Verhaltenswissenschaftl. Entscheidungstheorie l wichtige Vertreter: Chester Barnard, Herbert Simon, James March l Ansatzpunkt der Organisationsanalyse = Entscheidungsprozesse l Entscheidungsverhalten, nicht Entscheidungslogik l Bestand der Organisation hängt vom Entscheidungsverhalten der Organisationsmitglieder ab, dieses ist zweifach begrenzt: – kognitiv: beschränkte Rationalität à Entscheidungen in Organisationen – motivational: beschränktes Engagement (Teilnahme- und Beitragsentscheidungen) Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 1 Organisationsbegriff Eine Organisation ... l ist ein unpersönliches Handlungssystem mit eigenen (Überlebens)Zielen l besteht aus Handlungen (≠ Personen, Maschinen, Gebäuden, ...) l Handlungen der Teilnehmer: Beschäftigte, Aktionäre, Lieferanten, etc. l Menschen sind Teil der Organisationsumwelt (Mitglieder vieler Organisationen) l bewahrt ihre Identität auch bei Personalwechsel l beeinflusst als Kontext Entscheidungsprozesse Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 2 Bestandssicherung der Organisation Anreiz-BeitragsAnreiz-BeitragsGleichgewicht Gleichgewicht TeilnahmeTeilnahmeund undBeitragsBeitragsentscheidungen entscheidungen Bestand/ Überleben der Organisation Besonderheit Besonderheitdes des Arbeitsvertrages Arbeitsvertrages Wolfgang Elšik Herrschaft Herrschaft VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 3 Anreiz - Beitrags - Gleichgewicht l Organisationen motivieren Individuen durch Anreize zur Teilnahme. l Durch die Teilnahme leisten die Individuen Beiträge an die Organisation. l Die Organisation wandelt die erhaltenen Beiträge in gewährte Anreize um. l Die Organisation ist überlebensfähig, so lange sie für ihre Mitglieder ein Gleichgewicht von Befriedigung (= Anreizgewährung) und Belastung (= Beitragsforderung) herstellen und aufrechterhalten kann. l 2 Strategien zur Herstellung des Anreiz-Beitrags-Gleichgewichts: – Anbieten von materiellen und immateriellen Anreize – Beeinflussung der Bedürfnisse und Nutzenfunktionen der Mitglieder: Kündigung(-sdrohung), Selektion, Werbung Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 4 Herrschaft l Arbeitsvertrag: – inhaltlich unterbestimmt – das einseitige Recht zur Spezifikation durch den Arbeitgeber konstituiert Hierarchie und Herrschaft (Direktionsrecht) l Herrschaft: – Akzeptanz der Beherrschten, dass andere über ihr Handeln bestimmen – bedeutet (teilweisen) Verzicht auf kritisches Urteils- und Entscheidungsvermögen l Zweck: Individuen sollen unpersönliche, den Organisationszielen entsprechende Entscheidungen treffen Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 5 Herrschaft l Akzeptanz von Herrschaft erfolgt durch Teilnahmeentscheidung, jedoch nur in gewissem Rahmen als Mitgliedschaftsbedingung ("Indifferenzzone") l Herrschaft ist immer beschränkt, Individuen müssen einen Teil ihrer Entscheidungsprämissen selbst setzen l nicht-direktive Einflußmechanismen: – Schulung – Beratung – Indoktrination l Konflikt um die Reichweite der Herrschaft: Was darf der Arbeitgeber anordnen, vorschreiben, verlangen, ...? Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 6 Beschränkte Rationalität l Akteure handeln bemühen sich zwar um rationale Entscheidungen (objektive Rationalität), können diese aber aufgrund der kognitiven Grenzen ihrer Informationsaufnahme und -verarbeitung nicht erreichen: – unvollständiges Wissen über Bedingungen und Konsequenzen der Entscheidungsalternativen – Prognoseproblem: Wie werden die erwarteten Konsequenzen bei ihrem Eintritt in der Zukunft bewertet werden? – Es können niemals alle möglichen, sondern nur eine begrenzte Zahl an Entscheidungsalternativen betrachtet werden Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 7 Entscheidung bei beschränkter Rationalität Trotzdem Entscheidungsfähigkeit durch l befriedigende (≠ optimale) Lösung l bemisst sich am Anspruchsniveau l Anspruchsniveau verändert sich mit den gemachten Erfahrungen l Tendenz zum Gleichgewicht zwischen Anspruchsniveau und Zielerreichung l selektive Wahrnehmung: nur bestimmte Problemaspekte werden beachtet l vereinfachte Definition der Situation l habituelles Verhalten bei Routineentscheidungen Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 8 Org. Mechanismen d. Komplexitätsreduktion Reduktion der Komplexität der Umwelt durch Vorgabe von Entscheidungsprämissen für individuelles Entscheiden durch: l Herrschaft und Indoktrination: Einengung von Verhaltensmöglichkeiten l Arbeitsteilung: Zerlegung des Bestandsproblems in bearbeitbare Teilaufgaben l Kommunikationskanäle: Unsicherheitsabsorption durch Informationsfilterung l Standardisierte Verfahren: – Ausführungsprogramme: schreiben eine bestimmte Vorgangsweise bei Eintritt eines bestimmten Stimulus (z.B. Antrag auf Studienbeihilfe) vor – Zweckprogramme: Vorgabe der Ziele, Wahl der Mittel bleibt den Entscheidern überlassen Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 9 Der Zielbildungsprozess l l l l l Organisation als Koalition mit Subkoalitionen (Arbeiter, Manager ...) Verhandlungsprozess – aktive Koalitionsmitglieder artikulieren ihre Interessen – passive Mitglieder lassen sich durch