jugendlichen – 2 Interviews
– Eine „ambulant betreute“ Jugendliche
– Ein Jugendlicher im „betreuten Wohnen“
16
Ein Tagesablauf in der Wohngruppe, Bad Vilbel
18
Ein Jugendlicher klopft an – Einblicke in die „stationäre Jugendhilfe“
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Unser Büro in Frankfurt/Main stellt sich vor – der ambulante Zweig der Möwe
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Sprachrohr der Mitarbeiter – die MAV der Möwe
24
Leistungsangebot der Möwe
26
...und sie bewegt sich doch! – Aspekte der Wechselwirkungen zwischen gesetzlicher Vorgabe und Kinder- und Jugendbericht
28
Wo die Möwe zu Hause ist, Bad Vilbel-Heilsberg
32
Gutes tun – Wie Sie die Möwe unterstützen können
34
Der Aufsichtsrat hat das letzte Wort – Entwicklungen in der Jugendhilfe
36
Beitrittserklärung, Fördermitglied
38
Impressum
39
4
5
DER VORSTAND HAT DAS WORT
// INTERVIEW MIT HERRN KLEFENZ UND HERRN FIEBIG
Die „Möwe Jonathan“ wird seit dem Jahr 2005 vom pädagogischen Vorstand Herrn Karl Klefenz und dem
kaufmännischen Vorstand Herrn Burkhard Fiebig gemeinsam geleitet.
Frage: Was hat Sie motiviert, in der
Jugendhilfe tätig zu werden?
K. Klefenz: Ich entstamme einer kinder­
reichen Familie und bin frühzeitig auf die
Notsituationen der Jugendlichen auf­
merksam geworden. Dies hat mich
motiviert, die Lebensverhältnisse junger
Menschen zu sichern und zu verbessern.
Während meiner langjährigen prakti­
schen Tätigkeit habe ich festgestellt,
dass sich soziales Engagement unbe­
dingt lohnt. In der Jugendhilfe finden
ständig Entwicklungsprozesse statt – das
macht die Arbeit so reizvoll.
6
B. Fiebig: Ich arbeite sehr gerne mit
Menschen zusammen. Über meine Tä­
tigkeit als Unternehmer hinaus wollte ich
unbedingt auch einen sozialen Beitrag
leisten. Als mich der Gründer der Möwe
und damalige Vorstand ansprach, kam
diese Anfrage genau zur rechten Zeit.
Die Arbeit gefiel mir auf Anhieb und
deshalb unterstütze ich schon seit vie­
len Jahren das Anliegen der Möwe nach
Kräften.
Frage: Was ist das Anliegen der
Möwe?
B. Fiebig: Wir sind ein Jugendhilfeträ­
ger, der mit kompetenten und erfahre­
nen Mitarbeitern in Not geratene junge
Menschen unterstützt. Wir helfen ihnen,
im alltäglichen Leben zurechtzukom­
men, um sie dann in weiteren Schritten
in ein selbstbestimmtes Leben zu führen.
zu spezialisieren. Einige Möwe-Mitarbei­
ter arbeiteten als „Streetworker“, andere
trieben die „dezentrale“ Unterbringung
der Jugendlichen voran. Hierfür wurden
Wohnungen und Häuser in der Region
angemietet, um den von der Möwe
betreuten Jugendlichen ein Aufwachsen
„Tür an Tür“ mit der Gesellschaft zu er­
möglichen.
K. Klefenz: Dabei müssen wir wirt­
schaftliche Abhängigkeiten im Blick
behalten. Das klingt jetzt zunächst mal
überhaupt nicht „idealistisch“, aber erst
ein solides wirtschaftliches Fundament
ermöglicht, was wir „idealerweise“ er­
reichen wollen. Unser Verein „lebt“ von
mit dem Jugendamt auszuhandelnden
Leistungs-/Entgeltvereinbarungen, d.h.
die Betreuung der Jugendlichen wird
entsprechend dieser Vereinbarungen
vergütet.
Heutzutage führt unsere Niederlassung
in Frankfurt mit 15 MitarbeiterInnen die
Tradition der „Möwe-Streetworker“ fort,
während die „stationäre Betreuung“
der Jugendlichen von Bad Vilbel aus
organisiert wird. 20 Mitarbeiter sind in
Wohnungen und Häusern in Bad Vilbel,
Mühlheim, Offenbach und Frankfurt im
„Betreuten Wohnen“ tätig, das nach ei­
nem Baukastenprinzip konzipiert ist. Mit
zunehmendem Grad der Verselbständi­
gung der Jugendlichen nimmt der Um­
fang der Betreuung ab – bis die Möwe
die Jugendlichen mit nur noch wenigen
Fachleistungsstunden pro Woche in ih­
ren eigenen Wohnungen begleitet. Und
am Ende verabschieden wir uns nicht
selten von autarken Persönlichkeiten,
die ihr Leben eigenverantwortlich und
selbstbewusst in die Hand nehmen, und
das gibt uns ein verdammt gutes Gefühl!
Frage: Was ist das Besondere an der
Möwe?
K. Klefenz: Die Möwe entstand 1987
aus dem damaligen „Kinder- und Ju­
gendheim Heilsberg“. Statt Kinder wei­
terhin nur zentral „zu verwalten“ suchte
die Möwe neue Wege und war damit
ihrer Zeit voraus. Sie begann, Mitarbeiter
7
B. Fiebig: Unsere Aufgabe als Vorstand
sehen wir darin, eine funktionierende
Infrastruktur für diese Form der Jugend­
hilfe bereitzustellen, d.h. Räume werden
geschaffen und qualifiziertes Personal
rekrutiert. Zusätzlich müssen für unsere
Sozialpädagogen bestmögliche Rah­
menbedingungen ausgehandelt wer­
den, damit sie ihre Arbeit gut erledigen
können.
Frage: Welche Ziele hat die Möwe?
K. Klefenz: Das Ziel der Möwe ist
es, den Jugendhilfeträger zu erhalten
und weiterhin eigene Akzente in der
Jugendhilfelandschaft unserer Region zu
setzen. Hierfür haben wir die richtigen
8
Mitarbeiter. Einige stammen noch aus
den Aufbruchszeiten der Möwe und
besitzen die Erfahrung, Kreativität und
das Potential, „Innovatives“ zu gestal­
ten. Zusätzlich haben wir junge Sozial­
pädagogen im Boot, deren neue Ideen
als Impulsgeber dienen.
Frage: Warum diese Broschüre?
B. Fiebig: Unsere Mitarbeiter, ihre Ar­
beit und die Jugendlichen stellen wir in
dieser Broschüre bewusst in den Mittel­
punkt. Auf der einen Seite wollen wir die
Kompetenzen der Möwe vorstellen – die
breite Palette an Unterstützungsmaß­
nahmen, die wir unseren Jugendlichen
bieten. Auf der anderen Seite möchten
wir aber auch ein „hautnahes Bild“ der
täglichen Arbeit unserer Sozialpädago­
gen aufzeigen. Wir wollen die Öffent­
lichkeit für das Thema sensibilisieren und
motivieren, benachteiligte Mitglieder
unserer Gesellschaft – die aber unse­
re Zukunft darstellen – auf ihrem Weg
zu unterstützen. Vielen Dank an dieser
Stelle u.a. an Sheila Böhm, die uns ihren
Lebensweg im Grußwort skizziert hat
und so hilft, die Arbeit der Möwe be­
kannt zu machen!
Insgesamt 35 Sozialpädagogen arbei­
ten zur Zeit bei der Möwe mit den Ju­
gendlichen. Einige Mitarbeiter stellen
wir Ihnen stellvertretend vor und geben
Ihnen Einblicke in unseren Arbeitsalltag.
Auch „unsere“ Jugendlichen kommen zu
Wort! Die ausführlichen Interviews fin­
den Sie auf unserer Internetseite www.
moewe-jonathan.de. Neben dem kom­
pletten Vorstands-Interview gibt es hier
noch viele zusätzliche Informationen.
Wir wünschen Ihnen viel Spaß bei der
Lektüre unserer Broschüre und freuen
uns auf Ihr Feedback.
Ein aktuelles Projekt ist der „Familien­
rat“, für den einige Mitarbeiter zur Zeit
ausgebildet werden. Dieses aus Neusee­
land stammende Konzept fokussiert sich
auf die Reaktivierung von Ressourcen in
der Familie. Der „Familienrat“ kann ei­
nen wichtigen Baustein in der Jugend­
hilfe darstellen, der Fremdunterbringung
und Bürokratisierung schon im Vorfeld
zu verhindern sucht.
