Predigt zum Kirchweihsonntag am 9. August 2015 Lk.19,1-10 Heute ist diesem Hause Heil widerfahren. Dieses Wort steht am Ende einer Geschichte, die auf der Straße unter einem Baum beginnt. Das Evangelium erzählt uns von einem Menschen, der zunächst neugierig ist und auf diesen Baum klettert, um Jesus sehen zu können. Zu Gott führen viele Wege, und einer davon ist auch die Neugier. Zachäus ist der Zeuge dafür, dass Gott auch unserer Neugier etwas machen kann. Die Neugier kann der sogar der Anfang eines neuen Lebens werden. Wer neugierig ist, will etwas Neues sehen und erfahren - aber zugleich in sicherer Distanz bleiben. Oben auf seinem Baum ist Zachäus zunächst aber sicher davor, das etwas Neues geschieht, dass er angesprochen oder gar in Anspruch genommen wird. Ob damit zusammenhängt, dass in den meisten Kirchen immer die vorderen Bankreihen frei oder nur dünn besetzt sind? Das andere ist: der da auf den Baum steigt ist ein Außenseiter – er ist zum einen klein von Gestalt (kleine Leute werden gern übersehen); zudem ist er durch seinen Beruf als Steuereinnehmer im Dienst der Römer ein Außenseiter. Ist es die wirklich die bloße Neugier, die ihn auf den Baum treibt? Das Evangelium lässt es in der Schwebe. Er begehrte Jesus zu sehen, wer er ist, hören wir. Hinter der Neugierde kann auch etwas anderes stecken, etwas viel tieferes: ein Begehren, die Sehnsucht, bei den andern sein zu können, nicht mehr isoliert, getrennt vom Leben der anderen sein zu müssen. Die Sehnsucht nach einem Ankerplatz fürs Leben. Neugier und die - vielleicht uneingestandene -Sehnsucht nach Gemeinschaft – das sind die Kräfte, die Zachäus auf den Baum treiben. Eine Unruhe ist da, die er spürt. Der Kirchenvater Augustinus hat es einmal so ausgedrückt: Unruhig ist unser Herz, bis es Ruhe findet in Dir. Ein kleines Wort führt nun dazu, dass aus diesem Gemenge von Neugier, Sehnsucht und Unruhe eine Begegnung mit Gott wird: das Wörtchen „muss“: heute muss ich in deinem Haus einkehren. Jesus sagt dieses kleine Wort heute muss ich bei dir einkehren- und es klingt wie ein sanfter Druck: ich muss. Muss - Jesus sagt an den sehr wichtigen Stellen seines Lebens dieses Wort muss: Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und dort muss der Menschensohn leiden und sterben, aber am dritten Tage wird er auferstehen. Und auf dem Weg nach Emmaus sagt er wieder zu den beiden verunsicherten Jüngern: Musste nicht Christus dieses erleiden, um so in die Herrlichkeit seines Vaters einzugehen. Immer kommt Gott ins Spiel, wenn Jesus „muss“ sagt, denn hinter diesem „muss“ steht Gott. Es muss sein, weil es sein Wille und zu unserem Besten, zu unserem Heil ist. Es ist zu unserem Heil, dass Jesus den Weg nach Jerusalem geht, dass er für uns in das Dunkel des Leides und Todes und dann ins helle Licht des Ostermorgens geht. Es ist Gottes Plan und sein Wille. Und jetzt ist es Gottes Plan und Wille, dass Jesus im Haus des Zachäus einkehrt. Nicht Zwang, es ist Gottes guter Plan und Wille. Ob es uns gelingt, hinter manchem, was wir im Leben tun müssen oder erfahren müssen, Gott zu entdecken? Dass er uns nicht nur im Feierlichen und Erhebenden, sondern auch im Mühsamen und Beschwerlichen begegnet, auch daran erinnert Zachäus und seine Geschichte. Was jetzt weiter geschieht, wird nur knapp beschrieben: Er steigt herab, nimmt Jesus auf mit Freunden. Gern wüssten wir, was da gesprochen wird im Haus des Zachäus, aber das fällt 1 sozusagen unter das Beichtgeheimnis. Auch im religiösen Bereich brauchen wir diesen Respekt vor der Privatsphäre. In