04/2015 brüderECHO brüderECHO Fotos: ohsjd.org, Franz Zalubil Neues von den Barmherzigen Brüdern Österreich Spanische Auszeichnung Tschechien „Sie erfüllen einen selbstlosen Dienst“ Coelestin-Opitz-Preis in Prag verliehen König Felipe würdigte den Kampf des Ordens gegen Ebola und verlieh am 23. Oktober den Prinzessin-von-Asturien-Preis. Ende Oktober wurde bereits zum sechsten Mal der Coelestin-Opitz-Preis verliehen. n n „Hingabe, Großmut und Professionalität gegen Armut und Krankheiten wie Ebola“ - mit diesen Worten würdigte der spanische König Felipe den Einsatz gerade auch von Ordensleuten, „die sich weltweit für die Linderung des Leidens der Menschen einsetzen, die besonders benachteiligt sind“. Über die Barmherzigen Brüder sagte er: „Sie, die das menschliche Leiden aus nächster Nähe kennen, erfüllen einen selbstlosen Dienst, der aus ihrem Daseinsgrund, aus ihrem Glauben und aus ihrem Pflichtbewusstsein erwächst.“ Der Preis, den der Orden für Völkerverständigung erhielt, wird jedes Jahr in acht Kategorien vergeben. König Felipe überreichte die Auszeichnung an Generalprior Pater Jesús Etayo. Er widmete den Preis bedürftigen Menschen: „Es ist in meinen Augen wichtig darauf hinzuweisen, dass alle Auszeichnungen und Preise eigentlich diejenigen würdigen, für die wir sorgen.“ Ausgezeichnet wurden Personen, die sich im Gesundheits- und Sozialbereich für Kranke oder Bedürftige engagieren: MitarbeiterInnen der Caritas Prag (im Bild mit Frater Martin Macek, Prior in Brünn), die in Uganda eine Klinik betreibt, und der Priester Marián Kuffa. Er baute in Žakovce (Slowakei) eine Einrichtung für Haftentlassene, Obdachlose, Prostituierte und Waisenkinder auf. Die Caritas Prag gründete 2007 eine Klinik in Uganda. Die Behandlung konzentriert sich auf die Behandlung von Malaria, Tuberkulose, HIV-Infektionen und Mangelernährung, aber auch chirurgische Eingriffe werden durchgeführt. Ermöglicht wird das Projekt durch Spenden aus Tschechien. Benannt ist der Preis nach Frater Coelestin Opitz, der 1847 im Prager Ordenskrankenhaus einen Arm unter Vollnarkose amputierte. Damit war er der erste, der in der Donaumonarchie einen größeren Eingriff unter Narkose erfolgreich durchführte. orden Berlin Klinik Award: Zweimal Silber für Marketing „Made in Styria“ In Berlin fand der diesjährige Klinikmarketing-Kongress statt, dem am Abend die Preisverleihung zum Klinik Award im Konzerthaus Berlin folgte. Die Steiermark war dabei stark vertreten – gleich zwei eingereichte Projekte der Barmherzigen Brüder in der Kategorie „Sonderpreis der Jury“ wurden mit Silber ausgezeichnet. Foto: rotthaus.com – Sebastian Runge Johannes von Gott-Pflegezentrum der Barmherzigen Brüder in Kainbach bei Graz aufgeführt werden. Als Projektleiterin der Passionsspiele erzählte sie vom 40-köpfigen Theater-Ensemble, bestehend aus Menschen mit und ohne Behinderung, die auf berührende Weise das Leben Jesu aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln erzählen. Durch ein sehr engagiertes Projektteam und das Ensemble sprang bei den Passionsspielen 2014 der Funke der Begeisterung auf sehr viele Menschen über, welche in Folge zu Partnern und Mitträgern des Projektes wurden. So wurden die „Kainbacher Passionsspiele“ verfilmt, im ORF übertragen und eine DVD und Musik-CD produziert. v.l.: Mag. (FH) Lydia Haider (Leitung Öffentlichkeitsarbeit), Prim. Dr. Werner Friedl (Ärztliche Leitung Walkabout), Mag. Martina Pusterhofer (Theaterpädagogin) Am 11. November fand im Konzerthaus Berlin die Preisverleihung zum Klinik Award 2015 für hervorragende Leistungen im Bereich des Klinikmarketings