Link - Sankt Gertrauden

Orbitatumore und andere Prozesse in der
Augenhöhle
Raumfordernde Prozesse in der Augenhöhle (Orbita) können zu Schmerzen, Doppelbildern
und Sehstörungen wie Sehschärfe- und Gesichtsfelddefekte und auch einer sichtbaren
Vorwölbung des Augapfels (Protrusio bulbi) führen. Die Vielfalt der Beschwerden ist dadurch
bedingt, dass in der Orbita viele Strukturen auf sehr
engem Raum benachbart zueinander vorliegen und
gleichzeitig sehr unterschiedliche Erkrankungen
(Tumore, Entzündungen, Verletzungen, Auswirkungen
von Erkrankungen des Hirn- und Gesichtsschädels)
auftreten können. Erkrankungen der Augenhöhle
treten auch abhängig vom Lebensalter unterschiedlich
häufig auf. Bei jungen Patienten treten vermehrt
Optikusgliome und Rhabdomyosarkome, bei Patienten
mittleren bis höheren Lebensalters Kavernome,
Meningeome, endokrine Orbitopathie und im höheren
Lebensalter Karzinome und Lymphome auf.
Augenärztliche Untersuchungen mit Visus- und
Gesichtsfeldbestimmungen,
Messungen
der
Intraorbitale Raumforderung mit
Augäpfelpositionen bei einer Protrusio bulbi und
hierdurch vorgewölbten Augapfel
Bilduntersuchungen im Magnetresonaztomographen
(Protrusio bulbi)
(Kernspintomographie) sowie bei knöcherner
Beteiligung auch der Computertomographie sind
wichtige diagnostische Untersuchungen. Einige
Orbitaerkrankungen können nur verlaufskontrolliert
werden, bei zunehmenden Beschwerden ist aber
häufig auch eine aktive Behandlung erforderlich
Neben
medikamentösen
und
strahlentherapeutischen
Behandlungsmethoden
hat die chirurgische Therapie eine wichtige
Bedeutung. Abhängig von der genauen Lage und
Größe, sowie der vermuteten Tumorart können die
Erkrankungen über sehr unterschiedliche Wege
(Zugänge) operiert werden. In Kooperation mit den
augenärztlichen und HNO-Kollegen werden in der
Neurochirurgie des Sankt Gertrauden-Krankenhaus
alle etablierten Zugänge für Orbitaerkrankungen
durchgeführt.
Von dem Nasenraum bis in die Orbita
einwachsender bösartiger Tumor
Transkonjunktivaler Zugang
Veränderungen,
die
sich
innerhalb
des
Muskeltrichters hinter dem Augapfel befinden
können gut über einen Weg erreicht werden, für den
die Bindehaut des Auges eröffnet wird, so kann ein
Hautschnitt vermieden werden. Mittelgroße
Kavernome
und
einige
andere
gutartige
Veränderungen können sicher über diesen Weg
operiert werden.
Kavernom hinter dem Augapfel im
Muskeltrichter der Augenhöhle
Lateraler Zugang
Veränderungen seitlich des Sehnervens können über einen seitlichen Zugang (laterale
Orbitotomie) operiert werden. Hierzu wird ein Hautschnitt im Bereich des seitlichen
Augenwinkels angelegt. Anschließend wird ein Teil der seitlichen knöchernen Wand der
Augenhöhle vorübergehend entfernt (im Bild lila eingefärbt) und am Ende der Operation mit
kleinen Titanplättchen wieder eingesetzt.
Über diesen Weg können unter anderem Optikusscheidenmeningeome, Kavernome,
Tumoren der Tränendrüse, Neurinome und Neurofibrome chirurgisch behandelt werden.
Lateraler Zugang: Knöcherner Anteil der Orbitawand der vorübergehend entfernt und am Ende der
Operation mit Titanplatten wieder befestigt wird (links). Neurofibrom (helle Veränderungen hinter
dem Augapfel auf der linken Bildseite) im Bereich der seitlichen Orbita (rechts).
Supraorbitaler Zugang
Veränderungen oberhalb des Sehnervens können über einen supraorbitalen Zugang erreicht
werden. Hierbei wird ein Hautschnitt im Verlauf der Augenbraue durchgeführt. Ein Teil der
oberen knöchernen Orbitawand wird wie beim lateralen Zugang beschrieben vorübergehend
entfernt und am Ende wieder eingesetzt. Über diesen Zugang können auch sehr große weit
nach hinten reichende Prozesse, z.B. Kavernome sicher entfernt werden.
Supraorbitaler Zugang: Knöcherner Anteil der Orbitawand der vorübergehend entfernt und am Ende
der Operation mit Titanplatten wieder befestigt wird (links, lila eingefärbt). Hautschnitt im Bereich
der Augenbraue (Mitte, grün markiert). Kavernom hinter dem Augapfel (rechts).
Transkranieller Zugang (frontolateral / pterional)
Veränderungen, die sich im hinteren Teil der Augenhöhle ausdehnen oder sich sogar bis in
den Gehirnschädel weiter erstrecken, können über einen Zugang mit Schädeldacheröffnung
(transkraniell) operiert werden.