Ausgleichszahlungen abfinden (Lohn, Dividende) Formulierung vieler Ziele nur vage, Operationalisierung (Konkretisierung) dieser Ziele erfolgt in täglichen Verhandlungen Ziele sind nie endgültig, können aber als Entscheidungsprämissen verwendet und damit stabilisiert werden Quasi-Lösungen bei Zielkonflikten: – Lokale Rationalität: verschiedene Abteilungen bearbeiten Subprobleme – Befriedigende (≠ optimale) Lösung als Kompromissstrategie – Organizational Slack à Koexistenz konkurrierender Ziele – Sequentielle Zielverfolgung Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 10 Mülleimer-Modell l Entscheidungsgelegenheiten (= "Mülleimer"), bspw. Besetzung einer vakanten Führungsposition, Beschaffung einer neuen Software, Jour fixe der Bereichsleiter, ... l Probleme l Lösungen l Teilnehmer: unterschiedlicher Grad an Aufmerksamkeit, abhängig von Merkmalen Entscheidung und Zahl der parallel laufenden Entscheidungsprozesse Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie Koppelung der Elemente ist abhängig von ihrem zeitlichen Zusammentreffen Vier Elemente des Entscheidungsprozesses: 11 Drei Entscheidungsstile im Mülleimer l Entscheidung durch Übersehen: Probleme können aus der Entscheidung ausgeklammert („übersehen“) werden, weil sie sich noch bei anderen Entscheidungsgelegenheit befinden → Timing! l Entscheidung durch Flucht: ein Problem wird in einem Entscheidungsprozeß so lange erfolglos bearbeitet, bis es zu einer anderen Entscheidungsgelegenheit abwandert l Entscheidung durch Problemlösung: Teilnehmer sind informiert und motiviert, ein vorliegendes Problem mit einer verfügbaren Lösungen zu verknüpfen und damit (für eine bestimmte Zeit) zu lösen Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 12 Mikropolitische Taktiken im Mülleimer l l l l l Nimm Dir Zeit. Irgendwann ergibt sich eine günstige Gelegenheit Habe Ausdauer. Vieles ist Zufall, das Blatt kann sich wenden Tausche Status gegen Inhalt. Für viele Teilnehmer ist Status (Reputation, Image) wichtiger als Sachfragen Ermögliche Opponenten die Teilnahme. Mülleimerprozesse sind frustrierend, Gegner verlieren bald das Interesse an der Teilnahme Überlaste das System. Wer viele Projekte/Vorschläge einbringt, bekommt zumindest einige behandelt/bewilligt l Schaffe Mülleimer. Lenke irrelevante Probleme und Lösungen in Entscheidungssituationen, wo sie keinen Schaden anrichten können l Führe unauffällig. Keine Wellen schlagen, nur kleine Interventionen Interpretiere die Geschichte. Steuere die Definitionen dessen, was geschieht und was geschah l Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 13 Einstellungen zum Mülleimer-Modell l Reformer halten Müllereimer-Prozesse für schädlich und vermeidbar, wollen rational (rein sachlich und systematisch) vorgehen l Pragmatiker halten Müllereimer-Prozesse für unvermeidlich und nützlich, wollen die sie für ihre Ziele nutzen l Enthusiasten halten Müllereimer-Prozesse für elegant, intelligent und funktional: – keine zu frühe Einengung des Tn-Kreises erhöht Anpassungsfähigkeit – inkonsistente Ziele oder Mittel können abgepuffert werden – Entscheidungen könne leichter durchgesetzt werden, weil sie weniger endgültig erscheinen – Arenen für Austragung von Konflikten – Slack ermöglicht Innovation Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 14 Determinanten der Personalpolitik 1. Anforderungen an die Arbeitnehmer (geforderte Beiträge): l hohe Komplexität der Aufgaben: schwierig, gering strukturiert, Leistungsergebnisse schwierig messbar und nicht eindeutig zuordenbar l geringe Komplexität der Aufgaben: einfach, hoch strukturiert, Leistungsergebnisse leicht messbar und eindeutig zuordenbar l Je komplexer die Aufgaben, – desto geringer ist das Ausmass der Regulierung der Beitragsleistungen (detaillierte, formale Spezifikation und Kontrolle von Qualifikationen und Output) – desto grösseres Gewicht erhalten immaterielle Anreizformen (Aufstiegschancen, Partizipation, Anerkennung) Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 15 Determinanten der Personalpolitik 2. Beziehung Arbeitgeber-Arbeitnehmer (soziale Distanz): l Soziale Distanz: Unterschied im Selbstverständnis und in der sozialen Position von Arbeitgeber und Arbeitnehmer: "Wir und die" vs. Gemeinschaft l Einflußfaktoren: Klassenbewußtsein, Berufsbild, Identifikation mit dem Unternehmen, mit der Tätigkeit, Ausmaß der Einbindung l Je grösser die soziale Distanz zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, – desto grösser ist das Ausmass der Regulierung der Beitragsleistungen – desto grösseres Gewicht erhalten materielle Anreizformen Wolfgang Elšik VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 16 Grundformen der Personalpolitik Personalpolitik = strategische Gestaltung der Anreiz-Beitrags-Struktur mit dem Ziel, die erforderlichen Beitragsleistungen zu stimulieren ("policy") Soziale Distanz Beitragsleistungen Wolfgang Elšik einfach komplex groß Ökonomischer Austausch Anreize, Kontrolle Regulierung Mitwirkung gering Paternalismus Klimapflege Sozialer Austausch Einbindung VO Theoretische Grundlagen: Verhaltenswiss. Entscheidungstheorie 17
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