125 Jahre IG BCE

Rhein-Main
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mittendrin
Magazin der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie
125 Jahre IG BCE
Ein Blick zurück und nach vorn
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Im Interview
Bernhard Czernek, Betriebsseel­sorger im Industriepark Höchst
Betriebsreport
SCA Hygiene Products GmbH
in Mainz-Kostheim
Tarifpolitik
Mehr Spielraum dank
Demografie-Fonds
Inhalt
Editorial
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Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren!
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Streiflicht
125 Jahre IG BCE Das wird gefeiert!
Turbulente Zeiten – Die ersten Jahrzehnte
der IG BCE
Als die Mauer fiel – Rainer Kumlehn
erinnert sich
Interview mit Bernhard Czernek
Betriebsseelsorger im Industriepark Höchst
Betriebsreport Papier aus Kostheim – eine Erfolgsgeschichte
Aus den Betrieben
Bilfinger / Mitsubishi Polyester Film /
British Telecom
Tarifpolitik Demografie-Fonds: Mehr Spielraum für
betriebliche Lösungen
Einer von uns Jürgen Schmitt
Werber Jens Heimann
Termine/Ausblick
impressum Herausgeber: IG BCE Rhein-Main,
Redaktion: Ralf Erkens (V.i.S.d.P), Renate Hebauf,
Sabine Maurer, Marco Rosenlöcher
Fotos: IG BCE Bezirk Rhein-Main außer
S. 4: Tibor Nagy/thinkstock,
S. 8 u.l.: Rainer Junker/thinkstock,
Titel, S. 6 bis 8 o.: Repro: Reiner Conrad,
S. 11: Renate Hebauf, S. 12/13: SCA-Kostheim,
S. 16: Jens Heimann
Gestaltung: www.grafikbuero.com
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Den 125. Geburtstag zu feiern und
dabei putzmunter und selbstbewusst in die Zukunft zu schauen,
das dürfte nicht so häufig zu finden sein. In den 125 Jahren IG BCE
steckt auch viel Kraft, um dauerhaft weiterhin für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen. Diese Kraft erhält eine Gewerkschaft in erster Linie von ihren Mitgliedern, daher
danken wir Ihnen für Ihre Unterstützung! In einer
Welt mit stets steigenden Leistungsansprüchen der
Unternehmen an die Arbeitnehmer ist es gut, dass
Gewerkschaften weiterhin für Schutz sorgen. Am 19.
September steigt die Geburtstagsparty, seien Sie doch
auch dabei, wenn wir sagen: Happy Birthday, IG BCE!
Gar nicht zum Feiern zumute ist unseren 306 Kolleginnen und Kollegen bei Sandoz. Der Frankfurter
Standort soll geschlossen werden. Begründet wird
dieser Schritt als „strategische Entscheidung“ des Unternehmens. Es ist erschreckend, wie Novartis – der
Konzern hinter Sandoz und globaler Pharmariese –
mit den Beschäftigten umgeht. Die Mitbestimmungsgremien wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.
Keine Beratung, keine Frage nach Alternativen, kein
gemeinsames Suchen nach Lösungen. Schließung,
Ende, Aus! Die IG BCE wird nun zusammen mit dem
Betriebsrat diese „strategische Entscheidung“ auf
den Prüfstand stellen und nach Alternativen suchen.
Weil ein faires Miteinander in der Arbeitswelt immer Vorfahrt haben muss vor Kasino-Kapitalismus
übelster Art!
Wir hoffen auf einen Sommer mit besseren Nachrichten und wünschen Ihnen eine gute Erholung in
der Ferienzeit bei hoffentlich viel Sonnenschein.
Herzliche Grüße
Ralf Erkens
æ Str e i f licht
IG BCE Rhein-Main
tarifrunde kunststoff-industrie
im herbst Die Tarifverhandlungen
in der hessischen Kunststoff-Industrie starten im September. Hierzu hat
sich die Tarifkommission der IG BCE
bewusst schon im Frühjahr erstmals
zusammengesetzt, um sich strategisch und umfassend vorzubereiten.
Die Kommissionsmitglieder treffen
sich zu weiteren Terminen im Juli sowie Anfang September. Die Verhandlungen beginnen am 9. September.
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arbeitsgericht, gentechnik und
energie Zum Jour Fixe für die Ver-
trauensleute bei Bayer CropScience
gab es wieder Informationen zu spannenden Themen. „Energiepolitik“ hieß
eines davon, dabei besichtigten die
Teilnehmer die Ersatzstoffbrennanlage im Industriepark Höchst. Referent
war Rüdiger Nowakowski. „Das war
hoch interessant“, berichtete die Betriebsrätin Marianne Maehl. Auf nicht
weniger Interesse stieß das nächste
Jour Fixe mit dem Angebot eines Besuchs beim Arbeitsgericht. Das Thema
bei der dritten Veranstaltung Ende Mai
hieß schließlich „Grüne Gentechnik“.
Insgesamt werden dieses Jahr fünf Jour
Fixe angeboten.
Schock bei den Mitarbeitern von Sandoz
atzstoffbrennanlage im
Fixe besuchten die Ers
Die Teilnehmer des Jour
sandoz will standort frankfurt
schliessen Der Schock sitzt bei den
306 Beschäftigten der Sandoz Industrial Products im Industriepark Höchst
tief. Die Unternehmensleitung hat
überraschend mitgeteilt, bis Ende des
nächsten Jahres den Standort Frankfurt schließen zu wollen. Es wurde
entschieden, Zwischenprodukte und
Wirkstoffe für die Antibiotika-Herstellung künftig nicht mehr – wie bislang
im großen Umfang – für Kunden, sondern nur noch für den Eigenbedarf
zu produzieren. Als Grund wurde der
Preisverfall im globalen Wettbewerb
Industriepark Höchst.
angegeben. Es ist geplant, die Produktion für den Eigenbedarf nach Kundl
in Tirol zu verlagern. Die Sandoz Industrial Products gehört zur Schweizer
Novartis-Gruppe. Bei dem Betriebsrats-Vorsitzenden Helmut Heun stößt
diese Entscheidung auf Unverständnis.