jedem Menschen gibt einen „innersten Raum“, wo ihm Christus begegnen und bei ihm einkehren will; was hier geschieht, das geht nur den Einzelnen und Gott etwas an. Dieser Raum bleibt für andere verschlossen, und das ist gut so. Das Kirchweihfest erinnert daran: unser Leben mit Gott steht auf zwei Beinen. Da ist zum einen das gemeinsame Singen und Beten, seinem Haus; das andere Standbein ist die intime Begegnung mit Christus, sein Gespräch mit unserem Herz; das geschieht im stillen Kämmerlein. Beides ist gleich wichtig und tut uns. Beides verbindet das göttliche „muss“: Christus will, er muss bei uns einkehren, in unserem Gotteshaus, in unseren Herzen. Manchmal kommt er als Fremder und sucht bei uns Raum. Das gehört auch hierher: Gott kommt als Fremder und sagt: heute muss ich bei dir einkehren. Das ist nicht immer nur gemütlich und es macht zu Zeiten vielleicht sogar Angst. Doch die jungen Männer aus Syrien und Eritrea, aus Niger und aus Afghanistan, die wir in unseren Häusern unterbringen, für die das JUZ eigens in den Ferien seine Türen öffnet – sie erinnern uns daran: Gott will bei uns einkehren und wohnen; darum müssen die Fremden bei uns Raum finden. Wir dürfen sie nicht den Schleppern und ihren windigen Schiffen im Mittelmeer überlassen – ganz abgesehen davon, dass wir sie auf Dauer nicht aussperren können. Nun, wo Zachäus sein Haus geöffnet hat und den hereinbittet, der sich selbst eingeladen hat, nun wird alles anders: „Siehe, Herr, die Hälfte von meinem Besitz gebe ich den Armen, und wenn ich jemanden betrogen habe, so gebe ich es vierfach zurück.“ Er kann die Dinge in seinem Leben anschauen und kann anpacken, was er noch ordnen und zurechtbringen muss. Dazu muss sich selbst weder als selbst anklagen, noch sich einreden, er hätte eine reine Weste. Die Erfahrung: Jesus Christus kommt zu mir, er ist bei mir, die öffnet die Augen für die große Chance: Ich kann mein Leben in Ordnung bringen, und manchmal darf ich sogar einen neuen Anfang wagen. Weil Jesus zu ihm kommt und den Tisch mit ihm teilt, werden in Zachäus neue Kräfte freigesetzt: Er entdeckt, was Teilen heißt; modern gesprochen: er entdeckt die Solidarität. Solidarität mit den anderen, vor allem mit denen, die vom Schicksal betrogen wurden, ja vielleicht sogar von ihm. Mit ihnen teilen - die Begegnung mit Jesus Christus macht dazu frei. Wahres Leben ist immer geteiltes Leben, ist Leben in Solidarität. Wenn wir das verstehen, dann haben wir auch das Geheimnis des Hl. Abendmahls verstanden: Wahres Leben ist immer geteiltes Leben. Christus teilt sein Leben mit uns und so werden wir frei zum Teilen und zur Solidarität Die Frucht der Begegnung mit Jesus Christus ist Barmherzigkeit. Unsere Mitmenschen, und ihr Schicksal und Ergehen können und uns nicht kalt lassen. Auch daran erinnert uns das Kirchweihfest und sein Evangelium. Am Ende hören wir dann: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren. Das ist die große Zusage, die der Kirche, und sie gilt auch diesem Haus: Das uns hier Heil widerfährt: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren. Sie gilt dem Haus unseres Lebens: Heute ist diesem Hause Heil widerfahren. Wenn Christus einkehrt in diesem Haus, dann wird es so weit, dass auch andere darin Platz finden. Heute ist diesem Hause Heil widerfahren; Jesus Christus kehrt ein bei uns in diesem Haus, in dieser Kirche - Das macht ihre Würde aus, das ist die Weihe, die diesen Ort zum heiligen Ort und zum geweihten Raum macht. Pfr. Peter Schwarz 2
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