statt. Zwei von den Barmherzigen Brüdern eingereichte Projekte, die „Kainbacher Passionsspiele 2015“ des Johannes von Gott-Pflegezentrums und das „Walkabout Comic“ der Therapiestation für Drogenkranke „Walkabout“ wurden von der international besetzten Jury des „Klinik Award“ jeweils mit Silber in der Kategorie „Sonderpreis der Jury“ ausgezeichnet. Leistungen im Bereich Klinikmarketing des deutschsprachigen Raums ausgezeichnet und ein Anreiz für mehr Transparenz und Wettbewerb im Klinikmarkt geschaffen. Die nominierten Projekte wurden im Rahmen des ganztägigen Klinikmarketing-Kongresses in Berlin einem Fachpublikum präsentiert. So bot sich die Möglichkeit, im persönlichen Dialog mehr über die einzelnen Marketing-Projekte zu erfahren. Thomas Bogensberger, ORF-Redakteur und Regisseur des Films „Kainbacher Passionsspiele“, beschrieb seine Eindrücke so: „Die Kunst der Inszenierung und des Spiels holt das Geschehen mitten ins 21. Jahrhundert: dabei ist es für Zuschauer und Mitwirkende ohne Bedeutung, wer als Person welche Besonderheit oder Behinderung auf die Bühne mitbringt: das ist barrierefreies Miteinander.“ Dass Inklusion ganz ohne Theater passieren kann und das gelebte barrierefreie Miteinander überzeugte auch die Jury des Klinik Awards. Barrierefreies Miteinander Comics gegen Drogen Mit dem Klinik Award, der in der Presse als „Oscar der Krankenhausbranche“ bezeichnet wird, werden hervorragende Theaterpädagogin Mag. Martina Puster hofer präsentierte die „Kainbacher Passionsspiele“, die alle zwei Jahre im Das von Mag. (FH) Lydia Haider, Leiterin der Öffentlichkeitsarbeit der Einrichtungen in Kainbach bei Graz, präsentierte 04/2015 Walkabout-Comic wurde in erster Linie konzipiert, um Aufmerksamkeit zu erzielen und für das Thema „Sucht“ zu sensibilisieren. Der banale Satz „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ hat dabei besonderen Stellenwert, denn was nicht wahrgenommen wird, wird nicht verarbeitet und nicht erinnert. Fotos: BB Kainbach So entstand ein Comic, das den Leidensdruck vieler Drogenkranker in Form von Bildern sicht-, spür- und erlebbar macht. In starken Bildern und Texten zeigt es den Weg eines Jugendlichen in die Sucht und seinen persönlichen Weg aus der Sucht. Die autobiografische Geschichte des drogenkranken Patienten wurde mit ihm als Teil seiner Therapie in einer Schreibwerkstatt auf „Walkabout“ zu Papier gebracht und mit BravoINK gestalterisch umgesetzt. Unter dem Titel „Vor’m Anfang kam das Ende, aber jedes Ende ist auch ein neuer Anfang“ richtet sich das mit Silber ausgezeichnete Comic an Interessierte, Betroffene, Eltern, Beratungsstellen und Schulen. Es ist im HerzStern-Verlag gelistet und in der Steiermark kostenfrei über die Walkabout Ambulanz Mariahilf in Graz erhältlich. n walkabout comic www.bbwalkabout.at brüderecho Zum Geleit Sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter! Das „Jahr der Barmherzigkeit“, das am 8. Dezember begonnen hat, steht unter dem Motto „Barmherzig wie der Vater“. Wenn wir Gott suchen, der immer bereit ist zu verzeihen, wird es uns leichter fallen, zu barmherzigen Menschen zu werden. Die Einladung Christi: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist“ (Lk 6,36), wird dann persönlich und konkret. Der hl. Johannes von Gott lebte aus der Erfahrung der göttlichen Barmherzigkeit. Ich wünsche uns allen eine ähnliche Erfahrung, denn sie kann Leben verwandeln! Das erleben wir jeden Tag, wenn wir ein wenig darauf achten, wie professionell und menschlich sich unsere Kolleginnen und Kollegen für die uns anvertrauten Personen und füreinander