Hierdurch
können
auch
Veränderungen
behandelt
werden, die den Sehnervenkanal
betreffen. Auch wenn der
Zugang zunächst sehr invasiv
erscheint,
erhält
der
Neurochirurg mit diesem Zugang
einen sehr guten Überblick über
alle sensiblen Strukturen und
kann so auch ausgedehnte
Veränderungen sehr sicher
operieren. Die Sicherheit und
der Funktionserhalt stehen bei
der Wahl dieses Zuganges daher
häufig im Vordergrund. Der
Hautschnitt wird bei diesem Transkranieller Zugang: Lokalisation der Schädeleröffnung
Zugang hinter der Haargrenze (lila eingefärbt). Der Knochen wird am Ende der Operation
angelegt, so dass später keine mit Miniplatten wieder eingesetzt.
sichtbare Narbe mehr zu sehen
ist.
Der transkranielle Zugangsweg wird häufig für Meningeome genutzt. Dies sind Tumore, die
von der Hirnhaut (Meningen) ausgehen. Die Hirnhäute überziehen wie eine dünne Hülle
nicht nur den Knochen des Hirninnenraumes, wozu auch Teile des Orbitadaches und der
Orbitawände gehören, sondern auch den Sehnervenverlauf in der Augenhöhle. Häufig tritt
bei diesen Meningeomen auch eine Tumorbeteiligung der Knochen auf. Bei der operativen
Behandlung muss daher häufig auch der erkrankte Knochen mit entfernt und dann durch
gesunden Knochen oder Kunstknochen ersetzt werden. Durch die Tumorentfernung und die
damit verbundene Entlastung des Sehnervens kann in den meisten Fällen wieder eine
Verbesserung oder sogar Normalisierung der Sehfunktion erreicht werden.
Bei den Sphenoorbitalen Meningeomen kann es zu sehr ausgedehnten
Tumorveränderungen mit Verdrängung und Einwachsen in die Strukturen des Orbitainhaltes
einschließlich der Augenmuskeln kommen. Diese Erkrankung tritt meist im mittleren bis
hohen Lebensalter auf, Frauen sind hiervon häufiger betroffen als Männer. Das Auge kann
weiter nach vorne stehen (Exophthalmus) und der Schläfenbereich wirkt durch den
veränderten Knochen und Temporalismuskel häufig verdickt. Bei einer Sehverschlechterung
muss häufig auch der Sehnervenkanal mit geöffnet und entlastet werden.
Ausgedehntes Schädelbasis-Meningeom mit Tumorausdehnung bis in die Orbita und
Veränderungen der Knochen (unten rechts).
Meningeome und andere Tumore, die auf spezielle Strukturen im Bereich des
Gehirnschädels mit naher Beziehung zur Orbita und dem Sehnerven begrenzt sind, wie
Tuberculum
sellae
Meningeome,
Clinoidfortsatzmeningeome,
mediale
Keilbeinflügelmeningeom, Kraniopharyngeome und einige Hypophysentumore, können
ebenfalls sehr sicher über diesen Zugang entfernt werden.
MRT-Bilder eines Kraniopharyngeoms mit Druck auf die Sehnervenkreuzung (Chiasma).
Häufig sind bei diesen Tumoren beide Sehnerven sowie die Sehnervenkreuzung (Chiasma
opticum) betroffen. Durch die mit diesem Zugang verbundene gute Übersicht können die für
die Durchblutung des Gehirnes wichtigen Gefäße, wie die Arteria carotis interna (ACI),
geschont werden.
Intraoperative Bilder einer Operation eines Kraniopharyngeoms vor und nach Tumorentfernung mit
freier Sehnervenkreuzung.
Optikusscheidenmeningeome
Optikusscheidenmeningeome entstehen aus der Sehnervenscheide, die den Sehnerven in
seinem Verlauf in der Orbita umgibt. Je nach Lokalisation werden die
Optikusscheidenmeningeome als Typ I (intraorbital, d.h. in der Augenhöhle wachsend), Typ II
(im Sehnervenkanal wachsend) und Typ III (bis nach intrakraniell, d.h. in den Gehirnraum
einwachsend) eingeteilt. Bei den Typ I und Typ II Tumoren kann eine Teilentfernung und eine
Entlastung im Bereich des Sehnervenkanales zu einer Verbesserung oder Stabilisierung der
Sehfunktion beitragen. Bei Typ III Tumoren kann über einen transkraniellen Zugang eine
operative Tumorentfernung meist mit gleichzeitiger Entlastung des Sehnervenkanals
durchgeführt werden. Im Anschluss an die operative Therapie ist auch eine Bestrahlung des
orbitalen Tumoranteils möglich.
Transkranieller operativer Zugang bei einem bis in den Gehirnraum wachsenden
Optikusscheidenmeningeom (linke Seite), nach Tumorentfernung mit entlastetem Sehnerven und
befreitem Hirngefäß (rechte Seite).
Optikusgliome
Optikusgliome sind seltene Tumoren die meist schon im Kindesalter auffallen. Relativ häufig
treten sie im Rahmen einer Neurofibromatose Typ 1 auf. Aufgrund ihres langsamen
Wachstuns werden die Tumore häufig nur beobachtet. Bei großen Tumoren oder wenn ein
Optikusgliome droht über die Sehnervenkreuzung auch die Sehfunktion der anderen Seite zu
beeinträchtigen kann der Tumor entfernt werden. Alternativ kann in solchen Fällen auch
eine Bestrahlung des Tumors erfolgen. In beiden Fällen bleiben der Augapfel und seine
Beweglichkeit erhalten.