Die Zukunft des Geldes und die Krise der Geldpolitik

Kommentiertes Veranstaltungsverzeichnis zum
9. Tag der ökonomischen Bildung am Freitag, dem 4.3.2016, in Oldenburg
Die Zukunft des Geldes und die Krise der Geldpolitik
Die Krise der Europäischen Währungsunion erscheint zwar eingedämmt, ist aber noch nicht wirklich
überwunden. Nach der Ausschöpfung sämtlicher Möglichkeiten konventioneller Geldpolitik setzt die
EZB mit einem massiven Anleihen-Kaufprogramm und anderen Sondermaßnahmen auf ökonomisch und
politisch umstrittene Mittel, um eine Deflation im Euro-Raum zu verhindern. Und während die Geldpolitik zunehmend unkonventionelle Wege geht, wird das Geld in seinen Funktionen und Erscheinungsformen selbst zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen; diskutiert werden beispielsweise die Abschaffung des Bargelds, neue Formen des Zahlungsverkehrs, eine Umgestaltung des Geldsystems. Diese
Themen und Probleme gehen Jugendliche nicht nur als künftige Staats- und Wirtschaftsbürger an, sondern betreffen sie auch schon jetzt als Konsumenten, Sparer, Teilnehmer am bargeldlosen Zahlungsverkehr.
VORTRÄGE
Fachvortrag I: „Aktuelle Herausforderungen für die europäische Geldpolitik“
Referent: Jens Ulbrich, Leiter des Zentralbereichs Volkswirtschaft der Deutschen Bundesbank
Darf der EZB jedes Mittel recht und billig sein im Hinblick auf den Gesetzesauftrag, im Euro-Raum für Preisniveaustabilität zu sorgen? Kann sie mit ihren
epochal niedrigen Leitzinsen die Ziel-Inflationsrate von unter, aber nahe 2%
wieder erreichen? Oder muss sie zusätzlich Staatsanleihen und Wertpapiere in
rauen Mengen kaufen (Quantitative Easing/QE), um das vermeintliche Deflationsgespenst zu vertreiben? Viele befürchten erhebliche Nebenwirkungen der
lockeren Geldpolitik: Enteignung der Sparer, Übertreibungen an den Finanzmärkten und Vermögenspreisblasen sind nur einige Stichworte.
Fachvortrag II: „Finanzmärkte in Zeiten der Nullzinspolitik“
Referent: Folker Hellmeyer, Bremer Landesbank
Seit April 2002 ist Folker Hellmeyer Chefanalyst der Bremer Landesbank. Zuvor war Folker Hellmeyer unter anderem für die Deutsche Bank in Hamburg
und London als Senior Dealer und Chefanalyst der Landesbank HessenThüringen tätig. Als Kommentator des Geschehens an den internationalen Finanzmärkten ist er u. a. regelmäßig in der ARD, auf n-tv, N24 und in den dritten
Programmen zu sehen. In seinem Buch „Endlich Klartext“ (2008) setzte er sich
kritisch mit dem US-Finanzsystem auseinander.
WORKSHOPS
In den sechs Workshops nach der Mittagspause soll die Tagungsthematik fachlich erweitert und vertieft
sowie unterrichtspraktisch konkretisiert werden. Im Interesse einer ungefähren Gleichverteilung bitten wir
alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Angabe ihrer Workshop-Präferenzen die Zweitwahl ebenso
ernsthaft zu erwägen wie die Erstwahl.
Workshop 1: Inflation und Deflation. Vielfältige didaktische und methodische Zugänge auf unterschiedlichen Lernniveaus [Sek. I und II]
Referenten: Prof. Mag. Gottfried Kögler und MSc Stefan Grohs, Institut für Wirtschaftspädagogik
an der Wirtschaftsuniversität Wien
Wie die Phänomene „Inflation – Deflation“ und die damit eng zusammenhängende „Geldpolitik der EZB
in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise“ variantenreich und professionell im Unterricht – für unterschiedliche Zielgruppen - vermittelt werden könnten, steht im Zentrum dieses Workshops. Dies wird mithilfe zahlreicher Inszenierungstechniken (z.B. Zeitungsartikel, Karikaturen, Einstiegsgeschichten, Literaturfundstellen, Experimenten, medialen Einstiegen) und anhand konkreter aktueller Unterrichtsmaterialien exemplarisch aufgezeigt, die im alltäglichen Unterricht mehrfach erprobt wurden.
Workshop 2: Power-Play im Euroraum. Einführung in ein Planspiel zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion [Sek. II]
Referent: Markus W. Behne, M.A., Geschäftsführer des CIVIC-Instituts für internationale Bildung
Interaktive Methoden wie Rollen- und Planspiele oder partizipative Konferenzsimulationen ermöglichen
ein vertieftes Verständnis von Politik und gesellschaftlichen Prozessen aus der Innensicht der handelnden
Akteure. Auf der Basis eines realen oder teilrealen Entscheidungsprozesses kommen die Lernenden zu
eigenständigen, selbstverhandelten und nachvollziehbaren Lösungen. Das Planspiel „Power-Play im
Euroraum“, das 2013 in Kooperation mit der Karl-Arnold-Stiftung entwickelt wurde, thematisiert einerseits das Zusammenwirken der EU-Institutionen andererseits die Herausforderungen einer gemeinsamen
Haushalts- und Wirtschaftspolitik. - Markus W. Behne ist als Autor und Dozent für europapolitische Inhalte und Methoden in diversen Kontexten tätig, z.B. Schulungen zu EU-Fragen für die öffentliche Verwaltung oder Konzipierung und Durchführung von EU-Planspielen an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen.