einsetzen! Daraus entsteht Großes, wie die verschiedenen Auszeichnungen bestätigen, die der Orden in letzter Zeit entgegennehmen durfte. Darüber berichten wir hier natürlich sehr gerne. kainbacher passionsspiele 2014 www.kainbach.at/passion Dass es auch viele andere „Zeugen der Barmherzigkeit“ gibt, zeigt der Bericht über unseren traditionellen Coelestin-OpitzPreis. Den haben diesmal ein Priester erhalten, der sich sehr für Obdachlose einsetzt sowie die Caritas Prag. Ich wünsche Ihnen und Ihren Angehörigen ein frohes Weihnachtsfest und Gottes Segen für das kommende Jahr und sage Vergelt’s Gott für Ihre Arbeit! Mit freundlichen Grüßen, n Frater Joachim Mačejovský, Provinzial orden Weltkirche Heiliges Jahr der Barmherzigkeit Am 8. Dezember 2015 begann das von Papst Franziskus ausgerufene „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“, in dem er die Barmherzigkeit als einen zentralen Begriff des Christentums wieder mehr in den Vordergrund stellen möchte. Wie Barmherzigkeit konkret gelebt werden kann, das formuliert die christliche Tradition in den „Werken der Barmherzigkeit“. Zu den leiblichen Werken der Barmherzigkeit gehören: Hungrige speisen, Durstigen zu trinken geben, Nackte bekleiden, Fremde aufnehmen, Kranke pflegen, Gefangene besuchen und die Toten begraben. Zu den geistigen Werken der Barmherzigkeit zählen: den Zweifelnden recht raten, die Unwissenden lehren, die Sünder zurechtweisen, die Betrübten trösten, Beleidigungen verzeihen, die Lästigen geduldig ertragen und für die Lebenden und Verstorbenen zu beten. Barmherzigkeit ist ein zentraler Begriff des Christentums, der das Wesen Gottes beschreibt. Im „Lexikon für Theologie und Kirche“ wird sie als „freie und freigiebige, nicht geschuldete, liebend-vergebende Hinwendung Gottes zum Geschöpf“ beschrieben. „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!“ fordert Jesus im LukasEvangelium (6,36). Darauf nimmt das Motto des Heiligen Jahres „Barmherzig wie der Vater“ Bezug und deutet damit dessen doppelte Ausrichtung an: Einerseits die Barmherzigkeit Gottes zu erfahren, die uns das Herz öffnet für die Hoffnung, dass wir von ihm für immer geliebt sind. Und andererseits den Nächsten mit den Augen Gottes zu sehen, sich anrühren zu lassen und auf seine Nöte und Bedürfnisse zu antworten. Beim Durchdenken der Werke sollte jeder für sich erkennen, für welches er Talente hat. Aber auch die Kirche solle immer mehr „Dienerin und Mittlerin“ der Liebe Gottes werden, so der Papst. „In unseren Pfarren, Gemeinschaften, Vereinigungen und Bewegungen, das heißt überall, wo Christen sind, muss ein jeder Oasen der Barmherzigkeit vorfinden können“, schreibt er in der Eröffnungsbulle zum Heiligen Jahr. Er selbst möchte in diesem Jahr seine Aufmerksamkeit für „Menschen in existenziellen Randsituationen“ verstärken und die persönliche Begegnung suchen. Heilige Jahre Die Tradition der Heiligen Jahre ist mehr 700 Jahre alt. 1300 rief Papst Bonifatius VIII. erstmals eines aus. Das nächste sollte nach 100 Jahren folgen, der Abstand wurde aber immer weiter verringert. Seit 1475 sind es 25 Jahre, denn jede Generation sollte ein solches Jahr erleben. Der Papst kann darüber hinaus weitere Heilige Jahre ausrufen, zuletzt war das 1983 der Fall. In diesen Jahren sind die Gläubigen eingeladen, die Bezie- hung zu Gott und den Mitmenschen zu erneuern. Das Logo Das Logo präsentiert sich als eine kleine „Summa Theologiae“ zum Thema der Barmherzigkeit. Es zeigt den Sohn, der sich den verlorenen Menschen auf die Schultern lädt. Hier wird ein Bild aufgegriffen, das schon die Urkirche