9
„DAS GANZE IST MEHR
// EIN AUSSCHNITT UNSERES TEAMS
10
ALS DIE SUMME SEINER TEILE“
(„ARISTOTELES“)
11
UNSERE SOZIALPÄDAGOGEN
// 8 PROFILE
Vanessa Hoffmeister – „Authentizität vermitteln“ – Dipl.Sozialarbeiterin – Arbeitsplatz Familienwohnzimmer – seit
2010 bei der Möwe.
Ich muss dem Jugendlichen, den ich betreue, Authentizität
vermitteln, mich als Mensch präsentieren und auch persönli­
che Fragen zulassen. Der Jugendliche soll dies als Grundstein
unserer Kooperation begreifen. Ein Stück weit lasse ich zu, dass der Jugendliche sich
an mir „abarbeitet“, weil ich seine Geschichte im Hinterkopf habe. Das heißt nicht,
dass man nicht auch Grenzen setzt, aber diese werden weiter sein als bei anderen
Mitmenschen. Bevor ich zur Möwe kam, arbeitete ich für das Jugendamt Frankfurt.
Dieses ist für die Analyse des Bedarfs und die Koordination der Hilfeleistungen inner­
halb der Jugendhilfe zuständig. Hilfe zur Erziehung – wie dies die Möwe u.a. anbie­
tet – wird an die Träger weitergegeben. Ich bin zur Möwe gewechselt, weil ich die
enge Zusammenarbeit mit den Jugendlichen suche. Ich will anpacken, umsetzen,
selbst machen, nicht nur delegieren. Ich habe den Wechsel nicht bereut.
Dieter Weckerle – „Blauhelm-Einsatz für Jugendliche“ –
Dipl.-Sozialpädagoge – Jugend- und Erwachsenenbildung –
seit 2000 bei der Möwe (vorher im Kinder- und Jugendheim
Heilsberg tätig).
Als Sozialpädagoge ist man Vermittler zwischen den Fronten,
um für die Jugendlichen den bestmöglichen Entwicklungs­
spielraum zu schaffen. Sämtliche Institutionen, die für die Jugendlichen wichtig sind,
werden ins Boot geholt – das Jugendamt, das System Schule, Eltern oder Vormund,
Ärzte, Psychotherapeuten – und man versucht, die Reibungen zwischen den Parteien
möglichst klein zu halten und im Idealfall auch aufzulösen. Ebenso muss der Jugend­
liche lernen, mit Erwachsenen zu interagieren. Wir machen ihm bewusst, dass man
auch „positiv“ streiten kann. Meist kennen die von uns betreuten Jugendlichen nur
Kommunikation, die schreiend ausgetragen wird. Wir vermitteln ihnen Kommunika­
tion auf verträglicher Basis. Die Jugendlichen sollen lernen, dass eine Diskussion nicht
zwangsläufig darin endet, dass der andere laut wird oder einfach abhaut.
12
Hüseyin Arslan – „Sozialarbeit als Ressourcenentdeckung“ – Dipl.-Sozialpädagoge, Dipl.-Pädagoge, NLP-Ausbildung – Familienkonflikte mit interkulturellen Aspekten,
sexueller Missbrauch an Jungen – seit 2008 bei der Möwe.
Vor einigen Jahren las ich eine Statistik, die besagte, dass 50 %
der türkischen Kinder ohne Hauptschulabschluss von der Schule
gehen. Diese Zahl hat mich aufgeschreckt und dazu bewogen, etwas zu tun. Ich
begann mit der Lernhilfe und arbeite mittlerweile seit 12 Jahren in der Jugend- und
Familienhilfe. Ich freue mich, wenn ich es geschafft habe, einen Jugendlichen bis in
den Beruf zu begleiten. Dabei muss immer im Vordergrund stehen, was der Jugend­
liche sich selbst zutraut und umsetzen kann, nicht, wo ich ihn als Sozialpädagoge
sehen will. Man muss seinen eigenen Ehrgeiz zurückstellen und in den Jugendlichen
hineinhorchen, seine Ressourcen erkennen und fördern. Man darf den Stab nicht zu
hoch legen, sonst verschreckt man den Jugendlichen und erreicht das Gegenteil von
dem, was man erreichen könnte.
Claudia Kadoch – „Mit Humor kritische Situationen aus­
hebeln“ – Dipl.-Sozialarbeiterin – Drogenhilfe, Entwicklungs­
hilfe, Projektleiterin/Standortleiterin/Management, HIV-Fortbil­
dungen – seit 2011 bei der Möwe.
Ich war lange Jahre in der Drogenhilfe tätig, sowohl als
„Streetworkerin“ als auch beim „Betreuten Wohnen“, aber
auch im „Druckraum“ und im „Kontaktladen“. In der Drogenhilfe lernt man ganz gut
mit aggressiven Jugendlichen umzugehen, da man hiermit öfter konfrontiert wird. Ich
habe gelernt ruhig zu bleiben, und versuche, mit Humor kritische Situationen auszuhe­
beln. Lautes und drohendes Verhalten oder das Beharren auf Verhaltensweisen sehe
ich als eine Art Erpressungsversuch – dem muss man Bestimmtheit und Angstfreiheit
entgegensetzen. Aus meiner Zeit in der Drogenhilfe kenne ich auch den Umgang mit
Jugendlichen mit psychischen Problemen und Auffälligkeiten. Bei der Möwe arbeite
ich im „innengeleiteten System“, d.h. 24 Stunden am Tag ist ein Betreuer in der Wohn­
gruppe anwesend. Da dieses System ähnlich einer Familie funktioniert, ist Professiona­
lität sehr wichtig. Man muss den Jugendlichen viel Fürsorge, Liebe und Vertrauen
entgegenbringen. Man muss ihnen Beständigkeit vermitteln aber auch klar machen,
dass man eine „eigene“ Familie besitzt.
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UNSERE SOZIALPÄDAGOGEN
// 8 PROFILE
Heinz Ulrich – „Jenseits des Pflichtprogramms“ – Sozialarbeiter, Ausbildung Lehrer an Grund-/Haupt- und Realschule (Sek I) – Kinderschutzkompetenz, Freizeitpädagogi­
sche Maßnahmen (u.a. Kanufreizeitbetreuer) – seit 2000 bei
der Möwe.
Als ausgebildeter Lehrer (Sek I) habe ich mich für den Beruf
des Sozialpädagogen entschieden, weil ich näher an der Entwicklung der Kinder sein
wollte. Bei den freizeitpädagogischen Maßnahmen z.B. erlebe ich die Jugendlichen
jenseits ihres Pflichtprogramms. Sie begegnen mir natürlicher, entspannter. Viele
Jugendliche mit problembehafteter Kindheit benötigen Unterstützung, um überhaupt
erst einmal herauszufinden, was sie gerne machen. Auch in der Gruppe Spaß zu
haben, ist für diese Jugendlichen nicht selbstverständlich. „Vertrauen“ und „Sich
Fallenlassen“ sind hier Stichworte. Als Sozialpädagoge erhalte ich Hintergrundinfor­
mationen über Jugendliche, die z.B. die Lehrer nicht besitzen. Um die Hilfe für die
Jugendlichen zu optimieren, stehe ich in ständigem Kontakt zur Schule.
Cintia Spellmeier – „Elternberatung als Ergänzung“ –
Dipl.-Sozialpädagogin – Systemische (Familien-) Beraterin,
Kurs­leiterin „Starke Eltern – Starke Kinder“ – seit 2007 bei
der Möwe.
Im Rahmen der Erziehungshilfen biete ich den Schwerpunkt
der Elternberatung an – u.a. auch in Zusammenarbeit mit
KollegInnen. Ich führe Elterngespräche und Familienkonferenzen durch, die sowohl
in einer neutralen Umgebung im Frankfurter Büro als auch im sozialen Umfeld der
Familie stattfinden können. Der Vorteil dieser Aufgabenteilung ist: Die Elternarbeit
kann getrennt von der Arbeit mit den Kindern oder Jugendlichen angegangen
werden. Im Verlaufe meines Berufslebens habe ich festgestellt, dass es erforderlich
ist, die Bedürfnisse, Ängste und Wünsche der KlientInnen wahrzunehmen, um
Handlungs- und Strategiemöglichkeiten zu erarbeiten und die KlientInnen bei der
Umsetzung zu unterstützen.
