Höhere Algebra

Höhere Algebra
(Kommutative Algebra)
Ralf Gerkmann
Mathematisches Institut der
Ludwig-Maximilians-Universität München
[email protected]
Skript zur Vorlesung im Sommersemester 2010
Stand 9. August 2010
Inhaltsverzeichnis
§ 1.
§ 2.
§ 3.
Affine Varietäten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.1 Nullstellenmengen und Hilbertscher Basissatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3
1.2 Die Zariski-Topologie auf AnK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5
1.3 Die Zerlegung algebraischer Teilmengen in irreduzible Komponenten . . . . . . .
6
1.4 Jacobson-Ringe und Hilbertscher Nullstellensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11
1.5 Der Koordinatenring einer algebraischen Teilmenge . . . . . . . . . . . . . . . .
15
Lokalisierung
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2.1 Definition und universelle Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21
2.2 Primideale in Lokalisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2.3 Reguläre Funktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Ganze Ringerweiterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
3.2 Normale Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
3.3 Ganze Ringerweiterungen und die Jacobson-Eigenschaft . . . . . . . . . . . . . .
44
3.4 Die „going up“- und „going down“-Sätze für Primidealketten . . . . . . . . . .
48
§ 4.
§ 5.
Dimensionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
4.1 Algebraische Abhängigkeit und Transzendenzgrad . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
4.2 Noetherscher Normalisierungssatz und endliche Morphismen . . . . . . . . . . .
59
4.3 Der Dimensionsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
66
4.4 Kompositionsreihen und Länge eines Moduls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
72
4.5 Nulldimensionale Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
4.6 Der Krullsche Höhensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
82
Regularität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
5.1 Reguläre lokale Ringe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
5.2 Geometrische Interpretation der Regularität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
98
Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
§ 1. Affine Varietäten
1.1 Nullstellenmengen und Hilbertscher Basissatz
Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper. Für jedes n ∈ N sei An = AnK = K n der n-
dimensionale affine Raum über dem Grundkörper K.
Definition 1.1.1 Sei R = K[x1 , ..., xn ] der Polynomring über K in n Variablen und S ⊆ R eine
beliebige Teilmenge. Dann ist
ZAn (S)
=
{a = (a1 , ..., an ) ∈ An | f (a) = 0
∀ f ∈ S}
die Nullstellenmenge von S. Eine Teilmenge Z ⊆ An nennen wir algebraisch, wenn eine Teilmenge
S ⊆ R mit Z = ZAn (S) existiert.
Besteht die Menge S nur aus endlich vielen Elementen, S = {f1 , ..., fs }, dann schreiben wir an
Stelle von ZAn ({f1 , ..., fs }) einfach ZAn (f1 , ..., fs ). Offenbar gilt ZAn (0) = An und ZAn (1) = ∅.
Für Teilmengen S1 ⊆ S2 gilt ZAn (S1 ) ⊇ ZAn (S2 ), die Zuordnung S 7→ ZAn (S) ist also antiton,
d.h. inklusionsumkehrend.
Ist R ein Ring und S ⊆ R eine beliebige Teilmenge, dann bezeichnen wir mit I(S) das von S
erzeugte Ideal, d.h.
)
( r
X
ai fi r ∈ N0 , ai ∈ R , fi ∈ S .
I(S) =
i=1
Dabei liefert r = 0 die „leere“ Summe, also das Nullelement des Rings R. Bei einer endlichen
Teilmenge S = {f1 , ..., fr } ist auch die Schreibweise (f1 , ..., fr ) für I(S) üblich. Die Ideale der
Form (f ) (f ∈ R) werden bekanntlich als Hauptideale von R bezeichnet. Das von der leeren Menge
erzeugte Ideal I(∅) ist das Nullideal.
Bemerkung 1.1.2 Sei R = K[x1 , ..., xn ]. Für eine beliebige Teilmenge S ⊆ R gilt dann
ZAn (S)
ZAn (I(S)).
=
Dabei ist die Inklusion „⊇“ klar, weil nach Definition S ⊆ I(S) gilt und die Zuordnung S 7→
ZAn (S) inklusionsumkehrend ist. Zum Nachweis der umgekehrten Inklusion sei a ∈ ZAn (S)
vorgegeben. Dann gilt f (a) = 0 für alle f ∈ S. Ein beliebiges Element g ∈ I(S) kann in der Form
g
=
r
X
i=1
ai f i
mit
r ∈ N0
,
a1 , ..., ar ∈ R
und
f1 , ..., fr ∈ S
Pr
Pr
dargestellt werden. Es gilt dann g(a) = i=1 ai (a)fi (a) = i=1 ai (a) · 0 = 0. Wir haben somit
g(a) = 0 für alle g ∈ I(S) und damit a ∈ ZAn (I(S)) nachgewiesen.
3
Definition 1.1.3 (Erinnerung)
Ein Ring R heißt noethersch, wenn eine der folgenden äquivalenten Bedingungen erfüllt ist:
(i) Jede aufsteigende Kette a1 ⊆ a2 ⊆ a3 ⊆ ... von Idealen in R wird stationär, d.h. es gibt ein
n ∈ N mit an = an+1 = ...
(ii) Jedes Ideal a in R wird von endlich vielen Elementen erzeugt, d.h. es gibt ein r ∈ N0 und
f1 , ..., fr ∈ R mit a = (f1 , ..., fr ).
Jeder Hauptidealring ist noethersch, da hier definitionsgemäß jedes Ideal von einem einzigen Ringelement erzeugt wird. Somit ist auch jeder euklidische Ring noethersch. Zwischen den beiden
Eigenschaften „faktoriell“ und „noethersch“ gibt es keinen direkten Zusammenhang. Beispielsweise ist jeder Polynomring K[{xi }i∈I ] über einem Körper K mit einer unendlichen Menge von
Unbekannten faktoriell, aber nicht noethersch (wie in den Übungen gezeigt wird). Dagegen ist
√
der Ring Z[ −5] zwar noethersch, aber nicht faktoriell. Wir kommen auf dieses Beispiel später in
der Vorlesung zurück. Für einfach erzeugte Polynomringe gilt aber der
Satz 1.1.4 (Hilbertscher Basissatz)
Ist R ein noetherscher Ring, dann ist auch der Polynomring R[x] noethersch.
Beweis: Angenommen, der Ring R[x] ist nicht noethersch. Wir zeigen dann, dass auch der Grundring R nicht noethersch sein kann. Sei a ⊆ R[x] ein Ideal in R, das nicht durch endlich viele
Elemente erzeugt werden kann. Dann wählen wir zunächst ein Element 0 6= f1 ∈ a minimalen
Grades. Sind f1 , ..., fk bereits gewählt, dann sei fk+1 ein Element in R[x] \ (f1 , ..., fk ) mit minimalem Grad. Sei nk = deg fk und ak der Leitkoeffizient von fk für alle k ∈ N. Wir betrachten nun in
R die Idealkette a1 ⊆ a2 ⊆ a3 ⊆ ... mit
=
ak
(a1 , ..., ak )
für alle k ∈ N
und behaupten, dass diese Kette nicht stationär wird. Sei nämlich k ∈ N mit ak = ak+1 . Dann ist
Pk
ak+1 in ak enthalten, wir finden also b1 , ..., bk mit ak+1 = i=1 ai bi . Sei nun
g
=
fk+1 −
k
X
bi xnk+1 −ni fi .
i=1
Auch dieses Polynom ist nicht in ak enthalten, denn sonst läge auch fk+1 in ak . Der i-te Term
in dieser Summe hat den Grad nk+1 , und der Leitkoeffizient ist ai bi . Es folgt deg g < deg fk+1 ,
was der Wahl von fk+1 widerspricht. Wir haben somit in R eine aufsteigende Kette von Idealen
gefunden, die nicht stationär wird, und damit nachgewiesen, dass R kein noetherscher Ring ist.
Folgerung 1.1.5 Ist K ein Körper, dann ist der multivariate Polynomring K[x1 , ..., xn ] noethersch,
für alle n ∈ N.
Beweis: Der Beweis erfolgt durch vollständige Induktion über die Anzahl n der Unbekannten.
Jeder Körper ist offenbar ein noetherscher Ring, denn die einzigen Ideale sind (0) und (1). Ist nun
bereits gezeigt, dass K[x1 , ..., xn ] noethersch ist, dann ist auch K[x1 , ..., xn+1 ] = K[x1 , ..., xn ][xn+1 ]
auf Grund des Hilbertschen Basissatzes ein noetherscher Ring.
4
Folgerung 1.1.6 Sei Z ⊆ An eine algebraische Teilmenge. Dann gibt es f1 , ..., fr ∈ K[x1 , ..., xn ], so
dass Z = ZAn (f1 , ..., fr ) gilt. Jede algebraische Teilmenge kann also durch endlich viele Polynome
beschrieben werden.
Beweis: Nach Definition gibt es eine (möglicherweise unendliche) Teilmengen S ⊆ K[x1 , ..., xn ]
mit Z = ZAn (S) = ZAn (I(S)). Auf Grund des Hilbertschen Basissatzes besitzt das Ideal I(S) ein
endliches Erzeugendensystem f1 , ..., fr . Dieses System erfüllt dann
ZAn (I(S))
=
ZAn (I({f1 , ..., fr }))
=
ZAn (f1 , ..., fr ).
1.2 Die Zariski-Topologie auf AnK
Proposition 1.2.1 Die Vereinigung endlich vieler algebraischer Teilmengen des AnK ist wiederum
eine algebraische Teilmenge.
Beweis:
Es genügt, die Aussage für zwei algebraische Teilmengen Z1 , Z2 ⊆ AnK zu überprü-
fen. Die allgemeine Aussage erhält man dann durch vollständige Induktion. Wie wir gesehen
haben, kann jede algebraische Teilmenge jeweils durch endlich viele Polynome definiert werden. Es gibt also f1 , ..., fr und g1 , ..., gs ∈ R, R = K[x1 , ..., xn ], so dass Z1 = ZAn (f1 , ..., fr ) und
Z2 = ZAn (g1 , ..., gs ) gilt. Sei nun
a = I({fi gj | 1 ≤ i ≤ r, 1 ≤ j ≤ s}).
Wir behaupten, dass ZAn (a) = Z1 ∪ Z2 gilt. Zum Nachweis von „⊇“ sei a ∈ Z1 ∪ Z2 gegeben;
o.B.d.A. können wir a ∈ Z1 voraussetzen. Dann gilt fi (a) = 0 für 1 ≤ i ≤ r. Ist nun f ein
beliebiges Element von a, dann gibt es aij ∈ R, so dass f in der Form
f
=
r X
s
X
aij fi gj
i=1 j=1
dargestellt werden kann. Es folgt dann
f (a)
=
r X
s
X
aij (a)fi (a)gj (a)
=
0
i=1 j=1
und somit a ∈ ZAn (a). Nun beweisen wir die Inklusion „⊆“ und betrachten dazu einen beliebigen
Punkt a ∈ ZAn (a). Dann gilt nach Definition fi (a)gj (a) = 0 für 1 ≤ i ≤ r und 1 ≤ j ≤ s.
Nehmen wir an, dass a nicht in Z1 enthalten ist. Dann gibt es ein i0 ∈ {1, ..., r} mit fi0 (a) 6= 0. Da
andererseits fi0 (a)gj (a) = 0 für 1 ≤ j ≤ s erfüllt und K nullteilerfrei ist, muss gj (a) = 0 für alle j
gelten. Es folgt a ∈ Z2 .
Proposition 1.2.2 Durchschnitte über beliebige Familien {Zi }i∈I algebraischer Teilmengen Zi ⊆
An sind wiederum algebraisch.
Beweis: Nach Definition gibt es für jedes i ∈ I eine Teilmenge Si ⊆ R mit Zi = ZAnK (Si ), wobei
R = K[x1 , ..., xn ] ist. Sei nun
\
[
Z =
Zi
und
S =
Si .
i∈I
i∈I
5
Wir behaupten, dass dann Z = ZAn (S) erfüllt ist. Ein Punkt a ∈ AnK liegt genau dann in Z, wenn
a ∈ Zi für alle i ∈ I erfüllt ist. Dies wiederum ist genau dann der Fall, wenn f (a) = 0 für alle
f ∈ Si und alle i ∈ I, also für alle f ∈ S gilt.
Satz 1.2.3 Die Komplemente algebraischer Teilmengen des AnK bilden eine Topologie auf AnK , die
sogenannte Zariski-Topologie.
Beweis: Sei T die Menge derjenigen Teilmengen von AnK , die als Komplemente einer algebrai-
schen Teilmenge dargestellt werden können. Zu zeigen ist dann
(i) ∅, AnK ∈ T
(ii) U, V ∈ T
⇒
(iii) {Ui }i∈I ∈ T
U ∩V ∈T
S
⇒
i∈I Ui ∈ T
Die Teilmengen ∅ und AnK sind wegen ∅ = ZAn ((1)) und AnK = ZAn ((0)) algebraisch. Da jeweils
eine Menge das Komplement der anderen ist, sind sie beide auch in T enthalten. Sind U, V ∈ T ,
dann gibt es algebraische Teilmengen Z1 , Z2 ⊆ AnK mit U = AnK \ Z1 und V = AnK \ Z2 . Da die
Menge Z1 ∪ Z2 nach Proposition 1.2.1 algebraisch ist, liegt deren Komplement
AnK \ (Z1 ∪ Z2 )
=
(AnK \ Z1 ) ∩ (AnK \ Z2 )
=
U ∩V
in T . Sei nun {Ui }i∈I eine beliebige Familie von Teilmengen aus T und Zi = AnK \Ui die zugehöriT
gen algebraischen Teilmengen. Dann ist Z = i∈I Zi nach Proposition 1.2.2 ebenfalls algebraisch.
Folglich ist
!
[
[
\
n
n
Ui =
(AK \ Zi ) = AK \
= AnK \ Z
Zi
i∈I
i∈I
i∈I
ein Element von T . Damit sind alle Topologie-Axiome verifiziert.
Jede Teilmenge Z ⊆ AnK erbt vom affinen Raum eine Teilraum-Topologie, deren offene Mengen
durch U ∩ Z gegeben sind, wobei U die Zariski-offenen Teilmengen von AnK durchläuft. Diese
Topologie werden wir ebenfalls als Zariski-Topologie bezeichnen.
Zu beachten ist, dass die Zariski-Topologie im Vergleich zu anderen, herkömmlichen Topologien eine sehr grobe Topologie ist, d.h. aus vergleichsweise wenigen offenen und abgeschlos-
senen Teilmengen besteht. Zum Beispiel werden wir in den Übungen sehen, dass die Zariskiabgeschlossenen echten Teilmengen von A1K gerade die endlichen Mengen sind. Betrachten wir
andererseits z.B. den affinen Raum AnC über den komplexen Zahlen, so gibt es dort bezüglich der
gewöhnlichen (komplexen) Topologie eine viel größere Menge abgeschlossener Teilmengen, z.B.
die abgeschlossenen Kreisscheiben.
1.3 Die Zerlegung algebraischer Teilmengen in irreduzible Komponenten
Definition 1.3.1 Ein topologischer Raum X wird irreduzibel genannt, wenn es keine Darstellung
X = X1 ∪ X2 von X als Vereinigung echter abgeschlossener Teilmengen Xi ( X gibt.
Definition 1.3.2 Eine affine Varietät ist eine algebraische Teilmenge X ⊆ AnK , die irreduzibel
bezüglich der Zariski-Topologie ist.
6
Eine ganze Reihe „naheliegender“, d.h. einfach zu definierender algebraischer Teilmengen sind irreduzibel und somit affine Varietäten. Wir werden die Irreduzibilität später dadurch nachweisen,
dass wir den sog. Koordinatenring dieser algebraischen Teilmengen betrachten. Eine algebraische
Teilmenge ist genau dann irreduzibel, wenn ihr Koordinatenring ein Integritätsbereich ist.
Beispiel 1.3.3
(i) ∅ und AnK sind affine Varietäten.
(ii) Beliebige einelementige Teilmengen {a} von AnK sind affine Varietäten. Dagegen ist jede
endliche Teilmenge mit mehr als einem Punkt eine reduzible, d.h. nicht irreduzible Teilmenge des AnK .
(iii) Ein affiner Unterraum ist eine Teilmenge des AnK , die durch ein beliebiges System {fi }i∈I
von linearen Polynomen der Form
fi
=
n
X
j=1
mit aij ∈ K
aij xj − bi
und
bi ∈ K
definiert wird. Jeder affine Unterraum ist eine affine Varietät.
(iv) Eine algebraische Teilmenge des AnK , die durch ein einziges Polynom f ∈ K[x1 , ..., xn ]
definiert wird, ist eine affine Hyperfläche. Ist das Polynom f irreduzibel, dann handelt es
sich um eine affine Varietät.
Besonders einfache Beispiele affiner Hyperflächen sind die ebenen Kurven, die durch ein Polynom
f ∈ K[x, y] definiert werden. Prominente Beispiele sind
− der Kreis (f = x2 + y 2 − 1)
− die Hyperbel (f = xy − 1)
− die Parabel (f = y − x2 )
− elliptische Kurven (f = y 2 − x3 − ax − b, a, b ∈ K, 4a3 − 27b2 6= 0)
− die Neillsche Parabel (f = y 2 − x3 )
− eine elliptische Kurve mit Doppelpunkt (f = y 2 − x3 − x2 )
Ein Beispiel für eine zweidimensionale affine Varietät ist der Kegel mit der definierenden Gleichung f = x2 + y 2 − z 2 .
Definition 1.3.4 Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und R = K[x1 , ..., xn ]. Das Verschwindungsideal einer Teilmenge T ⊆ AnK ist definiert durch
JR (T )
=
f ∈ R f (a) = 0 ∀ a ∈ T .
Man rechnet unmittelbar nach, dass es sich bei JR (T ) tatsächlich um ein Ideal handelt: Sind f, g ∈
JR (T ), dann ist für jedes a ∈ T
(f + g)(a)
=
f (a) + g(a)
=
0
erfüllt und somit f + g ∈ JR (T ). Ist h ∈ R ein beliebiges Polynom, dann gilt (hf )(a) = h(a)f (a) =
h(a) · 0 = 0 für alle a ∈ T und somit hf ∈ JR (T ). Durch elementare Rechnung weist man nach,
dass die Zuordnung T 7→ JR (T ) (ebenso wie S 7→ ZAn (S)) antiton ist.
7
Lemma 1.3.5 Ist Z ⊆ AnK eine algebraische Teilmenge und R = K[x1 , ..., xn ], dann gilt
ZAn (JR (Z))
Beweis:
=
Z.
Die Inklusion „⊇“ ergibt sich unmittelbar aus den Definitionen: Ist a ∈ Z, dann gilt
f (ā) = 0 für alle f ∈ JR (Z) nach Definition des Verschwindungsideals. Nach Defininition der
Nullstellenmenge wiederum folgt dann a ∈ ZAn (JR (Z)). Für den Nachweis von „⊆“ verwenden
wir, dass es sich bei Z um eine algebraische Teilmenge handelt. Demnach existieren Polynome
f1 , ..., fr ∈ R mit Z = ZAnK (f1 , ..., fr ), und diese Polynome sind ihrerseits in JR (Z) enthalten. Ist
nun a ∈ ZAn (JR (Z)), dann folgt fi (a) = 0 für 1 ≤ i ≤ r. Da Z die Nullstellenmenge von f1 , ..., fr
ist, gilt somit a ∈ Z.