schätzte, weil es die Liebe Christi zeigt, der seine Menschwerdung im Werk der Erlösung zur Vollendung führt. Im Bild wird deutlich, wie der gute Hirte in direkten Kontakt mit dem Menschen kommt: Er tut dies mit einer Liebe, die in der Lage ist, Leben zu verändern. Der gute Hirte trägt symbolisch die Menschheit auf den Schultern und seine Augen verbinden sich mit denen des Menschen. Christus sieht mit dem Auge Adams, und dieser mit dem Auge Christi. Jeder Mensch entdeckt also in Christus, dem neuen Adam, die eigene Menschlichkeit und, indem er in Christi Blick die Liebe des Vaters wahrnimmt, die Zukunft, die ihn erwartet. Die Szene ist von einer mandelförmigen Figur eingefasst, eine in der antiken und mittelalterlichen Ikonographie beliebte Form, welche die gleichzeitige Präsenz der göttlichen und der menschlichen Natur in Christus ausdrückt. Die drei konzentrischen Ovale mit ihrem progressiven, nach außen immer heller werdenden Farbverlauf symbolisieren die Bewegung Christi, der den Menschen aus der Macht der Sünde und des Totes zum Licht bringt. Auf der anderen Seite steht die tiefdunkle Farbe im Zentrum auch für die Undurchdringlichkeit der Liebe des Vaters, der alles verzeiht. n 04/2015 brüderecho Wien Fußballturnier Mitte November trafen sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Provinzialats, der Krankenhäuser in Wien und Eisenstadt sowie Auszubildende der Pflegeakademie und vier Ordensbrüder, um ein freundschaftliches Hallenfußballturnier auszutragen. Nach einem spannenden Turnierverlauf wurde das Team aus Eisenstadt durch einen Sieg im letzten Spiel gegen das Team des Wiener Krankenhauses zum Sieger gekürt. Den dritten Platz belegte das Team der Pflegeakademie. Das „Team Orden“ mit Mitarbeitern des Provinzialats und vier Ordensbrüdern hingegen nahm in der Verteidigung den Ordensgrundsatz der Hospitalität, also Gastfreundschaft, wohl etwas zu ernst und belegte daher den vierten und letzten Platz. n Foto: Team „Orden“ mit den Brüdern Johannes, Johnson (hinten 1.u.2.v.l.), Saji (vorne 1.v.l.) und Thomas (vorne 1.v.r.) und Mitarbeitern des Provinzialats Linz Mit dem Hofkammerdekret Nr. 72 vom 7. Jänner 1791 gestattete Kaiser Joseph II. den Barmherzigen Brüdern in Linz die Errichtung einer öffentlichen Apotheke, der damals vierten in der Stadt. Trotz einer Beschwerde der drei bisherigen Linzer Apotheker konnte die Apotheke am 29. Dezember 1791 offiziell eröffnet werden. Untergebracht war sie im Benefiziatsstöckel des ehemaligen Karmelitinnenklosters, das Joseph II. aufgelöst hatte. Bis 1920 wurde die Apotheke von einem Bruder als Provisor geleitet. Seither liegt die Leitung der Apotheke in weltlichen Händen. 1936/37 wurde das „Apothekerstöckl“ abgetragen und ein Neubau errichtet. 1979 erfolgte eine Generalsanierung und 1999 ein Umbau des Innenraums. Modernisierungen und Innovationen prägten die Apotheke in den vergangenen Jahren, so eröffnete sie im Vorjahr eine Online-Apotheke: apotheke.barmherzige-brueder.at n Pinsdorf Zweisprachiges Bilderbuch Nur wenige Schritte von der Lebenswelt Pinsdorf entfernt liegt die Volksschule des Orts. Durch diese räumliche Nähe ergaben sich seit Eröffnung der Lebenswelt 2011 immer wieder gemeinsame Aktivitäten. Ein wohl einmaliges Projekt wurde 2012 verwirklicht: Volksschulkinder und gehörlose Menschen erarbeiteten gemeinsam ein Bilderbuch in Schrift- und Gebärdensprache. Auszeichnungen wie „PHILIPP. Der Lese-Award 2012“ als bestes Leseprojekt Österreichs im außerschulischen Bereich und der „Ober österreichische Bildungskristall“ bestärkten Volksschule und Lebenswelt, die