Pressespiegel Germanisches Nationalmuseum Kultur lebendig 1 Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Zwischen Venus und Luther: Cranachs Medien der Verführung Martin Luther war der erste ,.Medienstar" der Geschichte . Von keiner anderen Person seiner Zeit, von keinem Kaiser oder Papst, existieren mehr Bildnisse als von ihm . Bei der Verbreitung spielte Lucas Cranach d. Ä. eine zentrale Rolle. ln der Dauerausstellung des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg sind mehrere Gemälde Cranachs und seiner Werkstatt in ihrem kulturhistorischen Kontext zu sehen. Im Rahmen der Lutherdekade stehen sie 2015/2016 ein Jahr lang im Zentrum eines reichhaltigen Begleitprogramms. Luther und Cranach kannten sich gut. Sie wirkten beide in Wittenberg und waren befreundet . Cranach war der Trauzeuge Luthers und Taufpate von dessen ältestem Sohn . Mit seinen Bildnissen sorgte er für die mediale Verbreitung von Luthers Person. Verschiedene Images des Reformators prägte Cranach und passte sie den jeweiligen Ansprüchen von Politik und Kirche an : Luther als frommer Mönch, als Junker Jörg und Reformator oder als Ehemann gemeinsam mit seiner Frau Katharina von Bora. Mit der anhaltenden Legendenbildung um den außergewöhnlichen Kirchenmann und seiner wachsenden Verehrung entstanden immer neue Bildnistypen . Luthers Leben wurde wie das eines Heiligen in Szene gesetzt, seine Bildnisse verkauften sich gut . Viele wollten Lucas Cranach d. Ä. Venus mit Amor als Honigdieb, um 1537 Germanisches Nationalmuseum Honigdieb" besitzt das Germanische Nationalmu- wissen, w ie der berühmte, umstrittene, verehrte und verachtete Mann aussah, den der Papst zum Ketzer erklärt und über den der Kaiser 1521 die Reichsacht verhängt hatte . seum, mehr als zwanzig Fassungen sind weltweit erhalten . Sie zeigen die antike Göttin der Liebe mit ihrem Sohn, dem ungezügelten und schalkhaften kleinen Amor. Venus erscheint als grazile, nahezu mädchenhafte Schönheit mit makellos wei- D1e Macht der Verführung ßer Haut . Der dünne , ihren Körper umspielende Schleier enthüllt mehr als er verbirgt . Neben ihr steht Amor (oder Cupido), der mit seinen Pfeilen jene unwiderstehliche Liebe zu wecken vermag, von der es heißt, sie besiege alles : .. Amor vincit Neben Luther zählt die nackte und verführerische Venus zu den bekanntesten Cranach-Motiven. Gleich zwei Versionen von "Venus mit Amor als I 2015 Pressespiegel Germanisches Nationalmuseum Kultur lebendig 1 omnia". ln seiner Hand hält der kleine Liebesgott eine Bienenwabe, die er al!s einem hohlen Baum genommen hat. Mit schmerzverzerrtem Gesicht ten davor, sich verführen zu lassen . Andernfalls mache man sich zum Gespött der Öffentlichkeit oder - man denke an die Geschichte von Judith blickt er zu seiner Mutter auf. Ein lateinischer Text am oberen Bildrand erklärt den Kontext: Während Amor den Honig stahl, stach ihn eine Biene. Der Text erklärt weiter, dass uns in gleicher Weise die kurze, vergängliche Wollust verletzt, auch sie ist mit herbem Schmerz verbunden. und Halofernes-riskiere gar sein Leben. Die Moral ist deutlich, dass wir uns nicht auf die kurzen Freuden der Lust, sondern auf die wahre Liebe einlassen sollen. Gleiches verkünden die Führungen und Vorträge für Erwachsene, Kinder und Schulklassen vermitteln ab dem 21 . Mai 2015 Cranachs Kunst anschaulich und zielgruppenorientiert Eine neue Führungsreihe bringt Kunsthistoriker und Theologen zusammen, die sich gemeinsam einzelnen Werken widmen und die Bildthemen kontrovers diskutieren. Wer lieber unabhängig von festen Veranstaltungsterminen in die Zeit der Reformation eintauchen möchte, vielen weiteren Gemälde aus dem Kontext der .. Weibermacht"- wie beispielsweise .. Das ungleiche Paar" oder .,Der Mund der Wahrheit" -, die anhand