14
Silvia Sann – „Man steckt viel ein – bekommt aber auch
viel zurück“ – Dipl.-Sozialpädagogin – Begleitung junger
Erwachsener in die Selbständigkeit, Organisation und Durch­
führung von Bildungsurlaubsreisen, Dozententätigkeit Berufs­
fachschule, Gezieltes Lernen für Schulunterricht/schulische
Abschlußprüfungen/Berufsschulunterricht – bei der Möwe
seit 1992 (vorher im Kinder- und Jugendheim Heilsberg tätig).
Mittlerweile bin ich 33 Jahre für Kinder und Jugendliche tätig. Im „betreuten Wohnen“
begleite ich junge Erwachsene in die Selbständigkeit. Für die optimale Unterstützung
hinsichtlich Prüfungsvorbereitung und Schule kommt mir meine zusätzliche Ausbil­
dung zur Bürokauffrau zugute. Zu vielen meiner „Ehemaligen“ habe ich noch Kontakt,
werde zu Hochzeiten eingeladen oder über Geburten informiert. Dies sind die Höhe­
punkte meines Jobs, wenn ich erkenne, dass der Schritt in die Selbstständigkeit gelun­
gen ist und ich durch mein Wirken einen Grundstein hierfür gelegt habe. Natürlich
erlebe ich auch Kehrseiten – der Jugendliche weicht mir aus geht nicht ans Telefon
oder verschiebt Termine. Unvoreingenommenheit und Geduld sind wichtig – man
muss Rückschläge einstecken und versuchen, vorurteilsfrei weiterzumachen.
Judith Reichert – „Auch mal einen Schritt zurückgehen“
– Dipl.-Sozialpädagogin – Heil- und Sonderpädagogik,
Ferienbetreuerin, Therapeutische Reitgruppe – seit 2013 bei
der Möwe.
Ich bin über das therapeutische Reiten zu meinem Beruf ge­
kommen. Der Reitverein, in dem ich war, hat viel für behinder­
te Kinder getan. Durch das therapeutische Reiten ist mein Interesse für sozialtherapeu­
tisches Arbeiten geweckt worden. Ich habe mit einem Praktikum im Kinderladen
angefangen und später in einer Mädchenwohngruppe gearbeitet. Dabei habe ich
gemerkt, dass ich gut in Kontakt komme und schnell aufgenommen werde. Der
Umgang mit Kindern und Jugendlichen macht mir Spaß. In unserem Beruf muss man
eine selbstsichere Persönlichkeit sein, um auch mal einen Schritt zurückgehen zu
können und nicht nur auf seinem Recht zu beharren. Der Balanceakt – konsequent,
aber gleichzeitig liebevoll zu sein – an dem wohl die meisten Eltern täglich arbeiten –
ist auch Mittelpunkt des „Betreuten Wohnens“.
15
UNSERE JUGENDLICHEN – 2 INTERVIEWS
// EINE „AMBULANT BETREUTE“ JUGENDLICHE
Wie sah Ihr Tag heute aus?
Momentan arbeite ich bei einem Augen­
arzt. Ich führe dort Sehtests durch, messe
den Augendruck der Patienten oder die
Sehschärfe. Bei Bedarf gebe ich Augen­
tropfen. Die begonnene Ausbildung in
dieser Fachpraxis musste ich leider aus
finanziellen Gründen nach einem hal­
ben Jahr abbrechen. Der Arzt beschäftigt
mich seitdem stundenweise.
Warum wurde Ihnen die Ausbildung
nicht vom Jobcenter finanziert?
Ich hatte bereits eine Ausbildung als Ver­
käuferin absolviert, doch mir war klar,
dass ich nicht ein Leben lang in diesem
Job arbeiten möchte. Aufgrund der Ge­
setzeslage konnte mir das Jobcenter je­
doch keine Zweitausbildung finanzieren.
Haben Sie eine Idee, wie es weitergehen kann?
Mit meiner Betreuerin von der Möwe
habe ich dies schon diskutiert: Ich möch­
te gerne in der Altenpflege tätig werden
– vermutlich als ungelernte Pflegedienst­
kraft, beginnen werde ich auf jeden Fall
mit einem Praktikum.
16
Wie unterstützt Sie Ihre Betreuerin
von der Möwe?
Meine Betreuerin unterstützt mich insbe­
sondere in den organisatorischen Dingen.
Sie hilft mir bei Behördengängen. Sie be­
gleitet mich, wenn ich beim Jobcenter
Termine habe. Sie arbeitet mit mir die
nötigen Anträge aus und hilft mir bei den
finanziellen Dingen. Ich bin chaotisch,
was meine Post angeht. Ich habe eine
Lernschwäche und kann mich manchmal
einfach nicht motivieren, die Post zu le­
sen. Ich bring sie dann nach oben, lege
sie irgendwohin und sage mir: “Ich lese
sie später“. Irgendwann nach zwei Wo­
chen denke ich mir: „Da war doch ein
Brief vom Jugendamt“. Oder aber ich ma­
che den Brief auf, fange an zu lesen und
verstehe nichts. Dann lege ich ihn auch
beiseite und nehme mir vor, ihn später
zu lesen. Was ich dann nicht tue. Meine
Betreuerin bei der Möwe bekommt nun
meine Post und geht sie mit mir durch.
Ich bin ihr sehr dankbar für ihre Hilfe. Sie
ist inzwischen wie eine enge Vertraute.
Aber sie kann auch wütend werden. Das
passiert sehr selten, aber dann weiß ich:
„Jetzt muss ich unbedingt aktiv werden“.
// EIN JUGENDLICHER IM „BETREUTEN WOHNEN“
Wie sah Ihr Tag heute aus?
Ich war in der Schule. Vor zwei Wochen
hatte ich meine Abschlussprüfung an der
Realschule. In der letzten Woche kamen
die ersten Ergebnisse, in dieser Woche
das letzte. Ich habe bestanden und liege
zwischen 2 und 3.
Herzlichen Glückwunsch – das ist ein
großer Erfolg! Gibt es ein Lieblingsfach?
Mathe ist mein absolutes Lieblingsfach –
wenn ich mich langweile, greife ich mir
das Mathebuch und beschäftige mich
hiermit. Deutsch fällt mir leider nicht so
leicht. Hier haben die Betreuer der Möwe
mir sehr geholfen – und meine Freundin.
Wo lernten Sie Ihre Freundin kennen?
In der Schule. Ich kam vor 1,5 Jahren –
ich war 16 – als „unbegleitet eingereis­
ter minderjähriger Flüchtling“ aus Indien.
Meine Familie lebt dort nahe der pakista­
nischen Grenze. Meine Eltern werden po­
litisch verfolgt – mein Vater sitzt im Ge­
fängnis. Ich habe lange nichts mehr von
meiner Familie gehört. Ich erreiche sie
nicht, weder telefonisch noch per Post.
War der Anfang schwer?
Sehr schwer. Ich verstand kein Wort und
nicht jeder Deutsche spricht Englisch. Die
indische Kultur unterscheidet sich sehr
stark von der deutschen. Ich habe durch
meinen Vormund und meine Betreuer
bei der Möwe gelernt, dass Männer und
Frauen hier gleich behandelt werden.
Alle, auch Kinder oder alte Leute, haben
dieselben Rechte. Ich bin mit dem indi­
schen Kastenwesen aufgewachsen. Das
war schon kompliziert am Anfang – allein
die Essgewohnheiten.
Haben Sie schon Pläne für Ihre Zukunft?
Ja, ich möchte die Fachoberschulreife
machen und danach das Abitur. Das sind
Voraussetzungen, um bei der hessischen
Polizei eine Ausbildung zu beginnen. Das
Berufsbild spricht mich an – außerdem
mache ich gerne Sport.
Wie hat die Möwe Ihnen auf Ihrem
Weg geholfen?
Ich konnte am Anfang kaum etwas ver­
stehen und habe vier Monate einen
Deutschkurs gemacht. Meine Betreuerin
bei der Möwe hat für mich sämtlichen
Schriftverkehr mit meinem Vormund, den
Ausländerbehörden und anderen deut­
schen Institutionen übernommen. Ich bin
der Möwe sehr dankbar für ihre Hilfe.
17
EIN TAGESABLAUF IN DER WOHNGRUPPE
// BAD VILBEL
14:30 Uhr: Der „Tagdienst“ übergibt in
oben beschriebener Weise an den
„Nachtdienst“.
