Wintersemester 10/11

Erfahrungsbericht vom Auslandssemester in Daejeon, Südkorea
Ich, Marc-André, bin ein Student vom FB1 und studiere Elektrotechnik. Das IAT (Institut für
Automatisierungstechnik) ermöglichte mir mit 2 weiteren Studenten meines Semesters einen
Auslandssemester in Daejeon, Südkorea. Das Ganze wurde finanziell durch ein Stipendium des DAAD
(deutscher akademischer Austauschdienst) unterstützt. Das IAT und damit die Uni Bremen haben mit
der KAIST (Korean Advanced Institute of Science and Technology) Universität eine Partnerschaft, in
der auch gemeinsam an Projekten gearbeitet wird. Ich war ebenfalls eingebunden in ein Projekt und
konnte damit meine Studienarbeit in Korea realisieren.
Aber nun zum Leben in Daejeon und auf dem Campus. Ich habe in einem Wohnheim direkt auf dem
Campus gewohnt. Dort teilt man sich jeweils ein Zimmer mit einer anderen Person. In meinem Fall
war es ein Franzose, der ebenfalls ein Austauschstudent gewesen ist. In der Regel werden die
Austauschstudenten zusammen in die Zimmer gesteckt und nur wenige wohnten tatsächlich mit
einem Koreaner zusammen. Die Ausstattung meines Zimmer war ein Bett, ein Schrank, ein
Schreibtisch, ein Stuhl und ein
Rollcontainer (siehe Bild 1). Mit seinem
Mitbewohner musste man sich einen
Schuhschrank teilen, aber solange man
nicht mehr als 5 Paar Schuhe mitnimmt
sollte dies kein Problem darstellen. Das
Zimmer war sonst völlig symmetrisch
aufgebaut mit einem Fenster am Ende
und einer Klimaanlage, die vor allem im
schwülen Sommer essentiell ist. Das
Wohnheim selbst war auch völlig
zufrieden stellend. Es hatte ein
Fitnessraum,
der
relativ
gut
ausgestattet war und ein kleinen
„Tante Emma“ Laden. Jeder Wohntrakt Bild 1: mein Wohnheimzimmer
(insgesamt 6) hatte eine Lounge,
gemeinschaftliche Waschräume und einen Wäscheraum mit 2 Waschmaschinen pro Etage und einem
Trockner in jeder zweiten Etage. Zugang zum Wohnheim und zu fast jedem Gebäude auf dem
Campus hat man mit seinem Studentenausweiß.
Der Campus ist recht weitläufig. Es ist sehr empfehlenswert sich deshalb möglichst schnell ein
Fahrrad zu besorgen. Man kann seinen fahrbaren Untersatz auch auf dem Campus gebraucht
erwerben, wenn man schnell genug ist. Diese Idee hat nämlich nahezu jeder Austauschstudent, wenn
er nach der ersten Woche realisiert, dass ein Fahrrad mehr als nur praktisch ist. Das Unigelände ist
recht vielseitig. Man findet hier neben den Wohnheimen, dem Bikeshop, den Institutsgebäuden und
Fachbereichsgebäuden auch mehrere Mensen und Sportplätze. Was mich aber tatsächlich am
meisten gewundert hat, ist die Tatsache, dass es auf dem Campusgelände einen Burger King gibt.
Aber zum Essen in Korea will ich später mehr erzählen, hier nur so viel, auf dem Unigelände ist auf
jeden Fall für jeden Gaumen etwas dabei. Ich habe ja schon erwähnt, dass es Sportplätze gibt und
auch das Sportangebot innerhalb des Campus ist wirklich gut. Es gibt einen Sandplatz, auf dem
hauptsächlich Fußball und Baseball gespielt wird. Direkt daneben befindet sich der komplett neu
gebaute Sport Complex (Bild 3). Dies ist ein ziemlich großes Gebäude, in dem eine Sporthalle,
mehrere kleine Gymnastikräume, ein Fitnessstudio und eine Indoorlaufbahn integriert sind. Ich habe
dort hauptsächlich Basketball gespielt. Dieser
Complex steht für jeden Studenten offen und man
kann die Plätze reservieren soweit sie verfügbar
sind. Eine andere Möglichkeit ist einfach zu
spielen so fern der Platz frei ist. Gleich in der Nähe
befindet sich ein Schwimmbad mit einer Sauna.
Man zahlt 1000KRW (Südkoreanische Won) und
man kann so lange bleiben, wie man möchte.