„Wir produzieren in Höchst billiger und
besser als das Werk in Kundl“, sagte
er. „Der Altersdurchschnitt der Belegschaft liegt bei 48 Jahren, die Schwerbehinderten-Quote beträgt neun Prozent – viele der Mitarbeiter werden
also Probleme haben, eine neue Stelle
zu finden.“
3
æ str e i f licht
start in den beruf geglückt In
mehreren Betrieben im Industriepark
Höchst haben insgesamt 17 Jugendliche und junge Erwachsene bis zum
Alter von 25 Jahren das Programm
„Start in den Beruf“ absolviert. Zehn
und damit die meisten Teilnehmer
gab es bei Sanofi. Die vier Frauen
und sechs Männer haben nun einen
Ausbildungsvertrag bei dem Arzneimittelhersteller für den kommenden
Herbst in der Tasche. Die meisten lernen den Beruf des Chemikanten, hinzu kommen jeweils zwei Fachlageristen und Pharmakanten.
Bei Bayer CropScience haben zwei
junge Menschen mitgemacht, sie
werden ab September als Chemikanten ausgebildet. „Start in den Beruf“
ist ein über mehrere Monate laufendes Qualifizierungsprogramm zum
Einstieg in das Berufsleben, in dem
auch soziale Kompetenzen vermittelt
werden. Das nächste Programm startet im November.
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ebesorgte anwohnere Das Chemie­
unternehmen Weylchem will im Industriepark Griesheim eine dringend
benötigte Anlage zur Dampferzeugung errichten – und stößt damit auf
besorgte Anwohner. Diese befürchten
eine Gefährdung von Mensch und
Umwelt, denn das kleine Kraftwerk
soll zunächst mit Braunkohlestaub
betrieben werden. Wenn alles nach
Plan läuft, soll dieses Jahr mit dem Bau
begonnen und die Anlage im Sommer
2016 in Betrieb genommen werden.
„Wir werden vom Regierungspräsidium Auflagen bekommen. Selbstverständlich werden die vorgegebenen
Grenzwerte deutlich unterschritten“,
reagierte der Betriebsratsvorsitzende
Walter Hilpert auf die Befürchtungen
der Bevölkerung.vi
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Auch bei Sanofi haben junge Menschen wieder den „Start in den Beruf“ geschafft.
„tag der kulturen“ für jungee menschen Ein besonderes Ereignis
erwartet Jugendliche und junge Erwachsene vom 17. bis 19. Juli in Wiesbaden: Erstmals hat die IG BCE-Jugend
das Landesjugendtreffen in neuer Form
als „Tag der Kulturen“ organisiert. Im
„Schlachthof“ erwartet die Besucher
ein buntes Programm mit Workshops,
Diskussionen und Musik. Anmeldungen unter bezirk.rhein-main.@igbce.
de. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.
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eschnürt die laufschuhee Eine
Strecke von exakt 5,6 Kilometern gilt
es beim J.P. Morgan Lauf am Mittwoch,
17. Juni, in Frankfurt zu bewältigen.
Auch viele Mitglieder der IG BCE sind
mit dabei. Angemeldet haben sich unter anderem Teams folgender Firmen:
Abbott, Abbvie, Air Liquide Forschung
und Entwicklung, Allessa, Basell Polyolefine, Bayer CropScience, Celanese, Clariant Produkte, Degussa Bank,
Ferro, Fresenius, Infraserv Höchst, InfraServ Wiesbaden Technik, Kuraray
Europe, Merck, Novartis Vaccines and
Diagnostics, Procter & Gamble sowie
Sanofi-Aventis Deutschland.
Die Teilnehmer aus dem Industriepark
Höchst haben sich sogar unter hoch
professioneller Anleitung vorbereitet:
Sie trainierten mit dem früheren Lang­
strecken-Ass Kurt Stenzel. Auch das IG
BCE-Team rund um den Bezirksleiter
Ralf Erkens wird am 17. Juni mit laufen.
neuer tarifführerschein Nach
dem großen Erfolg der Veranstaltung
im Frühjahr haben Vertrauensleute
nun wieder die Möglichkeit, den Tarifführerschein zu erwerben. Der Inhalt
des Workshops:
• Grundlagen und Begriffe der Tarif­
arbeit
•G
eschichte der Tarifpolitik und der
gewerkschaftlichen Kampfmittel
• Einführung in die IG-BCE-Tarif­
politik
• Tarifverträge lesen können
• Zeitlicher und inhaltlicher Ablauf
von Tarifrunden
• Neuere Entwicklungen in der Tarifvertragslandschaft
• Tarifmarketing
• Argumente für Flächentarifverträge
und für die Mitgliederwerbung
• Aufmerksamkeitserhöhende
Aktionsmethoden und -mittel
Mit dem Tarifführerschein in der Tasche wird es den Teilnehmern kein Problem mehr sein, bei entsprechenden
Gesprächen im Kollegenkreis schnell
die richtige Antwort parat zu haben.
Der Kurs wird an den Wochenenden
26. bis 28. Juni und 24. bis 26. Juli angeboten. Anmeldungen bitte an
[email protected].
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eerfolgreicher tarifabschlusse
Die Tarifverhandlungen mit der Geschäftsführung der GES Systemhaus
in Wiesbaden wurden erfolgreich abgeschlossen. Die Mitarbeiter bekommen seit dem 1. Mai ein Gehaltsplus
von 2,8 Prozent, und die Azubis erhalten monatlich 30 Euro mehr. Die Verhandlungen waren geprägt von einer
sehr angenehmen und sachlichen Atmosphäre. Alle Beteiligten waren sich
dabei einig, einen guten und tragfähigen Abschluss für die Beschäftigten
und das Unternehmen erzielen zu
wollen. Die Tariferhöhung gilt rückwirkend zum 1. April, vereinbart wurde
ein Leermonat.