Folgerung 1.3.6 Sei R = K[x1 , ..., xn ]. Für beliebige algebraische Teilmengen Z1 , Z2 ⊆ AnK gelten
die Äquivalenzen
(i) Z1 ⊆ Z2
⇔
JR (Z1 ) ⊇ JR (Z2 )
(ii) Z1 = Z2
⇔
JR (Z1 ) = JR (Z2 )
(iii) Z1 ( Z2
⇔
JR (Z1 ) ) JR (Z2 )
Beweis: Es genügt, die erste Aussage zu beweisen, da sich die beiden anderen unmittelbar daraus
ergeben. Die Implikation „⇒“ ist eine unmittelbare Folgerung aus der Antitonie der Zuordnung
T 7→ JR (T ). Für die Umkehrung „⇐“ verwendet man die Antitonie von S 7→ ZAn (S) in Verbindung mit Lemma 1.3.5. Es gilt
JR (Z1 ) ⊇ JR (Z2 )
⇒
ZAn (JR (Z1 )) ⊆ ZAn (JR (Z2 ))
⇒
Z1 ⊆ Z2 .
Satz 1.3.7 Sei R = K[x1 , ..., xn ]. Eine algebraische Teilmenge ∅ 6= Z ⊆ AnK ist genau dann
irreduzibel, wenn das Verschwindungsideal JR (Z) ein Primideal ist.
Beweis:
„⇒“ Da nach Voraussetzung Z 6= ∅ gilt, ist JR (Z) jedenfalls nicht das Einheitsideal.
Sei Z irreduzibel und f, g ∈ R mit f g ∈ JR (Z). Um nachzuweisen, dass JR (Z) ein Primideal
ist, müssen wir f ∈ JR (Z) oder g ∈ JR (Z) zeigen. Wir betrachten dazu die Hyperflächen H =
ZAn (f ) und H ′ = ZAn (g) und behaupten, dass
Z
=
(Z ∩ H1 ) ∪ (Z ∩ H2 )
(1.1)
gilt. Die Inklusion „⊇“ ist offensichtlich. Zum Nachweis von „⊆“ sei a ∈ Z vorgegeben. Wegen
f g ∈ JR (Z) gilt f g(a) = f (a)g(a) = 0, also f (a) = 0 oder g(a) = 0. Es folgt a ∈ H oder a ∈ H ′ ,
wegen a ∈ Z also a ∈ Z ∩ H oder a ∈ Z ∩ H ′ . Damit ist die Gleichung (1.1) bewiesen.
Sowohl Z ∩ H als auch Z ∩ H ′ ist abgeschlossene Teilmenge von Z. Da Z irreduzibel ist, können
wir o.B.d.A. voraussetzen, dass Z ∩ H = Z gilt. Es folgt Z ⊆ H, also f (a) = 0 für alle a ∈ Z und
somit f ∈ JR (Z). Damit ist bewiesen, dass es sich bei JR (Z) um ein Primideal handelt.
„⇐“ Nun setzen wir voraus, dass JR (Z) ein Primideal ist. Angenommen, es existiert eine Zerlegung Z = Z1 ∪ Z2 mit Zi ( Z für i = 1, 2. Nach Folgerung 1.3.6 gilt JR (Zi ) ) JR (Z), insbesondere JR (Zi ) 6⊆ JR (Z) für i = 1, 2. Andererseits gilt aber JR (Z1 )JR (Z2 ) ⊆ JR (Z): Ist nämlich
f ∈ JR (Z1 ) und g ∈ JR (Z2 ), dann gilt für alle a ∈ Z = Z1 ∩ Z2 offenbar (f g)(a) = f (a)g(a) = 0
8
und somit f g ∈ JR (Z). Wir erhalten einen Widerspruch zu unserer Voraussetzung, dass JR (Z)
ein Primideal ist.
Definition 1.3.8 Ein topologischer Raum X wird noethersch genannt, wenn jede absteigende Kette X1 ⊇ X2 ⊇ X3 ⊇ ... von abgeschlossenen Teilmengen von X stationär wird, wenn also ein
n ∈ N mit Xn = Xn+1 = ... existiert.
Bemerkung 1.3.9 Der affine Raum AnK ausgestattet mit der Zariski-Topologie ist ein noetherscher
topologischer Raum. Sei nämlich X1 ⊇ X2 ⊇ ... eine absteigende Kette Zariski-abgeschlossener,
also algebraischer Teilmengen. Dann bilden die Ideale an = JR (Xn ) eine aufsteigende Folge
von Idealen in R = K[x1 , ..., xn ]. Da R nach dem Hilbertschen Basissatz ein noetherscher Ring
ist, wird diese Kette stationär, d.h. es gibt ein m ∈ N mit ak = ak+1 für alle k ≥ m. Es folgt
ZAn (ak ) = ZAn (ak+1 ), nach Lemma 1.3.5 also Xk = Xk+1 für k ≥ m.
Bemerkung 1.3.10 Der Rm mit der gewöhnlichen (euklidischen) Topologie ist nicht noethersch.
Sei z.B. {εn }n∈N eine streng monoton fallende Folge positiver reeller Zahlen. Ferner sei Xn =
Bεn ⊆ Rm die m-dimensionale abgeschlossene Kugel um den Nullpunkt vom Radius εn . Dann
ist {Xn }n∈N eine absteigende Kette abgeschlossener Teilmengen des Rm , die aber nicht stationär
wird.
Lemma 1.3.11 Ein topologischer Raum X ist genau dann irreduzibel, wenn jede nichtleere offene
Teilmenge U ⊆ X in X dicht ist.
Beweis: zur Erinnerung: Ein topologischer Unterraum Y in einem topologischen Raum X ist dicht,
wenn der topologische Abschluss Ȳ von Y mit X übereinstimmt. Der topologische Abschluss
von Y ist nach Definition der Durchschnitt über alle abgeschlossenen Teilmengen Z ⊆ X mit
Z ⊇ Y . „⇒“ Sei X irreduzibel und ∅ 6= U ⊆ X offen, aber nicht dicht. Dann können wir X als
Vereinigung X = Z1 ∪ Z2 darstellen, wobei Z1 = X \ U und Z2 = Ū abgeschlossene Teilmengen
von X sind. Wegen U 6= ∅ gilt Z1 ( X, außerdem gilt Z2 ( X, da U in X nicht dicht ist. Wir
erhalten also einen Widerspruch zur Irreduzibilität.
„⇐“ Angenommen, es gibt eine Darstellung X = Z1 ∪ Z2 von X als Vereinigung echter abgeschlossener Teilmengen Zi ( X. Setzen wir U = X \ Z1 , dann ist U 6= ∅. Ferner ist U und damit
auch der Abschluss Ū in Z2 enthalten. Wir haben also eine nichtleere, offene Teilmenge von X
gefunden, die in X nicht dicht ist.
Lemma 1.3.12 Ist X ein irreduzibler topologischer Raum und sind U1 , ..., Un nichtleere, offene
Teilmengen von X, dann ist auch der Durchschnitt
nicht leer.
U1 ∩ ... ∩ Un
Beweis: Für n = 1 ist die Aussage klar. Ist n = 2, dann würde U1 ∩ U2 = ∅ eine Darstellung von
X als Vereinigung der echten, abgeschlossenen Teilmengen X \ V1 und X \ V2 liefern. Den Fall
n ≥ 3 erhält man nun durch vollständige Induktion: Auf Grund der Induktionsvoraussetzung ist
V = U1 ∩ ... ∩ Un−1 nichtleer, und der Fall n = 2 liefert V ∩ Un 6= ∅.
9
Lemma 1.3.13 Sei r ∈ N, r ≥ 2 und Y ein topologischer Raum, der als Vereinigung Y = Y1 ∪...∪Yr
irreduzibler abgeschlossener Teilmengen dargestellt werden kann. Außerdem setzen wir Yi 6⊆ Y1
für 2 ≤ i ≤ r voraus. Dann ist der topologische Abschluss Ū von U = Y \ Y1 durch
Ū
=
Y2 ∪ ... ∪ Yr
gegeben.
Beweis: Da Y2 ∪ ... ∪ Yr in Y abgeschlossen ist und U in dieser Vereinigung enthalten ist, gilt die
Inklusion Ū ⊆ Y1 ∪ ... ∪ Yr . Zum Nachweis von „⊇“ sei T ⊆ Y eine abgeschlossene Teilmenge mit
T ⊇ U . Zu zeigen ist dann Y2 ∪ ... ∪ Yr ⊆ T . Es gilt
Y ∩U
=
(Y2 ∩ U ) ∪ ... ∪ (Yr ∩ U ).
Dabei ist jede Menge Yi ∩U in der Vereinigung nichtleer, denn aus Yi ∩U = ∅ würde Yi ∩Y \U = Y1
folgen, im Widerspruch zur Voraussetzung. So aber ist Yi ∩ U als nichtleere offene Teilmenge von
Yi dicht in Yi . Wegen Yi ∩ U ⊆ U ⊆ T ist auch der Abschluss Yi von Yi ∩ U in T enthalten. Damit
liegt dann auch die Vereinigung Y2 ∪ ... ∪ Yr in T .
Satz 1.3.14 In einem noetherschen Raum X kann jede nichtleere, abgeschlossene Menge Y ⊆ X
als endliche Vereinigung Y1 ∪ ... ∪ Yr von irreduziblen, abgeschlossenen Teilmengen von Y dargestellt werden. Gilt zusätzlich Yj 6⊆ Yi für i 6= j, dann ist diese Darstellung bis auf die Reihenfolge
eindeutig. Man bezeichnet die Yi als die irreduziblen Komponenten von Y .
Beweis: Existenz: Sei S die Menge der nichtleeren abgeschlossenen abgeschlossenen Teilmengen
Y ⊆ X, die keine Darstellung der angegebenen Form besitzen. Angenommen, es ist S 6= ∅.
Dann gibt es in S ein bezüglich Inklusion minimales Element Y . Würde ein solches Element nicht
existieren, dann könnte man eine unendliche absteigende Kette Y1 ) Y2 ) Y3 ) ... konstruieren,
die nicht stationär wird. Das minimale Element Y ist nach Voraussetzung nicht irreduzibel, es gibt
also echte abgeschlossene Teilmengen Y ′ , Y ′′ ( Y , so dass Y = Y ′ ∪ Y ′′ erfüllt ist. Da Y ′ und Y ′′
bezüglich Inklusion echt kleiner als Y sind, besitzt auf Grund der Minimalitätseigenschaft von Y
sowohl Y ′ als auch Y ′′ eine Darstellung als Vereinigung abgeschlossener irreduzibler Teilmengen.
Damit können wir dann auch Y als Vereinigung echter irreduzibler Teilmengen darstellen, im
Widerspruch zu unserer Annahme.
Eindeutigkeit: Seien Y = Y1 ∪ ... ∪ Yr = Y1′ ∪ ... ∪ Ys′ zwei Darstellungen von Y als Vereinigung
irreduzibler abgeschlossener Teilmengen Yi , Yi′ . Zu zeigen ist, dass r = s und nach eventueller
Umnummerierung der Komponenten Yi = Yi′ für 1 ≤ i ≤ r gilt. Wir beweisen die Aussage
durch vollständige Induktion über n = r + s. Für n = 2, r = s = 1 ist nichts zu zeigen. Gehen
wir nun davon aus, dass Y zwei Darstellungen wie angegeben besitzt und die Aussage für alle
Gleichungen mit weniger als r + s Elementen bereits bewiesen wurde. Aus Y1′ ⊂ Y = Y1 ∪ ... ∪ Yr
folgt
Y1′
=
r
[
i=1
(Y1′ ∩ Yi ).
Da
irreduzibel ist, muss es mit einer der abgeschlossenen Teilmengen Y1′ ∩ Yi übereinstimmen;
nach Umnummerierung können wir Y1′ ∩ Y1 = Y1′ ⇔ Y1′ ⊆ Y1 annehmen. Mit denselben ArguY1′
menten zeigt man, dass Y1 ⊆ Yj′ für ein j ∈ {1, ..., s} gilt. Es folgt Y1′ ⊆ Y1 ⊆ Yj′ . Auf Grund
unserer Annahme Yi′ ( Yj′ für i 6= j muss j = 1 sein, wir haben also Y1 = Y1′ bewiesen.
10
Sei nun U = Y \ Y1 und Z = Ū der topologische Abschluss. Nach Lemma 1.3.13 gilt Z = Y2 ∪ ... ∪
Yr = Y2′ ∪ ... ∪ Ys′ . Die Anwendung der Induktionsvoraussetzung liefert nun r = s und Yi = Yi′
für 2 ≤ i ≤ r.
Folgerung 1.3.15 Jede algebraische Teilmenge Z ⊆ AnK besitzt eine Darstellung als Vereinigung
Sr
Z = i=1 Vi affiner Varietäten, wobei keine Varietät Vi in der anderen enthalten ist. Diese Darstellung ist bis auf Reihenfolge eindeutig.
Bemerkung 1.3.16 Ist Z ⊆ AnK eine Hyperfläche, Z = ZAn (f ) für ein f ∈ K[x1 , ..., xn ], dann
sind die irreduziblen Komponenten von Z die Hyperflächen ZAn (fi ), wobei fi die verschiedenen,
paarweise nicht assoziierten, irreduziblen Faktoren von f durchläuft. Das wird in den Übungen
besprochen.
1.4 Jacobson-Ringe und Hilbertscher Nullstellensatz
Wir erinnern an die folgende Definition aus der Algebra. Sei R ein Ring und a ⊆ R ein Ideal.
Dann ist das Radikal von a definiert durch
rad(a)
=
{f ∈ R | ∃n ∈ N : f n ∈ a}.
Ein Ideal a wird als Radikalideal bezeichnet, wenn rad(a) = a gilt. Man sieht unmittelbar, dass
jedes Primideal ein Radikalideal ist. Dagegen ist z.B. das Hauptideal (x2 ) im Polynomring K[x]
über einem Körper K kein Radikalideal.
Unser Ziel in diesem Abschnitt ist der Beweis des folgenden Satzes.
Satz 1.4.1 (Hilbertscher Nullstellensatz)
Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und R = K[x1 , ..., xn ]. Durch die Zuordnungen
Z 7→ JR (Z) und a 7→ ZAn (a) sind bijektive, zueinander inverse Bijektionen definiert zwischen
(a) der Menge der algebraischen Teilmengen von AnK und
(b) der Menge der Radikalideale von R.
Dabei gilt
(i)
(ii)
(iii)
(iv)
Z =∅
Z = {a}
Z = AnK
ZAn (a) ⊆ ZAn (b)
⇔
⇔
JR (Z) = (1)
JR (Z) = (x1 − a1 , ..., xn − an )
⇔
⇔
JR (Z) = (0)
a⊇b
für beliebige Nullstellenmengen Z ⊆ AnK und Radikalideale a, b ⊆ R.
Lemma 1.4.2 Ist T ⊆ AnK eine beliebige (nicht notwendig algebraische) Teilmenge, dann ist
JR (T ) ein Radikalideal.
Beweis: Zu zeigen ist rad(JR (T )) ⊆ JR (T ). Liegt f ∈ rad(JR (T )), dann gilt f n ∈ JR (T ) für ein
n ∈ N. Es gilt also f (a)n = f n (a) = 0 für alle a ∈ T , damit auch f (a) = 0 für alle a ∈ T . Folglich
ist f selbst in JR (T ) enthalten.
11
Satz 1.4.3 Sei K ein Körper und L eine endlich erzeugte K-Algebra, die selbst ein Körper ist.
Dann ist L|K eine endliche algebraische Körpererweiterung.
Beweis: Den Beweis liefern wir im Kapitel über ganze Ringerweiterungen nach.
Folgerung 1.4.4 Sei K ein algebraisch abgeschlossener Körper und R = K[x1 , ..., xn ].
(i) Ist a ( R ein echtes Ideal, dann ist ZAn (a) 6= ∅.
(ii) Für jedes maximale Ideal m in R gibt es a1 , ..., an ∈ K, so dass m = (x1 − a1 , ..., xn − an ).
Beweis: zu (ii) Da m ein maximales Ideal ist, ist der Restklassenring R/m ein Körper. Wir betrachten nun den Homomorphismus φ : K → R/m gegeben durch c 7→ c mod m. Als Ringhomomorphismus zwischen Körpern ist φ injektiv, d.h. wir können R/m als Körpererweiterung von
K auffassen. Als K-Algebra ist R/m endlich erzeugt, nämlich von den Restklassen xi mod m für
1 ≤ i ≤ n. Nach Satz 1.4.3 ist R/m eine endliche algebraische Erweiterung von K. Da K jedoch
algebraisch abgeschlossen ist, muss es sich bei φ um einen Körperisomorphismus handeln.
Für i = 1, ..., n sei nun ai ∈ K das Urbild von xi mod m unter φ, also das (eindeutig bestimmte)
Körperelement mit ai ≡ xi mod m. Dann folgt xi − ai ∈ m für 1 ≤ i ≤ n. Wir betrachten nun das
Ideal
n
=
(x1 − a1 , ..., xn − an )
und zeigen zunächst, dass es sich um ein maximales Ideal handelt. Ist nämlich f ∈ R ein beliebiges Polynom außerhalb von n, dann gilt f ≡ f (a1 , ..., an ) mod n, und wegen f ∈
/ n muss
×
c = f (a1 , ..., an ) 6= 0 sein. Damit enthält das Ideal n + (f ) mit c ∈ K eine Einheit, was die Maxi-
malität von n beweist. Wie wir gesehen haben, sind alle Erzeuger von n auch in m enthalten. Auf
Grund der Maximalität von n muss also m = n gelten.
zu (i) Wie jedes echte Ideal ist auch a in einem maximalen Ideal m enthalten. Wegen (ii) gibt es
a1 , ..., an ∈ K mit m = (x1 − a1 , ..., xn − an ). Ist nun f ∈ a ein beliebiges Element, dann liegt f
auch in m, d.h. es gilt f ≡ 0 mod m und somit f (a1 , ..., an ) ≡ 0 mod m, also f (a1 , ..., an ) = 0. Für
den Punkt a = (a1 , ..., an ) folgt a ∈ ZAn (a), die Nullstellenmenge von a ist also nicht leer.
Definition 1.4.5 Sei R ein Ring. Eine Teilmenge S ⊆ R wird multiplikativ genannt, wenn 1 ∈ S
gilt und S bezüglich Multiplikation abgeschlossen ist, d.h. aus r, s ∈ S folgt rs ∈ S.
Aus der Algebra I ist bekannt, dass maximale Ideale in einem Ring stets auch Primideale sind. Der
Definition dieser beiden Idealarten sieht man nicht ohne weiteres an, dass ein Zusammenhang
besteht. Dieser wird deutlich, wenn man auch die Primideale durch eine Maximalitätseigenschaft
beschreibt.
Satz 1.4.6 Sei R ein Ring und p ⊆ R ein Ideal. Dann sind äquivalent:
(i) Das Ideal p ist ein Primideal.
(ii) Es gibt eine multiplikative Teilmenge S ⊆ R, so dass p unter allen Idealen a mit der Eigenschaft a ∩ S = ∅ maximal bezüglich Inklusion ist.
12
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Sei S = R \ p. Auf Grund der Primidealeigenschaft von p ist S multiplikativ,
denn aus r ∈
/ p und s ∈
/ p folgt rs ∈
/ p. Ferner hat jedes Ideal a ) p mit S einen nichtleeren
Durchschnitt, da S nach Definition das Komplement von p ist.
„(ii) ⇒ (i)“ Sei S eine multiplikative Menge mit der angegebenen Eigenschaft bezüglich p. Angenommen, p ist nicht prim. Das Ideal p stimmt nicht mit dem Einheitsideal (1) überein, da dies
die Existenz einer nichtleeren Menge S mit p ∩ S = ∅ ausschließen würde. Also gibt es Elemente
a, b ∈ R mit ab ∈ p und a, b ∈
/ p.
Da das Ideal p + (a) echt größer als p ist, gibt es auf Grund der Maximalitätseigenschaft von p
in diesem Ideal ein Element, das zugleich in S enthalten ist. Es gibt also r1 ∈ R, p1 ∈ p, so dass
u = p1 + r1 a in S liegt. Ebenso finden wir r2 ∈ R, p2 ∈ p, so dass v = p2 + r2 b in S enthalten ist.
