BKKService Informationen für Arbeitgeber • Ausgabe 5|2015 Mindestlohn: Aufzeichnungspflichten vereinfacht 10 Freistellung und Beschäftigungs verhältnis 17 Gesundes Kantinen essen – aktuelle Steuertipps 24 Das große Niesen – Schutz vor Erkältungen im Büro EDITORIAL Deutscher Unternehmenspreis Gesundheit 2015 „Gesund führen – gesund arbeiten – gesund leben“ – das war das Motto des dies jährigen „Deutschen Unternehmenspreises Gesundheit 2015“ des BKK Dachverban des. Der Preis wurde an sieben Unternehmen verliehen, die mit ihrem Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) viel erreicht haben. Die Betriebskrankenkassen haben diese Auszeichnung zum achten Mal in sechs Unternehmenskategorien vergeben. Zum ersten Mal wurde der Sonderpreis „BGF-INNOVATIV“ für innovative betriebliche Gesundheitsförderung verliehen. Aus 58 Bewerbungen wählte eine zehnköpfige Jury die Preisträger aus. Die prä mierten Unternehmen kümmern sich intensiv um individuelles, gesünderes Verhalten der Belegschaft, wie zum Beispiel durch Sportangebote, Vorsorgeuntersuchungen, Impfungen oder gesundes Kantinenessen. Sie nahmen auch die betrieblichen Ar beitsabläufe unter die Lupe, um daraus Rückschlüsse zur Verbesserung der Arbeits situation zu ziehen. Alle Betriebe binden verstärkt ihre Führungskräfte in das BGM ein, denn nur wenn die Leitungsebenen überzeugt sind und mitmachen, werden Verände rungsprozesse angeschoben und BGM als Teil der Unternehmens-Philosophie gelebt. Möchten Sie in Ihrem Unternehmen ebenfalls das Gesundheitsbewusstsein Ihrer Mitarbeiter fördern? Dann sprechen Sie uns an, wir unterstützen und beraten Sie sehr gern! Mit freundlichen Grüßen Ihre BKK SCHWERPUNKT 4 Mindestlohn: Aufzeichnungspflichten vereinfacht KURZ UND KNAPP 3 Pauschalierungsgrenze angehoben Ab 1. Januar 2016: Neue AU-Bescheinigung Kurzmeldungen SCHWERPUNKT 4 Mindestlohn: Aufzeichnungspflichten vereinfacht SOZIALVERSICHERUNG 8 2 Befreiung von der Krankenversicherungspflicht BKKService 5/2015 9 Vorbeugen ist besser als Heilen: Prävention wird wichtiger 10 Freistellung und Beschäftigungsverhältnis 12 Abfindungen im Überblick ARBEITSRECHT GESUNDHEIT IM BETRIEB 22 Deutscher Unternehmenspreis Gesundheit 2015 verliehen PERSONALMANAGEMENT 24 Das große Niesen – Schutz vor Erkältungen im Büro 16 Aktuelle Urteile 26 Stolperfallen bei der Weihnachtsfeier STEUERRECHT 28 Leistungsfähiger mit Pausensnacks 17 Gesundes Kantinenessen – aktuelle Steuertipps SCHLUSSPUNKT 30Kurzmeldungen 31 Vorschau, Impressum KURZ UND KNAPP Pauschalierungsgrenze angehoben Die steuerliche Pauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte wurde zum 1. August 2015 angehoben. Die tägliche Verdienstgrenze beträgt nun 68 EUR statt bisher 62 EUR. Hintergrund der Anhebung ist der seit 1. Januar 2015 geltende gesetzliche Mindestlohn. Somit entspricht die neue Pauschalierungsgrenze einem Stundenlohn von 8,50 EUR bei einem Achtstundentag. Voraussetzung für die Pau schalierung der Lohnsteuer ist, dass der Arbeitnehmer nicht länger als 18 zusam menhängende A rbeitstage beschäftigt ist und dessen Beschäftigung zu einem unvorhersehbaren Zeitpunkt sofort erforderlich wurde. Die Lohnsteuer kann für diese „Aushilfsjobs“ pauschal mit 25 Prozent erhoben werden. +++ Seit 1. Juli 2015: Volle Arbeit nehmerfreizügigkeit für Kroatien Seit dem 1. Juli 2015 können laut Beschluss des Bundeskabinetts kroatische Arbeitneh mer in Deutschland ohne jede Einschrän kung tätig werden. Damit endet eine zwei jährige Übergangsfrist, in