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glückwunsch an gewinner eee
Stephan Rimmele (Mitte) aus dem AC1
Basta Labor der Bayer CropScience gehört zu den insgesamt acht Siegern
eines Gewinnspiels, das die IG BCE in
den Kantinen im Industriepark Höchst
veranstaltet hat. IG BCE-Bezirksleiter
Ralf Erkens sowie Marianne Maehl gratulierten. Bei dem Quiz mussten Fragen
rund um das Thema Demografie beantwortet werden. Zu gewinnen gab es
Wohlfühlmassagen im arbeitsmedizinischen Zentrum des Industrieparks sowie Familientageskarten für die RheinMain-Therme bzw. die Taunus-Therme.
leserbrief
Leserbrief von Rolf Hansmann (Sanofi) zu dem Schwerpunktthema unserer letzten Ausgabe „Arbeiten überall und jederzeit?“
Die digitale Transformation erlaubt es heute, von überall zu arbeiten. Dabei stehen Arbeitnehmervertreter oft auf dem Standpunkt, dies dehne die
Arbeitszeit aus. Natürlich ist das möglich und kann von Unternehmen so
gewollt sein. Doch es gibt auch noch eine andere Seite. So kann ich zum
Beispiel im Homeoffice arbeiten, wenn im Kindergarten gestreikt wird.
Nicht mehr die Anwesenheit von 8 bis 17 Uhr zählt, sondern das Ergebnis
der Arbeit – egal, wo und wann ich dieses Ergebnis erreiche.
Natürlich erfordert es Selbstkontrolle, eigenständig Arbeitszeit und Freizeit zu trennen. Doch es gibt mir auch mehr Freiheit und die Möglichkeit,
Beruf und Privatleben besser zu koordinieren. Ich kann den Tag nämlich
meinen Bedürfnissen anpassen. So kann ich mich zum Beispiel vormittags
um die Kinder kümmern und abends, wenn sie im Bett sind, noch schnell
Mails mit amerikanischen Kollegen austauschen.
Natürlich kann es sein, dass diese Möglichkeit, von überall zu arbeiten, von
Firmen ausgenutzt wird. Doch meiner Meinung nach ist es keine Lösung,
das Mobiltelefon stets strikt um 17 Uhr auszuschalten. Wir müssen vielmehr die Stärke entwickeln, nach eigenem Zeitplan fair zu arbeiten. Das
ist der neue, moderne Weg.
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125 jahre ig bce
125 Jahre IG BCE –
Das wird gefeiert!
von sabine maurer
Die IG BCE wird 125 Jahre alt – Anlass für einen Rückblick. Der langjährige Chef der IG BCE Hessen-Thüringen, Rainer Kumlehn, erinnert
sich an seine größten Herausforderungen. Der Betriebsratsvorsitzende Reiner Conrad von der Allessa hat in den Archiven gewühlt und
die Höhepunkte der ersten Jahrzehnte zusammengetragen. Und natürlich werden 125 Jahre auch gefeiert – alle Mitglieder sind im September nach Essen eingeladen. Es wird eine große Party werden: Wir
haben 660 000 Mitglieder.
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125 jahre ig bce
Turbulente Zeiten
Die ersten Jahrzehnte der IG BCE
Mit der Geschichte der IG BCE vor allem im Rhein-Main-Gebiet hat sich der Betriebsrats-Vorsitzende der Allessa, Reiner Conrad, beschäftigt – vor allem mit den Jahren bis zur
Machtergreifung der Nationalsozialisten.
1890
Gründung der Vorläuferorganisation der IG BCE
in Hannover. Im selben Jahr Gründung des
„Vereins zur Wahrung der Interessen der nichtgewerblichen
Arbeiter“ in Frankfurt. Der Arbeitsalltag der Menschen in
dieser Zeit: zwölf Stunden täglich schuften in der Fabrik
oder unter Tage. Die Höhe des Lohns wird von dem Fabrikbesitzer bestimmt. Urlaub oder Lohnfortzahlung bei Krankheit? – Fehlanzeige.
1891
Der Frankfurter Verein schließt sich dem Fabrikarbeiterverband an. Die „Zahlstelle“ Frankfurt wird gegründet – diese entspricht dem heutigen Bezirk.
Zeitgleich entstehen auch Zahlstellen in Mainz und Offenbach, in den kommenden zwei Jahren folgen entsprechende
Einrichtungen in Fechenheim, Bockenheim und Höchst.
Gewerkschafter im Rhein-MainEnde 19. Jh. Die
Gebiet haben viele Probleme, eines
davon ist die Polizei. Die Arbeiterbewegung gilt als Unruheherd und steht unter der Beobachtung der wachsamen Polizei. Es ist keine Ausnahme, dass Versammlungen gestört
und aufgehoben werden. „Dem Unfug wurde Einhalt geboten“, ist eine Standardformulierung in den damaligen Polizeiberichten. So vereitelt die Polizei 1897 einen Ausflug der
Gewerkschaft mit dem Dampfer auf dem Main, ein Jahr
später schließt sie die Zahlstelle in Frankfurt – was die Justiz
als gesetzeswidrig feststellt, so dass die Einrichtung wieder
geöffnet wird.
Das zweite große Problem: Es fehlt an Räumlichkeiten für
die Versammlungen. Notgedrungen treffen sich die Gewerkschafter in Kneipen, dort machen sie aber zu wenig
Umsatz, um gern gesehene Gäste zu sein. In Frankfurt werden sie von einem Wirt sogar rausgeschmissen, weil sie seiner Meinung nach zu wenig trinken.
Jahrhundertwende
Trotz der vielen
Probleme wächst
die Zahl der Mitglieder stetig. Im Jahr 1900 gibt es im Gau
– vergleichbar dem heutigen Landesbezirk – 2000 Mitglieder. Die meisten sind Kohlenarbeiter, Hafenarbeiter und
„Ausläufer“ – so heißen die Briefträger. Die Chemische Industrie entwickelt sich, langsam mehren sich in der Gewerkschaft die Arbeiter aus dieser neuen Branche. >>
Historische Fotos: Gruppenfoto von
1890 (li) und Aufnahmen aus
Färberei und Labor derFa. Cassella in
Frankfurt-Fechenheim (oben und S.8)
Repro: Reiner Conrad
Wegen der Streiks im Tarifbereich erfolgt bei den Farbwerken
Durch die Verlängerung der Arbeitszeit auf 9 Stunden kommt es im
Hoechst 1925 eine Aussperrung
der gesamten Belegschaft. Sie
März 1924 bei den Farbwerken
beginnt am 27. Oktober und
Hoechst zu Demonstrationen.
dauert bis 27. November.
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125 jahre ig bce
Per Beschluss des Verbandstages sollen Zahlstellen zusammengeschlossen werden, was zu heftigen, Jahre langen
Konflikten führt. Denn einzelne Zahlstellen weigern sich
– sie wollen ihre Selbständigkeit behalten.