Auf Grund der Multiplikativität liegt auch uv in S. Nun gilt
uv
=
(r1 a + p1 )(r2 b + p2 )
=
r1 r2 ab + p1 r2 b + p2 r1 a + p1 p2
,
und wegen p1 , p2 , ab ∈ p folgt uv ∈ p. Dies widerspricht der Voraussetzung p ∩ S = ∅.
Folgerung 1.4.7 Sei R ein Ring und a ein Ideal. Dann gilt
rad(a)
=
\
p ,
p⊇a
wobei der Durchschnitt über alle Primideale p von R mit p ⊇ a gebildet wird.
Beweis: Wir führen die Aussage zunächst auf den Fall a = (0) zurück. Dazu erinnern wir daran,
dass ein Element f in einem Ring R nilpotent genannt wird, wenn ein n ∈ N mit f n = 0 existiert,
und dass das Nilradikal nil(R) von R nach Definition das Ideal bestehend aus den nilpotenten
Elementen ist. Haben wir die Aussage für das Nullideal eines beliebigen Rings R bewiesen, dann
ist nil(R) also der Durchschnitt über alle Primideale des Rings. Sei nun a ein beliebiges Ideal und
R̄ = R/a der Restklassenring mit dem kanonischen Epimorphismus π : R → R̄. Dann gilt
nil(R)
=
\
p̄
,
(1.2)
p̄
wobei p̄ die Primideale von R̄ durchläuft. Ein Element f liegt nun genau dann in rad(a), wenn
f n ∈ a für ein n ∈ N gilt. Dies wiederum ist gleichbedeutend damit, dass für das Element f¯ =
f mod a in R̄ ein n ∈ N mit f¯n = 0 existiert, also mit f¯ ∈ nil(R). Wegen (1.2) ist dies äquivalent
zu f¯ ∈ p̄ für alle Primideale p̄ in R̄. Nach dem Isomorphiesatz für Ringe sind nun die Urbilder
von Primidealen p̄ in R̄ genau die Primideale p von R, die a enthalten. Also ist f¯ ∈ p̄ für alle
Primideale p̄ von R̄ gleichwertig mit f ∈ p für alle Primideale p von R mit p ⊇ a.
Wir können also beim Beweis der Aussage a = (0) voraussetzen. Die Inklusion „⊆“ folgt unmittelbar aus der Primidealeigenschaft: Ist f ∈ R ein Element, das f n = 0 für ein n ∈ N erfüllt, dann
gilt insbesondere f n ∈ p für alle Primideale p. Da aber Primideale nach Definition Radikalideale
T
sind, folgt f ∈ p für alle p. Zum Nachweis der Inklusion „⊇“ nehmen wir an, ein Element f ∈ p p
wäre nicht nilpotent und betrachten die (offensichtlich multiplikative) Teilmenge
S
=
{f n | n ∈ N0 }.
13
Wegen 0 ∈
/ S ist die Menge M der Ideale a mit a ∩ S = ∅ nicht leer, außerdem ist klar, dass jede
bezüglich Inklusion linear geordnete Teilmenge T in M eine obere Schranke besitzt, nämlich die
Vereinigung aller Ideale in T. Nach dem Zornschen Lemma finden wir in M also ein maximales
Element p. Nach Satz 1.4.6 ist p ein Primideal, und es gilt f ∈
/ p im Widerspruch zu unserer
Annahme.
Definition 1.4.8 Sei R ein Ring und a ein Ideal. Dann ist das Jacobson-Radikal von a definiert
durch
jac(a)
=
\
m
,
m⊇a
wobei m die maximalen Ideale von R mit m ⊇ a durchläuft. Der Ring R wird Jacobson-Ring genannt,
wenn jac(a) = rad(a) für alle Ideale a des Rings gilt.
Bemerkung 1.4.9 Ein Ring R ist genau dann ein Jacobson-Ring, wenn jedes Primideal p von R
als Durchschnitt maximaler Ideale dargestellt werden kann. Einerseits ist nämlich jedes Primideal p ein Radikalideal und kann somit, wenn R Jacobson-Ring ist, als Durchschnitt der maximalen
Ideale m mit m ⊇ p dargestellt werden. Sei nun umgekehrt R ein Ring mit der Eigenschaft, dass
jedes Primideal p Durchschnitt von maximalen Idealen ist, und a ein beliebiges Ideal. Nach Folgerung 1.4.7 gilt dann
rad(a)
=
\
p⊇a
p
=
\ \
m
=
p⊇a m⊇p
\
m
=
jac(a) ,
m⊇a
wobei p jeweils alle Primideale und m alle maximalen Ideale mit der angegebenen Eigenschaft
durchläuft.
Proposition 1.4.10 Ein Ring R ist genau dann ein Jacobson-Ring, wenn für jedes Primideal p von
R gilt: Gibt es im Restklassenring R̄ = R/p ein Element b 6= 0, so dass R̄[b−1 ] ein Körper ist, dann
ist auch R̄ ein Körper. (Man beachte, dass es sich bei R̄ um einen Integritätsbereich handelt und
b−1 somit ein Element des Quotientenkörpers von R̄ ist.)
Beweis: wird im Kapitel über Lokalisierung nachgeliefert
Lemma 1.4.11 Sei R ein Jacobson-Ring und a ein Ideal. Dann ist auch R/a ein Jacobson-Ring.
Beweis: Dies beweist man leicht mit dem Isomorphiesatz für Ringe. Wir überlassen die Details
dem Leser als Übung.
Satz 1.4.12 Sei R ein Jacobson-Ring und R[x] der univariate Polynomring über R. Dann ist auch
R[x] ein Jacobson-Ring.
Beweis: Dies werden wir ebenfalls im Kapitel über ganze Ringerweiterungen beweisen.
Aus diesem Satz ergibt sich in Verbindung mit Lemma 1.4.11 Ist A ein Jacobson-Ring und B ⊇ A
eine Ringerweiterung, die als A-Algebra endlich erzeugt ist (d.h. es gibt Element b1 , ..., bn ∈ B mit
B = A[b1 , ..., bn ], dann ist auch B ein Jacobson-Ring. Dafür zeigt man zunächst durch vollständige
Induktion, dass der Polynomring A[x1 , ..., xn ] über A in n Variablen ein Jacobson-Ring ist und
verwendet dann die Tatsache, dass B isomorph zu einem Restklassenring von A[x1 , ..., xn ] ist.
14
Mit diesen Voraussetzungen sind wir nun in der Lage, den Hilbertschen Nullstellensatz zu beweisen. Wir haben bereits gezeigt, dass für beliebige algebraische Teilmengen Z ⊆ AnK die Gleichung
ZAn (JR (Z)) = Z erfüllt und die Zuordnung Z 7→ JR (Z) somit injektiv ist. Wir beweisen nun für
Radikalideale a ⊆ R die Gleichung
JR (ZAn (a))
=
a
und damit auch die Surjektivität von Z 7→ JR (Z). Ist a = (1), dann ist ZAn (a) = ∅ und JR (∅) =
(1). Wir können also a 6= (1) voraussetzen. Zum Nachweis von „⊇“ sei nun f ∈ a. Da ZAn (a) nach
Definition die Menge aller Punkte a ∈ AnK ist, auf denen alle f ∈ a verschwinden, gilt f (a) = 0 für
alle a ∈ ZAn (a). Dies wiederum bedeutet, dass f im Verschwindungsideal JR (ZAn (a)) enthalten
ist.
Für „⊆“ sei f ∈ JR (ZAn (a)) vorgegeben. Wir zeigen, dass f in allen maximalen Idealen m mit
m ⊇ a enthalten ist. Da R ein Jacobson-Ring ist, folgt dann f ∈ a. Für jedes maximale Ideal
m von R gibt es nach Folgerung 1.4.4 einen Punkt a = (a1 , ..., an ) ∈ AnK , so dass m mit ma =
(x1 − a1 , ..., xn − an ) übereinstimmt. Gilt zusätzlich ma ⊇ a, dann ist a ∈ ZAn (a). Denn jedes
Polynom g ∈ a liegt auch in ma . Es folgt dann g(a) ≡ g ≡ 0 mod ma , also g(a) = 0 und somit
a ∈ ZAn (a), da g ∈ a beliebig gewählt war. Sei nun m ein maximales Ideal mit m ⊇ a. Dann gilt
also m = ma für ein a ∈ ZAn (a). Weil nun f nach Voraussetzung in allen Punkte a ∈ ZAn (a)
verschwindet, folgt f ≡ f (a) ≡ 0 mod m, also f ∈ m. Damit ist der Beweis der Surjektivität
abgeschlossen. Die übrigen Aussagen des Nullstellensatzes ergeben sich nun unmittelbar aus der
Bijektivität.
1.5 Der Koordinatenring einer algebraischen Teilmenge
Definition 1.5.1 Sei Z ⊆ AnK eine algebraische Teilmenge und R = K[x1 , ..., xn ]. Dann nennen
wir
R(Z)
=
R/JR (Z)
den Koordinatenring von Z.
Eine algebraische Teilmenge Z ⊆ AnK ist genau dann nichtleer und irreduzibel, wenn R(Z) ein
Integritätsbereich ist. Denn aus der Algebra I ist bekannt, dass der Restklassenring R/a bezüglich
eines Ideals a in einem Ring R genau dann diese Eigenschaft besitzt, wenn es sich bei a um ein
Primideal handelt. Die Aussage folgt damit aus Satz 1.3.7.
Bemerkung 1.5.2 Jedem Element f¯ ∈ R(Z) und jedem Punkt a ∈ Z können wir auf natürliche
Weise einen Funktionswert f (a) zuordnen. Sind nämlich f1 , f2 ∈ R beides Vertreter der Restklasse f¯ ∈ R(Z), dann ist die Differenz f1 − f2 ∈ JR (Z) enhalten, also (f1 − f2 )(a) = 0. Es folgt
f1 (a) = f2 (a). Um den Wert f¯(a) zu definieren, können wir also einen beliebigen Vertreter f ∈ R
von f¯ wählen und f¯(a) = f (a) setzen.
Definition 1.5.3 Sei Z ⊆ AnK eine algebraische Teilmenge und R(Z) ihr Koordinatenring. Für
eine beliebige Teilmenge T ⊆ R(Z) sei
ZZ (T )
=
{a ∈ Z | f¯(a) = 0 ∀ f¯ ∈ T }
15
die Nullstellenmenge von T , und für eine beliebige Teilmenge S ⊆ Z sei
JR(Z) (S)
=
{f¯ ∈ R(Z) | f¯(a) = 0 ∀ a ∈ S}
das Verschwindungsideal.
Satz 1.5.4 (Hilbertscher Nullstellensatz für algebraische Mengen)
Durch die Zuordnungen S 7→ JR(Z) (S) und a 7→ ZZ (a) sind bijektive, zueinander inverse Abbil-
dungen gegeben zwischen
(a) der Menge der in Z enthaltenen, algebraischen Teilmengen von AnK und
(b) der Menge der Radikalideale von R(Z)
Dieser Satz kann leicht auf den Hilbertschen Nullstellensatz für AnK und den Polynomring K[x1 , ..., xn ]
zurückgeführt werden. Wesentliches Hilfsmittel dabei ist das folgende Lemma.
Lemma 1.5.5 Sei Z ⊆ AnK algebraische Teilmenge und R = K[x1 , ..., xn ]. Ferner sei π : R → R(Z),
f 7→ f mod JR (Z) der kanonische Epimorphismus. Dann gilt
(i) Für eine beliebige Teilmenge T ⊆ R(Z) ist ZZ (T ) = ZAn (π −1 (T )).
(ii) Für Teilmengen S ⊆ Z gilt π −1 (JR(Z) (S)) = JR (S).
Beweis: zu (i) Sei a ∈ Z, f ∈ R und f¯ die zugehörige Restklasse. Dann gilt nach Definition f (a) =
f¯(a), also insbesondere f (a) = 0 genau dann, wenn f¯(a) = 0 ist. Nun ist a ∈ ZZ (T ) genau dann,
wenn f¯(a) = 0 für alle f¯ ∈ T gilt. Auf Grund der Vorbemerkung ist dies wiederum äquivalent zu
f (a) = 0 für alle f ∈ π −1 (T ), und diese Aussage ist gleichbedeutend mit a ∈ ZAn (π −1 (T )).
zu (ii) Sei f ∈ R und f¯ ∈ R(Z) seine Restklasse. Dann gilt
f ∈ π −1 (JR(Z) (S))
⇔
⇔
f¯ ∈ JR(Z) (S)
f (a) = 0 ∀ a ∈ S
⇔
⇔
f¯(a) = 0 ∀ a ∈ S
f ∈ JR (S).
Beweis des Nullstellensatzes für algebraische Mengen:
Ist S ⊆ Z eine beliebige Teilmenge, dann ist JR(Z) (S) ein Radikalideal. Liegt nämlich f¯ in
rad(JR(Z) (S)), dann gibt es ein n ∈ N mit f¯n ∈ JR(Z) (S), also mit f¯n (a) = 0 für alle a ∈ S.
Dies wiederum bedeutet f¯(a) = 0 für alle a ∈ S, also f¯ ∈ JR(Z) (T ). Ist umgekehrt T ⊆ R(Z)
eine beliebige Teilmenge des Koordinatenrings, dann ist ZZ (S) eine in Z liegende, algebraische
Teilmenge von AnK . Denn nach Definition ist ZZ (S) in Z enthalten, und auf Grund des Lemmas
gilt ZZ (S) = ZAn (π −1 (T )). Dies zeigt, dass es sich bei ZZ (S) um eine algebraische Teilmenge
handelt.
Für jede algebraische Teilmenge S ⊆ Z gilt ZZ (JR(Z) (S)) = S. Dies folgt aus
ZZ (JR(Z) (S))
=
ZAn (π −1 JR(Z) (S))
=
ZAn (JR (S))
=
S
,
wobei wir im letzten Schritt den Hilbertschen Nullstellensatz für AnK angewendet haben. Andererseits gilt JR(Z) (ZZ (a)) = a für jedes Radikalideal a in R(Z). Dafür überprüfen wir zunächst,
dass mit a auch π −1 a ein Radikalideal ist. Gilt f n ∈ π −1 a für ein f ∈ R und ein n ∈ N, dann folgt
16
π(f n ) = π(f )n ∈ a und damit π(f ) ∈ a ⇔ f ∈ π −1 a. Die angegebene Gleichung erhält man nun
durch
π −1 JR(Z) (ZZ (a))
=
JR (ZZ (a))
=
JR (ZAn (π −1 a))
=
π −1 a
wobei wir im letzten Schritt wiederum den Hilbertschen Nullstellensatz für AnK benutzt haben.
Es folgt JR(Z) (ZZ (a)) = a.
Wir haben bereits gesehen, dass man am Koordinatenring R(Z) ablesen kann, ob die algebraische
Menge Z irreduzibel ist. Wir werden nun noch eine weitere topologische Eigenschaft von Z mit
den algebraischen Eigenschaften von R(Z) in Verbindung bringen.
Definition 1.5.6 Ein topologischer Raum X wird zusammenhängend genannt, wenn keine Darstellung von X als disjunkte Vereinigung X = U1 ∪U2 bestehend aus nichtleeren, offenen Teilmengen
Ui ⊆ X möglich ist.
Definition 1.5.7 Ein Element e in einem Ring R heißt idempotent, wenn es die Gleichung e2 = e
erfüllt. Gilt zusätzlich e 6= 0, 1, dann sprechen wir von einem nichttrivialen idempotenten Element.
Bemerkung 1.5.8 Ist e ein (nichttriviales) idempotentes Element, dann gilt dasselbe auch für 1−e,
wie man anhand der Rechnung
(1 − e)2 = 1 − 2e + e2 = 1 − 2e + e = 1 − e
unmittelbar sieht. Das einzige idempotente Element e, dass zugleich eine Einheit ist, ist die 1
des Rings. Gilt nämlich eu = 1 für ein u ∈ R, dann gilt auch eu2 = e2 u2 = (eu)2 = 1, also
u = 1u = (eu)u = 1 und damit auch e = 1.
Satz 1.5.9 Für einen Ring R sind die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) R enthält nichttriviale idempotente Elemente.
∼
(ii) Es gibt Ringe R1 , R2 6= (0) und einen Ringisomorphismus R1 × R2 → R.
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Sei e ∈ R ein nichttriviales, idempotentes Element. Wir defininieren in R die
Teilmengen
R1
R2
=
=
Re
= {ae | a ∈ R}
R(1 − e) = {a(1 − e) | a ∈ R}
Weder R1 noch R2 stimmt mit dem Nullring überein, da 0 6= e ∈ R1 und 0 6= 1 − e ∈ R2 gilt. Wir
definieren nun eine Abbildung ψ : R1 × R2 → R durch (r1 , r2 ) 7→ r1 + r2 und weisen nach, dass
es sich um einen Isomorphismus von Ringen handelt. Beim Nachweis der HomomorphismusEigenschaft beachte man zunächst, dass für alle r1 ∈ R1 und r2 ∈ R2 die Gleichungen
r1 e = r1
,
r2 (1 − e) = r2
und
r1 r2 = 0
erfüllt sind.
Nach Definition von R1 , R2 gibt es nämlich a1 , a2 ∈ R mit r1 = a1 e und r2 = a2 (1 − e). Es folgt
17
r1 e = (a1 e)e = a1 e2 = a1 e = r1 , ebenso r2 (1 − e) = r2 und schließlich r1 r2 = a1 a2 e(1 − e) =
a1 a2 (e − e2 ) = a1 a2 · 0 = 0. Damit gilt
ψ((r1 , r2 ) + (r1′ , r2′ ))
=
ψ(r1 + r1′ , r2 + r2′ )
(r1 + r2 ) + (r1′ + r2′ )
=
=
(r1 + r1′ ) + (r2 + r2′ )
=
ψ(r1 , r2 ) + ψ(r1′ , r2′ )
und für die Multiplikation entsprechend
ψ((r1 , r2 )(r1′ , r2′ ))
=
=
ψ(r1 r1′ , r2 r2′ )
r1 (r1′ + r2′ ) + r2 (r1′ + r2′ )
=
=
r1 r1′ + r2 r2′
=
(r1 + r2 )(r1′ + r2′ )
r1 r1′ + r1 r2′ + r1′ r2 + r2 r2′
=
ψ(r1 , r2 )ψ(r1′ , r2′ ).
Wegen r1 e = a1 e2 = a1 e = r1 ist e das Einselement von R1 , ebenso ist 1 − e das Einselement von
R2 und damit (e, 1 − e) das Einselement von R1 × R2 . Dieses Paar wird auf das Einselement von
R, nämlich e + (1 − e) = 1, abgebildet. Damit haben wir die Homomorphismus-Eigenschaften
von ψ nachgerechnet. Die Abbildung ist injektiv, denn gilt r1 + r2 = 0 für r1 ∈ R1 , r2 ∈ R2 , dann
folgt r1 = (r1 + r2 )e = 0 und damit auch r2 = 0. Wegen r = r · 1 = re + r(1 − e) für alle r ∈ R ist
ψ auch surjektiv.
∼
„(ii) ⇒ (i)“ Sei ψ : R1 × R2 → R ein Isomorphismus wie angegeben. Im kartesischen Produkt
R1 × R2 sind e = (1, 0) und 1 − e = (0, 1) idempotente Elemente, denn es gilt e2 = (1, 0)2 =
(12 , 02 ) = (1, 0) und (1 − e)2 = (0, 1)2 = (02 , 12 ) = (0, 1). Ferner ist e (und damit auch 1 − e)
ein nichttriviales idempotentes Element. Denn aus e = 1 ⇔ (1, 0) = (1, 1) würde 0 = 1 im Ring
R2 folgen im Widerspruch zur Voraussetzung, dass R2 nicht der Nullring ist. Ebenso zeigt man
e 6= 0. Wenn in R1 × R2 nichttriviale idempotente Elemente existieren, dann auch im isomorphen
Ring R.
