Frauen- und männerspezifische Aspekte bei Trauma und Sucht

Frauen- und männerspezifische
Aspekte bei
Trauma und Sucht
Dr. med. Margot Lückenbach
Evangelische Fachklinik Heidehof, Weinböhla
Trauma
Wenn eine bedrohliche Situation die Bewältigungsmöglichkeiten massiv
überfordert, so dass es zu Gefühlen von Hilflosigkeit und einer dauerhaften
Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses kommt.
Fischer u. Riedesser, 2003
Trauma
Einteilung traumatischer Erlebnisse nach Terr, 1991
Typ I Trauma
(kurzdauernd)
Typ II Trauma
(langdauernd,
wiederholt)
„Schicksalhaft“
„Durch Menschen“
-Verkehrs-/Arbeitsunfälle
-Berufsbedingte Traumata
(Polizei, Feuerwehr..)
-Naturkatastrophen
-Vergewaltigung
-Körperliche Gewalt,
Überfälle
-andere zivile
Gewalterlebnisse (z.B.
Geiselnahme)
-Langanhaltende
Naturkatastrophen (Flut,
Erdbeben)
-Gewalt in der Kindheit/
Bindungstraumatisierung
-Folter, politische
Inhaftierung
Trauma
Sexuelle Gewalt
Körperliche Gewalt
Aktive
Formen
Emotionale Gewalt
Emotionale Vernachlässigung
Physische Vernachlässigung
Passive
Formen
Gewalt im sozialen Umfeld - Traumatisierung und Sucht
Studien belegen, dass traumatische Ereignisse lange nachwirken und zu
süchtigem Verhalten führen können. Studien mit Alkoholabhängigen und
Drogenabhängigen belegen, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen
Gewalterfahrungen in der Kindheit/frühen Jugend und Sucht
Ein hohes Risiko tragen vor allem Menschen, die bereits in ihrer frühen
Kindheit wiederholt und massiv körperliche oder sexuelle Gewalt erlebt oder
beobachtet haben
Mädchen/Frauen sind besonders gefährdet durch sexuelle Gewalt
(Schröttle & Müller, 2004)
Männer werden auch Opfer von sexueller Gewalt: Bange und Deegner (1996)
stellten fest, dass in Deutschland etwa jeder 12. Junge (8,3%) sexuelle Gewalt
erfährt
Gewalt im sozialen Umfeld - Traumatisierung und Sucht
Erlebte sexuelle Gewalt (sexuelle Gewalt in der Kindheit, Vergewaltigung) hat
die höchsten Werte hinsichtlich der Entwicklung einer Posttraumatischen
Belastungsstörungen (PTSB). (Siol et al., 2001; Flatten, 2011)
Der Anteil der Süchtigen in Behandlungsinstitutionen mit (sexueller)
Gewalterfahrung in Kindheit/früher Jungend variiert zwischen 20% und 80%.
(Hien, 2009)
Stark gefährdet sind zudem Soldaten angesichts der oft brutalen Kriegsgewalt.
Entstehungsursache von Sucht
Prämorbide Persönlichkeit
Heredität
Frühkindliches Milieu
Sexuelle Entwicklung
Erwartungserhaltung
Person
Art der Applikation
Dosis
Dauer
Griffnähe
Gewöhnung
Droge
Umwelt
Familiäre Situation
Beruf
Wirtschaftslage
Sozialstatus
Gesetzgebung
Religion
Werbe- und
Modeeinflüsse
Kielholz & Ladewig, 1973
Veränderung der Gehirnstrukturen bei depressiven und
Menschen mit PTBS (UKD Dresden)
Geschlechtsrollenstereotypen und Traumabewältigung
Innitialeffekte auf das sexuelle Trauma sind bei beide Geschlechte gleich
"Kleine Mädchen und Jungs reagieren ähnlich. Bald nach dem Geschehen
verdrängen und verleugnen sie, was ihnen passiert ist„ erklärt Silke Gahleitner,
Traumaexpertin an der Berliner Alice-Salomon-Fachhochschule.
Unterschiede ergeben sich in der Langzeitauswirkung und deren Verarbeitung.
So scheinen das Verharren in Geschlechtsrollenstereotypen den
Bewältigungsprozess zu beeinflüssen.
Jungen seien dann eher extrovertiert, Mädchen nach innen gewandt.
Jungen erzählen oft von Täterphantasien, von aggressiven Bedürfnissen oder
ausgelebter Aggression.
Die Mädchen beschreiben den sexuellen Missbrauch als einen Elefanten auf
ihrer Lebensstraße, an dem sie einfach nicht vorbeikämen, fühlen sich
wie gelähmt.
Geschlechtsrollenstereotypen und Traumabewältigung
Gesellschaftliches Problem:
Frauen wird der Opferstatus zugewiesen, Männern wird diese doch verwehrt.