In unserer „innengeleiteten Verselbständigungswohngruppe“ in Bad Vilbel
bieten wir bis zu acht jungen Frauen
und Männern eine Wohn- und Lebensperspektive. In ihrem vielfältigen All­
tagserleben können sich die Jugend­
lichen auf das sie begleitende,
unterstützende und stabilisierende pädagogische Team verlassen. Der Begriff „innengeleitet“ steht hierbei für
eine „Rund um die Uhr Betreuung“ an
365 Tagen im Jahr.
6:00 Uhr: Es ist Dienstbeginn. Die Ju­
gendlichen werden entsprechend ihres
Tagesablaufs geweckt und das Frühstück
durch den diensthabenden Pädagogen
vorbereitet.
an welcher das gesamte Team plus Be­
reichsleiter teilnehmen. Hier werden pä­
dagogische und organisatorische Belan­
ge umfassend besprochen, Lösungen zu
bestehenden Problematiken diskutiert
und Vorgehensweisen beschlossen.
9:00 – 9:30 Uhr: Der „Nachtdienst“ wird
durch den „Tagdienst“ abgelöst und
wichtige Termine und Ereignisse, die auch
bereits schriftlich festgehalten wurden,
nochmals bei der Übergabe besprochen.
9:30 – 14:30 Uhr: In dieser Zeit befinden
sich die Jugendlichen in der Regel in der
Schule oder in der Ausbildung. Diese
Stunden werden genutzt, um administra­
tiven Aufgaben nachzugehen. Ämter
müssen mit Informationen versorgt, Ter­
mine mit Schulen, Eltern und Vormün­
dern vereinbart sowie Anträge angefor­
dert und vorbereitet werden. Darüber
hinaus werden Berichte geschrieben,
Dienstpläne überarbeitet und fertig ge­
stellt sowie Abrechnungen erledigt.
Einmal in der Woche findet in der Zeit von
9:00 – 12:00 Uhr eine Teamsitzung statt,
Alle vier Wochen findet eine Supervision
von 11:30 – 13:00 Uhr statt.
6:30 – 9:00 Uhr: Es wird gefrühstückt
und hierbei abgeklärt, wie sich der Tag für
jeden Einzelnen nach der Rückkehr von
Schule oder Ausbildungsbetrieb gestaltet.
Termine werden abgesprochen und bei
Bedarf organisiert.
18
19:00 Uhr: Das gemeinsame Abendes­
sen findet statt. Hier wird der Tag reflek­
tiert und die Gestaltung der verbleiben­
den Freizeit besprochen.
20:00 – 23:00 Uhr: Nach dem Essen nut­
zen die pädagogischen Betreuer die Zeit,
um gemeinsam mit den Jugendlichen
Sport zu treiben, Gesellschaftsspiele zu
spielen, gemeinsam Fernsehen zu gucken
oder ihnen einfach nur zuzuhören. Später
wird für die Kollegen der Tagesplan mit
Informationen und Terminen für den
nächsten Tag vorbereitet. Sämtliche Ta­
gesgeschehnisse werden im Übergabe­
buch dokumentiert.
14:30 – 17:30 Uhr: Nach und nach füllt
sich das Haus wieder mit den Jugendli­
chen. Nun steht die Unterstützung bei
den Hausaufgaben im Vordergrund. Es
werden gemeinsam Termine wahrge­
nommen und Lebensmittel eingekauft. Es
ergibt sich Zeit für individuelle persönliche
Gespräche mit Mitbewohnern und päda­
gogischen Betreuern.
17:30 – 19:00 Uhr: Der „Nachtdienst“
bereitet das Abendessen für alle Hausbe­
wohner vor. Der wöchentlich ausgearbei­
tete Küchenplan legt fest, welcher Ju­
gendliche an welchem Tag beim Kochen
mithilft. Gerade in dieser ungezwun­
genen Atmosphäre entstehen gute Ge­
spräche.
23:00 Uhr: Offizieller „Feierabend“. Alle
Jugendlichen sind nun auf ihren Zimmern
und bereiten sich auf die Nachtruhe vor.
Bei Bedarf sind die pädagogischen Be­
treuer natürlich weiterhin ansprechbar,
ansonsten nutzen sie ihre Ruhezeit.
An den Wochenenden verbringen die Be­
treuer viel Freizeit mit den Jugendlichen.
In dieser Zeit stehen gemeinsame Aus­
flüge in die Region, Sport, gemeinsames
Kochen, Kinogänge oder andere Aktivitä­
ten auf dem Programm. Diese Zeit kann
auch für individuelle Gespräche, die sich
aus den Geschehnissen der vergangenen
Woche oder aus Vereinbarungen der
Teamsitzung ergeben, genutzt werden.
19
EIN JUGENDLICHER KLOPFT AN
// EINBLICKE IN DIE „STATIONÄRE JUGENDHILFE“
Herr Parpart, können Sie uns als
Bereichsleiter der „stationären Jugendhilfe“ in groben Zügen den Aufnahmeablauf eines Jugendlichen erläutern?
Gerne. Die Möwe wird über das Ju­
gendamt beauftragt. Die Jugendlichen
wenden sich in der Regel somit nicht
direkt an uns, sondern wir benötigen ei­
nen Auftrag des Jugendamts. Das heißt
nicht, dass Jugendliche, die uns kennen,
nicht den Wunsch äußern können, bei
uns untergebracht zu werden. Sheila
Böhm z.B., eine Ehemalige, die Sie in un­
serem Grußwort kennengelernt haben,
ist auf diesem Weg zu uns gekommen.
Das Jugendamt aber ist die vorgeschal­
tete Instanz. Es ermittelt den Bedarf und
entscheidet, ob die Jugendlichen ambu­
lant betreut werden sollen, da die Nähe
der Familie für die Maßnahme wichtig
ist, oder ob eine stationäre Unterbrin­
gung der Problematik der Jugendlichen
eher entspricht. Sobald das Jugendamt
feststellt, dass eine „Hilfe zur Erziehung“
angebracht ist, wird eine Anfrage an ei­
nen passenden Träger – wie die Möwe
– gestellt.
Das Jugendamt tritt häufig mit einer
telefonischen Anfrage an uns heran,
um herauszufinden, ob freie Kapazität
vorhanden ist. Trifft dies zu, so lasse
20
ich mir die entsprechenden Unterlagen
schicken. Dabei versuche ich anhand der
mir vorliegenden Daten einzuschätzen,
in welcher Wohngruppe dem Jugendli­
chen die aus seiner Sicht besten Entwick­
lungsmöglichkeiten geboten werden.
Hierbei spielt auch die Zusammenset­
zung der jeweiligen Gruppe eine nicht
zu unterschätzende Rolle. Die Jugendli­
chen müssen die Chance haben, mitein­
ander auszukommen, ansonsten riskiert
man, dass Ziele nicht erreicht werden
und wirft unter Umständen eine bis
dato funktionierende Gruppe in ihrer
Entwicklung zurück.
Auch die Zusammensetzung des Be­
treuerteams ist wichtig. Hier versuche
ich darauf zu achten, dass der junge
Mensch adäquate Ansprechpartner vor­
findet: Identifikationsfiguren, aber auch
Personen, an deren Ausrichtung er Rol­
len abarbeiten kann, die sein Leben be­
stimmen.
ihre Angebote bzw. ihre Anfragen und
Problematiken vor. Jeder gewinnt einen
detaillierten Eindruck vom anderen und
danach wird eine Bedenkzeit verein­
bart. In der nächsten Teamsitzung bera­
ten wir dann darüber, ob wir uns eine
Zusammenarbeit mit dem Jugendlichen
vorstellen können, und teilen dies dem
Jugendamt zeitnah mit. Der Jugendliche
selbst fällt dann die Entscheidung für
die Möwe oder für einen anderen
Träger.
Kommt es zur Zusammenarbeit, so
wird zum Aufnahmedatum des Jugend­
lichen in einem Hilfeplan festgelegt,
wie mit den aufgetretenen Problemen
umgegangen werden soll. Ziele wer­den definiert und ein zeitlicher Rahmen
festgelegt, in dem Zielerreichung bzw.
eintretender Fortschritt überprüft wer­
den. Der Hilfeplan wird immer an den
jeweiligen Entwicklungsstand des be­
treffenden Jugendlichen angepasst.