der kroatische Arbeitnehmer in Deutschland eine Arbeits genehmigung-EU benötigten. Zu beachten ist allerdings, dass für kroatische Arbeit nehmer, die in Deutschland tätig sind be ziehungsweise nach Deutschland entsandt werden, die Vorschriften des Mindestlohn gesetzes beziehungsweise des Arbeitneh merentsendegesetzes gelten. +++ Flüchtlinge: Praktikumsaufnahme erleichtert Ab 1. Januar 2016: Neue AU-Bescheinigung Zum 1. Januar 2016 werden die bisherigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU-Bescheinigungen, „Gelber Schein“) durch neue Formulare ersetzt. In der neu en Bescheinigung werden die bisherige AU-Bescheinigung und der sogenannte Auszahlschein (für Krankengeld) zusammengeführt. Zudem erhält der Versicher te – wie auch der Arbeitgeber und die Krankenkasse – einen eigenen Durchschlag der Krankschreibung und kann so nachvollziehen, wann eine neue AU-Beschei nigung ausgestellt werden muss. Dies soll einen lückenlosen Krankengeldbezug gewährleisten und das Verfahren insbesondere bei längerer Krankschreibung eines Arbeitnehmers erleichtern. Auszahlschein entfällt Bislang erhalten Arbeitnehmer bei längerer Erkrankung nach Ablauf der Entgelt fortzahlung von ihrer Krankenkasse einen speziellen Vordruck, den sogenannten Auszahlschein. Dieser ist beim behandelnden Arzt vorzulegen, der ihn ausfüllt, und danach vom Versicherten wieder an die Krankenkasse zu senden, um das Kran kengeld zu erhalten. Gab es hierbei Verzögerungen, kam es häufig zu Kürzungen oder zum Wegfall des Krankengeldes. Dies soll durch die neuen Formulare ab 2016 vermieden werden. Flüchtlinge in Deutschland können zukünf tig leichter ein Praktikum machen. Dies hat die Bundesregierung Ende Juli 2015 be schlossen. Asylsuchende und Gedulde te mit g uter Bleibeperspektive sollen auf diese Weise schneller in den Arbeitsmarkt integriert werden. Bisher musste die Bun desagentur für Arbeit bei Asylbewerbern oder G eduldeten einem Praktikum zu nächst zustimmen. Voraussetzung war, dass kein deutscher Praktikant oder EUBürger dafür infrage kam. Durch die Ände rung der Beschäftigungsverordnung ent fällt diese Prüfung. Die neue Regelung gilt für Pflichtpraktika, Orientierungspraktika, Ausbildungs- oder studienbegleitende Prak tika bis zu drei M onaten sowie für die Teil nahme an einer Einstiegsqualifizierung oder Berufsausbildungsvorbereitung. Nähere Informationen hierzu unter: www.bmas.de +++ Künstlersozialabgabe Nach dem Entwurf der Künstlersozial abgabe-Verordnung 2016 soll der Abgabe satz zur Künstlersozialversicherung im Jahr 2016 mit 5,2 Prozent stabil bleiben. +++ Sachbezugswerte 2016 Nach dem Entwurf einer Achten Verord nung zur Änderung der Sozialversicherungs entgeltverordnung soll der Monatswert für freie Verpflegung zum 1. Januar 2016 auf voraussichtlich 236 EUR steigen. Somit werden für verbilligte oder unentgeltliche Mahlzeiten ab 2016 voraussichtlich für ein Frühstück 1,67 EUR und für ein Mittag- oder Abendessen 3,10 EUR anzusetzen sein. Die Sachbezugswerte für freie Unterkunft und Miete sollen nicht angehoben werden. BKKService 5/2015 3 SCHWERPUNKT Mindestlohn: Aufzeichnungspflichten vereinfacht Seit 1. August 2015 gibt es erleichterte Aufzeichnungspflichten beim Mindestlohn. 