verschiedener antiker wie biblischer Bei- der kann jederzeit den neuen Cranach-Audioguide an der Kasse ausleihen . spiele vor sinnlicher Versuchung warnen . Der Frau fiel dabei die Rolle der gefährlichen Verführerin Spott und Hohn gegenüber Papst und Kirche zu, die selbst besonnene Herrscher und weise Philosophen um den Verstand bringt. Mit seinen überlangen, schlanken Venusdarstellungen hatte sich Cranach weit vom klassisch-an- Ergänzend zeigt eine Studioausstellung rund 40 druckgrafische Blätter und Zeichnungen . Provokante Flugschriften und denunzierende Spottund Satirebilder sind darunter, die einst zu Propa- tiken Schönheitsideal entfernt. Sein Idealbild ging weder aus dem Studium der Natur noch aus den gandazwecken verbreitet wurden. Heftige Kritik äußerte Luther am Mönchtum. Die Mönchsge- Proportionslehren der Antike hervor. Vielmehr beschwört Cranach ein Stilideal, wie es um die Mitte des 15 . Jahrhunderts verbreitet war. Bilder dieser Art ermahnten zu Tugend und warn- lübde verstießen seiner Ansicht nach nicht nur gegen die menschliche Freiheit und das Gebot der Nächstenliebe, sondern liefen auch der menschlichen Natur zuwider. Zügellos lebende Geistli- Lucas Cranach d . Ä.: Frauen vertreiben Geistliche, um 1537 Germanisches Nationalmuseum, Graphische Sammlung I 2015 Pressespiegel Germanisches Nationa lmuseum Kultur lebendig 1 I 2015 dem gesprochenen und geschriebenen Wort dienten sie der Erklärung alter und neuer Glaubensinhalte . Cranachs Werke führen vor Augen, wie ein Künstler in Zeiten sich wandelnder religiöser Vorstellungen und einer veränderten Auftragslage mit einer unglaublichen Vielfalt an neuen Bildthemen und bildgewaltigen Ausdrucksformen neue Wege beschreitet- und das überaus erfolgreich . Noch heute kennen wir die Bedeutung von Bildnissen. Vor Wahlen lächeln uns Sympathie und Kompetenz ausstrahlende Gesichter von Plakaten an und versuchen, politische und gesellschaftliche Botschaften zu übermitteln . Ein Bildnis sollte dem Dargestellten ähnlich sein, es soll ihn aber auch von seiner besten Seite zeigen . Bildnisse sind daher immer auch eine gezielte media le Inszenierung . ln der Verbindung von Cranach und Luther gewinnt die Kunst der Frühen Neuzeit erstmals eine neue mediale Bedeutung, die weit in unsere Gegenwart vorausweist. ln dem Bestreben, Werke in der Dauerausstellung Lucas Cranach d. Ä. I Werkstatt, Posthumes Bildnis mit einem Begfeitprogramm neu zu betonen und Martin Luthers als Augustinermönch, nach 1546 in den Fokus zu rücken, beschreitet das Germani- Germanisches Nationalmuseum sche Nationalmuseum neue Wege. Die Arbeit mit der eigenen Sammlung, die hervorragend aufbereitet und thematisch gruppiert ist, soll die Auf- ehe und prassende Mönche wurden zu beliebten merksamkeit der Besucher darauf lenken, dass Motiven der Bildsatire im frühen 16. Jahrhundert . nicht nur aufwändig beworbene Sonderschauen attraktive Themen bereithalten. Auch die perma- Das Thema greift auch eine Zeichnung Cranachs nenten Bestände können immer wieder Spannen- auf . Sie zeigt. wie die vom ausschweifenden Leben des präsentieren. der Geistlichen besonders bedrohten Frauen ihre Peiniger vor sich hertreiben. Mit Dreschflegeln, Forken und Knüppeln gehen sie auf Kardinäle und Bischöfe, aber auch Bettelmönche los. Keiner der Gejagten bleibt von ihrem Wüten verschont. Die Macht der Bilder Bilder spielten für die Verbreitung der lutherischen Lehre, bei der Ausbildung der Konfessionen und bei den nachfolgenden Reformen der katholischen Kirche eine entscheidende Rolle . Neben Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg Zwischen Venus und Luther: Cranachs Medien der Verführung Dauer- und Studioausstellung 21. Mai 2015-22. Mai 2016
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