Die Verweildauer der Jugendlichen bei
der Möwe ist hierbei individuell. Sollte
nach erfolgter Verselbständigung weite­
rer Aktionsbedarf bestehen, so werden
die Jugendlichen, falls gewünscht, wei­
ter betreut. Hierfür wird dann erneut ein
gemeinsamer Hilfeplan erstellt.
Die Möwe betreibt eine „innengeleite­
te“ Wohngruppen, eine „Verselbstän­
digungswohngruppe“ sowie mehrere
Wohnungen für „sonstige betreute
Wohnformen“. Unsere praktische sozial­
pädagogische Arbeit hat ein vorrangiges
Ziel: Wir wollen Kinder und Jugendliche
in die Lage versetzen, ein eigenständiges
und sinnerfülltes Leben zu führen.
Komme ich schließlich zu dem Ergebnis,
dass wir dem Jugendlichen eine qualita­
tive Hilfestellung bieten können, so leite
ich die Unterlagen an die jeweilige Grup­
pe weiter. Diese vereinbart dann mit
dem Jugendamt einen Termin, an dem
alle Beteiligten teilnehmen. Während
dieses Treffens stellen sämtliche Parteien
21
UNSER BÜRO IN FRANKFURT AM MAIN STELLT SICH VOR
// DER AMBULANTE ZWEIG DER MÖWE
2010 trug der Jugendhilfeverein Möwe
Jonathan der Entwicklung Rechnung,
dass der ambulante Zweig des Vereins
überwiegend in der Region Frankfurt tä­
tig ist, und eröffnete eine Niederlassung
in der Schwarzburgstraße im Nordend.
Die Möwe präsentierte sich so dem Ju­
gendamt als „Frankfurter Träger“ und
hob ihren „Gaststatus“ in der Arbeits­
gemeinschaft nach § 78 SGB8 auf. 15
Mitarbeiter zogen an den Nibelungen­
platz, einem der verkehrsreichsten Kno­
tenpunkte Frankfurts, um hier in unmit­
telbarer Nachbarschaft der Jugendlichen
präsent zu sein und eine gemeinsame
Arbeit innerhalb der Niederlassung zu er­
möglichen.
Im Unterschied zum stationären Zweig
der Möwe, der weiterhin im Bad Vilbeler
Hauptsitz untergebracht ist und sich auf
22
die verschiedenen Betreuungskonzepte
von in Wohngruppen untergebrachten
Jugendlichen konzentriert, gehen die
Sozialpädagogen der Frankfurter Nieder­
lassung in die Familien hinein. Sie leisten
dort „Erziehungsbeistandsschaften“, „So­
zialpädagogische Familienhilfen“, „Inten­
sive Sozialpädagogische Einzelbetreuun­
gen“ sowie die „Sozialpädagogischen
Lernhilfen“.
Mit den Maßnahmen der „Erziehungs­
beistandsschaften“ versuchen die Päd­
agogen das Kind zu stärken. Im Fokus
der „Familienhilfe“ dagegen stehen die
ganze Familie sowie Strategien für ein
funktionierendes Miteinander. Bei der
„Intensiven sozialpädagogischen Einzel­
betreuung“ assistieren die Mitarbeiter der
Möwe den Jugendlichen innerhalb der
Elternwohnung oder aber bringen sie in
einer vom Verein finanzierten Wohnung
in Form des „Betreuten Wohnens“ unter.
Für die „Sozialpädagogische Lernhilfe“,
aber auch für andere Maßnahmenarten
stehen den Jugendlichen Computerplätze
in den Räumen der Möwe zur Verfügung,
an denen sie mit ihren Betreuern oder zu
verabredeten Zeiten auch alleine arbeiten
können.
In den Büroräumen der Möwe besteht
für die ambulant tätigen Sozialpädago­
gen die Möglichkeit, den administrativen
Part ihres „Jobs“ zu erledigen und sich
mit Kollegen, mit denen sie zum Teil im
Tandem arbeiten, auszutauschen. Alle
zwei Wochen finden hier Teamsitzungen
sowie regelmäßig Supervisionen statt.
Neben den Computerplätzen bietet das
Büro Raum für die gemeinsame Arbeit
mit den Jugendlichen.
Nachdem Herr J. Breunig die Gründung
der Frankfurter Niederlassung als Verant­
wortlicher für den ambulanten Bereich
begleitete – er ging 2011 in den wohl­
verdienten Ruhestand – leitet nun Frau
Dr. Wagner diese Dependance. Frau Dr.
Wagner ist ausgebildete Diplomsozial­
pädagogin und Erziehungswissenschaft­
lerin. Frau Wagner arbeitete zuvor für
andere große Träger und führte selbst
ambulante Hilfen durch.
Die Sozialpädagogen der Möwe betreuen
Jugendliche im Alter von 12–20 Jahren.
Sie unterstützten diese in der Lösung ihrer
Probleme und begleiteten sie auf ihrem
Weg in die Selbstständigkeit. Dabei zeigen
sich die Mitarbeiter der Möwe in Fachaus­
richtung und thematischen Schwerpunk­
ten genauso individuell wie die Jugendli­
chen, um die sie sich kümmern.
23
SPRACHROHR DER MITARBEITER
// DIE MAV DER MÖWE
Immer wieder willkommen sind die ge­
meinsam vom Vorstand und der MAV
organisierten Betriebsfeste oder Ausflü­
ge – sei es der gemeinsame Besuch der
Burgfestspiele oder auch der jährliche
Neujahrsempfang, der für viele Mitarbei­
ter bereits zum festen Bestandteil des
Vereins geworden ist.
Die Mitarbeiterver­tretung (MAV) des Ju­
gendhilfevereins Möwe Jonathan e.V. ist
seit dem Jahr 2001 aktiv. Aktuell setzen
sich die Vorsitzende, Frau Silvia Sann, die
bereits in der MAV des Kinder- und Ju­
gendheims Heilsberg tätig war, sowie
Herr Dieter Weckerle und Herr Janusz
Sapia für die Belange der Mitarbeiter
ein.
Das Tätigkeitsspek­trum ist vielfältig: Die
MAV ist zugleich Sprachrohr und bera­
tendes Organ der Mitarbeiter – sie fun­
giert aber auch als Informationsverteiler
innerhalb der Möwe. Die MAV nimmt ihr
Mitspracherecht und Mitwirkungsrecht
in Anspruch – insbesondere in Perso­
nalfragen – und sorgt für eine gute Zu­
sammenarbeit mit dem Vorstand sowie
gemeinsam mit diesem für ein harmoni­
sches Betriebsklima.
24
Eines der aktuellen Themen der MAV ist
die Einführung von Zeitwertkonten. Auf
Anregung der Belegschaft wurde diese
Thematik beim Vorstand eingebracht
und diskutiert. Die Einführung von Zeit­
wertkonten bietet den Mitarbeitern die
Möglichkeit, Arbeitszeit anzusammeln,
um diese für längere Auszeiten zu neh­
men oder eventuell auch früher in Rente
zu gehen. Die Belegschaft wurde in zwei
Mitarbeiter-Versammlungen über den
aktuellen Stand der Dienstvereinbarun­
gen zum Thema Zeitwertkonten infor­
miert. Ein Entwurf zur zukünftigen Rege­
lung liegt bereits vor und wird zurzeit
von der MAV überarbeitet.
Mit regelmäßigen Sprechstunden, ei­
nem „Schwarzen Brett“ sowie einem
Kummerkasten sichert die MAV ihre Er­
reichbarkeit für die Mitarbeiter und bit­
tet um eifrige Nutzung dieser Kontakt­
möglichkeiten. Natürlich stehen die
einzelnen Mitglieder auch für persönli­
che Anrufe zur Verfügung. Um den
Mitarbeitern der Möwe eine kontinuier­
lich hohe Beratungs- und Auskunftsqua­
lität zu sichern, nehmen die Mit­g­
lieder der MAV regelmäßig an Fort­
bildungen teil.
25
LEISTUNGSANGEBOT DER MÖWE JONATHAN
Erziehungsbeistandsschaften (§ 30 SGB VIII)
Unterstützen Kinder oder Jugendliche bei der
Bewältigung von Entwicklungsproblemen
unter Einbeziehung des sozialen Umfeldes unter
Erhaltung des Lebensbezugs zur Familie.
Intensive Sozialpädagogische
Einzelbetreuung (§35 SGB VIII)
Richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene,
die einer „intensiven Unterstützung“ zur sozialen Integration
und einer eigenverantwortlichen Lebensführung bedürfen.