4 BKKService 5/2015 G erade einmal acht Monate nach Inkraft treten des Gesetzes zum Mindestlohn (MiLoG) gab es erste Änderungen. Zum 1. August 2015 sind einige Erleichterungen für Arbeitgeber wirksam geworden. Weite re Korrekturen werden von Wirtschaft und Arbeitgebern zwar gefordert, grundsätzli che Änderungen sind jedoch nicht in Sicht. Auch liegen inzwischen einige, aller dings überwiegend erstinstanzliche Urteile vor, welche bei der Anwendung der gesetz lichen Vorschriften die Klarheit bringen, die der Gesetzestext leider nicht immer bietet. Gesetzliche Änderungen Nach §§ 16, 17 MiLoG haben Arbeitgeber aus den neun in § 2a des Gesetzes zur Be kämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (SchwarzArbG) genannten Branchen zahlreiche Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten. Unter ande rem im Bau-, Gastronomie-, Gebäuderei niger- oder Speditionsgewerbe müssen zum Beispiel Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufgezeichnet und spätestens innerhalb von sieben Tagen dokumentiert werden. In den genannten Bereichen müssen auch Entleiherbetriebe die Arbeitszeit überlassener Leiharbeitneh mer aufzeichnen. Rechtsgrundlage ist neben dem MiLoG die kaum bekannte Mindestlohnaufzeich nungsverordnung, welche nun geändert wurde und die jeder Arbeitgeber zumin dest der betroffenen Branchen kennen soll te. Die Aufzeichnungspflicht bezieht sich in den genannten Branchen auf Arbeiter und Angestellte und branchenunabhängig auf 450-EUR-Kräfte, sofern sie nicht in Privat haushalten beschäftigt werden. Die Auf zeichnungen sind mindestens zwei Jahre – beginnend ab dem maßgeblichen Zeitpunkt – aufzubewahren und für Kontrollen der zu ständigen Stellen bereitzuhalten. Auf Ver langen der Prüfbehörden müssen sie sogar am Ort der Beschäftigung bereitgehalten werden. Ein Verstoß kann ein Bußgeld von bis zu 30.000 EUR nach sich ziehen. Zudem können Nachforderungen von Sozialver sicherungsbeiträgen drohen, wenn keine Aufzeichnung der Arbeitszeiten erfolgt. Praxishinweis Für mobile Tätigkeiten und Be schäftigungen, die nicht an einen Ort gebunden sind, gilt nur eine eingeschränkte Aufzeichnungs pflicht. Wenn es, wie etwa bei Zu stellern, keine exakten Vorgaben über die tägliche Arbeitszeit gibt, sondern nur eine Art Rahmenzeit vereinbarung besteht und die Ar beitnehmer sich ihre Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen kön nen, müssen Sie als Arbeitgeber nur die Dauer der konkret ange fallenen täglichen Arbeitszeit auf zeichnen, nicht jedoch deren An fang und Ende. Erleichterungen für Arbeitgeber Wegen des bürokratischen Aufwandes hat ten Wirtschaft und Verbände diese Vorga be von Anfang an massiv kritisiert. Von ihr durfte nur abgewichen werden, wenn ein Mitarbeiter regelmäßig mehr als 2.958 EUR verdiente und der Arbeitgeber seinen sons tigen Verpflichtungen nachkam. Diese Gren ze bleibt auch weiterhin zwar im Grundsatz bestehen. Arbeitgeber aus den in der Min destlohnaufzeichnungsverordnung benann ten Branchen müssen seit dem 1. August 2015 jedoch keine Stundenaufzeichnun gen mehr vorhalten, wenn das verstetigte regelmäßige Monatsentgelt des Arbeitneh mers 2.000 EUR brutto überschreitet und dieses Monatsentgelt für die letzten zwölf Monate nachweislich gezahlt wurde. Dieses ergibt sich aus der Mindestlohndokumenta tionspflichtenverordnung (MiLoDokV), die am 1. August 2015 in Kraft getreten ist. Zeiten ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt bleiben bei der Berechnung des Zeitraums von zwölf Monaten unberücksichtigt. Die Aufzeichnungspflicht entfällt auch für Ehe gatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder und Eltern des Arbeitgebers, die im Betrieb des Arbeitgebers mitarbeiten. Praxishinweis Für Saisonarbeitskräfte oder Mit arbeiter mit stark schwankenden Einkommen und Arbeitszeiten müssen die Aufzeichnungen wie bisher erstellt werden, sofern das Monatseinkommen 2.958 EUR nicht übersteigt. Die genannten Einkommensgrenzen für Ausnahmen von der Aufzeichnungspflicht gelten in gleicher Höhe auch für Teilzeit arbeitsverhältnisse. Die starre Grenze von 2.000 EUR halbiert sich beispielsweise nicht, wenn der Mitarbeiter nur halbtags arbeitet. Eine Verringerung der Arbeitszeit führt also nicht zu anteilig verringerten Ein kommensgrenzen. Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber die gesamten Unterlagen, aus denen sich die Erfüllung der Voraussetzungen für die genannten Ausnahmen von der Aufzeich nungspflicht ergeben, im Inland und in deut scher Sprache bereithalten muss. Praxishinweis Selbst wenn keine Rechtspflicht zur Dokumentation besteht, kann es auch in anderen Branchen – insbesondere im mindestlohn nahen Bereich – sinnvoll sein, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter auf zuzeichnen, um bei Kontrollen pro blemlos nachweisen zu können, dass der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wurde. BKKService 5/2015 5 SCHWERPUNKT Weitergehende Änderungen am Mindest lohngesetz soll es nach Angaben des Bun desministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) nicht geben. Insbesondere sollen weder weitere Ausnahmen von der Auf zeichnungspflicht zugelassen noch eine Anrechnung von Kost und Logis auf den Mindestlohn eingeführt werden oder eine Abschaffung der Subunternehmerhaftung erfolgen. Geklärt zu sein scheint, dass die Min destlohnregelungen für Amateursportler, die sich in unteren Ligen aktiv betätigen und dafür regelmäßig eine Aufwandsentschädi gung erhalten, nicht gelten. Gleiches gilt für ehrenamtliche Helfer in Vereinen oder karitativen Einrichtungen. In diesen Fällen stehe nämlich der Spaß am Hobby oder das karitative Engagement im Vordergrund und nicht die Erwerbstätigkeit, heißt es aus dem BMAS. Praxishinweis Wer sich im Sportverein nicht nur freiwillig engagiert, sondern auch einer Beschäftigung nachgeht, für die ein tätigkeitsbezogenes regelmäßiges Entgelt gezahlt wird, beispielsweise als Tennis trainer, muss dafür mindestens 8,50 EUR pro Stunde erhalten. Die Abgrenzung wird im Einzelfall nicht immer einfach sein. 6 BKKService 5/2015 Erste Urteile zum Mindestlohn In den letzten Monaten war nicht nur der Gesetzgeber aktiv, auch die Arbeitsge richte haben zwischenzeitlich Urteile zum Mindestlohn gefällt. Sie bieten eine erste Orientierung. Diese verschaffen bei der An wendung des Gesetzes in einigen Fällen die Klarheit, die bislang fehlte. So hat das Arbeitsgericht Berlin nicht nur klargestellt, dass ein zusätzliches Ur laubsgeld und eine jährliche Sonderzahlung nicht auf den Mindestlohn angerechnet wer den dürfen, sondern gleichzeitig auch deut lich gemacht, dass Änderungskündigungen zur Umgehung der Mindestlohnvorschrif ten nicht zulässig sind (Arbeitsgericht Berlin, 4. März 2015 – 54 Ca 14420/14). Im vorlie genden Fall bestand die Besonderheit, dass die Mitarbeiterin vor Einführung des Min destlohns deutlich weniger als 8,50 EUR verdiente. Dafür erhielt sie aber weitere Ver gütungsbestandteile wie Leistungszulagen, Schichtzulagen und Urlaubsgeld, wodurch ihr Entgelt über 8,50 EUR pro Stunde kam. Mit Einführung des MiLoG sprach der Arbeit geber eine Änderungskündigung aus. Er bot der Mitarbeiterin an, das Beschäftigungsver hältnis bei Zahlung eines Stundenlohns von 8,50 EUR fortzusetzen – bei gleichzeitigem Wegfall der Zulagen und des Urlaubsgeldes. Dieser Vorgehensweise erteilte das Arbeits gericht eine deutliche Absage. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts Düsseldorf kann hingegen ein Leistungs bonus durchaus auf den Mindestlohn ange rechnet werden. Diese Entscheidung steht allerdings nur auf den ersten Blick im Widerspruch zum vorgenannten Urteil des Arbeitsgerichts Berlin, wenn man sich die Details vor Augen führt: Im vom Arbeitsge richt Düsseldorf entschiedenden Fall zahl te der Arbeitgeber zwar nur eine Vergütung von 8,10 EUR, dazu jedoch einen leistungs bezogenen Bonus von bis zu 1,00 EUR pro Stunde. Nach Einführung des MiLoG wurden von diesem Bonus grundsätzlich 0,40 EUR als Fixum gezahlt. Gegen diese Vorgehensweise erhob eine Mitarbeiterin Klage, blieb damit jedoch vor dem Arbeits gericht erfolglos. Das Gericht argumentier te, dass ein Leistungsbonus in einem unmit telbaren Bezug zur Arbeitsleistung stünde und deshalb als „Lohn im eigentlichen Sinn“ anzusehen sei. Anders als beispielsweise vermögenswirksame Leistungen könne ein solcher Bonus deshalb auf den Mindestlohn angerechnet werden. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts sei es Zweck des MiLoG, je dem Mitarbeiter durch eigenes Einkommen die Sicherung eines angemessenen Le bensunterhalts zu ermöglichen. Zum Min destlohn gehörten daher alle Zahlungen, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeits leistung mit Entgeltcharakter geleistet wür den, unabhängig davon, wie diese Leistung benannt sei (Arbeitsgericht Düsseldorf, 20. April 2015 – 5 Ca 1675/15). Hintergrund dieser Entscheidung war jedoch, dass die Mitarbeiterin in jedem Fall einen garantier ten Lohn von 8,50 EUR erhielt. Praxishinweis Bitte überlegen Sie sich genau, ob Sie die Vergütungsbedingun gen Ihrer Mitarbeiter ändern. Sind diese vertraglich festgelegt, ist ei ne einseitige Änderung oft nicht möglich. Vor allem aber sollten Sie keine Kündigung aussprechen, wenn ein Mitarbeiter die Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns fordert. Was eigentlich selbstverständlich sein soll te, wurde durch das Arbeitsgericht Berlin mit dem Hinweis auf unzulässige Maß regelungen gemäß § 612a BGB ausdrück lich bestätigt: Mitarbeiter, die ihre gesetz lichen Rechte einfordern, dürfen dafür nicht belangt werden (Arbeitsgericht Berlin, 17. April 2015 – 28 Ca 2405/15). Da weiterhin zahlreiche Fragen zur Aus legung des Mindestlohngesetzes unge klärt sind, behalten wir für Sie die laufende Rechtsprechung „im Auge“. W BKKService 5/2015 7 SOZIALVERSICHERUNG Befreiung von der Krankenversicherungspflicht Rentner und Studenten können sich unter bestimmten Voraussetzungen von der KV-Pflicht befreien lassen. E ine Befreiung von der Versicherungs pflicht in der gesetzlichen Krankenver sicherung nach § 8 Sozialgesetzbuch Fünf tes Buch (SGB V) ist unter anderem für Personen möglich, die aufgrund eines Ren tenantrags, des Bezugs einer Rente oder der Einschreibung als Student versiche rungspflichtig werden. Die Befreiung wirkt tatbestandsbezogen auf das jeweilige Ver sicherungspflichtverhältnis, aufgrund des sen die Befreiung herbeigeführt worden ist. Sie gilt so lange, wie der für die Befrei ung erforderliche Tatbestand ununterbro chen vorliegt. Die Befreiung schließt den Eintritt von Versicherungspflicht aufgrund anderer, zeitgleich vorliegender Tatbestän de grundsätzlich aus. Zu beachten ist allerdings, dass eine Befreiung von der Krankenversicherungs pflicht nur auf andere (zeitgleich