Zurzeit sind 1000KRW ca. 0,6453€, also mit
anderen Worten spottbillig. Die Uni besitzt auch
ein eigenes Stadion mit einem Kunstrasenplatz auf
dem eigentlich ausschließlich Fußball gespielt und
viele Jogger drehen dort ihre Runden (siehen unten Bild 8). Es gibt ebenfalls einige Tennisfelder und
meist direkt daneben befindet sich ein kleineres Feld. Dies Feld sieht aus wie ein zu klein geratenes
Tennisfeld. Auf diesem Feld wird „Schucko“ gespielt, dies ist wohl bei uns eher unter dem Namen
Fussballtennis bekannt. Allerdings hätte ich nicht gedacht, dass dies tatsächlich eine eigene Sportart
ist. Es gibt sogar einen speziellen Ball dafür. Er sieht aus wie ein Volleyball, ist aber bedeutend
schwerer. Ich habe das ein oder andere Match mit meinen Laborkollegen gespielt und es macht
wirklich viel Spaß, also wenn man Ballsport vernarrt ist sollte man es unbedingt einmal ausprobieren.
Es gibt noch einiges mehr auf dem Campus zu entdecken, aber ich denke das würde hier dann doch
etwas zu viel werden.
Bild 3: Sport Complex auf dem Campus
Zu meinen Leben auf dem Campus gehörte natürlich auch die Laborarbeit. In Korea ist man es
gewohnt auf relativ kleinen Raum zu arbeiten und so war ich schon recht glücklich meinen eigenen
kleinen Schreibtisch bekommen zu haben. Um mal einen kleinen Eindruck über die Größe des
Arbeitsraumes für die Ph.D. zu bekommen, sollte das folgende Bild (siehe Bild 2) als Vorstellungshilfe
ausreichen. Von der Raumausnutzung her betrachtet, sieht hier so ziemlich jedes Labor aus. Das
Labor in dem ich gearbeitet habe war ein Teil des
Department of Electrical Engineering. In diesem
Gebäudekomplex (E4) war ebenfalls die Informatik
untergebracht. Ich selbst bin aber eher weniger im
Informatiktrakt unterwegs gewesen. Auf der Ebene meines
Labors lag in direkter Nachbarschaft eine Lounge mit einigen
Sofas und einem Cafeautomat. Es ist übrigens völlig normal
dort ein klein wenig Energie mit einem Schläfchen zu tanken.
Ich selbst habe es vorgezogen im Wohnheim zu schlafen,
aber für Koreaner ist es scheinbar normal auch mal in der
Lounge zu schlafen oder im Büro mit dem Kopf auf dem Tisch. Es ist wirklich keine Seltenheit, dass
man dies sieht. In einem weiteren Laborraum gab es auch eine kleine Lounge nur für
Labormitglieder. Dort befand sich ein kleiner Fernsehen, ein Beistellbett und aller Hand Gerümpel. Es
hatte den Anschein, dass alles was mehr oder weniger überflüssig war, hier seinen Platz gefunden
hatte. Der Raum wurde aber dennoch genutzt. Ebenfalls kurios ist, dass nahezu jeder Koreaner eine
Zahnbürste und Zahnpasta an seinem Arbeitsplatz hat. Nach jeder Mahlzeit werden fleißig die Zähne
geputzt. Das macht nicht jeder Koreaner, aber es ist nicht selten, dass man bei einem Toilettengang
einige Koreaner beim Zähneputzen trifft.
Bild 2: Das Labor
Nun noch ein paar Infos zur Umgebung. Der Campus liegt im Norden der Stadt. Daejeon (Bild 4) ist
eine Großstadt mit ungefähr 1,5 Mio. Einwohner und hat eine U-Bahn-Linie. Ich habe diese aber
eigentlich nur genutzt, wenn ich auf dem
Weg zum Bahnhof war. Man kann aber auch
sehr gut ein Taxi nehmen, da Taxis in Korea
im europäischen Vergleich spottbillig sind.
Also wenn man mit mehreren unterwegs ist,
kann es sogar sein, dass ein Taxi günstiger
ist als z.B. mit der U-Bahn zu fahren.