Satz 1.5.10 Sei R ein Ring. Für jedes Ideal a ⊆ R definieren wir die Teilmenge
Z(a)
=
{p | p ist Primideal, p ⊇ a}
in der Menge der Primideale von R. Dann sind äquivalent
(i) Es gibt Ideale a, b in R, so dass Z(a) und Z(b) nichtleer und disjunkt sind und jedes Primideal p in Z(a) ∪ Z(b) enthalten ist.
(ii) Der Ring R enthält nichttriviale idempotente Elemente.
Beweis: „(ii) ⇒ (i)“ Sei e ∈ R ein nichttriviales idempotentes Element. Wir definieren die Hauptideale a = (e) und b = (1 − e). Da e und 1 − e beides keine Einheiten sind, handelt es sich
bei Z(a) und Z(b) um nichtleere Primidealmengen. Nehmen wir nun an, dass ein Primideal p in
Z(a) ∩ Z(b) liegt. Dann gilt p ⊇ a und p ⊇ b, insbesondere liegen die Elemente e und 1 − e beide in
p. Es folgt 1 = e + (1 − e) ∈ p im Widerspruch zur Primidealeigenschaft. Zum Schluss zeigen wir,
dass jedes Primideal p des Rings in Z(a) ∪ Z(b) enthalten ist. Wegen e(1 − e) = e − e2 = e − e = 0
ist ab = (0). Aus p ⊇ (0) und der Primidealeigenschaft folgt p ⊇ a oder p ⊇ b. Es gilt also p ∈ Z(a)
oder p ∈ Z(b).
„(i) ⇒ (ii)“ Auf Grund unserer Voraussetzungen muss a + b = (1) gelten, denn ansonsten gäbe es
ein Primideal p mit p ⊇ a+b, also mit p ⊇ a, b im Widerspruch zur Voraussetzung Z(a)∩Z(b) = ∅.
18
Außerdem gilt ab ⊆ nil(R), denn nach Voraussetzung enthält jedes Primideal p mindestens eines
der beiden Ideale a, b, somit auch ab. Da das Nilradikal nach Folgerung 1.4.7 der Durchschnitt
aller Primideale ist, folgt daraus die behauptete Inklusion.
Wir müssen nun in R die Existenz nichttrivialer idempotenter Elemente nachweisen. Dazu wählen wir Elemente a ∈ a und b ∈ b mit a + b = 1. Wegen ab ∈ ab ⊆ nil(R) ist das Element ab
nilpotent; sei n ∈ N so gewählt, dass (ab)n = 0 erfüllt ist. Wir zeigen nun, dass es sich bei an + bn
um eine Einheit in R handelt. Auf Grund des binonischen Lehrsatzes existiert ein Element f ∈ R
mit
1 = (a + b)n = an + bn + abf
⇔
an + bn = 1 − abf.
Nehmen wir nun an, dass an + bn in einem Primideal p enthalten ist. Wegen ab ∈ p folgt dann
abf ∈ p, und wir erhalten den Widerspruch 1 = (1 − abf ) + abf = an + bn + abf ∈ p. Also gilt
an + bn ∈ R× , und wir finden ein u ∈ R mit an u + bn u = (an + bn )u = 1. Nun ist an u 6= 0, denn
ansonsten würde auch an = 0 gelten, und bn = 1 − abf wäre eine Einheit. Aber wegen bn ∈ b
würde dies b = (1) und somit Z(b) = ∅ gelten, im Widerspruch zu unseren Voraussetzungen.
Ebenso ist bn u = 0 unmöglich. Aus an u · bn u = 0 folgt nun
an u(1 − an u) = 0
⇔
(an u)2 = an u ,
d.h. das Element an u ist idempotent. Wegen an u 6= 0 und bn u 6= 0 ⇔ an u 6= 1 ist es sogar ein
nichttriviales idempotentes Element.
Folgerung 1.5.11 Für eine algebraische Teilmenge Z ⊆ AnK sind äquivalent:
(i) Z ist unzusammenhängend bezüglich der Zariski-Topologie.
(ii) Im Koordinatenring R(Z) gibt es nichttriviale idempotente Elemente.
Beweis: „(ii) ⇒ (i)“ Wir wenden Satz 1.5.10 an. Demnach existieren in R(Z) Ideale a, b mit der
Eigenschaft, dass Z(a) ∪ Z(b) eine disjunkte Vereinigung bestehend aus nichtleeren Teilmengen
ist, die sämtliche Primideale von R(Z) enthält. Wir zeigen, dass dann
Z
=
ZZ (a) ∪ ZZ (b)
gilt, wobei die Menge ZZ (a) und ZZ (b) disjunkt und nichtleer sind. Es gilt ZZ (a) 6= ∅, weil nach
Voraussetzung auch Z(a) 6= ∅ gilt und somit a 6= (1) gilt. Da die Zuordnung a 7→ ZZ (a) nach
dem Hilbertschen Nullstellensatz injektiv ist, kann nicht ZZ (a) = ZZ ((1)) = ∅ gelten. Sei nun
a ∈ Z ein beliebiger Punkt und ma das zugehörige maximale Ideal in R(Z). Da ma insbesondere
ein Primideal in R(Z) ist, gilt ma ⊇ a oder ma ⊇ b, nach dem Hilbertschen Nullstellensatz also
a ∈ ZZ (a) oder a ∈ ZZ (b). Läge a in ZZ (a) und ZZ (b), dann wäre ma ⊇ a, b im Widerspruch zu
Z(a) ∩ Z(b) = ∅.
„(i) ⇒ (ii)“ Angenommen, es gibt Radikalideal a, b in R(Z) mit der Eigenschaft, dass Z = ZZ (a)∪
ZZ (b) eine disjunkte Vereinigung bestehend aus nichtleeren Mengen ist. Wegen ZZ (a) 6= ∅ gibt
es nach dem Hilbertschen Nullstellensatz ein maximales Ideal m mit m ⊇ a, deshalb ist Z(a) 6= ∅.
Ebenso zeigt man Z(b) 6= ∅. Nehmen wir nun an, der Durchschnitt Z(a) ∩ Z(b) wäre nicht leer.
Dann gäbe es ein Primideal p mit p ⊇ a, b, damit auch ein maximales Ideal m mit m ⊇ a, b. Ist a ∈ Z
der zu m gehörige Punkt, dann folgt a ∈ ZZ (a) ∩ ZZ (b) im Widerspruch zur Voraussetzung.
19
Es bleibt zu zeigen, dass jedes Primideal p von R(Z) in Z(a) ∪ Z(b) liegt. Da der Ring R(Z) ein
T
Jacobson-Ring ist, kann jedes Primideal p als Durchschnitt m⊇p m über maximale Ideale darge-
stellt werden. Sei nun m ein maximales Ideal mit m ⊇ p und a ∈ Z der zugehörige Punkt. Nach
Voraussetzung liegt a in ZZ (a) oder in ZZ (b). Der Hilbertsche Nullstellensatz liefert dann m ⊇ a
oder m ⊇ b, in jedem Fall also m ⊇ ab. Da nun p der Durchschnitt aller über p liegenden maximalen Ideale m ist, folgt p ⊇ ab. Weil es sich bei p um ein Primideal handelt, muss p ⊇ a oder p ⊇ b
gelten. Also liegt p in Z(a) ∪ Z(b).
20
§ 2. Lokalisierung
2.1 Definition und universelle Eigenschaft
Definition 2.1.1 Sei R ein Ring und S ⊆ R eine multiplikative Teilmenge. Ein Paar (S −1 R, ι)
bestehend aus einem Ring S −1 R und einem Homomorphismus ι : R → S −1 R heißt Lokalisierung
von R bezüglich S, wenn gilt
(i) Für jedes s ∈ S ist ι(s) eine Einheit in S −1 R.
(ii) Sei φ : R → R1 ein weiterer Ringhomomorphismus mit der Eigenschaft, dass φ(s) ∈ R1× für
alle s ∈ S gilt. Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Homomorphismus φ̂ : S −1 R → R1
mit φ̂ ◦ ι = φ.
Proposition 2.1.2 Der Ring S −1 R ist durch die angegebene Eigenschaft bis auf Isomorphie eindeutig bestimmt.
Beweis: Sei (R̃, ι̃) ein weiteres Paar bestehend aus einem Ring und einem Ringhomomorphismus,
das die unter (i),(ii) angegebenen Eigenschaften erfüllt. Dann liefert die Eigenschaft (ii) angewendet auf φ = ι : R → S −1 R einen Homomorphismus ι̂ : R̃ → S −1 R mit ι̂ ◦ ι̃ = ι. Ebenso liefert die
Eigenschaft (ii) von (S −1 R, ι) angewendet auf φ = ι̃ einen Homomorphismus ˆι̃ : S −1 R → R̃ mit
ˆι̃ ◦ ι = ι̃.
Nun wenden wir die Eigenschaft (ii) von (S −1 R, ι) auf den Homomorphismus ι selbst an. Der
Homomorphismus φ : S −1 R → S −1 R mit φ ◦ ι = ι ist eindeutig bestimmt. Wegen
idS −1 R ◦ ι = ι
und
(ι̂ ◦ ˆι̃) ◦ ι = ι̂ ◦ (ˆι̃ ◦ ι) = ι̂ ◦ ι̃ = ι
folgt ι̂ ◦ ˆι̃ = idS −1 R . Ebenso zeigt man ˆι̃ ◦ ι̂ = idR̃ . Damit haben wir nachgerechnet, dass es sich bei
den Homomorphismen ι̂ und ˆι̃ um Isomorphismen handelt.
Satz 2.1.3 Für jeden Ring R und jede multiplikative Teilmenge S ⊆ R exstiert ein Paar (S −1 R, ι)
mit den Eigenschaften (i),(ii).
Beweis: Wir definieren zunächst S −1 R als Menge. Dazu betrachten wir auf R × S die Relation ∼
gegeben durch
(a, r) ∼ (b, s)
⇔
∃ u ∈ S : u(as − br) = 0.
Dabei handelt es sich um eine Äquivalenzrelation. Sie ist reflexiv, da die Gleichung u(ar − ar) = 0
zum Beispiel mit u = 1 erfüllt ist. Sie ist symmetrisch, weil aus der Gleichung u(as − br) = 0
die Gleichung u(br − as) = 0 folgt. Zum Nachweis der Transitivität betrachten wir Paare (a, r),
(b, s) und (c, t) mit (a, r) ∼ (b, s) und (b, s) ∼ (c, t). Nach Voraussetzung gibt es u1 , u2 ∈ S mit
u1 (as − br) = u2 (bt − cs) = 0. Es folgt dann
21
0
=
u1 u2 t(as − br) + u1 u2 r(bt − cs)
u1 u2 (tas − crs)
=
=
u1 u2 (tas − brt + brt − crs)
=
u1 u2 s(ta − cr)
und somit (a, r) ∼ (c, t). Wir bezeichnen mit S −1 R die Menge der Äquivalenzklassen der Relation
∼ und schreiben rs für die Restklasse des Paares (r, s) ∈ R × S.
Als nächstes definieren wir auf S −1 R die Struktur einer abelschen Gruppe. Die Verknüpfung +
auf dieser Menge sei gegeben durch
r
r1
+
s s1
rs1 + r1 s
ss1
=
,
wobei wir noch die Wohldefiniertheit, d.h. die Unabhängigkeit von der Wahl der Klassenvertreter
überprüfen müssen. Gilt also sr11 = sr22 , dann müssen wir
r
r1
+
s s1
r
r2
+
s s2
=
überprüfen. Nach Voraussetzung gibt es ein u ∈ S mit u(r1 s2 − r2 s1 ) = 0. Nun gilt
(rs1 + r1 s)ss2 − (rs2 + r2 s)ss1
rss1 s2 s2 r1 s2 − rss1 s2 − r2 s1 s2
=
=
s2 (r1 s2 − r2 s1 ) ,
also u((rs1 + r1 s)ss2 − (rs2 + r2 s)ss1 ) = 0 und somit
rs1 + r1 s
rs2 + r2 s
=
ss1
ss2
r
r
r1
r2
= + .
+
s s1
s s2
⇔
Das Element (0, 1) verhält sich auf der Menge + bezüglich der Verknüpfung + neutral, denn es
= rs . Wegen 1(0 · s2 − 0 · 1) = 0 ist 01 = s02 , und auf Grund der Gleichung
gilt rs + 10 = r·1+s·0
s
r −r
+
s
s
ist
−r
s
das bezüglich der Addition zu
=
r
s
rs + (−r)s
s2
=
0
s2
inverse Element. Die Kommutativität ist unmittelbar klar,
die Assoziativität ergibt sich aus der Rechnung
r1
r2
+
s1
s2
+
r3
s3
=
r1 s2 + r2 s1
r3
+
s1 s2
s3
r2 s3 + r3 s2
r1
+
s1
r2 r3
=
r1 s2 s3 + r2 s1 s3 + r3 s1 s2
s1 s2 s3
r1
r3
r2
.
+
+
s1
s2
s3
=
=
Eine multiplikative Verknüpfung erhalten wir auf S −1 R durch die Definition
r r1
·
s s1
=
rr1
.
ss1
Auch hier ist die Verknüpfung unabhängig von der Wahl der Klassenvertreter. Ist nämlich
r2
s2 , dann gibt es ein u ∈ S mit u(r1 s2 − r2 s1 ) = 0. Es folgt
urs(r1 s2 − r2 s1 ) = u(rr1 ss2 − rr2 ss1 ) = 0
22
⇔
rr1
rr2
=
.
ss1
ss2
r1
s1
=
Man überprüft unmittelbar, dass das Element
mit für den Ring S
−1
1
1
bezüglich der Multiplikation neutral ist und so-
R die Rolle des Einselements übernimmt. Die Assoziativität und Kommu-
tativität der Multiplikation ergibt sich unmittelbar aus der jeweiligen Eigenschaft der multiplikativen Verknüpfung auf R. Wegen der Kommutativität genügt es, eines der beiden Distributivgesetze nachzurechnen. Dies ergibt sich aus der Rechnung
r1
r2
+
s1
s2
r
s
=
r1 s2 + r2 s1 r
·
s1 s2
s
=
rr2
rr1
+
ss1
ss2
rr1 s2 + rr2 s1
ss1 s2
rr1 ss2 + rr2 ss1
s2 s1 s2
=
=
r1 r
r2 r
· +
· .
s1 s s2 s
=
Zum Schluss definieren wir eine Abbildung ι : R → S −1 R durch ι(r) =
r
1
und überprüfen, dass
das Paar (S −1 R, ι) die Eigenschaften (i),(ii) aus der Definition besitzt. Ohne Mühe kontrolliert
man, dass es sich bei ι um einen Ringhomomorphismus handelt, d.h. dass die Gleichungen
r
s
r+s
= +
1
1 1
und
rs
r s
= ·
1
1 1
erfüllt sind, und dass außerdem 1 ∈ R auf das Einselement
jedes s ∈ S ist ι(s) wegen
s
1
·
1
s
1
1
von S −1 R abgebildet wird. Für
1
1 eine Einheit. Sei nun φ : R → R1 ein Ringhomomorphismus
R1× für alle s ∈ S gilt. Dann definieren wir φ̂ : S 1 R → R1 durch
=
mit der Eigenschaft, dass φ(s) ∈
φ̂( rs ) = φ(r)φ(s)−1 . Der Homomorphismus φ̂ ist durch diese Festlegung wohldefiniert, denn ist
r
s
=
r1
s1 ,
dann gibt es ein u ∈ S mit u(rs1 − r1 s) = 0. Da φ(u) in R1 eine Einheit ist, folgt
φ(u)(φ(r)φ(s1 ) − φ(r1 )φ(s)) = 0
⇔
φ(r)φ(s1 ) − φ(r1 )φ(s) = 0
⇔
φ(r)φ(s)−1 = φ(r1 )φ(s1 )−1 .
Die Gleichung φ̂ ◦ ι = φ ist auf Grund der Definitionen unmittelbar klar. Sei nun φ̂1 : S −1 R → R1
ein weiterer Homomorphismus φ̂1 ◦ ι = φ. Für ein beliebiges r ∈ R gilt dann φ̂1 ( 1r ) = (φ̂1 ◦ ι)(r) =
φ(r). Für alle s ∈ S gilt φ(s)φ̂1 ( 1s ) = φ̂1 ( 1s )φ̂1 ( 1s ) = φ̂1 ( 11 ) = 1R1 , also φ̂1 ( 1s ) = φ(s)−1 , und für
beliebige r ∈ R, s ∈ S somit
φ̂1 ( rs )
=
φ̂1 ( r1 ) · φ̂1 ( 1s )
=
φ(r)φ(s)−1
=
φ̂( rs ).
Damit ist die Eindeutigkeit von φ̂ bewiesen.
Lemma 2.1.4 Sei R ein Ring, S ⊆ R multiplikativ und ι : R → S −1 R der Homomorphismus
gegeben durch r 7→ r/1.
(i) Der Ring S −1 R ist genau dann der Nullring, wenn 0 ∈ S gilt.
(ii) Die Abbildung ι ist genau dann injektiv, wenn S keine Nullteiler enthält.
Den einfachen Beweis haben wir als Übungsaufgabe gestellt .
Beispiel 2.1.5 Ist R ein Integritätsbereich und S = R \ {0}, dann ist Q(R) = S −1 R ein Körper, der
sog. Quotientenkörper von R. Ist nämlich x = r/s ∈ Q(R) ein beliebiges Element ungleich Null,
dann folgt r 6= 0, und s/r ist ein multiplikatives Inverses von x. Wegen der Nullteilerfreiheit von
R ist die Zuordnung ι : r 7→ r/1 injektiv.
Definition 2.1.6 Ein lokaler Ring ist ein Ring R mit genau einem maximalen Ideal m.
23
Jeder Körper K ist nach Definition ein lokaler Ring. Das einzige maximale Ideal ist in diesem Fall
das Nullideal. Eine Vielzahl weiterer Beispiele erhält man durch
Proposition 2.1.7 Sei R ein Ring, p ⊆ R ein Primideal und S = R \ p. Dann ist Rp = S −1 R ein
lokaler Ring. Man nennt Rp die Lokalisierung von R am Primideal p. Das einzige maximale Ideal
ist m = ι(p)Rp , wobei ι : R → Rp den kanonischen Homomorphismus r 7→ r/1 bezeichnet.
Beweis: Auf Grund der Primidealeigenschaft von p ist S eine multiplikative Menge. Wegen u1 6= 0
für alle u ∈ S ist Rp nicht der Nullring. Wir zeigen nun, das jedes Element x ∈ Rp \ m eine Einheit
/ p,
ist. Sei x = rs mit r ∈ R, s ∈ S. Im Fall r ∈ p wäre x = r1 · 1s in m enthalten. So aber gilt r ∈
also r ∈ S, und rs ∈ Rp ist das multiplikative Inverse von x. Sei nun a ein echtes Ideal in Rp , also
a 6= (1). Ist a keine Teilmenge von m, dann enthält a nach dem bereits Gezeigten Einheiten, im
Widerspruch zur Annahme. Also sind alle echten Ideale a in m enthalten, und m ist das einzige
maximale Ideal.
Beispiel 2.1.8 Sei R = Z und p = (p) mit einer Primzahl p. Dann ist die Lokalisierung von R an
p gegeben durch
a
∈ Q a, b ∈ Z, p ∤ b .
Z(p) =
b
Wählt man p = (0), dann erhält man Z(0) = Q.