vorliegen de) zur Versicherungspflicht führende Tat bestände wirkt, die gegenüber dem zur Befreiung führenden Tatbestand als nachoder gleichrangig anzusehen sind. Danach wirkt sich die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht als Stu dent nicht auf den Eintritt der Versiche rungspflicht als Arbeitnehmer bei Aufnah me einer entsprechenden Beschäftigung aus. Ursache hierfür ist, dass die Versiche rungspflicht als Arbeitnehmer gegenüber der Versicherungspflicht als Student vor rangig ist (siehe Beispiel). Seit dem 1. Juli 2015 schließt auch die Befreiung von der Krankenversiche rungspflicht als Rentner den Eintritt der vorr angigen Versicherungspflicht als Ar beitnehmer bei Aufnahme einer entspre chenden Beschäftigung nicht mehr aus. W Beispiel Sachverhalt: Der Student Julian Brandt hat sich mit Aufnahme seines Studiums zum 15. April 2015 von der Krankenversicherung der Studenten befreien lassen, um privat krankenversichert zu bleiben. Am 1. Oktober 2015 nimmt Herr Brandt eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Verkäufer gegen ein monatli ches Arbeitsentgelt in Höhe von 1.200 EUR auf; seine wöchentliche Arbeitszeit beträgt 25 Stunden. Die Beschäftigung wird nicht am Wochenende oder in den Abend- und Nachtstunden ausgeübt. Beurteilung: In der Beschäftigung als Verkäufer unterliegt Herr Brandt der Krankenversicherungspflicht. Die Befreiung von der Kran kenversicherung der Studenten wirkt sich nicht auf das Beschäftigungsverhältnis aus. Personengruppenschlüssel 101Beitragsgruppenschlüssel 1111 8 BKKService 5/2015 Vorbeugen ist besser als Heilen: Prävention wird wichtiger Betriebsärzte dürfen künftig auch allgemeine Schutz impfungen verabreichen. D er Bundestag hat am 18. Juni 2015 das „Gesetz zur Stärkung der Gesund heitsförderung und der Prävention“ (PrävG) verabschiedet. Am 10. Juli 2015 hat auch der Bundesrat zugestimmt. Das Gesetz hat insbesondere Projekte in „Lebenswelten“ – also in Schulen, Kindertagesstätten, P flegeeinrichtungen oder Betrieben – im Fokus. Außerdem sollen die Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten erwei tert und die Zusammenarbeit von Kranken kassen und Behörden in den Bereichen Arbeitsschutz und betrieblicher Gesund heitsförderung verbessert werden. Mit der „Nationalen Präventionskonferenz“ wird ein neuer formaler Rahmen für die Präventionspolitik geschaffen. Wesentliche Inhalte des Gesetzes: bb Bei der Prävention sollen gesetzliche und private Krankenkassen, gesetzliche Renten-, Unfall- und Pflegekassen zu sammenarbeiten. bb Das Präventionsgesetz fördert durch ei ne Reihe gesetzlicher Maßnahmen die Impfprävention. Künftig soll der Impf schutz bei allen Routine-Gesundheits untersuchungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene sowie bei den Jugend arbeitsschutzuntersuchungen überprüft werden. Auch Betriebsärzte sollen künf tig allgemeine Schutzimpfungen vorneh men können. Bei der Aufnahme eines Kindes in die Kita muss ein Nachweis über eine ärztliche Impfberatung vorge legt werden. Beim Auftreten von Ma sern in einer Gemeinschaftseinrichtung (zum Beispiel Kita, Schule, Hort) können die zuständigen Behörden ungeimpfte Kinder vorübergehend vom Besuch der Einrichtung ausschließen. Medizinische Einrichtungen dürfen die Einstellung von Beschäftigten vom Bestehen eines er forderlichen Impf- und Immunschutzes abhängig machen. Zudem können Kran kenkassen Bonus-Leistungen für Imp fungen vorsehen. bb Die Gesundheits- und Früherkennungs untersuchungen für