Sozialpädagogische Familienhilfe
(§31 SGB VIII)
Unterstützt Eltern und Kinder durch
intensive Begleitung und Betreuung bei
der Lösung von familiären Problemen,
Konflikten und Krisen.
Verselbstständigungswohngruppe Bad Vilbel
Diese Wohnform über Tag und Nacht bietet mit
pädagogischen Angeboten die Möglichkeit einer
Entwicklungsförderung, sie ist zusammen mit dem
Betreuten Wohnen in der
Gruppe Pommernweg (§ 34 SGB VIII)
Eine, auf längere Zeit ausgelegte Lebensform,
die auf ein selbständiges Leben vorbereitet.
Betreutes Wohnen (sonstige
betreute Wohnformen) (§ 34 SGB VIII)
Hilfe zur Erziehung für junge Menschen,
die in trägereigenen Wohnungen auf ein
selbständiges Leben vorbereitet werden.
Apartmentwohngruppe
Dieses Angebot in Mühlheim richtet
sich an Jugendliche, die bereits über
ein gewisses Maß an Selbständigkeit verfügen.
Regionale
Projekte
...UND SIE BEWEGT SICH DOCH!
// ASPEKTE DER WECHSELWIRKUNGEN ZWISCHEN GESETZLICHER
VORGABE UND KINDER- UND JUGENDBERICHT
beitete 8. Kinder- und Jugendbericht aus
dem Jahr 1990 soll für diesen Vergleich
herangezogen werden, da er sich u.a.
auf die Jugendhilfe bezieht. Im Rahmen
einer Imagebroschüre können natürlich
nur Teilaspekte dieses Vorhabens skiz­
ziert werden.
Frau Dr. Jutta Wagner
ist ausgebildete Diplomsozialpädagogin
und Erziehungswissenschaftlerin
und leitet seit 2011 die Niederlassung
„der Möwe“ in Frankfurt am Main.
Vor wenigen Wochen wurde der 14.
Kinder- und Jugendbericht veröffent­
licht. Dieser alle vier Jahre im Auftrag der
Bundesregierung erstellte Bericht (§ 84
SGB VIII) über die Lebenssituation von
Kindern und Jugendlichen in Deutsch­
land wird von einer mit namhaften Wis­
senschaftlern besetzten Sachverstän­
digenkommission verfasst. In diesem
Jahr wird, wie bei jedem dritten Bericht
vorgeschrieben, ein besonderes Augen­
merk auf die Kinder- und Jugendhilfe
gelegt.
Der 14. Kinder- und Jugendbericht er­
kennt als zentrale Entwicklung einer
verstärkten öffentlichen Verantwortung
den Ausbau der Kindertageseinrichtun­
gen und Ganztagsschulen sowie die
Etablierung der „Frühen Hilfen“ (Deut­
scher Bundestag 1990, S. 38), während
Die Möwe Jonathan hat es sich vor gut
einem Vierteljahrhundert zur Aufgabe
gemacht, einen Beitrag zur Verbesse­
rung der Situation junger Menschen zu
leisten. Da liegt die Idee nahe, die im
aktuellen Bericht widergespiegelte Be­
standsaufnahme mit einem Bericht aus
den Ursprüngen des Jugendhilfevereins
Möwe Jonathan zu vergleichen und die
unter Umständen markantesten Aufga­
ben für die Zukunft zu benennen. Der
unter der Mitwirkung von Hans Thiersch
(lebensweltorientierte Sozialarbeit) erar­
8. Kinder- und Jugendbericht (1990)
Der grundlegende Unterschied bei­
der Berichte besteht darin, dass der im
Jahr 1990 verfasste 8. Kinder- und Ju­
gendbericht noch auf der gesetzlichen
Grundlage des JWG (Jugendwohlfahrts­
gesetz) erstellt wurde. Das neue KJHG
(Kinder- und Jugendhilfegesetz) schreibt
Prävention, Freiwilligkeit, Partizipation
und sozialpädagogische Standards vor,
Elemente, die der 8. Bericht vorschlug.
im Bericht von 1990 noch die fehlende
soziale Infrastruktur – insbesondere hin­
sichtlich der Kinderbetreuung im Kinder­
gartenalter – beklagt wird (Deutscher
Bundestag 1990, S.198). Den Zahlen
des statistischen Bundesamts zufolge
standen im Jahr 1986 Kindern unter
3 Jahren 28.353 Kindergartenplätze zur
Verfügung, während sich diese im Jahr
2012 bereits auf 55.800 beliefen. Leider
sind die Zahlen nur bedingt aussage­
14. Kinder- und Jugendbericht
28
29
fähig, da die Statistik aus dem Jahr 1986
ausschließlich die alten Bundesländer
betrifft. Es kann jedoch festgehalten
werden, dass die Zahl der Kindergarten­
plätze erheblich gestiegen ist.
Dennoch können viele Kommunen der
Forderung des Kinderförderungsgeset­
zes (KiföG) nicht nachkommen und wie
angestrebt im September dieses Jahres
allen unter Dreijährigen einen Betreu­
ungsplatz anbieten. Problematisch ge­
staltet sich auch die Situation für Kinder
aus Migrantenfamilien. Hier werden sig­
nifikant weniger Kitaplätze in Anspruch
genommen, obwohl gerade Kinder, in
deren Elternhaus kein Deutsch gespro­
chen wird, die Förderung in den Kitas
mit ihrem spielerischen Erlernen der
deutschen Sprache benötigen.
Im Jahr 1990 sah die Sachverständi­
genkommission in ihrem Bericht als Vo­
raussetzung für eine Verbesserung der
Lebensbedingungen die Aufnahme von
Leistungsstandards in ein neu zu fas­
sendes Jugendhilfegesetz (Deutscher
Bundestag 1990, S. 198) vor. So wer­
den im KJHG sozialpädagogische Stan­
dards explizit im Gesetzestext erwähnt,
beispielsweise die „Hilfe zur Selbsthil­
fe“ (§31) oder die „Unterstützung zur
Integration und eigenverantwortlicher
Lebensführung“ (§34). Im Jahr 2013
30
gehören Standardisierungen zum Alltag
der Sozialpädagogik. Allerdings zeigt sich
heute, dass nicht jede Standardisierung
eine positive Auswirkung auf den Hilfe­
verlauf nimmt. So konnten zum Beispiel
Albus et al (2010, S. 165) nachweisen,
dass „s.m.a.r.t.“ (spezifisch, messbar, ak­
zeptiert, realistisch und terminierbar) for­
mulierte Hilfeplanziele „eine Eigenlogik
in den Handlungsformen entfalten, die
der Komplexität des Hilfeprozesses und
seiner Ergebnisse nicht gerecht werden“.
Standardisierungen dienen heute der Ver­
gleichbarkeit von Leistungen und Kosten
in der Jugendhilfe, wobei professionelle
Standards nicht zwingend mit diesen
übereinstimmen. Hieraus ergibt sich die
Suchrichtung für die Zukunft: Differen­
zierung von professionellen Standards
und Standards zur Wirtschaftlichkeit so­
wie die Identifikation der Wechselwir­
kungen zwischen beiden. Unter Trans­
parenz, Partizipation und Kooperation
werden im 1990 erstellten 8. Kinder- und
Jugendbericht zum einen Offenheit und
Zugänglichkeit der Verhandlungen, zum
anderen gesichertes Mitspracherecht
der Adressaten und schließlich die Über­
prüfbarkeit der Absprachen zwischen
Kommunen und den freien Trägern ver­
standen (Deutscher Bundestag 1990, S.
201). Der 14. Kinder- und Jugendbericht
sieht als Erfolgsfaktoren für gelingende
Jugendhilfemaßnahmen:
• das Ausmaß, in dem Kinder, Jugend­
liche und Eltern sich beteiligt fühlen,
die Qualität der Arbeitsbeziehung
•
zwischen Fachkraft und jungen Men­
schen,
• die Verbindlichkeit gemeinsamer Ver­
fahrensregeln im Hilfeprozess sowie
die Qualität der Kooperation zwischen
den beteiligten Trägern (Jugendamt
– freie Träger) (Deutscher Bundestag
2013, S. 398).
Bis auf die „Qualität der Arbeitsbezie­
hung“, die meines Erachtens nicht nur
grundlegend für eine gelingende Hilfe
ist, sind die als günstig identifizierten
Faktoren identisch. Mit dem Wunschund Wahlrecht oder der Beteiligung der
Klienten an der Hilfeplanung oder den
Arbeitsgemeinschaften nach §78 KJHG
wurde der ernsthafte Versuch unter­
nommen, diese Elemente gesetzlich zu
verankern. Kritisiert wird jedoch im 14.