Kooperation zu vertiefen. Ergebnis ist das eben erschiene Bilderbuch: „Bibbi & Bobbo – Die Freundschaftsprobe“. Wie schon im ersten Band geht es um hörende und gehörlose Fantasiewesen. (net-Verlag, € 15,50) n Foto: Michael Hierner / hierner.info 225 Jahre Apotheke O RD E N Jahr der Barmherzigkeit Mit offenen Augen von Jerusalem nach Jericho Wenn am 8. Dezember 2015 in der Katholischen Kirche weltweit das „Jahr der Barmherzigkeit“ beginnt, dann wird auch regelmäßig das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter erwähnt werden. Diese Erzählung beinhaltet zahlreiche Denkanstöße, von denen viele ethische Relevanz für unsere Arbeit in den Einrichtungen der Barmherzigen Brüder besitzen. Bild: Paula Modersohn Becker Im Anschluss an dieses Gleichnis fragt Jesus nun den Gesetzeslehrer, wer sich denn in der Lehr-Erzählung als Nächster des Niedergeschlagenen erwiesen hat. Der Gesetzeslehrer versteht: es war der Samariter, der barmherzig gehandelt hat. Und was hat das mit Ethik zu tun? Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter ist eine oft wiedergegebene Lehr erzählung Jesu. Die Erzählung hat einen Vorspann. Dabei fragt ein Gesetzeslehrer Jesus, was er tun müsse, um das ewige Leben zu gewinnen, d.h. vollkommenes Glück. Der Gesetzeslehrer und Jesus sind sich über die Antwort einig: Gottes- und Nächstenliebe sind der Schlüssel zum Glück. Doch der Gesetzeslehrer fragt nach: „Und wer ist mein Nächster?“ – Auf diese Frage erzählt Jesus das folgende Gleichnis: Wer ist mein Nächster? „Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halb tot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging weiter. Auch ein Levit kam zu der Stelle; er sah ihn und ging weiter. Dann kam ein Mann aus Samarien, der auf der Reise war. Als er ihn sah, hatte er Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Am anderen Morgen holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.“ (Lk 10, 30–35) Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter hat natürlich einen religiösen Kontext. Wie es im Vorspann bereits geheißen hat, ist es für den Gesetzeslehrer und Jesus klar, dass die Gottesliebe ein notwendiger Aspekt für ein gelungenes, geglücktes – ein „ewiges“ – Leben ist. Bereits der Gesetzeslehrer weist darauf hin, dass die Gottesliebe zwar ein notwendiger, aber kein hinreichender Aspekt für das ewige Leben darstellt. Zugleich ist nämlich die Nächstenliebe nötig. Wie wir Menschen miteinander umgehen, ist aber eine ethisch relevante Frage – eine Frage, in der unsere Moral, unsere Lebensziele und unser Charakter mitspielen. Das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter enthält eine Fülle ethisch relevanter Aspekte, die in diesem Artikel und in den drei folgenden Ausgaben beleuchtet werden: • Im heutigen Beitrag wird es um die Haltung der offenen Augen gehen. • In der ersten Ausgabe 2016 wird gezeigt, wie die Sorgen und der Druck des Alltags trotz aller Haltung der offenen Augen selbst einen „barmherzigen Samariter“ blind machen können. 04/2015 • In der zweiten Ausgabe 2016 wird deutlich, dass ethisches Verhalten mitunter erfordert, sich die Hände schmutzig zu machen. • Und in der dritten Ausgabe 2016 gehen wir einen Schritt über das individuelle Verhalten des Samariters hinaus und werden sehen, dass es längerfristig nötig ist, an der Straße von Jerusalem nach Jericho zu arbeiten. Eine Frage der Haltung Die erste ethisch relevante Lektion, die im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter enthalten ist, betrifft unsere Haltung. „Haltung“ ist ein ethisch sehr alter Begriff, der heute gerne in