Im Jahr 1901 kommt es in Griesheim zu einer Katastrophe:
Bei einer Säureexplosion sterben 24 Menschen.
Bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 ist die Zahl der
Mitglieder im Gau auf 11 000 angewachsen.
1920er Jahre
Die Arbeiterbewegung erreicht
ihren Höhepunkt. Der Gau zählt
über 50 000 Mitglieder. Es gibt Betriebsräte, die ersten Tarifverträge für die Chemische Industrie sind bereits abgeschlossen.
In den Farbwerken Höchst kommt es zu einem Eklat, nachdem ein Direktionsbeamter zur Explosion bei der BASF
sagt, so etwas sei ihm egal: „Es könnten noch viel mehr
Proleten in die Luft gehen.“ Es gibt Tumulte, Direktoren
werden körperlich bedroht, die Firma wird aus Sicherheitsgründen kurzzeitig geschlossen.
Im Jahr 1925 gibt es den ersten Streik in der Chemischen
Industrie. Er soll die große Ausnahme bleiben. Bis heute
wurde insgesamt nur zwei Mal gestreikt, der letzte Arbeitskampf war 1971.
Auf Grund der Krise gibt es im Jahr 1929 Massenentlassungen bei der IG Farbenindustrie.
In dieser Zeit wird bei den IG Farben ein Prämiensystem
eingeführt, das über dem Tarif liegt – es entsteht also eine
Abkoppelung von Tarifverträgen. Diese Entwicklung hält
in manchen Betrieben bis heute an. 
Fahrt zur großen Party nach Essen
Buntes Programm für Groß und Klein
Zur großen Geburtstags­
nach Essen auf
Samstag party
dem Gelände der Zeche
19.09.2015 Zollverein am Samstag,
19. September, sind alle
Mitglieder der IG BCE mit
ihren Familien ganz herzlich eingeladen. Anmeldungen können über die
zuständigen Ortsgruppen erfolgen.
Für die Anreise haben die Ortsgruppen bereits Busse reserviert und bie­­
ten diese ihren Mitgliedern an. Für
alle anderen Mitglieder ohne Ortsgruppenanbindung erfolgt die An-
meldung über den Bezirk RheinMain. Abfahrt ist um 6:30 Uhr vom
Industriepark Hoechst am Tor Ost.
Bei der Zeche Zollverein erwartet uns
ein buntes Unterhaltungs-Programm,
bei dem für jeden Geschmack etwas
dabei ist. So treten auf drei Außenbühnen und zwei Innenbühnen viele
Bands und Comedians auf. Ausstellungen können besucht und Museen wie das Ruhrmusem besichtigt
werden. Zu den weiteren Angeboten
gehören Bull Riding, Touren mit der
Bimmelbahn und Klettergeräte. Und
natürlich kommen auch die Kleinen
nicht zu kurz: Für sie gibt es ein extra
Kinderprogramm.
Anmeldungen über die Webseite
www.rhein-main.igbce.de
E-mail: [email protected]
oder Tel.: 0611 462092-0
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Dankeschön-Tour
auf dem Rhein
Ein zusätzliches „Danke schön“ für
die Werber neben der obligatorischen Prämie gehört schon lange
zur guten Tradition bei der IG BCE.
Wir veranstalten jedes Jahr für sie
ein Sommerfest. Anlässlich des
125-jährigen Geburtstages wird dieses Fest nun auf den Rhein verlegt
– wir laden zu einer Schifffahrt ein.
Am 20. Juni heißt es „Leinen los“.
125 jahre ig bce
Als die Mauer fiel…
Über 20 Jahre lang war Rainer Kumlehn der
Chef der IG BCE Hessen-Thüringen, die in seinen
Anfangsjahren noch IG Chemie hieß. Im Interview erinnert er sich an seine größten Herausforderungen.
Sie haben im Jahr 1989 als Landesbezirksleiter angefangen, wann hatten Sie denn das erste herausragende Thema
auf dem Tisch?
Kumlehn: Eigentlich sofort, und es sollte sogar das wichtigste meiner Zeit als Gewerkschaftssekretär werden: die Zusammenführung der Gewerkschaften in Ost und West. Wir
hatten schon Anfang des Jahres 1990 sehr rege Kontakte zu
den Kollegen in Thüringen, sowohl in der Gewerkschaft als
auch in den Betriebsräten. Wir haben dann letztlich mit der
ostdeutschen IG Chemie-Glas-Keramik fusioniert.
Wie sah es in Ihren Anfangsjahren mit der Tarifpolitik aus?
Kumlehn: Auch da gab es gleich ein herausragendes Ereignis, und zwar die Umsetzung des „Jahrhundertvertrags“ von
1987. Bei diesem Flächentarifvertrag wurden die Unterschiede zwischen Arbeitern und Angestellten abgeschafft – dieser
Chemie-Entgelttarifvertrag war eine Premiere! Zum ersten
Mal spielte bei der Höhe des Entgelts nicht mehr nur die formelle Qualifikation des Arbeitnehmers eine Rolle – berücksichtigt wurden auch seine Berufserfahrung und die Art der
Tätigkeit. Die Herausforderung: Alle Lohn- und Gehaltssysteme mussten innerhalb von zwei Jahren umgestellt werden.
Das klappte in den meisten Fällen, auch Dank der optimalen
Zusammenarbeit der Betriebsräte mit der IG Chemie.
Und dann folgte bald die Auflösung der Hoechst AG …
Kumlehn: Ja, Mitte der 1990er Jahre löste sie sich in immer
kleinere Einheiten auf. Zunächst wurden die Bereiche Pharma
und Chemie in zwei große Blöcke aufgeteilt, die zum Teil mit
neuen Eigentümern arbeiteten. Die Infrastrukturgesellschaften wurden gegründet. Nach und nach entstanden aus der
Hoechst AG fast 100 neue Unternehmen.
Was bedeutete das für die Betriebsräte und die IG BCE?
Kumlehn: Die Folgen waren unglaublich. Nach dieser Neustrukturierung hatte sich die Zahl der Betriebsratsmitglie-
der alleine in Höchst mehr als versiebenfacht. Zuvor waren
es 43 Mitglieder gewesen, nun waren es fast 300. Und sie
mussten ihre Aufgabe natürlich erst lernen. Die IG Chemie
hat dabei mit den verhältnismäßig wenigen Sekretären
großartige Arbeit geleistet. In derselben Zeit haben wir im
ganzen Land einen einschneidenden Strukturwandel erlebt.