Beispiel 2.1.9 Sei R ein Ring, f ∈ R und S = {f n | n ∈ N0 }. Dann bezeichnet man den Ring
S −1 R mit Rf . Nach Definition gilt
Rf
=
a a ∈ R, n ∈ N0 .
fn Ist R ein Integritätsbereich und f 6= 0, dann können wir Rf als Ringerzeugnis R[f −1 ] im Quo-
tientenkörper Q(R) auffassen. Dabei rechnet man die Injektivität der Abbildung Rf → Q(R),
r/f n 7→ r/f n unmittelbar nach; sie ergibt sich aber auch aus der untenstehenden Bemerkung
2.1.12. Handelt es sich bei f ∈ R dagegen um ein nilpotentes Element, dann ist Rf der Nullring.
Proposition 2.1.10 Sei R ein Ring, S ⊆ R eine multiplikative Teilmenge und ι : R → S −1 R,
r 7→ r/1. Ferner sei a ⊆ R ein Ideal, R̄ = R/a der Restklassenring, π : R → R̄ der kanonische
Epimorphismus und S̄ = π(S). Dann gilt
S̄ −1 (R/a)
∼
=
S −1 R/b
,
wobei b das von ι(a) in S −1 R erzeugte Ideal bezeichnet.
Beweis: Sei R0 = S −1 R/b. Wir betrachten den Homomorphismus ι̃ : R → R0 , r 7→ ι(r) mod b.
Ist r in a enthalten, dann liegt ι(r) in b, und folglich ist ι̃(r) = 0. Deshalb induziert ι̃ einen Homomorphismus ι0 : R̄ → R0 . Wir zeigen nun, dass das Paar (R0 , ι0 ) die Eigenschaften (i),(ii) der
Lokalisierung von R̄ bezüglich der multiplikativen Teilmenge S̄ ⊆ R̄ erfüllt und beweisen somit
den angegebenen Isomorphismus.
Ist s̄ ∈ S̄ und s ∈ S ein Urbild von s̄, dann ist ι0 (s̄) = s/1 mod b, und das Element 1/s mod b in
R0 ist ein multiplikatives Inverses von ι0 (s̄). Somit ist Eigenschaft (i) erfüllt. Zum Nachweis von
24
(ii) sei nun φ : R̄ → R1 ein Ringhomorphismus mit der Eigenschaft, dass φ(s̄) für jedes s̄ ∈ S eine
Einheit ist. Für ein beliebiges Element x = r/s mod b ∈ R0 mit r ∈ R, s ∈ S definieren wir dann
φ̂ : R0 → R1
durch φ̂(x) = φ(r̄)φ(s̄)−1 .
Die Abbildung φ̂ ist wohldefiniert. Dazu beachte man zunächst, dass sich jedes Element in b in
der Form a/s mit a ∈ a und s ∈ S schreiben lässt. Sind nun r1 ∈ R und s1 ∈ S mit rs ≡ sr11 mod b
gegeben, dann gibt es also ein a ∈ a und ein s′ ∈ S, so dass
r
r1
−
s s1
=
rs1 − r1 s
ss1
a
s′
=
gilt. Es gibt also ein u ∈ S mit us′ (rs1 − r1 s) − uss1 a = 0. Seien nun ū, r̄, s̄, s̄1 und s̄′ die Bilder
von u, r, s, s1 , s′ unter dem Homomorphismus π. Durch Anwendung von φ erhalten wir
φ(ūs̄′ )(φ(r̄)φ(s̄1 ) − φ(r̄1 )φ(s̄)) = 0.
Da φ(ūs̄′ ) ∈ R1 eine Einheit ist, folgt φ(r̄)φ(s̄1 ) − φ(r̄1 )φ(s̄) = 0 ⇔ φ(r̄)φ(s̄)−1 = φ(r̄1 )φ(s̄1 )−1 .
Also ist φ̂ tatsächlich unabhängig von der Wahl der Repräsentanten.
Für ein beliebiges Element r̄ ∈ R̄ mit Urbild r ∈ R gilt (φ̂◦ι0 )(r̄) = φ̂( r1 mod b) = φ(r̄), also φ̂◦ι0 =
φ. Nun beweisen wir die Eindeutigkeit von φ̂1 . Sei φ̂1 : R0 → R1 ein weiterer Homomorphismus
mit der Eigenschaft, dass φ̂1 ◦ ι0 = φ erfüllt ist. Dann gilt φ̂1 ( 1r mod b) = φ(r̄) für alle r̄ ∈ R̄ mit
Urbild r ∈ R. Ist s ∈ S und s̄ = π(s), dann gilt
φ̂1 ( 1s mod b)φ(s̄) = φ̂1 ( 1s mod b)φ̂1 ( 1s mod b) = 1
⇔
φ̂1 ( 1s mod b) = φ(s̄)−1
und somit φ̂1 ( rs mod b) = φ(r̄)φ(s̄)−1 = φ̂( rs mod b).
Proposition 2.1.11 Sei R ein Ring mit multiplikativen Teilmengen S ⊆ T ⊆ R und ι : R →
S −1 R der Homomorphismus r 7→ r/1. Setzen wir T̃ = ι(T ), dann gibt es einen natürlichen
Isomorphismus
∼
=
T̃ −1 (S −1 R)
T −1 R.
Beweis: Wir betrachten den Ringhomomorphismus ι̃ : S −1 R → T −1 R gegeben durch r/s 7→ r/s
und zeigen, dass das (T −1 R, ι̃) die Eigenschaften (i),(ii) der Lokalisierung von S −1 R bezüglich
der Menge T̃ erfüllt. Wegen S ⊆ T ist ι̃ wohldefiniert. Jedes Element a ∈ T̃ ist Einheit in T −1 R,
denn nach Definition gilt a = t/1 für ein t ∈ T , und 1/t ∈ T −1 R ist das multiplikative Inverse
von a. Damit ist die Bedingung (i) erfüllt. Sei nun φ : S −1 R → R1 ein Ringhomomorphismus mit
der Eigenschaft, dass φ(a) für jedes a ∈ T̃ eine Einheit ist. Wir definieren φ̂ : T −1 R → R1 durch
φ̂(r/t) = φ(r/1)φ(t/1)−1 . Diese Abbildung ist wohldefiniert, denn gilt
r
t
=
r1
t1
in T −1 R, dann gibt
es ein u ∈ T mit u(rt1 − r1 t) = 0. Anwendung der Homomorphismen ι und φ liefert
φ( u1 ) φ( 1r )φ( t11 ) − φ( r11 )φ( 1t ) = 0 ,
und da φ( u1 ) wegen u/1 ∈ T̃ eine Einheit ist, folgt φ( r1 )φ( t11 ) − φ( r11 )φ( 1t ) = 0 ⇔ φ( r1 )φ( 1t )−1 =
φ( r11 )φ( t11 )−1 ⇔ φ̂( rt ) = φ̂( rt11 ). Nun zeigen wir, dass φ̂◦ι̃ = φ erfüllt ist. Für alle s ∈ S gilt zunächst
auf Grund der Homomorphismus-Eigenschaft von φ
φ( 1s )φ( s1 ) = φ( 11 ) = 1
⇔
25
φ( 1s ) = φ( s1 )−1 .
Für ein beliebiges Element
(φ̂ ◦ ι̃)( rs )
=
r
s
∈ S −1 R (r ∈ R, s ∈ S) erhalten wir nun
φ̂( rs )
=
φ( r1 )φ( 1s )−1
=
φ( r1 )φ( 1s )
=
φ( rs ).
Es fehlt noch die Eindeutigkeit. Sei also φ̂1 : T −1 R → R1 ein weiterer Homomorphismus mit
φ̂1 ◦ ι̃ = φ. Für alle r ∈ R gilt dann φ̂1 ( r1 ) = φ( r1 ), wobei wir 1r links als Element von T −1 R und
rechts als Element von S −1 R auffassen. Für alle t ∈ T gilt auf Grund der HomomorphismusEigenschaft von φ̂1 die Gleichung φ̂1 ( 1t )−1 = φ( 1t )−1 , und für ein allgemeines Element rt ∈ T −1 R
folgt schließlich φ̂1 ( rt ) = φ( r1 )φ( 1t )−1 = φ̂( rt ).
Bemerkung 2.1.12 Ist T nullteilerfrei, dann gilt dasselbe auch die Menge T̃ . Besteht nämlich die
Gleichung
t r
1s
= 0 im Ring S −1 R mit t ∈ T sowie r ∈ R, s ∈ S, dann gibt es ein u ∈ S mit
u(tr − s0) = 0, also utr = 0 und damit r = 0 wegen der Nullteilerfreiheit von T . Wir können in
diesem Fall also S −1 R als Teilring von T −1 R auffassen; zugleich ist auf Grund der Proposition
T −1 R eine Lokalisierung von S −1 R. Ist insbesondere der Ring R ein Integritätsbereich, dann kann
jede Lokalisierung S −1 R mit 0 ∈
/ S als Teilring des Quotientenkörpers Q(R) aufgefasst werden,
und Q(R) ist eine Lokalisierung sämtlicher Ringe dieser Form.
Bemerkung 2.1.13 Ist R ein Integritätsbereich, dann gilt
\
R =
Rm ,
m
wobei m alle maximalen Ideale von R durchläuft und der Durchschnitt im Quotientenkörper
K = Q(R) gebildet wird.
Beweis:
Wir haben bereits gesehen, dass wir R mittels r 7→ r/1 als Teilring von K auffassen
können. Sei nun f = g/h ein Element im Durchschnitt auf der rechten Seite. Dann betrachten wir
das Ideal
a
=
{x ∈ R | xg ∈ (h)}
,
wobei (h) ⊆ R wie üblich das von h erzeugte Hauptideal bezeichnet. Nehmen wir nun an, es gibt
ein maximales Ideal m von R mit a ⊆ m. Wegen f ∈ Rm gibt es Elemente g1 , h1 ∈ R mit h1 ∈
/ m,
so dass g/h = g1 /h1 ⇔ gh1 = g1 h erfüllt ist. Es folgt h1 g ∈ (h), also h1 ∈ a \ m im Widerspruch
zur Annahme. Da a also in keinem maximalen Ideal von R enthalten ist, muss a = (1) gelten.
Aus 1 ∈ a folgt g ∈ (h), also g = rh für ein r ∈ R. Dies bedeutet g/h = (rh)/h = r/1 und somit
g/h ∈ R.
Proposition 2.1.14⋆
1
Seien R1 , R2 beliebige Ringe und S = R1× × R2 . Dann gilt S −1 R ∼
= R1 .
Beweis: Wir zeigen, dass das Paar (R1 , π1 ) bestehend aus dem Ring R1 und der Projektionsabbildung π1 : R → R1 die Bedingungen (i),(ii) für die Lokalisierung von R bezüglich der multiplikativen Menge S erfüllt. Ist (r1 , r2 ) ∈ S, dann liegt π1 (r1 , r2 ) in R1× . Also gilt (i). Zum Nachweis
von (ii) sei φ : R → A ein Homomorphismus in einen Ring A mit der Eigenschaft φ(s) ∈ A× für
alle s ∈ S. Wir definieren dann einen Homomorphismus φ̂ : R1 → A durch φ̂(r1 ) = φ(r1 , 0). Zu
zeigen ist, dass φ̂ ◦ π1 = φ gilt. Dies ist gleichbedeutend damit, dass φ(r1 , 0) = φ̂(r1 ) = φ(r1 , r2 )
1 Die mit einem „⋆“ gekennzeichneten Sätze und Beweise gehören nicht zum offiziellen Vorlesungs- und damit auch
nicht zum Prüfungsstoff.
26
für alle (r1 , r2 ) ∈ R gilt, und dies ist wiederum äquivalent zu φ(0, r2 ) = 0 für alle r2 ∈ R2 . Nun
gilt auf Grund der Homomorphismus-Eigenschaft von φ die Gleichung
φ(0, r2 )φ(1, 0) = φ((0, r2 )(1, 0)) = φ(0, 0) = 0,
und da φ(1, 0) nach Voraussetzung eine Einheit in A ist, folgt φ(0, r2 ) = 0. Sei nun φ̂1 : R1 → A ein
weiterer Ringhomomorphismus mit φ̂1 ◦ π1 = φ. Für alle r1 ∈ R1 gilt dann φ̂1 (r1 ) = (φ̂1 ◦ π)(r1 , 0)
= φ(r1 , 0) = φ̂(r1 ). Es folgt φ̂1 = φ̂, d.h. auch Bedingung (ii) ist erfüllt.
2.2 Primideale in Lokalisierungen
Definition 2.2.1 Sei φ : A → B ein Ringhomomorphismus.
(i) Ist a ⊆ A ein Ideal, dann nennen wir das von φ(a) in B erzeugte Ideal das Bildideal von a
und bezeichnen es mit ae .
(ii) Ist b ein Ideal in B, dann ist φ−1 (b) ein Ideal in A. Wir bezeichnen es mit bc und nennen es
das Urbildideal von b.
Allgemein bezeichnen wir die Ideale der Form ae in B als Bildideale und die Ideale der Form bc in
A als Urbildideale.
Bemerkung 2.2.2 Die Bildmenge φ(a) ist im allgemeinen selbst kein Ideal. Das Bild φ(a) ist genau
dann für alle Ideale a von A ein Ideal in B, wenn der Homomorphismus φ surjektiv ist. Denn
damit das Bild von (1) ⊆ A ein Ideal in B ist, muss φ(A) = B gelten. Sei umgekehrt φ : A → B
surjektiv und a ⊆ A ein Ideal. Sind b1 , b2 ∈ φ(a), dann gibt es a1 , a2 ∈ a mit φ(ai ) = bi für i = 1, 2
und somit b1 + b2 = φ(a1 + a2 ) ∈ φ(a). Ist ferner b ∈ B beliebig, dann gibt es auf Grund der
Surjektivität ein a ∈ A mit φ(a) = b. Es folgt bb1 = φ(aa1 ) ∈ φ(a).
Proposition 2.2.3 Für beliebige Ideale a ⊆ A und b ⊆ B gilt
(i) a ⊆ aec , b ⊇ bce
(ii) ae = aece, bc = bcec
Durch a 7→ ae und b 7→ bc sind also zueinander inverse Bijektionen gegeben zwischen den Urbildidealen in A und den Bildidealen in B.
Beweis: zu (i) Ist a ∈ a, dann folgt φ(a) ∈ ae und somit a ∈ φ−1 (ae ) = aec . Sei nun b ∈ (bc )e .
Dann liegt b im Idealerzeugnis der Menge φ(bc ). Es gibt also r1 , ..., rn ∈ B und a1 , ..., an ∈ bc mit
Pn
b = i=1 ri φ(ai ). Wegen ai ∈ bc gilt φ(ai ) ∈ b für 1 ≤ i ≤ n, also b ∈ b.
zu (ii) Wegen (i) gilt a ⊆ aec , und es folgt ae ⊆ (aec )e = aece . Andererseits gilt auch aece = (ae )ce ⊆
ae . Die zweite Formel erhält man durch bc ⊆ (bc )ec = bcec und bcec = (bce )c ⊆ bc . Die zusätzliche
Aussage folgt unmittelbar aus (ii).
Bemerkung 2.2.4 Für beliebige Ideale a, b braucht weder aec = a noch bce = b zu gelten. Ist zum
Beispiel φ : Z → Q die Inklusionsabbildung und a = (2) in Z, dann gilt aec = (1). Betrachtet man
die Inklusionsabbildung φ : {0} → Z mit dem Nullring auf der linken Seite und ist b = (1) das
Einheitsideal in Z, dann erhält man bce = (0).
27
Satz 2.2.5 Sei R ein Ring, S ⊆ R eine multiplikative Teilmenge und ι : R → S −1 R gegeben durch
ι(r) = r/1. Mit ae und bc bezeichnen wir die Bild- und Urbildideale bezüglich des Ringhomomorphismus ι. Dann sind durch
p 7→ pe
P 7→ Pc
und
zueinander inverse Bijektionen gegeben zwischen den Primidealen p von R mit p ∩ S = ∅ und
den Primidealen P von S −1 R.
Beweis:
Ist P ein Primideal in S −1 R, dann ist p = Pc ein Primideal in R mit p ∩ S = ∅. Die
Primidealeigenschaft ergibt sich aus der allgemeinen Tatsache, dass das Urbild eines Primideals
unter einem Ringhomomorphismus wieder ein Primideal ist. Wäre s ein Element in p ∩ S, dann
wäre ι(s) ∈ P eine Einheit, was der Primidealeigenschaft von P widerspricht.
Ist umgekehrt p ein Primideal mit p ∩ S = ∅, dann ist pe ein Primideal in S −1 R. Denn auf Grund
der Voraussetzung ist R/p ein Integritätsbereich. Sei nun S̄ das Bild von S in R/p. Wie wir oben
gezeigt haben, gilt
S −1 R/pe ∼
= S̄ −1 (R/p)
Wegen p ∩ S = ∅ gilt 0̄ ∈
/ S̄. Also ist S̄ −1 (R/p) ein Teilring vom Quotientenkörper von R/p, damit
ein Integritätsbereich. Folglich ist auch pe ein Primideal.
Jedes Ideal b in S −1 R ist ein Bildideal bezüglich ι. Ist nämlich
c
x
s
ce
x
s
∈ b . Wir haben also b ⊆ b
x ∈ b = ι (b) und somit auch
ce
ohnehin immer erfüllt ist, gilt b = b.
−1
∈ b, dann folgt
ce
x
1
∈ b, damit
nachgerechnet. Da bce ⊆ b
Zum Schluss zeigen wir, dass jedes Primideal p in R mit p ∩ S = ∅ ein Urbildideal ist. Wir wissen
bereits, dass pe ein Primideal ist, zu zeigen bleibt pec ⊆ p. Ist r ∈ pec , dann folgt r1 ∈ pe . Nach
Definition des Idealerzeugnisses gibt es p1 , ..., pn ∈ p und ri /si ∈ S −1 , i = 1, ..., n mit
r
1
=
Es existiert also ein u ∈ S mit
u rs1 ...sn −
n
X
ri
i=1
n
X
i=1
si
pi .
pi ri ci
!
=0 ,
Q
wobei die Elemente ci durch ci = j6=i si gegeben sind. Damit liegt auch urs1 ...sn ∈ p. Wegen
us1 ...sn ∈ S liegt dieses Element nicht in p, so dass r ∈ p aus der Primidealeigenschaft von p
folgt.
Bemerkung 2.2.6 Ist R ein Ring und m ein maximales Ideal, dann entsprechen die Primideale
des lokalen Rings Rm genau den in m enthaltenen Primidealen von R. Auf diese Weise sieht man
erneut, dass Rm genau ein maximales Ideal besitzt. Für ein beliebiges Element f ∈ R entsprechen
die Primideale von Rf genau den Primidealen p von R mit f ∈
/ p.
Beweis von Proposition 1.4.10:
„⇒“ Sei R ein Jacobson-Ring, p ⊆ R ein Primideal, R̄ = R/p der zugehörige Integritätsring und
0 6= b ∈ R̄ ein Element mit der Eigenschaft, dass R̄[b−1 ] ein Körper ist. Zu zeigen ist, dass es sich
auch bei R̄ um einen Körper handelt.
28
Mit R ist auch R̄ Jacobson-Ring. Da R̄ außerdem Integritätsbereich ist, kann das Primideal (0)
als Durchschnitt über alle maximalen Ideale m von R̄ dargestellt werden. Da R̄[b−1 ] ein Körper
ist, ist das einzige Primideal das Nullideal. Auf Grund der Charakterisierung der Primideale in
T
Lokalisierungen folgt b ∈ p für alle Primideale p 6= (0) in R̄. Wegen (0) = m m in R̄ folgt daraus
b = 0, sobald in R̄ maximale Ideale m 6= (0) existieren, im Widerspruch zur Annahme b 6= 0. Also
ist (0) das einzige maximale Ideal in R̄, d.h. R̄ ist Körper.