Kinder- und Jugendbericht die Umset­
zung in der Praxis: die Zusammenarbeit
zwischen öffentlichen und freien Trä­
gern ähnelt einem Auftragsverhältnis
(Deutscher Bundestag 2013, S. 40).
Die Jugendhilfe, so heißt es im 14. Kin­
der- und Jugendbericht (Deutscher Bun­
destag 2013, S. 47), sei in der Mitte der
Gesellschaft angekommen. Unter den
gegebenen Bedingungen könne aber
nicht vom Aufwachsen als natürlichem
Prozess ausgegangen werden (Deut­
scher Bundestag 2013, S. 363), gelin­
gende Erziehung bedürfe der Schaffung
guter Lebensbedingungen für Eltern und
Kinder. Dies könne nur gelingen, solange
Politik und Fachpraxis zusammenarbei­
ten. Der 17. Kinder- und Jugendbericht
könnte dann feststellen, dass Politik und
Fachpraxis ebenso viele Anregungen aus
dem 14. Kinder- und Jugendbericht in
die Praxis der Jugendhilfe übernommen
haben wie aus dem 8. Kinder- und Ju­
gendbericht.
Stefanie Albus,
Heike Greschke,
Birte Klingler,
Heinz Messmer,
Heinz-Günter Micheel,
Hans-Uwe Otto und
Andreas Polutta.
2010:
Wirkungsorientierte Jugendhilfe
Deutscher Bundestag,
2013:
14. Kinder- und Jugendbericht
Deutscher Bundestag,
1990:
8. Kinder- und Jugendbericht
31
WO DIE MÖWE ZU HAUSE IST
// BAD VILBEL-HEILSBERG
„Boy´s Town Ger­
many“ war geboren
und bot verspreng­
ten Jungen eine ers­
te Heimat nach den
Schrecken des Zweiten Weltkriegs.
Im Jahr 1957 entwickelte sich aus der
Barackenstadt ein Lehrlingsheim für ca.
60 Auszubildende. Zeitgleich mit der
Heimreform fand auf dem Heilsberg der
Umbruch zur Heimerziehung statt.
Unser Verein Möwe Jonathan hat seine
Wurzeln in der Jugendheimstatt Heils­
berg. Diese erste Jugendhilfe-Maßnah­
me wurde am 9. April 1947 im Zusam­
menwirken mit dem „Evangelischen
Hilfswerk“, der Schweizer „Jungen Kir­
che“ und dem „709. Bataillon“ der ame­
rikanischen Armee als „Jugendheim­
statt“ ins Leben gerufen.
Ziel war es, obdachlosen, verwahrlosten
Jungen aus den Ruinen der Stadt Frank­
furt eine Heimat und eine Orientierung
zu geben. Diese jungen Menschen fan­
den ein Stück neue Heimat in zwei Py­
ramidenzelten, die sich aufgrund des
enormen Zulaufs rasch in eine Zeltstadt
und dann in ein Barackencamp verwan­
delten.
32
Nach ihrer Gründung im Jahr 1977
zeichnete die Gesellschaft für diako­
nische Einrichtungen in Hessen und
Nassau mbH (GfDE) als Träger für das
Kinder- und Jugendheim Heilsberg ver­
antwortlich.
Aus dieser Einrichtung heraus gründete
sich 1987 der Verein Möwe Jonathan
e.V., um in Zusammenarbeit mit der
GfDE innovative Maßnahmen in der Ju­
gendhilfe Heilsberg zu wagen. Stammund Verwaltungssitz für den jungen
Verein erhielt die Möwe Jonathan erst
in einem Büroraum, später in einem Ne­
benhaus des Kinder- und Jugendheims
in der Pestalozzistraße auf dem Heils­
berg, einem Stadtteil von Bad Vilbel.
Da die GfDE ihren Schwerpunkt in der
Altenhilfe sieht, erhielt die Möwe im
Jahr 2001 die Gelegenheit, das Kinderund Jugendheim in seine mittlerweile
fest etablierte und erfolgreiche Jugend­
hilfearbeit zu integrieren.
Somit wurde die Tradition der Jugend­
hilfe Heilsberg fortgesetzt und konnte
sogar ausgebaut werden.
Die Möwe mietete in der Folgezeit
Wohnungen an und kaufte Häuser, um
seinen anvertrauten Jugendlichen in
nachbarschaftlicher Umgebung zu den
anderen Bürgern der Stadt in verschie­
denen Betreuungsformen eine Heimat
und ein Stück Geborgenheit zu geben.
Das klassische Heim war somit einer de­
zentralen Betreuungsform gewichen. In
das ausgediente Gebäude des ehemali­
gen Kinder- und Jugendheimes zog das
Altenzentrum Heilsberg ein.
Geblieben auf dem historischen Boden
des ehemaligen „Boy`s town“ ist die Ver­
waltung unserer Jugendhilfeeinrichtung,
und das ist gut so.
In einem der ältesten Gebäude aus der
Gründerzeit des Heilsbergs, in dem vor
nunmehr fast 26 Jahren unsere Jugend­
hilfearbeit begann, gab uns die GfDE
nun die Gelegenheit, unsere Verwal­
tungsarbeit langfristig fortzusetzen und
damit ein Stück Identität zu bewahren.
Dafür haben wir gerne unsere Ärmel
hochgekrempelt, um in einer Symbiose
aus gewachsenen Gemäuern und neuer
Technik „das Möwe-Stammhaus“ ent­
stehen zu lassen.
Hierbei wurden wir von dem Grundsatz
geleitet, dass nur dort ein Stamm wohl
gedeihen kann, wo er durch kräftige
Wurzeln getragen wird, nämlich in der
Tradition der Jugendhilfe Heilsberg.
Diese bleibt somit lebendig und hat
sich an einem historischen Standort im
schönen Wetteraukreis eine Heimat ge­
geben, erhalten und ausgestaltet – nicht
nur für administrative Aufgaben.
B. Fiebig
Vorstand
33
GUTES TUN
// WIE SIE DIE MÖWE UNTERSTÜTZEN KÖNNEN
Was haben Joachim Llambi, die Frank­
furter Rundschau, der Kabarettist Micha­
el Quast, die Firma Küchen-Walther, der
Verein zur Sport- und Kulturförderung
Bad Vilbel e.V., die Sparkasse Oberhessen,
die Firma Schiller-Fleisch GmbH & Co.KG,
der Lions-Club Bad Vilbel-Wasserburg,
das Fitness Studio Netzwerk-Körper und
das Oberhessische Blechbläser Ensemble
gemeinsam?
Jeder von Ihnen hat die Bedürfnisse und
Notwendigkeiten in der Jugendhilfearbeit
erkannt und einen ganz individuell gestal­
teten Beitrag zum Wohle der uns anver­
trauten jungen Menschen geleistet.
Michael Quast las zum Beispiel in einer
Euro zu überreichen. „Das ist zwar nicht
viel, aber für mich eine entbehrliche Grö­
ße!“ bekamen wir zu hören, und sie fän­
de es klasse, was wir hier leisten würden.
Gerade auch diese so genannten „klei­
nen“ Gesten lassen unsere Herzen höher
schlagen und bestätigen: Unsere Arbeit
wird gebraucht, sie ist generationsüber­
greifend und findet Beachtung.
Benefizveranstaltung eine Passage aus
dem Buch „Möwe Jonathan“ von Richard
Bach. Die Firma „Küchen-Walther“ hilft
uns bei der Einrichtung von vereinsei­
genen Wohnungen und bietet Ausbil­
dungsplätze für unsere Jugendlichen an.
Joachim Llambi spendete großzügiger­
weise der Möwe seinen Gewinn aus der
Veranstaltung „Promi-Dinner“. Ebenso
stellte das Team von „Netzwerk-Körper“
unserem Verein einen Teil seiner Mel­
degebühren aus dem Nikolaus-Lauf zur
Verfügung. Für Bildung und aktuelle In­
formation versorgt uns die „Frankfurter
Rundschau“ mit Abonnements ihrer Ta­
geszeitung, und der „Lions-Club Bad Vil­
bel-Wasserburg“ ermöglichte einem Teil
Als besondere Wertschätzung unserer
zumeist schwierigen und von viel Idealis­
mus getragenen Arbeit sehen wir, wenn
ehemalige Jugendliche Kontakt zu ihren
Betreuern halten oder sogar durch ihre
Mitgliedschaft unserem Verein ein Stück
Anerkennung zurückgeben.