Viele kleine und mittlere Unternehmen gaben auf, die Arbeitnehmer mussten sich eine Stelle in anderen Branchen
suchen. Denn in der Großchemie schritt die Automatisierung voran, neue Arbeitsstellen wurden kaum geschaffen.
Wie liefen denn damals die Tarifrunden in der Chemie?
Kumlehn: Die haben uns fast jedes Jahr aufs Neue natürlich
stark beschäftigt. Dabei stießen die Positionen der Parteien stets hart aufeinander, aber schließlich gab es am Ende
fast immer Ergebnisse in freien Verhandlungen – also ohne
Schlichtung oder gar Streiks. In meiner Zeit habe ich nur
eine Schlichtung erlebt, das war Ende der 1990er Jahre.
Hatten denn dabei beide Parteien Lehren aus dem Streik
in der Chemieindustrie im Jahr 1971 gezogen?
Kumlehn: Damals ganz sicher. Die aktuellen Auseinandersetzungen lassen allerdings befürchten, dass die Arbeitgeber diese Erfahrung nicht an die neue Generation weitergegeben haben – die Töne sind offensichtlich rauer geworden.
Wie hat sich denn Ihrer Meinung nach die Arbeit der Betriebsräte und der Gewerkschaft verändert?
Kumlehn: Sie ist in den letzten 25 Jahren deutlich herausfordernder geworden. Meiner Meinung nach sind Betriebsräte
heute außerdem die besten Experten, wenn es um die Optimierung von Arbeitsabläufen mit Hilfe der beteiligten Mitarbeiter geht. In vielen Unternehmen nehmen die Geschäftsführungen die Erfahrung und Qualifikation der Betriebsräte wahr
und nutzen sie – andere Firmen hinken da noch hinterher.
Das Interview führte Sabine Maurer
9
interview
Seelsorge im
Industriepark Höchst
Interview mit Bernhard Czernek, Betriebsseelsorger im Industriepark Höchst
Sie haben vor gut einem Jahr die Stelle des Betriebsseelsorgers im Industriepark Höchst übernommen. Welche
Aufgaben stellen sich Ihnen damit?
Czernek: Die Hauptaufgabe ist, bei den einzelnen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu sein, wenn sie Sorgen und
Probleme haben. Es ist ein Prinzip der Seelsorge, die Menschen dort aufzusuchen, wo sie sind, auch an ihrem Arbeitsplatz. Damit erfülle ich einen wesentlichen Auftrag von Jesus, der auch zu den Menschen hingegangen ist und überall
für Heil und Leben gesorgt hat. Die Diözese hat die Stelle
des Betriebsseelsorgers in den Zeiten der alten Hoechst AG
eingerichtet, um in der Territorialseelsorge auch bei einem
der größten Arbeitgeber im Rhein-Main-Gebiet präsent zu
sein.
Warum haben Sie Ihr Büro dann nicht im Industriepark,
sondern im Bezirksbüro Ihres Arbeitgebers, der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) in der Frankfurter
Innenstadt?
Czernek: Weil die Firma Infraserv Höchst als Betreiberin
des Industrieparks darauf achtet, einzelne Konfessionen
nicht zu bevorzugen. Es ist aber mein langfristiges Ziel, auf
Stadtebene und darüber hinaus mit anderen Gremien und
Kreisen zusammen etwas Gemeinsames aufzubauen, um
im Industriepark selbst mehr präsent zu sein. Erschwerend
kommt hinzu, dass viele Beschäftigte des Industrieparks
ihren Lebensmittelpunkt im weiteren Umland haben und
nach Feierabend nach Hause fahren.
Kontakt:
 mobil 0175/11 71 15 6
 [email protected]
 KAB-Bezirkssekretariat
Eschenheimer Anlage 21
60318 Frankfurt
Sprechzeiten: nach Vereinbarung
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Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit den Betriebsräten und mit der IG BCE?
Czernek: Da die Stelle länger vakant war, muss ich die Seelsorgearbeit im Industriepark wieder neu aufbauen. Die Betriebsräte sind dabei meine wichtigsten Ansprechpartner.
Die meisten Betriebsräte der einschlägigen Firmen habe ich
bereits besucht. Mit Einzelnen konnte ich auch schon kleinere Projekte zusammen durchführen, beispielsweise das
Mahl der Arbeit, ein Gottesdienst, den wir am Vorabend des
1. Mai im Frankfurter Dom feiern. Ich bemühe mich darum,
einen Gesprächskreis mit Betriebsräten des Industrieparks
aufzubauen, um zu überlegen, welche Projekte wir gemeinsam durchführen können. Ich muss erst einmal herausfinden, wo die Probleme liegen, um entsprechend aktiv werden
zu können. Insofern stehe ich noch am Anfang. Mit der IG
BCE bin ich auch in Kontakt und hatte vor Kurzem ein erstes
Gespräch beim IG BCE Bezirk in Wiesbaden.
Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten beziehungsweise Unterschiede zwischen Ihren seelsorgerischen Aufgaben und
den Aufgaben der Gewerkschaft?
Czernek: Ich bin inzwischen selbst Gewerkschaftsmitglied.
Gemeinsam ist uns, dass wir für die Menschen da sind. Wir
wollen ihnen Mut machen und sie darin unterstützen, ihre
Rechte zu erkennen und dafür einzutreten. Gewerkschaften
sind aber mit größerer Logistik und Fachkenntnissen ausgestattet und eher auf der kämpferischen, tarifgestalterischen
Seite tätig. Mein Anliegen ist es dagegen, den Menschen
über ihre Rolle als Arbeitnehmer hinaus in ihren umfassenden Sorgen und Nöten, in Freude und Leid zu begegnen, für
sie da zu sein, als Zuhörer und Gesprächspartner sowie als
jemand, der ihnen Zuspruch und Hilfestellung auch über
das kirchliche Netzwerk gibt. Ich denke, dass wir uns gut
gegenseitig ergänzen können.
Das Interview führte Renate Hebauf
»
Es ist ein Prinzip der
Seelsorge, die Menschen
dort aufzusuchen, wo sie
sind, auch an ihrem
Arbeitsplatz.