Kinder, Jugend liche und Erwachsene sollen weiterent wickelt werden. Stärkeres Augenmerk soll dabei auf individuelle Belastungen und auf Risikofaktoren für das E ntstehen von Krankheiten gelegt werden. Ärzte erhalten die Möglichkeit, Präventions empfehlungen auszustellen. Die Krankenkassen und Pflegekassen sollen künftig mehr als 500 Mio. EUR für die Gesundheitsförderung und Prävention investieren, insbesondere in Kitas, Schulen, Kommunen, Betrieben und Pflegeeinrich tungen mit insgesamt mindestens rund 300 Mio. EUR jährlich. Die gesetzlichen Krankenkassen sollen vom kommenden Jahr an 7 EUR statt bislang 3,17 EUR pro Versichertem und Jahr für Gesundheitsför derung ausgeben. Die finanzielle Unterstützung der ge sundheitlichen Selbsthilfe wird durch das Präventionsgesetz um rund 30 Mio. EUR erhöht. Für Selbsthilfegruppen, -organisa tionen und -kontaktstellen stellen die Kran kenkassen ab dem Jahr 2016 je Versicher tem 1,05 EUR zur Verfügung. W BKKService 5/2015 9 SOZIALVERSICHERUNG Freistellung und Beschäftigungsverhältnis Bei langfristigen Freistellungen spielt die Wiederanstellungsoption eine Rolle. 10 BKKService 5/2015 D as versicherungspflichtige Beschäfti gungsverhältnis endet bei einer verein barten Freistellung von der Arbeitsleistung mit dem regulären (vereinbarten) Ende des Arbeitsverhältnisses, wenn bis zu diesem Zeitpunkt Arbeitsentgelt gezahlt wird. Während einer Freistellung von der A rbeitsleistung unter Fortzahlung der B ezüge besteht im Falle der Arbeits unfähigkeit für den Arbeitnehmer grund sätzlich ein Krankengeldanspruch, wenn mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses kein unmittelbares Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Entgelt anspruch des Arbeitnehmers gegenüber seinem Arbeitgeber – unabhängig von einer Arbeitsunfähigkeit und im Falle ei ner Arbeitsunfähigkeit über die Dauer von sechs Wochen hinaus – durchgehend bis zum Ende der Freistellungsphase erhalten bleibt. Dabei ist es unbeachtlich, dass der Krankengeldanspruch in dieser Zeit ruht. Welcher Beitragssatz ist gültig? Für diese Arbeitnehmer ist aufgrund des grundsätzlichen Krankengeldanspruchs während der Freistellungsphase stets der allgemeine Beitragssatz in der Krankenver sicherung anzuwenden. Der allgemeine Beitragssatz ist auch dann anzuwenden, wenn der Arbeitge ber gemäß der Freistellungsvereinbarung über das Ende des Entgeltfortzahlungs zeitraums von sechs Wochen hinaus bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers keine Vergütung schuldet (siehe nebenstehendes Beispiel). Ist jedoch davon auszugehen, dass der be treffende Arbeitnehmer unmittelbar zum Ende der Freistellungsphase beziehungs weise des Beschäftigungsverhältnisses aus dem Erwerbsleben ausscheidet, ist ein Be zug von Krankengeld faktisch ausgeschlos sen. Für diese Arbeitnehmer kommt daher während der Freistellungsphase unverän dert der ermäßigte Beitragssatz in der Kran kenversicherung zur Anwendung. Diese Grundsätze zur Anwendung des maßgebenden Beitragssatzes in der Kran kenversicherung gelten gleichermaßen für Zeiten einer Freistellung von der Arbeits leistung nach § 7 Absatz 1a SGB IV, die auf einer Wertguthabenvereinbarung be ruhen. W Beispiel Sachverhalt: Die SC GmbH hebt das langjährig mit dem 53-jährigen Prokuristen Jens Lange bestehende Beschäftigungsverhältnis einvernehmlich zum 31. Oktober 2017 auf. Mit Herrn Lange wird auch vereinbart, dass er bereits ab 1. August 2015 von der Arbeitsleistung und der täglichen Anwesenheitspflicht – unter Fortzahlung der monatlichen Bezüge bis zum 31. Oktober 2017 – freigestellt ist. Eine Vereinbarung über eine fle xible Arbeitszeitregelung wurde nicht geschlossen. Herr Lange hat dem Arbeitgeber zum 31. Juli 2015 seinen Firmenwagen, sein Diensthandy und seinen Dienstlaptop ausgehändigt. Beurteilung: Das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis von Herrn Lan ge endet mit dem 31. Oktober 2017 (Ende des regulären/vereinbarten Arbeitsverhältnisses) und nicht bereits mit der Einstellung der tatsäch lichen Arbeitsleistung am 31. Juli 2015. Da Herr Lange erst 53 Jahre alt ist, wird davon ausgegangen, dass er wieder dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen wird und eine Beschäftigung aufnimmt. Daher gilt in diesem Fall der allgemeine Beitragssatz. Die SC GmbH erstattet die Meldung für Herrn Lange durchgehend wie folgt: Personengruppenschlüssel101 Beitragsgruppenschlüssel 1111 BKKService 5/2015 11 SOZIALVERSICHERUNG Abfindungen im Überblick Bei Abfindungen sind s teuerliche und finanzielle Auswirkungen zu beachten. A bfindungen sind eine beliebte Maß nahme bei kurzfristiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Was gilt es dabei zu beachten? Häufig werden Arbeitsverhältnisse im beiderseitigen Einvernehmen gegen Zahlung einer Abfindung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes beendet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können zum Beispiel einen Aufhebungsvertrag schließen und darin eine Vereinbarung treffen, dass ein Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeit punkt enden soll. Der Arbeitnehmer verzich tet darauf, dass die Kündigungsfristen einge halten werden und arbeitsrechtliche Schritte einzuleiten. Der Arbeitgeber zahlt als Gegen leistung eine Abfindung. Gesetzlicher Abfindungsanspruch Viele Arbeitnehmer sind der Auffassung, bei jeder Kündigung eines Arbeitsverhältnis 12 BKKService 5/2015 ses durch den Arbeitgeber müsse eine Ab findung gezahlt werden. Falsch: Einen ge setzlichen Anspruch auf eine Abfindung gibt es nicht. Nur im Falle einer betriebsbeding ten Kündigung oder eines Sozialplans kann ein gesetzlich festgelegter Abfindungsan spruch entstehen. Voraussetzung ist jedoch zunächst, dass der Arbeitgeber im Kündi gungsschreiben freiwillig die Zahlung einer Abfindung anbietet, während der Mitarbei ter im Gegenzug darauf verzichten muss, Kündigungsschutzklage zu erheben. Der Sozialplan ist eine Vereinbarung zwi schen Arbeitgeber und Mitarbeitervertre tung, um wirtschaftliche Nachteile bei einer betrieblichen Änderung, zum Beispiel Auf lösung einer Abteilung/eines Betriebsteils, für die betroffenen Arbeitnehmer abzumil dern oder auszugleichen. Auf diese Weise soll ein Arbeitsgerichtsprozess vermieden werden. | BKK Service –––––––––– Ende der Leseprobe –––––––––– Um das komplette Heft zu erhalten, wenden Sie sich bitte an Ihre BKK. Impressum: Herausgeber: BKK Dachverband e. V. Mauerstraße 85 10117 Berlin Alle Rechte vorbehalten BKK ® und das BKK Logo sind registrierte Schutzmarken des BKK Dachverbandes. Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Herausgebers erlaubt. Kontakt zum Herausgeber: E-Mail: [email protected] Verantwortlicher Redakteur: Stefan Allary Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr. Bestellung der Zeitschrift/Verlag: MBO Verlag GmbH Achtermannstraße 19, 48143 Münster Telefon: 02 51 / 84 93 82 - 0 Telefax: 02 51 / 84 93 82 - 29 E-Mail: [email protected]
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