marketing TRADING Trading-Rabatte: die große Versuchung Media-Transparenz Großkonzerne schließen Trading inzwischen vertraglich aus. Media-Agenturen ködern damit meist mittelständische Kunden – und verdienen bombig. Wenn man einem Kind einen Keks hinhält oder eine andere süße Leckerei, dann kann es schwer widerstehen. Würde man das Kind lassen – es würde sich vor allem von Süßigkeiten ernähren. Es würde rund und dick, und irgendwann krank werden. Und nicht einmal wissen, warum. Ähnlich verlockend wie eine Süßigkeit müssen auf manche Kunden die hochrabattierten Trading-Angebote ihrer Media-Agenturen wirken. Beim Trading kauft die MediaAgentur den Medienvermarktern Werbezeiten und -flächen auf eigenes Risiko, aber für wenig Geld ab, und verkauft sie mit sattem Preisaufschlag an Werbekunden weiter. Sie sind dennoch für einige Werbekunden hoch genug rabattiert, um nach einem guten Geschäft auszusehen (s. Grafik). Trading wird seit geraumer Zeit heftig diskutiert. Zuletzt wieder, weil Deutschlands mächtigstes Einkaufsnetzwerk Group M durch bedeutende Etatgewinne noch mächtiger geworden ist und schätzungsweise 6,7 Milliarden Euro Billings verwaltet (W&V 17/12 und 18/12). Ihr Tradingchef Georg Berzbach hatte vergangenes Jahr unvorsichtigerweise hinausposaunt, wie aggressiv die Einkaufs-Holding Trading als Geschäftsmodell vorantreibt. Das Problem dabei: Je mehr Media-Milliarden ihrer Kunden eine Agentur bündelt, desto mächtiger ist sie. Sie kann Medien unter Druck setzen, noch mehr Werbeflächen billig an sie herauszugeben. Doch eine Agentur, die ihren Kunden eigentlich die bestmögliche Beratung in der Mediaplanung bieten soll, gerät in Interessenskonflikte, wenn sie selbst als Verkäufer von Werberaum auftritt. Sie verkauft dann möglicherweise nicht mehr die bestmögliche Lösung für den Kunden, sondern die profitabelste für die Agentur. Die Medien ihrerseits werden immer abhängiger von mächtigen Agenturen, sie verlieren die Preishoheit und bluten aus. Setzte sich das Händlermodell durch, wäre es ein neuer Turbo für Intransparenz im Media-Geschäft: „Trading ist So funktioniert’s WERBEKUNDEN... verkauft zu verkauft zu des Listenpreises des Listenpreises des Listenpreises Die Media-Agentur mischt die günstig erworbenen Werbeplätze in die Media-Einkaufspläne, die sie ihren Kunden anbietet. Weil sie als Händler auftritt und das günstig erworbene Inventar in Plänen „veredelt“, erzielt sie hohen Profit. Die Agentur kann ihren Kunden preislich inter essante Werbeplätze anbieten. Vor allem kleinere Firmen und Mittelständler kommen so in Genuss von Rabatten in einer Höhe, die sonst nur Großkunden mit hohen Einkaufsvolumina erzielen. 20% Beim Trading kauft eine Media-Agentur den Vermarktern auf eigenes Risiko Kontingente an Werbeplätzen ab – gegen Rabatte von bis zu 90 Prozent. Das Inventar verkauft sie an Kunden mit Aufschlag weiter. ...verdient 200 000 € zahlen 60% 1 WERBEPAKET Brutto-Wert: 1 Mio. € Preis: 200 000 € ...verdient 400 000 € 60% 10 WERBEPAKETE Brutto-Wert pro Paket: 100 000 € Preis pro Paket: 60 000 € ...zahlen 600 000 € © 26 Werben & Verkaufen 3 19/2012 Fotos: Christoph Born; Unternehmen The Gallery of Creative Advertising heute das, was früher versteckte Kickbacks waren“, bringt es der Media-Chef eines Großkonzerns auf den Punkt. Und der böse Bube ist offenbar nicht nur die Group M: „Das machen fast alle“, sagt der Manager, der nicht genannt werden will. Einen weißen Ritter unter den Agenturen zu finden, sei schwierig. Doch die Agenturen könnten das umstrittene Gut ja nicht verkaufen, gäbe es dafür keine Abnehmer. Predigen die Unternehmen hier wieder einmal Transparenz, während sie hintenherum doch wieder nur noch mehr Einkaufsvorteile herausholen wollen? Schließlich weist die Organisation der Werbungtreibenden im Markenverband (OWM) mit ihren rund 100 Mitgliedern ausgiebig auf die Gefahren des Trading hin. Die Media-Manager großer Konzerne scheinen tatsächlich gegenzusteuern. Der Konsumgüterriese Nestlé, Konzerne wie die Deutsche Telekom oder Unilever haben nach W&V-Informationen in den Verträgen mit ihren Agenturen ausgeschlossen, Trading-Kontingente in ihre Einkaufspläne gemischt zu bekommen. Zum Teil offenbar auch gegen den Widerstand der Agentur, die argumentiert hatte, bei Großkunden sei der Anteil an Trading-Inventar im Einkaufsplan ohnehin zu vernachlässigen. „Sehr viele Werbungtreibende unterschiedlicher Größe haben inzwischen Trading vertraglich ausgeschlossen,“ sagt der OWM-Vorstandsvorsitzende Uwe Becker. Zudem wächst bei den großen Unternehmen der Missmut darüber, dass die Agenturen zwar ihre Media-Millionen benutzen, um bei den Medien 24 Stunden täglich die Vielfalt erfolgreicher Online-Kampagnen entdecken! Perfekte Markeninszenierung durch innovative Werbeformen und qualitative Umfelder Hohe Reichweite mit 50 % aller deutschen