Daejeon selbst ist jetzt keine Stadt der
Sehenswürdigkeiten, aber es gibt doch
einiges zu entdecken u.a. das Science
Museum, den Expo-Park (in die Gebäude
gehen lohnt sich nicht, da nur auf
Koreanisch), einen Freizeitpark, ein Zoo und
Bild 4: Daejeon
vieles mehr. Daejeon hat auch ein
Weltmeisterschaftstadion (Fußball) und eine Baseballstadion. Ich habe beides in Verbindung mit
einem Spiel besucht und kann dies nur weiter empfehlen. Das Fußballspiel, weil das Stadion fast
komplett leer sein wird und das Baseballspiel weil es einfach ein Erlebnis ist. Am besten man setzt
sich in den Fanbereich und genießt die verrückte Stimmung, denn nahezu während des gesamten
Spiels springt ein Animateur auf der Bühne herum oder Cheerleader tanzen vor der tobenden
Menge, so dass das eigentliche Spiel fast zur Nebensache wird. Baseball ist übrigens Nationalsport
Nummer 1 in Korea. Eine weitere Möglichkeit der Freizeitgestaltung bieten die zahlreichen
Nationalparks in Korea, da diese meist mit Wanderwegen ausgestattet sind. In der näheren
Umgebung der Stadt kann man auch einige davon finden. Auch dies kann ich nur empfehlen. Man
hat eine grandiose Aussicht und eine wunderschöne Landschaft zu entdecken, nur sollte man diese
Unternehmung nicht immer im Sommer starten, sondern auf den wunderschönen Herbst warten.
Dann hat man die richtigen Temperaturen und ebenfalls strahlend blauen Himmel. Die Wanderwege
lassen sich meist sehr gut mit dem Bus erreichen. 2400KRW für einen Weg (ca. 20 km für schlappe
1,50€ ). Die öffentlichen Verkehrsmittel sind in Korea wirklich sehr günstig, das kann man nicht
anders sagen. Grundsätzlich ist Korea aber im Durchschnitt von den gesamten Lebenskosten nicht
weit entfernt von Deutschland.
Für die meisten Unternehmungen innerhalb der Stadt habe ich - wie schon erwähnt - eigentlich
immer mein Fahrrad gewählt, z.B. auch zum Einkauf für den alltäglichen Bedarf. In der näheren
Umgebung der Uni gibt es genügend Möglichkeiten um Einkaufen zu gehen. Die günstigste Variante
sind die großen Supermärkte Homeplus und E-mart. Braucht man nur einen kleinen Snack oder etwas
Süßes, dann ist man aber auch auf dem Campus gut und vor allem sehr günstig bedient. Mir wurde
gesagt, dass dies vor allem daran liegt, dass von Läden auf dem Gelände der Universitäten keine
Steuern verlangt werden. Naja wie auch immer, man wird nicht abgezogen. Sowieso ist das Essen in
Korea recht günstig. Auch wenn man in einem Restaurant essengeht, bleibt man meistens unter
10.000KRW (ca. 6,60€). Im Westen außerhalb der Universität befindet sich der internationale Bereich
und direkt dahinter schließt der Stadtteil „Kundong“ an. Dieser ganze Teil der Stadt eignet sich
besonders gut zum Essen gehen. Zum Essen selbst kann ich nur sagen, dass ich die koreanische Küche
vermissen werde. Sie ist sehr vielseitig und vor allem gesund. Oft auch reichlich scharf, woran ich
mich erst gewöhnen musste. Geht man in ein Restaurant, kann man sehr viel Neues entdecken und
ich meine nicht nur abenteuerliche Gerichte, sondern auch die Art der Zubereitung. In der Regel wird
nämlich das Essen direkt vor den Augen der Kunden zubereitet bzw. man kann selber ein wenig im
Kochtopf oder in der Pfanne herum rühren und nach seinem Geschmack einige Dinge hinzufügen
oder eben auch nicht. Man erhält in der Regel immer sein Essen in vielen kleinen Schälchen und alles
getrennt voneinander (Bild 5). Am Anfang
meines Koreaaufenthaltes war ein Besuch im
Restaurant immer spannend, da man in der
Regel keine Ahnung hatte was man gerade
bestellt hatte und es auch meist erst wusste
wenn es vor einem Stand. Aber manchmal war
man dann immer noch nicht schlauer. Eine
meiner Lieblingsrestauranttypen war das
Barbecue. Man sitzt an einem Tisch und grillt
sein Fleisch selbst. Dazu kann man noch einiges
an Gemüse auf den Grill legen, soweit es
natürlich serviert wurde. Dies unterscheidet Bild 5: typisches Essen in einem koreanischen Restaurant,
sich nämlich auch von Restaurant zu roter Rahmen markiert das Kimchi
Restaurant. Das ist einfach genial und gegessen
werden die kleinen Fleischstücke eingewickelt in einem Blatt Salat. Einfach traumhaft und sehr zu
empfehlen. Große Fleischstücke gibt es in einem koreanischen Restaurant nicht, da man auch keine
Gabel und kein Messer bekommt. Sind die Fleischstücke zu groß bekommt man in der Regel eine
Schere dazu. Also ich denke man merkt schon, dass Korea beim Thema Essen so seine ganz eigene
Art und Weise hat. Man kann noch so viel mehr darüber berichten doch dann würde ich
wahrscheinlich ein Buch verfassen. Aber eine Sache muss ich noch erwähnen und zwar das nationale
Gemüse „Kimchi“, welches zu jeder Jahres- und Tageszeit und zu so gut wie jedem koreanischen
Gericht serviert wird. Ohne Kimchi ist ein koreanisches Gericht nur ein halbes Gericht (roter Rahmen
im Bild 5) und genauso gehört zu einem vollständigen Essen eigentlich auch immer eine Suppe und
Reis dazu.