T
„⇐“ Sei q ein Primideal von R und a = m⊇q q der Durchschnitt über alle maximalen Ideale m, die
q enthalten. Zum Nachweis der Jacobson-Eigenschaft müssen wir a = q beweisen. Angenommen,
es ist f ein Element in a \ q. Dann betrachten wir die Menge S aller Primideale p von R mit
der Eigenschaft p ⊇ q, f ∈
/ p. Wegen q ∈ S ist S nichtleer. Außerdem hat jede Kette in S ein
bezüglich der Inklusion maximales Element, nämlich die Vereinigung aller Ideale in der Kette.
Man überprüft unmittelbar, dass eine solche Vereinigung wieder ein Primideal in R ist. Nach
dem Zornschen Lemma finden wir ein nun maximales p0 ∈ S. Das Primideal p0 ist aber kein
maximales Ideal, denn sonst würde a ⊆ p0 und wegen f ∈ a damit f ∈ p0 folgen, im Widerspruch
zur Definition von S. Folglich ist R̄ = R/p0 kein Körper.
Auf Grund der obenstehenden Bemerkung wissen wir, dass die Primideale von R[f −1 ] den Primidealen p von R mit f ∈
/ p entsprechen. Da p0 mit der Eigenschaft f ∈
/ p0 maximal ist, handelt
−1
−1
e
es sich bei p0 um ein maximales Ideal in R[f ]. Folglich ist R[f ]/pe0 ein Körper. Wegen der
Vertauschbarkeit von Lokalisierung und Bildung von Restklassenringen (Proposition 2.1.10) gilt
R[f −1 ]/pe0 ∼
= R̄[f¯−1 ].
Der Ring R̄[f¯−1 ] ist somit ein Körper, obwohl R̄ kein Körper ist. Also haben wir mit p0 ein Primideal gefunden, dass unseren Voraussetzungen an den Ring R widerspricht.
2.3 Reguläre Funktionen
Definition 2.3.1 Sei X ⊆ AnK eine affine Varietät und U ⊆ X eine nichtleere, offene Teilmenge.
Eine Funktion f : U → K wird regulär im Punkt a0 ∈ U genannt, wenn eine offene Umgebung
V ⊆ U von a0 und Elemente g, h ∈ R(X) im Koordinatenring existieren, so dass
h(a) 6= 0
und
g(a)
h(a)
f (a) =
für alle
a∈V
gilt.
Man nennt die Funktion f regulär auf U , wenn sie in jedem Punkt a ∈ U regulär ist. Die Menge
aller auf U regulären Funktionen bezeichnen wir mit OX (U ), an Stelle von OX (X) schreiben wir
auch einfach O(X).
Bemerkung 2.3.2 Ist U ⊆ X offen und sind g, h ∈ R(X) Elemente des Koordinatenrings mit
h(a) 6= 0 für alle a ∈ U , dann ist durch
f : U −→ K
,
a 7→
g(a)
h(a)
eine reguläre Funktion auf U gegeben. Aber nicht immer lässt sich eine reguläre Funktion auf
dise Weise global durch Elemente des Koordinatenrings darstellen. Als Beispiel betrachten wir
29
die affine Hyperfläche X ⊆ A4K , die durch die Gleichung x1 x4 − x2 x3 = 0 beschrieben wird. Für
1 ≤ i ≤ 4 sei Zi = ZX (xi ), außerdem Ui = X \ Zi und U = U2 ∪ U4 . Wir betrachten nun die
reguläre Funktion f ∈ OX (U ) gegeben durch

 a1
a2
f (a) =
 a3
falls a ∈ U2
falls a ∈ U4 .
a4
Liegt ein Punkt a = (a1 , a2 , a3 , a4 ) in U2 ∩ U4 , dann gilt a1 a4 − a2 a3 = 0 ⇔
a1
a2
=
a3
a4
auf Grund der
definierenden Gleichung der Varietät X, also ist die Funktion f auf ganz U wohldefiniert.
Zunächst nehmen wir an, dass f zu einer regulären Funktion f˜ auf ganz X fortsetzbar ist und
zeigen, dass dann keine Elemente g, h ∈ R(X) mit der Eigenschaft
f˜(a)
existieren. Wegen g(a)/h(a) =
a1
a2
′
=
g(a)
h(a)
für alle a ∈ X
(2.3)
⇔ a2 g(a) − a1 h(a) = 0 für alle a ∈ U2 enthält die Nullstellen-
menge ZX (f ) des Polynoms f = x2 g − x1 h die nichtleere, offene Teilmenge U2 , die auf Grund
der Irreduzibilität von X dicht in X liegt. Da ZX (f ′ ) außerdem abgeschlossen in X ist, folgt
′
ZX (f ′ ) = X. Für den Punkt c = (1, 0, 1, 0), der zwar nicht in U , aber in X enthalten ist, bedeutet
dies f ′ (c) = 0 ⇒ h(c) = 0, also kann die Funktion f˜ im Punkt c nicht in der Form g(c)/h(c)
dargestellt werden.
Für den Nachweis, dass keine Elemente g, h ∈ R(X) mit f (a) = g(a)/h(a) für alle a ∈ U
existieren, müssen wir auf Hilfsmittel zurückgreifen, die uns erst zu einem späteren Zeitpunkt
der Vorlesung zur Verfügung stehen. Damit die Gleichung für alle a ∈ U gültig ist, muss die
Nullstellenmenge ZX (h) in der abgeschlossenen Menge Z = Z2 ∩ Z4 liegen. Sie ist andererseits nicht leer, denn ansonsten gäbe es eine Fortsetzung f˜ von f zu einer regulären Funktion auf ganz X, für die Gleichung (2.3) erfüllt ist. Dies haben wir bereits ausgeschlossen. Sei
u = x1 x4 − x2 x3 das definierende Polynom der affinen Hyperfläche X. Das Verschwindungs-
ideal von Z aufgefasst als Teilmenge von A4K ist gegeben durch p = (x2 , x4 , u) = (x2 , x4 ). Wegen
R(Z) = K[x1 , x2 , x3 , x4 ]/(x2 , x4 ) ∼
= K[x1 , x3 ] handelt es sich um ein Primideal, und Z ist irredu-
zibel.
Auf Grund der Folgerung 4.6.13 aus dem Krullschen Höhensatz ist die affine Varietät X als Hyperfläche in A4K dreidimensional. Die Nullstellenmenge ZX (h) ist weder leer, noch umfasst sie
ganz X. Also ist h in R(X) ungleich Null und keine Einheit. Eine erneute Anwendung von 4.6.13
liefert dim ZX (h) = 3. Ebenso werden wir später sehen, dass Z wegen R(Z) ∼
= K[x1 , x3 ] zwei-
dimensional ist. Aus der Gleichheit der Dimension, der Irreduzibilität von Z und der Inklusion
ZX (h) ⊆ Z folgt die Gleichheit von ZX (h) und Z.
Sei nun Z ′ = Z1 ∩ Z3 . Wie Z ist auch Z ′ eine in X enthaltene Ebene durch den Ursprung, der
Koordinatenring ist gegeben durch R(Z ′ ) = K[x1 , x2 , x3 , x4 ]/(x1 , x3 ) ∼
= K[x2 , x4 ]. Wie zuvor
erhalten wir dim(Z ′ ) = 2. Nun gilt
{0}
=
Z ∩ Z′
=
ZX (h) ∩ Z ′
=
ZZ ′ (h̃)
wobei 0 = (0, 0, 0, 0) den Koordinatenursprung und h̃ das Bild von h in R(Z ′ ) bezeichnet. Auf
Grund der Nullstellenmenge ist das Element h̃ in R(Z ′ ) weder gleich Null noch eine Einheit, und
30
Folgerung 4.6.13 liefert dim ZZ ′ (h̃) = 1. Da andererseits die Menge {0} offenbar nulldimensional
ist, erhalten wir insgesamt einen Widerspruch.
Bemerkung 2.3.3 Wir erinnern an die folgende elementare topologische Aussage: Eine Teilmenge Y ⊆ X eines topologischen Raums X ist genau dann offen bzw. abgeschlossen, wenn jeder
Punkt p ∈ X eine offene Umgebung U in X besitzt, so dass Y ∩ U offen bzw. abgeschlossen in U
ist. Die Richtung „⇒“ ist in beiden Fällen klar.
Zum Nachweis von „⇐“ sei nun Y ⊆ X eine Menge mit der Eigenschaft, dass jeder Punkt p ∈ X
eine offene Umgebung Up besitzt, so dass Y ∩ Up offen in Up ist. Nach Definition der Teilraumto-
pologie gibt es eine offene Teilmenge Vp ⊆ X mit Y ∩ Up = Vp ∩ Up , d.h. jede der Mengen Y ∩ Up
ist offen in X. Wegen


[
[
Y
= Y ∩X = Y ∩
(Y ∩ Up )
Up  =
p∈X
p∈X
ist dann auch Y offen in X. Nun sei Y ⊆ X und Up für jeden Punkt p ∈ X eine offene Umgebung
von p, so dass jeweils Y ∩ Up in Up abgeschlossen ist. Definieren wir Z = X \ Y , dann ist Z ∩ Up =
Up \ (Y ∩ Up ) in Up offen für alle p ∈ X. Damit ist, wie wir soeben gezeigt haben, Z in X offen,
und Y ist abgeschlossen in X.
Proposition 2.3.4 Sei X eine affine Varietät und U ⊆ X offen. Jede reguläre Funktion f : U → K,
aufgefasst als Abbildung U → A1K , ist stetig bezüglich der Zariski-Topologie auf beiden Mengen.
Beweis:
Jede echte, abgeschlossene Teilmenge von A1K ist endlich. Es genügt daher zu zeigen,
dass f −1 (a) für jeden Punkt a ∈ A1K eine abgeschlossene Teilmenge von U ist. Sei nun c ∈ U
ein beliebiger Punkt und V ⊆ U eine offene Umgebung von c, so dass g, h ∈ R(X) mit f (b) =
g(b)/h(b) für alle b ∈ V existieren. Auf Grund der Bemerkung genügt es zu zeigen, dass die
Schnittmenge f −1 (a) ∩ V in V abgeschlossen ist. Für einen beliebigen Punkt b ∈ V ist b ∈ f −1 (a)
äquivalent zu
f (b) = a
⇔
g(b)
=a
h(b)
⇔
g(b) − ah(b) = 0
⇔
b ∈ ZX (g − ah).
Da ZX (g − ah) als Teilmenge von X abgeschlossen ist, ist die Schnittmenge ZX (g − ah) ∩ V
abgeschlossen in V .
Folgerung 2.3.5 Stimmen zwei reguläre Funktionen f, g : U → K auf einer nichtleeren, offenen
Teilmenge V ⊆ U überein, dann auf ganz U .
Beweis: Es genügt zu zeigen, dass f (a) = 0 für alle a ∈ V auch f (a) = 0 für alle a ∈ U impliziert.
Da X irreduzibel ist, liegt die Menge V in X (und damit auch in U ) dicht. Andererseits haben wir
gerade gesehen, dass die Urbildmenge f −1 (0) in U abgeschlossen ist. Die Funktion f verschwindet also nach Voraussetzung auf einer dichten und zugleich abgeschlossenen Teilmenge von U ,
somit auf ganz U .
31
Sei X eine affine Varietät und Kc(X) die Menge aller Paare (f, U ), wobei U ⊆ X eine nichtleere offene Teilmenge und f ein Element aus OX (U ) bezeichnet. Wir definieren auf Kc(X) eine Relation
∼ durch
(f, U ) ∼ (g, V )
⇔
f |U∩V = g|U∩V .
Dabei handelt es sich um eine Äquivalenzrelation. Die Reflexivität und Symmetrie von ∼ ist einfach zu sehen. Seien nun (f, U ), (g, V ) und (h, W ) drei Element in Kc(X) mit (f, U ) ∼ (g, V ) und
(g, V ) ∼ (h, W ). Wegen f |U∩V = g|U∩V und g|V ∩W = h|V ∩W stimmen die Funktionen f und h
jedenfalls auf der offenen Menge U ∩V ∩W überein. Wegen der Irreduzibilität von X ist U ∩V ∩W
nicht leer (vgl. Lemma 1.3.12). Also stimmen f und h auf einer nichtleeren offenen Teilmenge von
U ∩ W überein, nach Folgerung 2.3.5 somit auf der gesamten Menge U ∩ W .
Sei K (X) die Menge der Äquivalenzklassen bezüglich der soeben definierten Relation. Für ein
beliebiges Element (f, U ) ∈ Kc(X) bezeichnen wir mit [f, U ] die zugehörige Äquivalenzklasse.
Wir können auf K (X) eine Ringstruktur definieren, indem wir
[f, U ] + [g, V ] = [f + g, U ∩ V ]
und
[f, U ] · [g, V ] = [f g, U ∩ V ]
als Verknüpfungen wählen. Wir überprüfen kurz, dass die Verknüpfungen wohldefiniert, also
unabhängig von der Wahl der Äquivalenzklassenvertreter sind. Sei (g1 , V1 ) ein Paar mit [g1 , V1 ] =
[g, V ]. Wegen g|V ∩V1 = g1 |V ∩V1 stimmen f + g und f + g1 auf der offenen Menge U ∩ V ∩ V1
überein, und es folgt
[f + g, U ∩ V ] = [f + g, U ∩ V ∩ V1 ] = [f + g1 , U ∩ V ∩ V1 ] = [f + g1 , U ∩ V1 ].
Ebenso beweist man die Wohldefiniertheit der Multiplikation. Das Nullelement wird vertreten
durch sämtliche Paare der Form (0, U ), wobei 0 für die konstante Nullfunktion steht und U die
nichtleeren, offenen Teilmengen durchläuft. Das Einselement wird entsprechend vertreten durch
die Paare der Form (1, U ). Die Gültigkeit der Ringaxiome lässt sich nun problemlos von K auf
K (X) übertragen.
Definition 2.3.6 Der soeben definierte Ring K (X) wird Funktionenkörper der Varietät X genannt.
Bemerkung 2.3.7 Man beachte, dass es sich bei K (X) in der Tat um einen Körper handelt. Ist
nämlich 0 6= [f, U ] ∈ K (X), dann verschwindet f auf U nicht identisch, sondern nur auf einer
echten, abgeschlossenen Teilmenge Z ⊆ U . Definieren wir nun auf V = U \ Z eine Funktion
g : V → K durch g(a) = f (a)−1 für alle a ∈ V , dann ist die Funktion f g auf V konstant gleich 1
und das Produkt [f, U ][g, V ] folglich das Einselement in K (X).
Definition 2.3.8 Sei a ∈ X ein fest gewählter Punkt auf einer affinen Varietät X. Wir bezeichnen
mit ObX,a die Menge der Paare (f, U ), wobei U die offenen Umgebungen von a in X durchläuft und
f jeweils ein Element im Ring OX (U ) der regulären Funktionen auf U ist. Wiederum definieren
wir auf ObX,a eine Äquivalenzrelation ∼ durch
(f, U ) ∼ (g, V )
⇔
f |U∩V = g|U∩V
und bezeichnen die Menge der Äquivalenzklassen mit OX,a . Wie zuvor ist auf dieser Menge eine natürliche Ringstruktur gegeben. Man nennt die Elemente von OX,a Funktionskeime in einer
Umgebung von a.
32
Bemerkung 2.3.9 Der Ring OX,a ist ein lokaler Ring mit dem maximalen Ideal
mX,a
=
{[f, U ] ∈ OX,a | f (a) = 0}.
Die Idealeigenschaft ist unmittelbar klar. Ist nun [f, U ] ∈ OX,a nicht in mX,a enthalten, dann gilt
f 6= 0 in einer offenen Umgebung V von a. Wenn wir nun g(a) = f (a)−1 für alle a ∈ V definieren,
dann folgt [f, U ][g, V ] = 1. Mit anderen Worten, [f, U ] ist eine Einheit in OX,a und mX,a damit in
der Tat ein maximales Ideal. Auf Grund dieser Tatsache ist es gerechtfertigt, den Ring OX,a als
lokalen Ring von X an der Stelle a zu bezeichnen. Die Zuordnung [f, U ] 7→ f (a) induziert einen
∼ K.
Isomorphismus OX,a /mX,a =
Proposition 2.3.10 Sei X eine affine Varietät, U ⊆ X eine offene Teilmenge und a ∈ U .
(i) Durch die Zuordnung OX (U ) → OX,a , f 7→ [f, U ] ist ein injektiver Homomorphismus von
Ringen definiert.
(ii) Dasselbe gilt für die Zuordnung OX,a → K (X), [f, U ] 7→ [f, U ].
Wir können also OX (U ) und OX,a auf natürliche Weise als Teilringe von K (X) auffassen.
Beweis: zu (i) Die Homomorphismus-Eigenschaft ist unmittelbar klar, denn sind f, g ∈ OX (U )
zwei beliebige Elemente, dann wird f + g auf das Element [f + g, U ] = [f, U ] + [g, U ] abgebildet.
Ebenso beweist man die Verträglichkeit mit der Multiplikation und den Einselementen der Ringe.
Landen nun f, g ∈ OX (U ) auf demselben Element [f, U ] = [g, U ] von OX,a , dann stimmen f und
g auf U überein, sind also als Funktionen f, g : U → K identisch. Die Argumentation im Fall (ii)
läuft völlig analog.
Proposition 2.3.11 Sei X eine affine Varietät und U ⊆ X eine offene Teilmenge. Dann gilt
OX (U )
\
=
OX,a
,
a∈U
wobei der Durchschnitt in K (X) gebildet wird.
Beweis: Die Inklusion „⊆“ ist klar, da wir auf Grund der Proposition von oben OX (U ) als Teilmenge von OX,a ansehen können. Sei nun [f, V ] ∈ K (X) ein Element des Funktionenkörpers,
das in sämtlichen lokalen Ringen OX,a enthalten ist. Für jedes a ∈ U gibt es dann ein Paar [fa , Ua ]
bestehend aus einer offenen Menge Ua ⊆ U mit a ∈ Ua und einer regulären Funktion fa auf Ua ,
so dass [f, V ] = [fa , Ua ] für alle a ∈ U erfüllt ist. Wir definieren eine Funktion f˜ : U → K, indem wir f˜(a) = fa (a) setzen. Um nachzuweisen, dass f˜ auf U regulär ist, zeigen wir, dass die
Funktionen fa und f˜ jeweils auf Ua übereinstimmen. Für den Punkt a ∈ Ua ist dies klar. Ist nun
b ∈ Ua \ {a} beliebig, dann gilt [fb , Ub ] = [f, V ] = [fa , Ua ] und somit fa |Ua ∩Ub = fb |Ua ∩Ub . Insbesondere gilt f˜(b) = fb (b) = fa (a). Also ist die Funktion f˜ tatsächlich regulär, zugleich haben
wir damit [f˜, U ] = [fa , Ua ] gezeigt. Insbesondere gilt [f˜, U ] = [f, V ]. Damit ist nachgewiesen, dass
[f, V ] im Bild von OX (U ) unter dem Homomorphismus OX (U ) → K (X) liegt.
Satz 2.3.12 Sei X eine affine Varietät. Dann induziert der Homomorphismus φ : R(X) → K (X),
f 7→ [f, X] einen Isomorphismus
∼
Q(R(X)) −→ K (X).
33
Dieser bildet R(X) auf O(X) ab. Ist m ⊆ R(X) das maximale Ideal eines Punktes a ∈ X, dann
wird ferner die Lokalisierung R(X)m auf OX,a abgebildet.
Beweis: Wir definieren eine Abbildung ψ : Q(R(X)) → K (X) durch g/h 7→ [ hg , U ], wobei die
offene Teilmenge U durch U = {a ∈ X | h(a) 6= 0} gegeben ist. Diese Zuordnung ist injektiv,
denn gilt hg (a) = 0 für alle a ∈ U , dann stimmt f ∈ R(X) auf der offenen Teilmenge U ⊆ X
mit der Nullfunktion überein, und es folgt f = 0. Die Homomorphismus-Eigenschaft von ψ ist
unmittelbar klar.