«
æ zu r pe rson
BERNHARD CZERNEK, Jahrgang 1955, war nach dem
Studium der Theologie in Frankfurt und Innsbruck
viele Jahre im Bistum Limburg in der Seelsorge tätig.
Im Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln in
Bad Honnef absolvierte er eine Zusatzausbildung zum
staatlich geprüften Sozialsekretär.
Im Februar 2014 übernahm er bei der KAB die Halbtagsstelle als Betriebsseelsorger. Außerdem arbeitet er
halbtags als Religionslehrer am Frankfurter GoetheGymnasium. Er ist verheiratet und lebt mit seiner Frau
in Girod-Klein-Holbach im Westerwald.
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betriebsreport
Papier aus Kostheim –
Eine Erfolgsgeschichte
von renate hebauf
In diesem Jahr kann die Belegschaft der Papierfabrik SCA
Hygiene Products GmbH in Mainz-Kostheim auf 130 Jahre
Werksgeschichte zurückblicken. Noch besser: Sie kann mit
Zuversicht in die Zukunft schauen. Wenn das kein Grund
zum Feiern ist.
Am 27. Juni wird das Jubiläum mit einem großen Familienfest auf dem Kostheimer Werksgelände begangen. Auch
Klaus Huth, seit 1992 Betriebsratsvorsitzender, kann diesem
Ereignis mit ungetrübter Freude entgegensehen, weil das
Werk gut aufgestellt ist: „Wir haben in den letzten Jahren in
der Standortentwicklung wieder einen Riesenschritt voran
gemacht, der auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
gute Perspektiven bietet.“ Der Grund dafür ist: Der schwedische Mutterkonzern SCA (Svenska Cellulosa Aktiebolaget),
zu dem das Werk seit 1995 gehört, hat mit einer großen
115-Millionen-­Euro-Investition einen wichtigen Beitrag zur
Sicherung des Standorts und der Arbeitsplätze in Kostheim
geleistet. 2013 wurde eine zusätzliche hochmoderne Papiermaschine (PM5) in einer dafür eigens errichteten Fabrikhalle
in Betrieb genommen. Sie produziert den Ausgangsstoff für
BR-Vorsitzender
Klaus Huth (li.) und
sein Stellvertreter
Klaus Diehl
die Falthandtücher der weltweit vertriebenen Marke Tork.
Das Kostheimer Werk stellt mit seinen rund 500 Beschäftigten unter diesem Markennamen außerdem Rollhandtücher
und Putzrollen her. Die Hygieneartikel finden in Hotels und
Gaststätten ebenso Verwendung wie in Krankenhäusern,
Arztpraxen, Werkstätten oder an Tankstellen. Von Kostheim
aus gehen diese Produkte derzeit an SCA-Läger und an
­Direktkunden in 50 Ländern weltweit.
Das am Main bei Mainz gelegene Werk erlebte seine Geburtsstunde im Jahr 1885. Unter dem Namen „Kostheimer
Cellulosefabrik AG“ wurde es von dem Mainzer Schiffsreeder und Kommerzienrat Hubert Anton Disch gegründet
und stellte vor allem Seidenpapier, Papierbeutel und Einschlagpapier her. Klaus Huth benennt die Meilensteine in
Vertrauensleute und
Betriebsräte beim
gemeinsamen
Fortbildungsseminar
12
betriebsreport
Das SCA-Werksgelände
in Mainz-Kostheim
der wechselvollen Werksgeschichte: Der schrittweise Einstieg in die Hygienepapierproduktion Anfang der 1950er
Jahre mit der Fertigung und Verarbeitung von Krepppapier
und der Einführung der Marke APURA markierte den Beginn der Erfolgsgeschichte. 1989 brachte die Aufnahme der
Tissue-Produktion mit der Papiermaschine PM 4 und einer
vollautomatischen Handtuchfalzmaschine in der Papierverarbeitung eine höhere Produktivität und verbesserte
Wettbewerbsfähigkeit. Seither ist auch die Beschäftigtenzahl nahe­zu konstant geblieben. Eine weitere positive Entwicklung bedeutete schließlich die Übernahme durch den
schwedischen Konzern und die Überführung der Marke
APURA in die SCA Marke TORK 1995.
Das Werk in Kostheim ist das zweitgrößte unter den deutschen SCA-Standorten. Infolge der jüngsten Investitionen
wurden auch die Produktionsanlagen in der Papierverarbeitung ausgebaut und die beiden Bereiche Papiererzeugung
und -verarbeitung besser aufeinander abgestimmt. Seitdem
kann das Werk den Kundenbedarf erstmals allein aus der
eigenen Produktion abdecken. Auch Logistik-Kapazitäten bei
der automatischen Verladung wurden in letzter Zeit hinzugewonnen.
Mit dieser positiven Entwicklung und der neuen Technologie sind aber die Aufgaben des Betriebsrats nicht weniger
geworden, wie der BR-Vorsitzende Huth erläutert: „Durch
die neue, hochmoderne Anlage haben Arbeitsverdichtung
und psychische Belastung rund um den Arbeitsplatz zugenommen.“ Er weist darauf hin, es sei sehr viel komplizierter
und stressiger, eine moderne Papiermaschine über Monitore zu steuern, als ein Flugzeug zu fliegen.
Mit seinem Kollegen und Stellvertreter Klaus Diehl ist er
sich einig, dass der Betriebsrat seine Arbeit künftig noch
stärker auf die Themen Gesundheits- und Stressmanagement, sicherheitsbewusstes Handeln und Ergonomie konzentrieren muss, um die Gesundheit der Beschäftigten zu
erhalten. Diehl, der seine Branche im IG BCE-Bezirksvorstand
und in der Tarifkommission vertritt, setzt sich dafür ein, bei
der Altersteilzeit auch demographische Faktoren zu berücksichtigen, um besonders belastete Berufsgruppen zu bevorzugen. Aktuell braucht er aber seine ganze Energie für die
laufenden Tarifverhandlungen in der Papierindustrie. Auf
den Rückhalt und die Unterstützung der Belegschaft in seinem Kostheimer Betrieb kann er dabei zählen, denn die ist
über 90 Prozent gewerkschaftlich organisiert.