Beruf und Politik angeführt wird, wenn man Standfestigkeit und Integrität ausdrücken möchte. Eine Haltung ist jedoch nicht nur auf diese Persönlichkeitsmerkmale reduziert. Der Begriff ist eigentlich viel allgemeiner zu verstehen und drückt sich sehr gut in folgendem Sprichwort aus: „Achte auf deine Gedanken, denn sie werden deine Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden deine Taten. Achte auf deine Taten, denn sie werden deine Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“ Haltungen bilden sich durch wiederholte, eingeübte Handlungen aus. So setzt sich zum Beispiel eine hilfsbereite Haltung aus zahlreichen einzelnen Handlungen zusammen, die ein Mensch immer wieder setzt. Weder genügt ein bloßes Lippenbekenntnis („Ich möchte hilfsbereit sein.“), noch eine singuläre Aktion („Ich habe einmal einem Patienten, der sich verirrt hat, den Weg gewiesen.“). Von einer Haltung wird erst gesprochen, wenn in das Verhalten eine gewisse Beständigkeit kommt. Haltungen beschreiben deshalb eine verlässliche Eigenschaft, die ich anderen Menschen zuschreibe oder die mir von anderen Menschen zugeschrieben wird. Die Beständigkeit einer Haltung kommt vielleicht am besten dann zum Ausdruck, wenn das Verhalten auch unter schwierigen Bedingungen, in der Krise, Bestand hat. Es mag manchmal schwierig genug brüderecho sein, unter „Schönwetterbedingungen“ gegenüber anderen Menschen hilfsbereit zu sein; aber von einer erprobten Haltung der Hilfsbereitschaft wird man wohl vor allem dann sprechen, wenn jemand auch unter widrigen Umständen anderen hilft; etwa dann, wenn er für seine Hilfe kein Lob bekommt, sondern vielleicht sogar angefeindet wird. Eine Mystik der offenen Augen Von religiösen Menschen wird bisweilen gesagt, sie haben eine „mystisch-spirituelle“ Haltung. Meistens meint man damit ein beständiges Verhalten, das die Nähe zu Gott sucht und Ausdruck der eingangs aus dem Vorspann zum Gleichnis erwähnten Gottesliebe ist. Diese Haltung wird nicht selten gleichgesetzt mit einer sehr weltabgewandten, in-sich-gekehrten, kontemplativen Lebensweise. Im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter begegnet uns diese Haltung prototypisch im Priester und im Leviten. Beide Männer waren ihren formalen Ämtern zufolge sehr fromm, sie gehörten den Gruppen an, die den Gottesdienst im Jerusalemer Tempel durchzuführen hatten. In der Erzählung heißt es von beiden, sie „sahen“ den Niedergeschlagenen, aber gingen weiter. Der Theologe Johann Baptist Metz meint zu diesem Verhalten: Priv.-Doz. Dr. Jürgen Wallner Leiter Personalmanagement, Organisationsentwicklung, Ethikberatung im KH Wien buchtipp Johann Baptist Metz: Mystik der offenen Augen: Wenn Spiritualität aufbricht. Freiburg: Herder; 2. Auflage 2011. EUR 27,70. „Der Priester geht vorüber, sieht und sieht doch nicht, der Levit geht vorüber, sieht und sieht doch nicht. Ihre Religiosität hat keine Augen für die Anderen. Jesus insistiert: Wer nicht aufwacht, wer die Augen nicht öffnet, kurzum, wer nicht genau hinsieht, ist auch nicht für den Tempel disponiert, ihm bleibt auch das göttliche Geheimnis verschlossen. Im Entdecken, im ‚Sehen‘ von Menschen, die in unserem alltäglichen Gesichtskreis gerne gemieden werden und die deshalb zumeist unsichtbar bleiben, beginnt der Vorschein, beginnt die Sichtbarkeit Gottes unter uns, befinden wir uns in seiner Spur.