Ist [f, U ] ein beliebiges Element von K (X), dann gibt es eine offene Teilmenge V ⊆ U und g, h ∈
R(X) mit h(a) 6= 0 und f (a) = g(a)/h(a) für alle a ∈ V . Dies zeigt, dass [f, U ] in K (X) mit
dem Bild von g/h ∈ Q(R(X)) übereinstimmt, und wir erhalten die Surjektivität von ψ. Es gilt
ψ ◦ ι = φ, also ist φ der eindeutig bestimmte Homomorphismus, der durch φ und die universelle
Eigenschaft der Lokalisierung Q(R(X)) von R(X) definiert ist.
Sei nun a ∈ X ein Punkt und m das zugehörige maximale Ideal. Liegt nun das Element g/h ∈
Q(R(X)) in der Lokalisierung R(X)m , dann können wir h ∈
/ m und somit h(a) 6= 0 voraussetzen.
Ist die offene Teilmenge U wiederum durch U = {b ∈ X | h(b) 6= 0} gegeben, dann ist ( hg , U )
somit Repräsentant eines Elements in OX,a . Sei umgekehrt [f, U ] ∈ K (X) in OX,a enthalten, mit
einer offenen Menge U und einer regulären Funktion f : U → K. Dann können wir a ∈ U
annehmen, und nach Definition gibt es eine offene Umgebung V ⊆ U von a und Elemente g, h ∈
R(X) mit h(b) 6= 0 und f (b) = g(b)/h(b) für alle b ∈ V . Dies zeigt, dass [f, U ] das Bild von
g
h ∈ R(X)m unter φ ist. Es bleibt zu zeigen, dass das Bild von R(X) in K (X) genau mit O(X)
übereinstimmt. Nach Bemerkung 2.1.13 und Proposition 2.3.11 gilt
R(X) =
\
R(X)m
und
O(X) =
\
OX,a
,
a∈X
m
wobei links m alle maximalen Ideale von R(X) durchläuft. Da nach dem Hilbertschen Nullstellensatz jedes maximale Ideal m von R(X) einem Punkt a ∈ X entspricht und R(X)m von φ bijektiv
T
auf OX,a abgebildet wird, stimmt das Bild von m R(X)m genau mit dem Durchschnitt auf der
rechten Seite überein.
Der Begriff der regulären Funktion kann verwendet werden, um für die affinen Varietäten (genau
wie in anderen Kategorien geometrischer Objekte, etwa Riemannschen Flächen oder reellen C ∞ Mannigfaltigkeiten) einen natürlichen Abbildungstyp, die sog. Morphismen zu definieren. In der
Kategorie der C ∞ -Mannigfaltigkeiten sind die Morphismen die sog. C ∞ -Abbildungen. Um die
Analogie deutlich zu machen, erinnern wir an die entsprechenden Definitionen aus der Analysis.
Definition 2.3.13 Sei M eine n-dimensionale reelle C ∞ -Mannigfaltigkeit und z ∈ M . Eine Koordinatenumgebung von z ist ein Paar (U, ϕ) bestehend aus einer offenen Umgebung U von z und
einer Abbildung ϕ : U → Rn , die einen Homöomorphismus von U auf eine offene Teilmenge
ϕ(U ) ⊆ Rn definiert.
Definition 2.3.14 Sei M eine n-dimensionale reelle C ∞ -Mannigfaltigkeit. Eine C ∞ -Funktion auf
einer offenen Teilmenge V ⊆ M ist eine stetige Abbildung g : V → R mit der Eigenschaft, dass
34
für jeden Punkt x ∈ M und jede Koordinatenumgebung (U, ϕ) von x mit U ⊆ V die zusammen-
gesetzte Abbildung
ϕ−1
g
ϕ(U ) −→ U −→ R
als Abbildung von einer offenen Teilmenge ϕ(U ) ⊆ Rn nach R im herkömmlichen Sinn beliebig
oft differenzierbar ist.
Die C ∞ -Funktionen auf M entsprechen den regulären Funktionen auf unserer affinen Varietät X.
Dabei wird lediglich die Bedingung „beliebig oft differenzierbar bezüglich jeder Koordinatenumgebung“ ersetzt durch „lokal darstellbar als rationale Funktion“. Aufbauend auf dem Begriff der
C ∞ -Funktion lassen sich nun die C ∞ -Abbildungen definieren.
Definition 2.3.15 Seien M, N zwei C ∞ -Mannigfaltigkeiten der Dimensionen m und n. Eine
C ∞ -Abbildung ist eine Abbildung φ : M → N mit der Eigenschaft, dass für jede C ∞ -Funktion
g : V → R auf einer offenen Teilmenge V ⊆ N die zusammengesetzte Abbildung
φ
g
φ−1 (V ) −→ V −→ R
eine C ∞ -Funktion auf φ−1 (V ) ist.
Häufig wird die angegebene Eigenschaft nicht für beliebige C ∞ -Funktionen g auf V gefordert,
sondern nur für spezielle, zum Beispiel Koordinatenfunktionen, die durch Wahl von Koordinatenumgebungen zustande kommen. Beide Formulierungen sind aber äquivalent zueinander. Nach
diesen Vorbemerkungen sollte nun klar sein, wie die „natürliche“ Definition für Abbildungen
zwischen affinen Varietäten lautet.
Definition 2.3.16 Seien X ⊆ AnK und Y ⊆ Am
K affine Varietäten. Eine (bezüglich der ZariskiTopologien) stetige Abbildung φ : X → Y wird Morphismus genannt, wenn für jede reguläre
Funktion g : V → K auf einer offenen Teilmenge V ⊆ Y die zusammengesetzte Abbildung
φ
g
φ∗ (g) : φ−1 (V ) −→ V −→ K
eine reguläre Funktion auf φ−1 (V ) ist. Wir nennen X und Y isomorph zueinander, wenn es Morphismen φ : X → Y und ψ : Y → X mit ψ ◦ φ = idX und φ ◦ ψ = idY gibt.
Bemerkung 2.3.17 Ist φ : X → Y ein Morphismus, dann erhält man also durch g 7→ φ∗ (g) für
jede offene Teilmenge V ⊆ Y eine Abbildung OY (V ) → OX (φ−1 (V )). Man überprüft unmittelbar,
dass es sich dabei um einen Ringhomomorphismus handelt.
Zum Abschluss dieses Kapitels zeigen wir nun noch, dass die Morphismen auf der algebraischen
Seite genau den K-Algebra-Homomorphismen zwischen den Koordinatenringen entsprechen.
n
Lemma 2.3.18⋆ Seien X ⊆ Am
K und Y ⊆ AK affine Varietäten. Mit x1 , ..., xn ∈ O(Y ) bezeichnen
wir die Koordinatenfunktionen auf Y . Eine (nicht notwendig stetige) Abbildung φ : X → Y
ist genau dann ein Morphismus zwischen X und Y , wenn die Funktionen φ∗ (xi ) = xi ◦ φ für
1 ≤ i ≤ n regulär auf X sind.
Beweis: „⇒“ Auf Grund der definierenden Eigenschaft eines Morphismus sind die Funktionen
φ∗ (xi ) alle regulär. „⇐“ Setzen wir voraus, dass die Funktionen φ∗ (xi ) alle regulär sind. Dann
35
beweisen wir zunächst die Stetigkeit von φ bezüglich der Zariski-Topologie. Für jede Polynom
f ∈ K[x1 , ..., xn ] ist φ∗ (f ) regulär, da f nach Definition in der von φ∗ (x1 ), ..., φ∗ (xn ) erzeugten
K-Algebra enthalten ist, sich also als Polynomausdruck in diesen Funktionen darstellen lässt.
Ist nun Z ⊆ AnK eine abgeschlossene Teilmenge, dann ist Z nach Definition Nullstellenmenge einer Familie {fi }i∈I von Polynomen. Da die Funktionen φ∗ (fi ) als reguläre Funktionen stetig sind,
ist die gemeinsame Nullstellenmenge von {φ∗ (fi )}i∈I in X abgeschlossen. Diese Nullstellenmen-
ge ist genau das Urbild φ−1 (Z), denn für einen Punkt a ∈ X gilt
a ∈ φ−1 (Z)
⇔
φ(a) ∈ Z
⇔
fi (φ(a)) = 0 ∀ i ∈ I
⇔
φ∗ (fi )(a) = 0 ∀ i ∈ I.
Also ist das Urbild einer abgeschlossenen Teilmenge von Y unter φ abgeschlossen, d.h. φ ist stetig.
Nun beweisen wir, dass φ ein Morphismus ist. Sei f : V → Y eine reguläre Funktion auf einer
offenen Teilmenge von Y . Dann gibt es für jeden Punkt a ∈ V eine offene Umgebung U ⊆ V
und Polynome g, h ∈ K[x1 , ..., xn ], so dass h(a) 6= 0 und f (a) =
∗
g(a)
h(a)
−1
für alle a ∈ U erfüllt ist.
Folglich ist die Funktion φ (f ) auf φ (U ) darstellbar als Quotient von Polynomausdrücken in
den Elementen φ∗ (xi ) und somit auf φ−1 (U ) ebenfalls regulär. Da φ−1 (V ) von den Urbildern
der Form φ−1 (U ) überdeckt wird (wobei U geeignete offene Umgebungen der Punkte a ∈ V
durchläuft), ist φ∗ (f ) auf der gesamten Menge φ−1 (V ) eine reguläre Funktion.
n
Satz 2.3.19 Seien X ⊆ Am
K und Y ⊆ AK affine Varietäten.
(i) Ist ψ : R(Y ) → R(X) ein Homomorphismus von K-Algebren und fi = ψ(xi mod JR (Y ))
für 1 ≤ i ≤ n, dann ist durch
φ : X −→ AnK
,
a 7→ (f1 (a), ..., fn (a))
ein Morphismus zwischen X und Y definiert, wobei R den Polynomring K[x1 , ..., xn ] bezeichnet.
(ii) Ist umgekehrt φ : X → Y ein Morphismus, dann erhält man durch
∗
φ
ψ : R(Y ) ∼
= O(Y ) −→ O(X) ∼
= R(X)
einen Homomorphismus von K-Algebren, wobei die Abbildung φ∗ : O(Y ) → O(X) durch
f 7→ f ◦ φ gegeben ist und die Isomorphismen R(X) ∼
= O(X) und R(Y ) ∼
= O(Y ) in Satz
2.3.12 definiert wurden.
Die beiden unter (i) und (ii) beschriebenen Zuordnungen zwischen der Menge der K-AlgebraHomomorphismen R(Y ) → R(X) und den Morphismen X → Y sind bijektiv und zueinander
invers.
Beweis:∗ zu (i) Wir zeigen zunächst, dass φ(X) ⊆ Y gilt. Sei g ∈ JR (Y ) vorgegeben. Da ψ als
Homomorphismus von K-Algebren wohldefiniert ist, gilt
g(f1 , ..., fn )
=
g(ψ(xi mod JR (Y )))
=
ψ(g mod JR (Y ))
=
=
ψ(g(xi mod JR (Y )))
0.
Es folgt g(f1 (a), ..., fn (a)) = 0 für alle a ∈ X, also g(b) = 0 für alle g ∈ JR (Y ) und alle b im
Bild von φ. Also ist durch φ tatsächlich eine Abbildung nach Y gegeben. Auf Grund des Lemmas
handelt es sich darüber hinaus um einen Morphismus.
36
zu (ii) Dies ist unmittelbar klar, da ψ nach Definition aus K-Algebra-Homomorphismen zusammengesetzt wurde.
Zum Schluss überprüfen wir, dass die Zuordnungen tatsächlich zueinander invers sind. Sei ψ :
R(Y ) → R(X) ein Homomorphismus von K-Algebren und φ : X → Y wie unter (i) definiert. Sei
gi = xi mod JR (Y ) die i-te Koordinatenfunktion aufgefasst als reguläre Funktion auf Y . Für alle
a ∈ X gilt dann
φ∗ (gi )(a) = (gi ◦ φ)(a) = fi (a) = ψ(gi )(a)
,
also insgesamt φ∗ (gi ) = ψ(gi ), wobei es keine Rolle spielt, ob wir diese Gleichung in O(Y ) oder
in R(Y ) betrachten. Es folgt φ∗ = ψ, da R(Y ) als K-Algebra von den Elementen gi erzeugt wird.
Sei nun φ : X → Y ein Morphismus und ψ : R(Y ) → R(X) gegeben durch g 7→ φ∗ (g), wobei
wir R(X), R(Y ) mit den Ringen O(X) und O(Y ) identifizieren. Sei fi = ψ(xi mod JR (Y )) und
φ̃ : X → AnK gemäß der Vorschrift (i) gegeben durch
a 7→ (f1 (a), ..., fn (a)).
Wir haben bereits gezeigt, dass φ̃(X) ⊆ Y erfüllt ist. Es bleibt zu zeigen, dass φ̃ mit φ übereinstimmt. Ist nun a ∈ X ein beliebiger Punkt und b = φ̃(a) ∈ Y , dann gilt für die einzelnen
Koordinaten
bi = fi (a) = ψ(xi mod JR (Y ))(a) = ψ ∗ (xi )(a) = (xi ◦ φ)(a) = φ(a)i
insgesamt also φ̃(a) = b = φ(a).
37
,
§ 3. Ganze Ringerweiterungen
3.1 Grundlagen
Definition 3.1.1 Sei B|A eine Ringerweiterung (d.h. A ist Teilring von B). Wir sagen, ein Element
α ∈ B ist ganz über A, wenn ein normiertes Polynom f ∈ A[x] ungleich Null existiert, so dass
f (α) = 0 ist. Wir nennen die Ringerweiterung B|A ganz, wenn jedes α ∈ B ganz über A ist.
Bemerkung 3.1.2 Die Elemente α des Rings A sind offensichtlich ganz über A, denn α ist Nullstelle des normierten Polynoms x−α ∈ A[x]. Sind A = K und B = L Körper, dann ist ein Element
α ∈ L genau dann ganz über K, wenn es algebraisch über K ist.
Proposition 3.1.3 Sei B|A eine Ringerweiterung und α ∈ B. Dann sind äquivalent:
α ist ganz über A
A[α] ist als A-Modul endlich erzeugt.
⇔
Beweis: „⇒“ Ist α ∈ B ganz über A, dann gibt es ein normiertes Polynom 0 6= f ∈ A[x] mit
f (α) = 0. Sei n = deg(f ). Wir zeigen, dass A[α] als A-Modul von den Elementen 1, α, ..., αn−1
erzeugt wird. Ist β ∈ A[α] ein beliebiges Element, dann gibt es ein Polynom g ∈ A[α] mit g(α) =
β. Da das Polynom f normiert ist, können wir g durch f mit Rest dividieren. Dies liefert uns
Polynome q, r ∈ A[x] mit g = qf + r, außerdem r = 0 oder deg(r) < n. Es gilt
β = g(α) = q(α)f (α) + r(α) = q(α) · 0 + r(α) = r(α).
Schreiben wir das Polynom r in der Form r = a0 + a1 x + ... + an−1 xn−1 mit a0 , a1 , ..., an−1 ∈ A,
dann erhalten wir β = a0 + a1 α + ... + an−1 αn−1 . Also kann tatsächlich jedes β ∈ A[α] als ALinearkombination der Elemente 1, α, ..., αn−1 dargestellt werden.
„⇐“ Wir zeigen allgemeiner: Ist à ein beliebiger Teilring von B, der als A-Modul endlich erzeugt
ist, dann ist jedes α ∈ Ã ganz über A. Sei also m1 , ..., mr ∈ Ã ein endliches Erzeugendensystem
von à als A-Modul und α ∈ à beliebig. Dann gilt αmi ∈ à für 1 ≤ i ≤ m, es gibt also Elemente
cij ∈ A, so dass
αmi
=
r
X
cij mj
j=1
erfüllt ist. Es folgt
αmi −
r
X
j=1
cij mj = 0
⇔
für 1 ≤ i ≤ r
r
X
(δij α − cij )mj = 0
j=1
für 1 ≤ i ≤ r.
Sei nun M(r, A) die Menge der r × r-Matrizen über A. Wir definieren C = (cij ) ∈ M(r, A) und
D = αEr − C ∈ M(r, B). Aus der Linearen Algebra ist bekannt, dass zu jeder quadratischen
Matrix D ∈ M(r, B) über einem Ring B eine sog. adjunkte Matrix D∗ ∈ M(r, B) existiert mit der
Eigenschaft
DD∗ = D∗ D = det(D)Er .
38
Dabei ist D∗ = (d∗ij ), d∗ij = (−1)i+j det Dji , wobei die Matrix Dij aus D durch Streichung der i-ten
Zeile und j-ten Spalten entsteht.
Definieren wir noch den Vektor v = t(m1 , ..., mr ), dann erfüllt unsere hier definierte Matrix D
die Gleichung Dv = 0. Multiplikation mit der adjunkten Matrix von links ergibt D∗ Dv = 0, also
det(D)v = 0. Es folgt det(D)mi = 0 für 1 ≤ i ≤ r. Nun ist auch das Einselement 1 von A in Ã
Pr
enthalten, es gibt also a1 , ..., ar ∈ A mit i=1 ai mi = 1. Dies liefert uns
r
X
ai det(D)mi = 0
⇒
i=1
det(D)
r
X
ai m i = 0
i=1
⇒
det(D) = 0.
Das Element α ist also Nullstelle des normierten Polynoms f (x) = det(xEr − C) ∈ A[x] und
folglich ganz über A.
Lemma 3.1.4 Seien A, B, C Ringe, wobei B als A-Modul und C als B-Modul endlich erzeugt ist.
Dann ist C endlich erzeugt als A-Modul.
Beweis: Sei m1 , ..., mr ein Erzeugendensystem von B als A-Modul und n1 , ..., nt ein Erzeugendensystem von C als B-Modul. Wir zeigen, dass dann
{mi nj | 1 ≤ i ≤ r , 1 ≤ j ≤ t}
ein Erzeugendensystem von C als A-Modul ist. Sei dazu c ∈ C ein beliebiges Element. Dann
P
existieren b1 , ..., bt ∈ B mit c = ti=1 bi ni . Für jedes i ∈ {1, ..., t} wiederum finden wir Elemente
ai1 , ..., air ∈ A mit
bi
=
r
X
aij mj
j=1
Es folgt
c
=
t
X
i=1


r
X

aij mj  ni
j=1
für 1 ≤ i ≤ t.
=
t X
r
X
aij mj ni .
i=1 j=1
Also kann tatsächlich jedes c ∈ C als A-Linearkombination der Elemente mi nj dargestellt werden.
Proposition 3.1.5 Sei B|A eine Ringerweiterung, α1 , ..., αn ∈ B und C = A[α1 , ..., αn ]. Dann gilt
α1 , ..., αn sind ganz über A
Beweis:
C ist als A-Modul endlich erzeugt.
⇔
Die Richtung „⇐“ haben wir im Beweis von Proposition 3.1.3 bereits miterledigt. Die
Richtung „⇒“ beweisen wir durch vollständige Induktion über n. Der Fall n = 1 ist durch
Proposition 3.1.3 abgedeckt. Sei nun die Aussage für ein n ∈ N bereits bewiesen und C =
A[α1 , ..., αn+1 ], wobei jedes αi ganz über A ist. Dann ist C̃ = A[α1 , ..., αn ] nach Induktionsvoraussetzung als A-Modul endlich erzeugt. Ist αn+1 ganz über A, dann auch über dem größeren
Ring C̃. Der Fall n = 1 liefert uns somit die Aussage, dass C = C̃[αn+1 ] als C̃-Modul endlich
erzeugt ist. Nach Lemma 3.1.4 ist C dann auch als A-Modul endlich erzeugt.