Was gibt es noch in Korea zu sehen? Sehenswert ist sicherlich die Insel Jeju Do im Süden des Landes.
Natürlich auch Seoul und einige weitere Städte, die man je nach Geschmack und Zeit besuchen kann.
Auch ein Trip zur DMZ1 ist sicherlich ein Muss für jeden Ausländer der Korea besucht und noch vieles
mehr.
Was ist typisch für Korea und evtl. eher fremd (kurios) für uns Europäer? Diese Frage hat man mir
mittlerweile des Öfteren gestellt und ich versuch sie mal kurz und knapp aus meiner Sicht als
Aufzählung zu beantworten:
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1
Sauberkeit, man sieht hier öfters Koreaner mit Müllsäcken rumlaufen um den Straßenmüll
aufzusammeln. In der Tat ist Korea echt ein sehr sauberes Land
Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft
Koreaner lieben Feuerwerk, in Strandgegenden kann man kleines Privatfeuerwerk erwerben.
Großfeuerwerke sieht man auch das ein oder andere Mal in der Stadt.
Entmilitarisierte Zone zwischen Nord- und Südkorea
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Verrückter Straßenverkehr, man kann Scooter auch ohne Führerschein fahren und für Licht
scheint es keine richtigen Regeln zu geben. Nachts fahren auch Autos manchmal ohne Licht.
Das Essen allgemein (s.o.)
Wetter, verdammt schwül im Sommer und im Winter durchaus bitter kalt. Klasse Herbst und
ich habe gehört der Frühling soll ähnlich sein
Postkarten, sind so gut wie nicht aufzufinden! Nur an bekannten Sehenswürdigkeiten
Langer Postweg, wählt Luftpost, andernfalls dauert es 2 Monate, kein Witz!
Sport: 1. Baseball, 2. STARCRAFT, kleiner Tipp wer Lust hat mal eine Runde zu spielen sollte
einen „PC-Raum“ in der Stadt aufsuchen. (1000 KRW/h also mehr als akzeptabel) Koreaner
sind verrückt nach diesem Spiel und solche Spielbuden gibt es in der ganzen Stadt verteilt.
Das Jjimjilbang. Ein koreanischer Spa, halt mit Saunen, Pools und es ist die günstigste Art in
Korea zu übernachten, allerdings auf koreanischem Wege, auf dem Boden. Nur zu Empfehlen
Aber warum sollte man ausgerechnet nach Südkorea gehen? Diese Frage hatte ich mir vor meiner
Entscheidung für Korea auch gestellt und ich kann an dieser Stelle nur sagen, ich habe es nicht bereut
dieses Auslandssemester gewagt zu haben und ich würde es immer wieder machen. Und wenn man
diesen Bericht gelesen hat weiß man auch, dass es nie langweilig wird und man sich auf ein
spannendes Auslandssemester freuen kann. Ängste braucht man hier überhaupt nicht zu haben,
Korea ist einfach ein tolles Land, durchaus auch als Reiseland zu empfehlen. Ich werde mit ziemlicher
Sicherheit wiederkommen.
Zum Abschluss noch ein paar Bilder ohne viele Kommentare:
Bild 6: Daejeon
Bild 7: Mein Wohnheim am KAIST
Bild 8: Stadion mit Kunstrasen
Bild 9: Landschaft 1
Bild 10: Landschaft 2
Bild 11: vorne KAIST, hinten Daejeon
Bild 12: Jeju Island. ein Urlaub wert!!
Bild 13: Der Drachenfels, der wohl am häufigsten fotografierte Fels in ganz Korea
Bild 14:die unbeschreiblich coole Hauptstadt Seoul
Bild 15: ein weiterer Blick auf Seoul vom Seoul Tower