Der Konzern: SCA ist ein börsennotierter internationaler
Konzern für Konsumgüter und Papierprodukte mit Hauptsitz in Stockholm. Das Unternehmen entwickelt, produziert
und vermarktet Hygieneprodukte, Verpackungslösungen,
Druckpapiere und Holzmaterialien. SCA beschäftigt weltweit rund 45.000 Mitarbeiter und vertreibt seine Produkte, darunter Weltmarken wie TENA und Tork, in über 100
Ländern.
Das Werk in Kostheim gehört seit 1995 zum Konzern.
Mit rund 500 Mitarbeitern stellt es Produkte für den
wettbewerbsintensiven ASH-Markt (Außer-Haus-Markt)
her. Innerhalb dieser Division ist es die größte Produktionseinheit des Geschäftsbereichs Tissue Europe und der
zweitgrößte von vier SCA-Standorten in Deutschland. Die
Papierproduktion basiert zu einem großen Teil auf Recyclingpapier. Die Produktion pro Jahr beträgt etwa 150.000
Tonnen (2014).
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meldungen
aus den betrieben
British Telecom:
Schlichtung erfolgreich
Offener Brief vom BilfingerBetriebsrat
Der Betriebsrat (BR) der Bilfinger
Maintenance im Industriepark
Höchst hat einen offenen Brief an
den Vorstand des Unternehmens
geschrieben. Darin hat er die Sorgen und Zukunftsängste der Belegschaft deutlich gemacht. Denn das
einst so gut dastehende Unternehmen wurde nach Meinung des BR
von Top-Managern in einen Scherbenhaufen verwandelt – erkennbar sei dies auch an der mittlerweile fünften Gewinnwarnung in noch
nicht einmal einem Jahr, heißt es in
dem Schreiben. Die Belegschaft leide unter den Folgen des massiven
Personalabbaus und den ständigen
tiefgreifenden Veränderungen in
den vergangenen Jahren.
Der Vorstand hat darauf geantwortet, dass weitere „tiefgreifende Maßnahmen“ anstünden. „Eine
Neuausrichtung des Konzerns ohne
personelle Auswirkungen“ werde
nicht möglich sein.
Mehr Geld für MitsubishiMitarbeiter
Bei dem Unternehmen Mitsubishi Polyester Film stiegen die Löhne
und Gehälter ab dem 1. April dieses Jahres im Tarifbereich mit dem
diesjährigen Tarifabschluss durch
die IG BCE insgesamt um fast 5,5
Prozent. Der Hintergrund: Die Mit-
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Arif Ulusoy, Betriebsratsvorsitzender,
Mitsubishi Polyester Fim
arbeiter arbeiten jede Woche fast
zwei Stunden mehr als die vereinbarten 37,5 Stunden – diese Mehrarbeit bekommen sie nun durch
die Betriebsvereinbarung zur Wettbewerbssicherung auch bezahlt.
„Für die kommenden fünf Jahre
haben wir neben der Entgelterhöhung auch die Sicherung unserer
Arbeits­plätze sowie eine gerechte
Gewinnbeteiligung und eine deutlich verbesserte Bonusregelung
festgeschrieben“, berichtet der Betriebsratsvorsitzende Arif Ulusoy
von den erfolgreichen Verhandlungen, die von dem Betriebsrat und
der IG BCE Rhein-Main geführt
worden waren.
Bei der Tarifauseinandersetzung
zwischen dem Telekommunikationsunternehmen British Telecom
(BT) Germany in Eschborn und der
IG BCE war der Schlichtungstermin
erfolgreich. Die Gewerkschaft hat
durchgesetzt, dass die Angestellten rückwirkend zum 1. April vergangenen Jahres ein Fixgehalt von
100 Prozent erhalten. Zuvor waren
ihnen nur 95 Prozent sicher gewesen. Die Restzahlung war davon abhängig, ob das Unternehmen erfolgreich war und ob der Arbeitnehmer
seine zuvor festgesetzten persönlichen Ziele erreicht hat. Der Tarifvertrag läuft bis zum 31. Dezember
2015. „Die Kollegen in Eschborn sind
mit dem Ergebnis zufrieden“, sagt
der Vorsitzende der Vertrauensleute
der BT Germany in Eschborn, Christian Winkler. Der variable Gehaltsanteil, der vom Unternehmenserfolg
abhing, habe regelmäßig zu Konflikten geführt. Für dieses Geschäftsjahr sei von der Geschäftsleitung bereits angekündigt worden, dass kein
Bonus ausgezahlt werde.
In Eschborn gingen die Mitarbeiter der
British Telecom auf die Straße.
tarifpolitik
Demografie-Fonds:
Mehr Spielraum für
betriebliche Lösungen
Ein wesentlicher Erfolg des Chemie-Tarifabschlusses 2015
besteht in der Weiterführung des Demografie-Tarifvertrags:
Sein Herzstück, der betriebliche Demografie-Fonds, konnte
stufenweise um insgesamt 412 Euro aufgestockt werden.
Mit dieser kräftigen, langfristig gesicherten Aufstockung
auf 550 Euro für 2016 und auf 750 Euro ab 2017 hat die IG
BCE ihr Ziel erreicht, die bereits bestehenden Demografie-Verträge für mehr Flexibilität beim Übergang in den Ruhestand weiter zu entwickeln. Betriebsräte und Geschäftsführungen entscheiden gemeinsam über die Verwendung
der Fondsmittel. Im Tarifvertragswerk sind dafür folgende
Formen vorgesehen:
Langzeitkonto: Die Gutschrift des Demo-Betrags ist möglich, da das Langzeitkonto sowohl über Arbeitszeit bzw. Urlaubstage als auch über Geld gefüllt werden kann. Der Vorteil: Jeder Mitarbeiter bekommt so eine zusätzliche Chance
auf eine Vier-Tage-Woche. Beim Langzeitkonto entscheiden
die Beschäftigten selbst, wie viel Geld oder Zeit sie ins Konto
einbringen und wie sie diese wieder entnehmen.
Altersteilzeit: Der tarifliche Anspruch auf Altersfreizeiten
für alle Beschäftigten ab 57 Jahren und Schichtarbeiter ab
55 Jahren kann über den Demo-Beitrag um zusätzliche freie
Tage für besonders belastete Gruppen erweitert werden.