Workshop 3: Zahlungsverkehr 2.0 – Wie Internet und Smartphones das Bezahlen
verändern [Sek. I und II]
Referentin: Dr. Heike Winter, Deutsche Bundesbank, Grundsatzfragen Zahlungsverkehr
Nachrichten über innovative Bezahlmöglichkeiten im Onlinehandel und an der Ladenkasse machen fast
täglich die Runde. Google, Apple und Co drängen vermehrt auf den Markt und machen Lastschrift,
Überweisung und Kreditkarte und damit auch den alteingesessenen Zahlungsanbietern Konkurrenz.
Doch was verbirgt sich hinter diesen Lösungen, was sind die zugrunde liegenden Verfahren, und welche
Bedeutung haben sie im deutschen Markt? Neben Antworten auf diese Fragen soll der Workshop die unterschiedlichen Möglichkeiten systematisieren und einen Überblick über die große Zahl der Anbieter geben.
Workshop 4: Wie bekomme ich einen Kredit? Auszubildende der Bremer Landesbank erarbeiten mit Schülerinnen und Schülern Grundlagen und Probleme [Sek. I]
Referenten: Andreas Walter, Leiter Nachwuchskräfteentwicklung, und Auszubildende der Bremer
Landesbank
„Jetzt kann sich jeder alles leisten!“ lautete vor einiger Zeit der Slogan eines großen Elektrofachmarktes.
Auch Schülerinnen und Schüler gehören zu einer stark umworbenen Konsumentengruppe und sollten daher frühzeitig ein Gespür dafür entwickeln können, was es mit derartigen Werbeversprechen auf sich hat.
Die Auszubildenden der Bremer Landesbank haben sich im Rahmen eines Azubi-Projektes mit verschiedenen Facetten der finanziellen Allgemeinbildung für Schülerinnen und Schüler beschäftigt. Entstanden
ist „banktionary“, ein multimediales Lernpaket, das das Interesse für finanzielle Themen wecken und
dabei möglichst Spaß machen soll. In diesem Workshop möchten wir Ihnen einen Einblick in die entwickelten Lernmaterialien geben und Ihre Eindrücke, Erwartungen und Erfahrungen mit Ihnen diskutieren.
Workshop 5: Aus der Geschichte lernen? Historische und aktuelle Finanzkrisen im
Unterricht der Sekundarstufen I und II
Referenten: Jörn Beineke, Cäcilienschule Oldenburg, und Dr. Karl-Josef Burkard, Lehrbeauftragter an der Universität Oldenburg
Die Geschichte des modernen Kapitalismus durchzieht von der Tulpenkrise 1634/37 über den Crash 1929
bis zur Subprime-Krise 2008 eine schier endlose Reihe spekulativer Blasen, die zwar je spezifische historische Ursachen haben, aber alle nach einem wiederkehrendem Muster verlaufen. In diesem Workshop
soll dieses Verlaufsmuster am Beispiel einiger historischer „Bubbles“ herausgearbeitet und für Analysen
gegenwärtiger Entwicklungen fruchtbar gemacht werden. - Jörn Beineke unterrichtet seit vielen Jahren
neben Musik, Mathematik und Politik-Wirtschaft das eigenständige Fach Wirtschaftslehre als Prüfungsfach auf erhöhtem Anfoderungsniveau und ist mitwirkender Lehrer am Institut für Ökonomische Bildung
der Universität Oldenburg. Dr. Karl-Josef Burkard gibt nach jahrzehntelanger Tätigkeit als Geschichts-,
Politik- und Wirtschaftslehrer und pädagogischer Seminarleiter heute seine Erfahrungen in der Aus- und
Fortbildung von Wirtschafts- und Politik-Wirtschaft-Lehrern weiter.
Workshop 6: Vollgeld, Regiogeld, Bitcoins – zur Diskussion über Alternativen zum
Geldsystem [Sek. I und II]
Referent: Stephan Friebel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ökonomische Bildung
der Universität Oldenburg
Regionalwährungen, Barterwährungen, Tauschringe, Vollgeld – die Liste an meist bereits realisierten
Alternativen bzw. Ergänzungen zum jeweils etablierten Geldsystem ist lang. Die Intentionen, die mit Alternativwährungen, die das bestehende Geldsystem ergänzen oder Ansätzen wie dem Vollgeld, die es ersetzen sollen, verfolgt werden, haben ihren Ursprung zumeist in der Auffassung, dass das Geldsystem,
zumindest mit Blick auf bestimmte gesellschaftliche Ziele, versagt hat oder dass ein solches Versagen zu
befürchten ist. Der Schwerpunkt des Workshops soll auf Regionalwährungen gelegt werden: Sie sind kein
Geld, aber in manchen Regionen der Welt – auch in einigen Deutschlands – kann man mit ihnen nahezu
alles kaufen. Regionalwährungen, wie der Chiemgauer, sollen eine sozialere Alternative zum europäischen Geldsystem darstellen. So ist der Chiemgauer, wie auch die meisten anderen Komplementärwährungen, als Schwundwährung konzipiert, wodurch die Bildung von Vermögen in der Währung unterbunden wird. Durch seine regional begrenzte Gültigkeit sollen regionale Wirtschaftskreisläufe bzw. regionale Unter-nehmen gestärkt werden. Die ökonomische Bedeutung kann aber in Krisensituationen weit über
diese Zielsetzungen hinausgehen: Als 2001 in Argentinien der Peso schlagartig an Wert verlor, nutzten
die Menschen Regionalwährungen und konnten so weiterhin ihren Lebensunterhalt bestreiten. - In dem
Workshop sollen nach einer fachlichen Einführung auch Überlegungen zur unterrichtlichen Auseinandersetzung mit der Thematik vorgestellt und diskutiert werden.