Frauen lassen die Chance das Trauma
biographische „sinnstiftend“ zu verarbeiten
häufig ungenutzt, was zu einer Opferkarriere
führt. Die Verantwortungsübernahme – nicht
für das Geschehen aber für Ihre weiteres
Leben – scheint Frauen eine ähnliche
Stagnation zu drohen wie Männer die in
Aggression, harten Drogen und/oder
Kriminalität verhaftet bleiben.
„Porträit einer Säuferin“ (1923)
Hans Baluschek
Geschlechtsrollenstereotypen und Traumabewältigung
Bei Männerstereotypen Rollenbild
Männer zeigen Stärken und können
sich selbst schützen. Sie dürfen
keine Angst oder Gefühle zeigen,
immerhin einen klaren Kopf haben
und müssen problemlos
Schwierigkeiten meistern und
Kontrolle über Emotionen behalten.
Gleichzeit ist schwierig für Männer
nach erlebter sexuelle Gewalt
Verletzungen zuzugeben, darüber zu
sprechen oder sich Hilfe zu suchen,
um nicht als unmännlich zu gelten.
Darüber hinaus, Angst vor
Homosexualität führt zum Leugnen
der sexuellen Gewalterfahrung.
„Der Säufer“ (1804)
Georg Emanuel Opiz
Geschlechtsunterschiede und Vorurteile
Die Geschlechtsspezifische Unterschiede in Folgeerscheinigungen wirken in
der Bewältigungsstrategien.
Die „Sei ein Mann“-Schublade
Männer sind
Gefühle
Männer
der Ernährer
Verwirrung
haben keine Gefühle
gewalttätig
Wut
stehen für sie ein
Tyrannen
Angst
schreien andere an
hart
Scham
machen keine Fehler
wütend
Einsamkeit
halten viel aus
aktiv
Dummheit
weinen nicht
stark
Ohnmacht
übernehmen Verantwort
erfolgreich
Verletzlichkeit
benutzen ihre Ellbogen
kontrolliert
Rache
wissen viel über Sex
Frauen überlegen
Hoffnungslosigkeit
kümmern sich um andere
Wertlosigkeit
Geschlechtsrollenstereotypen und Traumabewältigung
Während Frauen zunächst mehr von psychosomatische Erscheinungen,
Tablettenkonsum und autoaggressive Verhaltensweise berichten und Männer
mehr von aggressive Verhalten, Delinquenz und hartem Drogenkonsum.
Je intensiver die Gewalterfahrung von Frauen desto größer die Vulnerabilität
für die Entwicklung auch von Drogenabhängigkeit.
Traumatisierung und Sucht
Gewalterlebnisse bei Alkoholabhängigen im qualifizierten Entzug
(UKE Hamburg)
(n=270)
Traumatisierung und Sucht
Gewalterlebnisse bei Opiatabhängigen
Substanzen können helfen…
• negative Gefühle zu dämpfen
• positive Gefühle zu erleben
• Kontakt mit Menschen auszuhalten
• „Suizid auf Raten“ zu begehen
• Sexualität zu leben
• sich am Täter zu rächen
• sich einigermaßen normal zu fühlen
• zu zeigen, wie schlecht man sich fühlt, wenn die Worte dafür fehlen
• Leistungsfähigkeit zu steigern
• Kontrolle zu bekommen
Zugang zu Suchtmitteln
Frauen sagen,
• dass sie zum exzessivem Drogenkonsum durch Freunde und Nachbarn
verführt worden sind;
• dass sie auf kritische Lebensereignisse, insbesondere durch sexuelle Gewalt,
mit Konsumexzessen reagiert haben, was schnell zu chronischer Sucht geführt
habe.
Männer sagen,
• dass sie sich ihren Freundeskreise aussuchen, in denen sie konsumieren. Sie
werden nicht verführt;
• dass das Leben für und mit Drogen aufregend ist und dass der Konsum der
Drogen bei ihnen Glücksgefühle auslöst, die umwerfend sind.
Geschlechtsrollenstereotypen und Traumabewältigung
Männlichkeitsanforderungen
Psychotherapieanforderungen
Verbergen privater Erlebnisse
Preisgeben von privaten Erlebnisse
Bewahren von Kontrolle
Aufgabe von Kontrolle
Sexualisierung von Intimität
Nichtsexuelle Intimität
Zeigen von Stärke
Zeigen von Schwäche
Ausdruck von Stolz
Erleben von Scham
Zeigen von Unbesiegbarkeit
Zeigen von Verletzlichkeit
Selbständigkeit
Hilfesuche
Stoizismus
Gefühlausdruck
Aktion
Introspektion
Vermeidung von Konflikten
Ansprechen von Beziehungsproblem
Verleugnen von Schmerz
Auseinandersetzung mit Schmerz
Beharrlichkeit
Akzeptieren von Misserfolgen
Vortäuschen von Allwissenheit
Eigenstehen von Unwissenheit
Brooks, 1998; zit. nach Neumann & Süfke, 2004
Vielen Dank!