Tatsache ist, dass nicht jeder Mensch
auf der Sonnenseite des Lebens geboren
wird. Aber das muss noch lange nicht
heißen, dass man ihn im Schatten stehen
lässt.
„unserer“ Jugendlichen eine Segelfreizeit
auf dem Ijsselmeer.
Nicht zu vergessen sind die vielen indivi­
duellen Spender. So zahlte ein Heilsber­
ger seinen „Geburtstagserlös“ auf unser
Konto ein, und ein wunderbares Erlebnis
widerfuhr uns in der Adventszeit, als eine
betagte Dame aus dem benachbarten
Altenzentrum den Weg in unsere Verwal­
tung fand, um uns eine Spende über 20
34
Schön wäre es, wenn auch Sie einen Weg
fänden, mit Ihren Möglichkeiten den uns
anvertrauten jungen Menschen Gutes zu
tun.
Wir freuen uns auf Sie – sprechen Sie uns
an.
B. Fiebig
Vorstand
35
DER AUFSICHTSRAT HAT DAS LETZTE WORT
// ENTWICKLUNGEN IN DER JUGENDHILFE
Ferdinand Klehm leitete 21 Jahre
das Kinder- und Jugendheim Bad Vilbel-Heilsberg.
1987 gründete er gemeinsam mit anderen
Heimleitern den Jugendhilfeverein Möwe Jonathan e.V.,
in dessen Aufsichtsrat er seit 2005 aktiv ist.
Herr, Klehm, Sie haben jahrelang in
der Jugendhilfe gearbeitet – welche
Entwicklung sehen Sie für die Zukunft
voraus?
Nun, zuerst einmal möchte ich betonen,
dass sich nicht nur mein Engagement in
der Jugendhilfe trotz aller Schwierigkei­
ten und Widerstände auf alle Fälle ge­
lohnt hat. Egal, wie vielen Kindern und
Jugendlichen wir letzten Endes geholfen
haben, sich in ihrem Leben zu behaup­
ten – der Einsatz hat sich für alle diese
jungen Menschen ausgezahlt.
Um nun die Entwicklung der Jugendhilfe
zu betrachten, müssen wir in die Zeit der
70er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück­
gehen, zu den „alten Heimerziehungs­
strukturen“. Die vorrangige Aufgabe
damals bestand darin, genau diese auf­
zubrechen. Ziel war es, andere, innovati­
ve und individuelle Erziehungsangebote
zu formulieren und natürlich an deren
Umsetzung zu arbeiten. Beispielsweise
wurden in dieser Zeit verstärkt größere
36
Heimeinheiten durch kleinere Wohn­
formen und Einzelbetreuungsangebote
ersetzt.
Die Frage nach der Zukunft der Jugend­
hilfearbeit beschäftigte mich kontinuier­
lich in den letzten 30 Jahren. Wenn ich
persönlich eine Stagnation befürchtete,
fanden sich jedoch immer wieder Ein­
richtungen, die kreative, am Menschen
orientierte neue Ansätze präsentierten
und so die Jugendhilfe voranbrachten.
Und das, obwohl jahrelang Jugendhil­
femaßnahmen rapide abgebaut wurden
und die Jugendhilfelandschaft sich da­
durch nachhaltig veränderte. Es gab eine
Zeit, in der große Träger zurückstecken
mussten und zahlreiche kleinere Träger –
wie die Möwe – entstanden. Dabei wur­
den insgesamt nicht weniger, sondern
mehr Jugendliche gefördert. Das gelang,
indem der Reduktion der „teuren“ stati­
onären Unterbringung der Jugendlichen
ein größeres Angebot an ambulanten
Maßnahmen entgegengesetzt wurde.
Der Bedarf an Hilfe bleibt unverändert
groß und vor allem gesellschaftlich be­
dingt. Die Verarmung der Menschen
nimmt zu. Arbeitslosigkeit, Hartz IV und
Migration sind hier wichtige Stichworte.
Auf die Zukunft gesehen wird meiner
Ansicht nach der Bedarf an Förderung
von Familien und Kindern noch weiter
steigen.
Ich persönlich wünsche mir, dass trotz
oder gerade wegen der angespannten
finanziellen Lage der öffentlichen Haus­
halte der Kreise und Städte die Notwen­
digkeit erkannt wird, Kinder und Jugend­
liche möglichst früh und umfassend zu
fördern, um hierdurch immense Folge­
kosten zu vermeiden.
Gleichzeitig wünsche ich mir für die
Möwe, dass sie getreu ihrem Namens­
geber, der Möwe Jonathan aus dem
Buch von Richard Bach, immer wieder
ihre Grenzen ausprobiert, sich neue Ziele
setzt und den Mut zu Innovationen nicht
verliert. Die Möwe darf sich dabei auf
dem Erreichten nicht ausruhen, sondern
muss weiter nah am Menschen kluge
Maßnahmen entwickeln, um diesen in
die Lage zu versetzen, „den Blick zu he­
ben und keine Grenzen zu sehen.“
37
BEITRITTSERKLÄRUNG
// FÖRDERMITGLIED
IMPRESSUM
Bitte Seite an 06101 80318-19 faxen oder Seite abtrennen und per Post an
Möwe Jonathan e.V., Pestalozzistraße 8, 61118 Bad Vilbel schicken.
Herausgeber
Möwe Jonathan –
Verein zur Förderung der Jugendhilfe
und Erwachsenenbildung e.V.
Ich möchte Mitglied im Möwe Jonathan e.V. werden.
Einzugsermächtigung
Hiermit ermächtige ich den Möwe Jonathan e.V. widerruflich,
den satzungsgebundenen Mitgliedsbeitrag mittels Lastschrift einzuziehen.
EinzugsrhythmusBeitragshöhe
jährlich
normal (30,– EUR/Jahr)
jährlich
Familie (50,– EUR/Jahr)
jährlich
Einrichtungen (77,– EUR/Jahr)
Redaktion
Anette Vrijaldenhoven
Burkhard Fiebig
Karl Klefenz
Für juristische Personen gelten andere Konditionen.
Lektorat
Christa Falk
Dr. Anne Holtmann-Mares
Dr. H.J. Tober
Name, Vorname
Fotos
Möwe Jonathan e.V.
Straße, Hausnummer
Aufsichtsrat
Ferdinand Klehm,
Postleitzahl, Ort
Selbstständiger Unternehmer, Werdum
Vorstand
Burkhard Fiebig
Kaufmann, Bad Vilbel
Karl Klefenz
Sozialpädagoge und Sozialarbeiter, Marburg
Kontakt
Pestalozzistr. 8, 61118 Bad Vilbel
Telefon 06101 80318-0,
Fax 06101 8031819
[email protected],
www.moewe-jonathan.de
Spendenkonto
Sparkasse Oberhessen, Konto
104000860, BLZ 518 500 79
Wir danken der Sparkasse Oberhessen
für Ihre großzügige Unterstützung.
Rüdiger Rohe,
TelefonE-Mail
Vorstand des St. Elisabeth Verein e.V., i.R.
Hannelore Rabl,
Bank
BankleitzahlKontonummer
Kontoinhaber
Ort, Datum, Unterschrift
Ehrenamtliche Stadtverordnete
(Fraktionsvorsitzende) Bad Vilbel,
Ehrenamtliche Kreisbeigeordnete
Jürgen Wiegand,
Rechtsanwalt Bad Vilbel
Karl-Heinz Schulz,
Rechtlicher Betreuer Bad Vilbel
Bitte senden Sie mir Informationsmaterial über den Verein zu.
Wir freuen uns auch über Einzelspenden und stellen Ihnen gern eine Spendenquittung
aus: Sparkasse Oberhessen, Konto 104000860, BLZ 518 500 79.
Möwe Jonathan Verein zur Förderung der Jugendhilfe und Erwachsenenbildung e.V.
Pestalozzistraße 8, 61118 Bad Vilbel, Telefon 06101 80318-0, Telefax 06101 80318-19, www.moewe-jonathan.de
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Wir geben seit 1987 jungen Menschen
eine Perspektive und unterstützen
sie auf ihrem Weg zu einem
eigenständigen und sinnerfüllten Leben
www.moewe-jonathan.de
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