“ Die Haltung des Priesters und Leviten war also eine des Nicht-sehen-Wollens (bewusstes Wegsehen) oder des Nicht-sehenKönnens (unbewusstes Wegsehen). In der Regel wird die erstgenannte Haltung, die des bewussten Wegsehens, als die ethisch eine haltung der offenen augen zu bewahren ist professionell orden Der Samariter, der ebenfalls den Weg entlang kommt, sieht den Niedergeschlagenen einerseits genauso wie der Priester und der Levit zuvor. Aber der Samariter sieht ihn mit anderen Augen, mit einer anderen Haltung: sie wird als jene des „Mitleids“ übersetzt – eigentlich der „Barmherzigkeit“. Für Johann Baptist Metz kommt darin auch eine andere Spiritualität zum Ausdruck: eine „Mystik der offenen Augen“. Sie sucht ihr Heil nicht in einem Jenseits, sondern sieht das Unheil in dieser Welt und handelt hier und jetzt barmherzig gegenüber den Menschen in Not. Was wir für unsere Alltagsethik lernen können Die erste ethisch relevante Lektion aus dem Gleichnis vom Barmherzigen Samariter lautet also: Ich sollte eine Haltung der offenen Augen kultivieren, wenn ich durchs Leben gehe. Im Alltag (ob beruflich oder privat) ist es gar nicht so leicht, eine solche Haltung auszubilden und durchzuhalten. Die Sinneseindrücke, die uns heute konfrontieren, sind bei weitem mehr oder vielschichtiger als jene, die auf der kargen Straße von Jerusalem nach Jericho warteten. Im Alltag drohen daher Patientinnen oder Bewohner, Angehörige und Kolleginnen, unbeachtet zu bleiben – gerade dann, wenn sie unsere Achtsamkeit vielleicht am meisten bräuchten. Jede Pflegeperson, die in einer Akutambulanz arbeitet, weiß, dass sie ein besonderes Auge auf jene Patienten werfen muss, die still warten und sich nicht lautstark über die Wartezeit beschweren. In diesen Situationen eine Haltung der offenen Augen zu bewahren, ist damit nicht nur eine Voraussetzung, um barmherzig zu agieren, sondern auch professionell. Eine Haltung der offenen Augen einüben verlangt von mir auch, meine „Filter“ – d.h. meine Sichtweisen, Vorannahmen, Vorurteile –, durch die ich den Alltag sehe, laufend zu hinterfragen. Die „Wirklichkeit“, wie ich sie sehe, ist in aller Regel nur eine mögliche Sichtweise. Allzu schnell gerät jeder von uns in die Gefahr, die Welt wie der Priester oder Levit im Gleichnis zu sehen. Nur im gegenseitigen Austausch im Team, zwischen Führungskräften und Mitarbeitern, mit Bewohnerinnen, Patienten und Angehörigen kann sich ein vollständigeres Bild von einer gemeinsamen Wirklichkeit ergeben. Viele Therapieansätze schlagen ebenso fehl wie Managementansätze, wenn diese Verstän digung nicht erfolgt oder gelingt. Zu einer Haltung der offenen Augen gehört deshalb auch das Bewusstsein, dass meine Weltsicht nicht die einzig wahre sein kann. n Priv.-Doz. Dr. Jürgen Wallner MBA Kainbacher Passionsspiele 2016 Premiere: 12. Februar 2016, weitere Termine: 19. / 26. Februar sowie 4. / 11. / 18. März 2016 jeweils um 19.30 Uhr in der Freizeit- und Kulturhalle des Johannes von Gott-Pflegezentrums in Kainbach bei Graz Frühzeitige Kartenreservierung unter [email protected] wird empfohlen. Informieren Sie sich auch auf Facebook unter /BB.Austria Produktionsdatum dieser Ausgabe: 30. November 2015 problematischere angesehen. Denn hier entscheidet sich ja jemand willentlich, die Not des Anderen nicht zu sehen. Vielleicht aber ist die zweitgenannte Haltung, jene des Nicht-sehen-Könnens, sogar noch problematischer. Denn während beim Nicht-wollen grundsätzlich noch Moralität vorhanden ist, geht beim Nichtkönnen nichts mehr ab: es fällt gar nicht mehr auf, dass der Mensch in Not übersehen wird. Nicht umsonst finden Achtsamkeits-Trainings heute regen Zuspruch, denn viele Menschen merken, dass ihnen das Sensorium für grundlegende ethische Urteilsbildung verloren geht.
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