Internetnutzer auf unseren Portalen Kreative Lösungen für jedes Kampagnenziel, egal ob Branding, Image oder Abverkauf Die Vielfalt der Möglichkeiten zeigen unsere Best Practice Beispiele großer Marken The fine Arts of digital Media marketing TRADING Thorsten Müller Der Reckitt-BenckiserManager testet die Trennung von Planung und Einkauf. Tina Beuchler Die Nestlé-Mediachefin fordert MediaExpertise im eigenen Unternehmen. hochrabattierte Trading-Volumina herauszupressen, die so Nach W&V-Informationen versuchen Agenturen inzwierlangten Rabattvorteile aber quasi „sozialisiert“ werden. schen oft, Rabattvorteile durch Trading vertraglich mit eiDenn um die eigene Profitmaschine zu ölen, lohnt es sich nem Verzicht des Kunden auf sämtliche Einblicke in die für die Agenturen offenbar vor allem, Trading-Volumen an Preisgestaltung und einem Verzicht auf Auditing zu verbinden. Trading-Sonderangebote werden dem Kunden auch kleinere Kunden und Mittelständler zu verhökern. Es lässt sich an einer einfachen Modellrechnung demonstrieren, außerhalb des regulären Vertrags schmackhaft gemacht. dass die Agenturen daran am meisten verdienen. Manche Agenturen versuchten inzwischen, Verträge nur Kauft die Agentur einen 1000-Euro-Spot noch mit Trading-Anteil zu schließen, sagt vom Vermarkter für 200 Euro, kann sie dieein Insider. „Media ist sen an einen Großkunden für maximal 500 Ein anderes, etwas weniger aggressives nicht schwierig, Euro weiterverkaufen. Denn der bekommt Vertragsmodell, erlaubt der Agentur, Tradank seines Volumens ohnehin einen Rabatt ding-Material anbieten zu dürfen – ohne es wird nur von 50 oder 60 Prozent. Verdient hätte die Abnahmeverpflichtung für den Kunden. kompliziert Agentur also nur 200 bis 300 Euro. Von kleiWenn sich ein Kunde darauf einlässt, sollte gemacht“ neren Werbekunden kann sie für den Spot er die Agentur wenigstens verpflichten, Trading-Kontingente eindeutig zu kennzeichdagegen 700 oder 800 Euro verlangen. Der Media-Manager eines Mittelständler müsste regulär 900 Euro benen, empfiehlt die OWM in ihrem aktualiUnternehmens, das die Media-Strategie im sierten Mustervertrag (s. Abbildung). zahlen und freut sich über einen Preisnacheigenen Haus steuert. Kunden wie Thorsten Müller entgegnen lass, von dem er bisher nur geträumt hatte. der erneut zunehmenden Intransparenz der Die Agentur freut sich auch: Statt 300 Euro Agenturen auf ihre Weise. Der Medialeiter von Reckitt Gewinn sackt sie 500 oder 600 Euro ein. Manch ein Mittelständler ahnt nicht, was er sich damit Benckiser Central Europe hat die strategische Planung in einhandelt. Er setzt der Agentur durch den Kauf von Tradingdie Hände von Initiative Media gelegt und vom Einkauf (ViMaterial Anreize, Planungen zu erstellen, die nicht ausvaki/Zenithmedia) getrennt. „Die Trennung von Planung und Einkauf ermöglicht eine schließlich an der bestmöglichen Lösung für den Kunden andere Zusammenarbeit mit der Strategieagentur. Sie ist orientiert sind. Im Verkaufssprech der Agentur taucht der mitunter schiefe Mediaplan dann zum Beispiel als „Premiumlosgelöst von möglichen Einkaufsgarantien, die eine Agentur Rotation“ auf. Doch an der Rotation sei oft „überhaupt nichts sonst auch erfüllen muss“, sagt Müller. Und ganz nebenbei Premium außer die Marge der Agentur“, lästert die Mediakönnen sich die Agenturen auch noch kontrollieren. Das kosChefin eines Markenartikelunternehmens. Sie vermutet, dass te anfangs „etwas Aufwand an den Schnittstellen“, doch den viele kleinere Kunden nicht einmal wissen, dass sie TradingAbstimmungsaufwand habe man inzwischen im Griff, sagt der Media-Manager. Sollte der „ergebnisoffene Versuch“ sich Volumen im Plan haben. Manchmal nehmen sie vielleicht für bewähren, überlege der Konzern, das Modell auch in anderen die schönen Rabatte die Intransparenz einfach in Kauf. großen Märkten anzuwenden. Gespannt beobachtet die Mustervertrag Branche nun, ob auch bei dem globalen Unilever-Pitch (geOWM-Anwalt Thomas schätztes Volumen 3,5 Milliarden Euro) die Trennung von Salomon von Hogan Einkauf und Planung eine Rolle spielen wird. Lovells gibt Mitgliedern Unabhängig davon, welchen Weg ein Kunde wählt – ob er Planung und Einkauf trennt, externe Auditoren hinzuzieht oder auch nur mit einer Agentur beide Disziplinen steuern will – für Nestlé-Media-Chefin Tina Beuchler ist dabei ein Gedanke grundlegend: „Für Unternehmen ist es der größte Zugewinn an Transparenz und Wirkung, wenn die Media-Expertise im eigenen Unternehmen vorhanden ist.“ Die Med iaManagerin mit langjähriger Agenturerfahrung ist überzeugt, dass die Zeit der reinen Einkaufsoptimierer unter den Agenturen abläuft. „Je mehr man zur Einkaufsmaschine wird, desto mehr kann man von intelligenten Technologien abgelöst werden. In Judith Pfannenmüller 3 [email protected]
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