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PRESSEMITTEILUNG
Neue Therapieoptionen bei Krebs in Lunge und Dünndarm
Studien zeigen Behandlungserfolge bei neuroendokrinen Tumoren
Mainz, Oktober 2015 – Neue Medikamente und eine verbesserte Therapie
mit radioaktiv markierten Substanzen zur „internen Bestrahlung“ verbessern die Behandlung von neuroendokrinen Tumoren (NET) im MagenDarm-Trakt und der Lunge und zögern wirksam das Tumorwachstum
hinaus. Dies zeigen zwei aktuelle Studien, die Wissenschaftler auf dem
europäischen Krebskongress ESMO in Wien vorstellten. Damit schließe
sich eine wichtige therapeutische Lücke, erklärt die Deutsche Gesellschaft
für Endokrinologie (DGE).
Neuroendokrine Tumoren sind seltene Wucherungen, die aus hormonbildenden
Zellen hervorgehen und zum Teil Hormone produzieren und in den Blutkreislauf abgeben. Etwa fünf Menschen von 100 000 erkranken in Deutschland jährlich daran. Die Geschwulste/Tumoren wachsen langsam und treten vor allem
im Magen, Dünndarm, Dickdarm, Wurmfortsatz oder Lunge auf. Professor Dr.
med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der DGE und Leiter des Endokrinen
und Neuroendokrinen Tumorzentrums von der Johannes Gutenberg-Universität
Mainz, erklärt: „Ein Großteil der neuroendokrinen Zellen befinden sich im Magen-Darm-Trakt oder der Lunge. Daher entstehen dort auch die meisten NET.“
Von der neuen, zielgerichteten Therapie profitieren nun vor allem auch Patienten mit fortgeschrittenen, nicht mehr operativ zu entfernenden NET des MagenDarm-Trakts, bei welchen bisher lediglich eine Behandlung mit Depotpräparaten des wachstumshemmenden Hormons Somatostatin zugelassen war, erklärt
Weber. Die neuen Medikamente machten sich besondere biologische Eigenschaften des Tumors zunutze. „Die Substanz Everolimus etwa blockiert eine
zentrale Schaltstelle in der Tumorzelle, die für Zellteilung und Zellwachstum
zuständig ist“, so Weber. In der randomisierten, doppelblinden, multizentrischen Phase III-Studie „RADIANT-4“ hatten Wissenschaftler 302 Patienten
mit fortgeschrittenem neuroendokrinen Tumoren des Gastrointestinaltrakts oder
der Lunge mit Everolimus behandelt. Die Ergebnisse, die in Wien auf dem
europäischen Krebskongress vorgestellt wurden, seien sehr überzeugend, so der
DGE-Mediensprecher. Das „progressionsfreie“ Überleben, also das Überleben
ohne ein Fortschreiten der Erkrankung, lag bei der Everolimus-Gruppe bei elf
Monaten verglichen mit 3,9 Monaten bei der Placebo-Gruppe.
Mit der sogenannten Peptid-Radiorezeptortherapie (PRRT) gelingt es Ärzten
zudem, die Tumorzelle auch von Innen heraus zu bestrahlen. „Auf der Ober-
Pressestelle
Prof. Dr. med. Matthias M. Weber
(Mediensprecher)
Anna Julia Voormann
Dagmar Arnold
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Telefon: 0711 89 31-380
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fläche der Tumorzellen sitzen Rezeptoren“, erklärt Weber. Die Bindungsstellen
für das Hormon Somatostatin nutzt das Medikament als Andockstelle. „Das
Radionuklid ist mit einem Somatostatin-Analogon verbunden“, sagt Weber. Es
dockt so an den Rezeptor an und bestrahlt zielgerichtet unmittelbar die Zellen
des Tumors. In der NETTER-1 Studie, an der 230 Patienten teilnahmen, konnten Forscher aus Europa und den USA nun erstmals eindeutig zeigen, dass die
Radiorezeptortherapie mit 177Lu-DOTATATE bei Patienten mit einem fortschreitenden NET des Dünndarms gegenüber der reinen Gabe von hochdosierten Somatostatin-Analoga das progressionsfreie Überleben der Patienten signifikant erhöht. Dabei bewirkte die PRRT bei 19 Prozent der Patienten eine deutliche Tumorverkleinerung und reduzierte das Risiko für ein Fortschreiten des
Tumors im Vergleich zur reinen medikamentösen Behandlungsgruppe um fast
80 Prozent. „Das stellt diese bisher nur in einigen großen europäischen Zentren
verfügbare Therapie auf eine sehr gute wissenschaftliche Evidenzlage“, so der
NET-Experte.
Professor Weber fasst zusammen: „Beide Behandlungen waren eindeutig
wachstumshemmend und werden wahrscheinlich zu einer baldigen Zulassung
für diese Therapien führen. Damit schließt sich eine therapeutische Lücke. Wir
können jetzt Patienten mit NET des Dünndarms und der Lunge, die nicht operiert werden können, besser behandeln.“
Literatur:
Yao, James C., et al.: Everolimus in advanced non-functional neuroendocrine tumours
(NET) of lung or gastrointestinal (GI) origin: Efficacy and safety results from the
placebo-controlled, double-blind, multicenter, Phase 3 RADIANT-4 study." Presented
at: 2015 European Cancer Congress; September 25-29; Vienna, Austria (noch nicht
publiziert)
Strosberg J, Wolin E, Chasen B, et al. 177-Lu-Dotatate significantly improves
progression-free survival in patients with midgut neuroendocrine tumours: Results of
the phase III NETTER-1 trial. Presented at: 2015 European Cancer Congress;
September 25-29; Vienna, Austria. (noch nicht publiziert)
Endokrinologie ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen
auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse
oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken,
„endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im
Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre
Sekrete nach „außen“ ab.