Teilrente: Der Demografie-Betrag kann auch im Rahmen der
gesetzlichen Möglichkeiten für Teilrente nach § 42 SGB 6
verwendet werden. Um dieses Modell attraktiv zu machen,
muss der Gesetzgeber aber die Hinzuverdienstgrenzen anheben.
Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Chemie (BUC): Den
Demo-Betrag hier einzubringen ist bei Firmen sinnvoll, in
denen viele Mitarbeiter das Risiko haben, vor Erreichen des
Rentenalters berufsunfähig zu werden.
Tarifliche Altersvorsorge: Mit dem Demografie-Betrag wird
die betriebliche Altersvorsorge für jeden Mitarbeiter aufgestockt.
Lebensphasenorientierte Arbeitszeitgestaltung (RV 80):
Dieses Modell wurde speziell für den flexiblen Übergang in
die Rente entwickelt. Mit dem Demografie-Fonds soll besonders belasteten Arbeitnehmergruppen am Ende ihres
Arbeitslebens die Vier-Tage-Woche finanziert werden. Dieses Modell dient auch als Auffangregelung für den Fall, dass
sich die Betriebsparteien nicht einigen. (heb)
einer von uns
Einer von uns:
Jürgen Schmitt
Herr Schmitt und sein Gimli
Gimli hat es Jürgen Schmitt angetan. „Es war Anfang
der 2000er Jahre, da habe ich mir mit der ganzen Familie im Kino ‚Herr der Ringe‘ angeschaut. Und dabei
hat mich der Virus gepackt“, erinnert sich der 54-jährige Mitarbeiter im Nutzfahrzeugzentrum der Infraserv.
Der berühmte Zwerg habe ihm sofort gefallen. Denn
Gimli sei manchmal etwas aufbrausend und tue alles
für seine Freunde – genau wie er. Zu Hause hat er fast
alles, was für Gimli-Fans auf dem Markt geboten wird:
Büsten, Figuren, Becher, Münzen, Magneten… Aber er
besitzt auch Sachen, die kaum ein anderer Fan hat. Vor
fünf Jahren besorgte er sich in einer kleinen Firma in
Eddersheim Stoff und ließ sich von einer Schneiderin
das Gimli-Kostüm maßanfertigen. Seitdem wird es immer mal wieder verändert.
Im Internet fand er nach langem Suchen eine Doppelaxt, wie Gimli sie trägt. So gewandet, läuft er mit seiner
Familie gerne über Mittelaltermärkte. Sein Schwager
geht als der mächtige Zauberer Gandalf, seine Frau als
Elbin und die Tochter zieht das Kostüm an, das ihr gerade gefällt. „Da werden wir natürlich oft fotografiert“, so
Schmitt, der in Zeilsheim lebt. Um seinem Liebling noch
ähnlicher zu sehen, hat er sich sogar mal den Bart rot
gefärbt – es blieb jedoch bei einem einmaligen Experiment. „Das kam einfach nicht gut an.“ (Sabine Maurer)
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finale
à t e r m i n e
17. Juni
J.P. Morgan Lauf in Frankfurt
mit Teilnahme IG BCE-Team
20. Juni
Dankeschön-Tour der IG BCE
auf dem Rhein
25. Juni
Lange Nacht der Industrie
in Frankfurt und Wiesbaden
26. bis 28. Juni
Tarifführerschein Teil 1
17. bis 19. Juli
Tag der Kulturen in Wiesbaden
24. bis 26. Juli
Tarifführerschein Teil 2
à ausblick 3 /2015
INDUSTRIE 4.0 – AUSWIRKUNGEN
AUF DIE CHEMISCHE INDUSTRIE
Wie wirkt sich die „digitale Revolution“ auf die Arbeit, die Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen
aus? Wo hat der technologische
Umbruch schon begonnen? Welche Arbeitsplätze sind bedroht,
und welche entstehen neu? Welche Anforderungen stellen sich
an die Aus- und Weiterbildung?
Diesen Fragen wollen wir in der
nächsten Ausgabe von mittendrin nachgehen. Wir sind Teil der
Veränderungsprozesse, wollen
sie diskutieren, um sie im Sinne
guter, menschengerechter Arbeit
mit zu gestalten. Dabei brauchen
wir auch bei diesem Thema Ihre
Erfahrungen und Ideen.
m
[email protected]
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m it g li e d
w e rd e n !
w w w .r h e i n -m ai
n .i gb ce .d e
Vom Leiharbeiter zum Betriebsratsvorsitzenden
Als Betriebsratsvorsitzender der Aero
Pump GmbH in Hochheim am Main
fühlt sich Jens Heimann am richtigen
Platz. Mit Begeisterung und dem
jugendlichen Elan seiner 30 Jahre
packt er diese Aufgabe seit Oktober 2014 an. Seine kompetente Arbeit hat inzwischen überzeugt und
auch dazu geführt, dass die IGBCE
in dem Betrieb 45 neue Mitglieder
gewinnen konnte.
„Hier kann ich meine organisatorischen und kommunikativen Fähigkeiten einbringen und mich auch
sozial engagieren“, sagt der gelernte Kfz-Mechaniker über seine neue
­Tätigkeit.
Nach jahrelanger Beschäftigung als
Leiharbeitnehmer im Industriepark
Höchst hatte der gebürtige Frank­fur­
ter mit der Ausbildung zum Lagerund Logistikmeister sein Fachabitur
nachgeholt und 2011 bei dem Hochheimer Hersteller medizinischer Appli­
kationssysteme endlich die gewünsch­
te Festanstellung als Mechaniker ge­
funden. Als in dem Familienunternehmen ein Jahr später ein Betriebsrat
gegründet wurde, trat er in die IG BCE
ein und wurde im April 2014 in den
Betriebsrat gewählt.
Auch privat nimmt sich Heimann die
Zeit, Fragen der Kollegen zu beantworten und die Leistungen der Gewerkschaft zu erklären. „Ich sage dann
auch, dass wir die Gewerkschaft und
viele Mitglieder im Betrieb brauchen,
um unseren Handlungsspielraum
zu erweitern.“ Von seiner Arbeit entspannen kann der zweifache Familienvater am besten am Wochenende zu Hause in Flörsheim-Weilbach,
wenn er die Zeit mit seiner Frau und
den siebenjährigen Zwillingstöchtern
verbringt. (heb)
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