39
Satz 3.1.6 Sei B|A eine Ringerweiterung. Dann bilden die Elemente der Menge
Ã
=
{α ∈ B | α ganz über A}
einen Teilring von B̃, der A enthält. Man nennt à den ganzen Abschluss von A in B.
Beweis: Wir haben bereits gesehen, dass A eine Teilmenge von à ist. Insbesondere liegt das
Einselement des Rings in Ã. Seien nun α, β ∈ Ã beliebig. Dann ist auf Grund von Proposition
3.1.5 der Teilring A[α, β] ein endlich erzeugter A-Modul. Wiederum auf Grund dieser Proposition
sind alle Elemente in diesem Ring ganz über A, insbesondere α+β und αβ. Es folgt α+β, αβ ∈ Ã.
Wir haben somit die Teilringeigenschaft von à verifiziert.
Satz 3.1.7 Seien A ⊆ B ⊆ C Ringerweiterungen, wobei B|A und C|B ganze Ringerweiterungen
sind. Dann ist auch C|A eine ganze Ringerweiterung.
Beweis: Wir zeigen, dass jedes c ∈ C ganz über A ist. Die Ganzheit von C über B liefert uns
ein normiertes Polynom 0 6= f ∈ B[x] mit f (c) = 0. Sei f = xn + bn−1 xn−1 + ... + b1 x + b0 mit
b0 , ..., bn−1 ∈ B und B̃ = A[b0 , ..., bn−1 ] der Ring, der von den Koeffizienten des Polynoms f in B
erzeugt wird. Da jedes bi ganz über A ist, handelt es sich bei B̃ nach Proposition 3.1.5 um einen
endlich erzeugten A-Modul. Da c auch ganz über dem Teilring B̃ von B ist, ist B̃[c] ein endlich
erzeugter B̃-Modul. Nach Lemma 3.1.4 ist damit B̃[c] als A-Modul endlich erzeugt, und c ist ganz
über A.
Bemerkung 3.1.8 Eine ganze Ringerweiterung B|A ist im allgemeinen nicht endlich erzeugt als
A-Modul. Als Beispiel sei A = Z und B der ganze Abschluss von A in C, also
B
=
{α ∈ C | f (α) = 0 für ein normiertes Polynom f ∈ Z[x]}.
Wäre dieser Ring als Z-Modul endlich erzeugt, dann würden die Elemente einen endlich-dimensionalen Q-Unterraum von C erzeugen. Dies ist aber offensichtlich nicht der Fall, da bereits die
√
Elemente p (p Primzahl) einen unendlich-dimensionalen Teilraum aufspannen.
Definition 3.1.9 Sei B|A eine Ringerweiterung. Wir nennen A ganzabgeschlossen in B, wenn A
mit seinem ganzen Abschluss in B übereinstimmt.
Satz 3.1.10 Sei B|A eine Ringerweiterung und à der ganze Abschluss von A in B. Dann ist Ã
ganzabgeschlossen in B.
Beweis: Sei c ∈ B ganz über Ã. Dann ist Ã[c] als Ã-Modul endlich erzeugt. Dies wiederum
bedeutet, dass Ã[c] eine ganze Ringerweiterung von à ist, ferner ist à ganz über A. Nach Satz
3.1.7 ist damit Ã[c]|A eine ganze Ringerweiterung, d.h. c ist ganz über A. Es folgt c ∈ Ã. Damit
haben wir die Ganzabgeschlossenheit von à nachgewiesen.
Proposition 3.1.11 Sei B|A eine ganze Ringerweiterung, b ⊆ B ein Ideal und a = b ∩ A. Dann ist
B̄ = B/b eine ganze Ringerweiterung von Ā = A/a.
40
Beweis: Sei c̄ ∈ B̄ und c ∈ B ein Repräsentant von c̄. Da c ganz über A ist, gibt es Koeffizienten
a0 , a1 , ..., an−1 ∈ A mit
cn + an−1 cn−1 + ... + a1 c + a0
=
0.
Durch Reduktion modulo b erhalten wir in B̄ die Gleichung
c̄n + ān−1 c̄n−1 + ... + ā1 c̄ + ā0
=
0
,
wobei die Koeffizienten āi im Teilring Ā ⊆ B̄ enthalten sind. Das Element c̄ ist also Nullstelle
eines normierten Polynoms 0 6= f¯ ∈ Ā[x] und c̄ somit ganz über Ā.
Proposition 3.1.12 Sei B|A eine ganze Ringerweiterung und S ⊆ A eine multiplikative Teilmenge. Dann ist auch S −1 B|S −1 A eine ganze Ringerweiterung.
Beweis: Sei b/s ∈ S −1 B mit b ∈ B und s ∈ S. Da b ganz über A ist, gibt es Elemente a0 , ..., an−1 ∈
A mit
bn + an−1 bn−1 + ... + a1 b + a0
=
0.
Durch Multiplikation dieser Gleichung mit s−n erhalten wir
n−1
n
a0
an−1 b
a1
b
b
+ n
+
+ ... + n−1
s
s
s
s
s
s
=
0.
Also ist b/s Nullstelle eines normierten Polynoms über S −1 A, d.h. b/s ist ganz über diesem Ring.
Folgerung 3.1.13 Sei B|A eine ganze Ringerweiterung, Ã der ganze Abschluss von A in B und
S ⊆ A eine multiplikative Teilmenge. Dann ist S −1 Ã der ganze Abschluss von S −1 A in S −1 B.
Beweis: Auf Grund der vorangehenden Proposition ist S −1 Ã jedenfalls eine ganze Ringerweiterung von S −1 A. Sei nun b/s ∈ S −1 B ein Element, das ganz über S −1 A ist, mit b ∈ B und s ∈ S.
Dann ist b/s Nullstelle eines normierten Polynoms über S −1 A, d.h. es gilt
n
n−1
b
an−1 b
a1 b
a0
+
+ ... +
= 0.
+
s
sn−1 s
s1 s
s0
Wir definieren nun t = s0 ...sn−1 und multiplizieren die Gleichung mit (st)n . Auf diese Weise
sehen wir, dass bt Nullstelle eines normierten Polynoms über A ist. Also ist das Element bt ganz
bt
über A. Es folgt bt ∈ Ã und sb = st
∈ S −1 Ã.
3.2 Normale Ringe
Definition 3.2.1 Ein Integritätsbereich A wird normal genannt, wenn er ganzabgeschlossen in
seinem Quotientenkörper ist.
Proposition 3.2.2 Faktorielle Ringe sind normal.
Beweis: Sei A faktoriell und b/s ein Element des Quotientenkörpers, das ganz über A ist. Dann
gibt es a0 , a1 , ..., an−1 ∈ A mit
n
n−1
b
b
b
+ a0 = 0.
+ an−1
+ ... +
s
s
s
41
Multiplikation dieser Gleichung mit sn liefert
bn + an−1 bn−1 s + ... + a1 bsn−1 + a0 sn
=
0.
Ist nun π ∈ A ein Primteiler von s, dann teilt π auf Grund dieser Gleichung auch das Element
b. Setzen wir voraus, dass der Bruch b/s gekürzt, d.h. Zähler und Nenner teilerfremd sind, dann
muss s in A eine Einheit sein. Es folgt b/s ∈ A, d.h. A ist in seinem Quotientenkörper ganzabgeschlossen.
Folgerung 3.2.3 Der Ring Z der ganzen Zahlen und alle Polynomringe K[x1 , ..., xn ] über ei√
√
nem Körper K sind normal. Auch die Ringe Z[ −1] und Z[ −2] sind normal: Aus der AlgebraVorlesung ist bekannt, dass diese Ringe euklidisch, insbesondere also faktoriell sind.
√
√
Bemerkung 3.2.4 Der Ring R = Z[ 5] ist nicht normal, denn die Nullstelle α = 12 (1 + 5) des
√
Polynoms f = x2 − x − 1 ∈ Z[x] liegt zwar im Quotientenkörper Q( 5), aber nicht im Ring R.
Normalität ist eine Eigenschaft, die „lokal“ überprüft werden kann.
Satz 3.2.5 Für einen Integritätsbereich A sind äquivalent
(i) A ist normal.
(ii) Die Lokalisierung Ap ist normal für jedes Primideal p von A.
(iii) Die Lokalisierung Am ist normal für jedes maximale Ideal m von A.
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Der Ring A ist sein eigener ganzer Abschluss im Quotientenkörper K von
A. Sei S = A \ p. Dann ist Ap = S −1 A nach 3.1.13 sein eigener ganzer Abschluss in S −1 K = K.
Also ist der lokale Ring Ap ganzabgeschlossen in seinem Quotientenkörper K.
Die Richtung „(ii) ⇒ (iii)“ ist trivial, denn (iii) ist lediglich eine Abschwächung der Aussage (ii).
Wir beweisen nun „(iii) ⇒ (i)“. Sei à der ganze Abschluss von A in K. Sei m ein maximales Ideal
und S = A \ m. Nach 3.1.13 ist S −1 Ã der ganze Abschluss von S −1 A = Am in K. Da Am normal
ist, gilt S −1 à = Am , und es folgt à ⊆ S −1 à = Am . Da m ein beliebig gewähltes maximales Ideal
war, erhalten wir
\
A ⊆ Ã ⊆
Am = A ,
m
wobei das letzte „=“ aus Bemerkung 2.1.13 stammt. Es folgt A = Ã, d.h. A ist normal.
Beispiel 3.2.6 Wir betrachten die affine Varietät C = ZA2 (f ) gegeben durch die Nullstellenmenge
des Polynoms
f = y 2 − x3 + x2 ∈ C[x, y] .
Dieses Polynom ist irreduzibel, denn betrachten wir f als Element von C[x][y], d.h. als Polynom
in y über dem Ring C[x], dann erfüllt f das Eisenstein-Kriterium bezüglich des Primelements
π = x − 1. Also ist p = (f ) ein Primideal und C folglich eine irreduzible algebraische Teilmenge
von A2C , also tatsächlich eine affine Varietät. Genauer ist C eine affine, ebene Kurve, aber dieser
Begriff kann erst im Rahmen der Dimensionstheorie definiert werden. Der Koordinatenring von
C ist
R = R(C) = C[x, y]/p.
42
Wir zeigen nun, dass R nicht normal, also nicht ganzabgeschlossen in seinem Quotientenkörper
K ist. Geometrisch zeigt sich dies dadurch, dass C im Punkt (0, 0) eine sog. Singularität besitzt,
die im reellen Graphen der Kurve als Überkreuzungspunkt in Erscheinung tritt. Auch auf diesen
Begriff werden wir später zurückkommen. Zunächst leiten wir eine für unsere Zwecke geeignete
Darstellung des Körpers K her. Sei S = C[x, y] \ p und S̄ das Bild von S in R. Dann umfasst S̄
sämtliche Elemente von R mit Ausnahme der Null, d.h. es gilt K = S̄ −1 R. Durch Anwendung
von Proposition 2.1.11 erhalten wir
K
Sei nun α =
y
x
∼
=
C[x, y]p /q mit q = pC[x, y]p .
mod q ∈ K. Dann ist α Nullstelle des Polynoms T 2 − x + 1 ∈ R[T ], denn es gilt
y 2
x
−x+1
=
y2
−x+1
x2
x2 (x − 1)
−x+1
x2
≡
≡
0 mod q.
Wir zeigen nun, dass α andererseits nicht in R liegt, genauer gesagt nicht im Bild von R unter
der Einbettung R ֒→ K, x mod p 7→ x1 mod q. Dies zeigt dann, dass R in der Tat kein normaler
Ring ist. Wäre α ∈ R, dann gäbe es ein Polynom g ∈ C[x, y] mit xy ≡ g mod q ⇔ y − xg ∈ q.
Auf Grund der bijektiven Korrespondenz zwischen den Primidealen von C[x, y]p und den in p
liegenden Primidealen von C[x, y] gilt q ∩ C[x, y] = p. Es gilt also y − xg ∈ p, mit anderen Worten,
es existiert ein Polynom h ∈ C[x, y] mit hf = y − xg. Das Polynom y liegt somit im Ideal (x, f ).
Aber dies ist unmöglich, denn wegen f = y 2 − x2 (x + 1) stimmt (x, f ) mit (x, y 2 ) überein, und
offenbar gilt y ∈
/ (x, y 2 ).
Also muss α ∈
/ R gelten, und R ist nicht normal. Nach Satz 3.2.5 ist mindestens eine Lokalisierung
Rm von R bezüglich eines maximalen Ideals nicht normal. Wir werden später sehen, dass in der
Tat nur ein einziger lokaler Ring Rm nicht normal ist. Das zugehörige maximale Ideal ist m =
(x, y), das dem singulären Punkt (0, 0) auf der Kurve C entspricht.
Bemerkung 3.2.7 Wir wissen bereits, dass wir den Koordinatenring R = R(C) durch Hinzunahme von Elemente aus dem Quotietenkörper zu einem normalen Ring erweitern können. In
diesem speziellen Fall ist bereits R(C)[α] mit α = xy mod q ein solcher Erweiterungsring. Dieser
Ring ist isomorph zum Koordinatenring der affinen Raumkurve (also nicht-ebenen Kurve)
C̃
=
{(x, y, z) ∈ A3 | x − z 2 − 1 = y − zx = 0}.
Um dies zu sehen, bemerken wir zunächst, dass der Homorphismus
φ : R(C̃) −→ R(C)[α]
gegeben durch x 7→ x, y 7→ y und z 7→ α wohldefiniert und surjektiv ist. Ferner ist R(C̃) isomorph
zum Polynomring C[z] und somit ein Integritätsbereich. Definieren wir nämlich
a
=
(x − z 2 − 1, y − zx) ,
dann gilt R(C̃) = C[x, y, z]/a nach Definition des Koordinatenrings. Wegen
x ≡ z 2 + 1 mod a
und
y ≡ zx ≡ z(z 2 + 1) mod a
wird R(C̃) erzeugt von z mod a. Es gilt z ∈
/ a, denn andernfalls wäre a = (x, y, z) ein maximales
Ideal in C[x, y, z]. Wir werden aber später im Zusammenhang mit dem Krullschen Hauptidealsatz
43
feststellen, dass jedes maximale Ideal in C[x, y, z] mindestens drei Erzeuger benötigt. Wegen z ∈
/a
ist der Homomorphismus C[z] → R(C̃) gegeben durch z 7→ z mod a injektiv, und weil a von
z mod a erzeugt wird, ist es sogar ein Isomorphismus.
Wir zeigen nun, dass der Homomorphismus φ : R(C̃) → R(C)[α] auch injektiv und somit ein Isomorphismus ist. Ist g ∈ C[x, y, z] Repräsentant eines Elements ḡ ∈ ker(φ), dann gilt g(x, y, α) = 0,
somit auch xn g(x, y, α) = 0 für jedes n ∈ N. Wählen wir n hinreichend groß, dann wird g(x, y, α)
wegen α = xy mod q durch ein Polynom h ∈ C[x, y] repräsentiert. Es gilt dann xn g ≡ 0 mod p,
somit auch xn g ≡ 0 mod a im Ring C[x, y, z] wegen f ∈ a. (Wäre f nicht in a enthalten, dann wäre
der Homomorphismus φ nicht wohldefiniert.) Nun ist R(C̃) ein Integritätsbereich, und aus x ∈
/a
folgt g ≡ 0 mod a. Damit ist die Injektivität von φ bewiesen.
3.3 Ganze Ringerweiterungen und die Jacobson-Eigenschaft
Proposition 3.3.1 Seien A ⊆ B Integritätsbereiche und B|A eine ganze Ringerweiterung. Unter
diesen Voraussetzungen ist A genau dann ein Körper, wenn B ein Körper ist.
Beweis: „⇒“ Sei A ein Körper und 0 6= b ∈ B. Wir müssen zeigen, dass b in B ein multiplikatives
Inverses besitzt. Da b ganz über A ist, existieren Elemente a0 , ..., an−1 ∈ A mit
bn + an−1 bn−1 + ... + a1 b + a0
=
0.
Dabei sei die Gleichung so gewählt, dass n ∈ C minimal ist. Es gilt a0 6= 0, denn ansonsten wäre
b bn−1 + an−1 bn−2 + ... + a1
=
0.
Da B Integritätsbereich und b 6= 0 ist, würde dies bn−1 + an−1 bn−2 + ... + a1 = 0 bedeuten, im
Widerspruch zur Minimalität von n. So aber erhalten wir
b−1
=
∈ B.
=
0.
bn−1 + an−1 bn−2 + ... + a1
−a−1
0
„⇐“ Sei B ein Körper und 0 6= a ∈ A. Dann gilt a−1 ∈ B, und da B ganz über A ist, finden wir
Elemente a0 , ..., an−1 ∈ A mit
a−m + am−1 a−(m−1) + ... + a1 a−1 + a0
Multiplikation dieser Gleichung mit am−1 liefert
a−1
=
− am−1 + am−2 a + ... + a1 am−2 + a0 am−1
also ist a invertierbar und A ein Körper.
∈A ,
Folgerung 3.3.2 Seien B|A eine ganze Ringerweiterung, q ein Primideal von B und p = q ∩ A das
zugehörige Urbildideal in A. Es ist q genau dann ein maximales Ideal in B, wenn p ein maximales
Ideal in A ist.
Beweis: Sei Ā = A/p und B̄ = B/q. Dann sind Ā, B̄ Integritätsbereiche, und B̄|Ā ist vermöge der
natürlichen Einbettung x mod p 7→ x mod q eine Ringerweiterung. Dabei handelt es sich um eine
44
ganze Ringerweiterung, denn nach Proposition 3.1.11 überträgt sich die Ganzheitseigenschaft auf
Faktorringe. Wie wir in der vorangehenden Proposition gezeigt haben, gilt die Äquivalenz „Ā ist
Körper“ ⇔ „B̄ ist Körper“, also ist p genau dann maximal, wenn q maximal ist.
Das Ziel dieses Abschnitts besteht darin, den noch ausstehenden Beweis von Theorem 1.4.12 zu
liefern.
Lemma 3.3.3 Für jeden Körper K ist der Polynomring K[x] ein Jacobson-Ring.
Beweis:
Da das Nullideal das einzige nicht-maximale Primideal im Ring K[x] ist, genügt es,
dieses als Durchschnitt von maximalen Idealen darzustellen. Sei (mi )i∈I eine unendliche Familie verschiedener maximaler Ideale in K[x]; die Existenz einer solchen Familie werden wir im
zweiten Teil des Beweises sicherstellen. Da K[x] ein Hauptidealring ist, wird das Schnittideal
\
a =
mi
i∈I
von einem Polynom g ∈ K[x] erzeugt. Dabei kann vorausgesetzt werden, das g normiert ist. Jedes
maximale Ideal mi in der Familie wird ebenfalls durch ein normiertes Polynom fi ∈ K[x] erzeugt.
Auf Grund der Maximalität ist fi 6= 0 und irreduzibel. Die Inklusion a ⊆ mi impliziert fi |g für
alle i ∈ I. Da I unendlich ist, ist dies nur für g = 0 und a = (0) möglich. Also ist das Nullideal
tatsächlich als Durchschnitt von maximalen Idealen darstellbar.
Es bleibt zu zeigen, dass in K[x] eine unendliche Familie (mi ) verschiedener maximaler Ideale
oder (äquivalent dazu) eine unendliche Familie (fi )i∈I verschiedener normierter, irreduzibler Polynome existiert. Dazu verwenden wir dieselbe Technik wie beim Euklidischen Beweis für die
Existenz unendlich vieler Primzahlen. Angenommen, es gibt nur endlich viele verschiedene, irreduzible Polynome f1 , ..., fr . Dann betrachten wir die Polynome
g=
r
Y
fi
und
h = g + 1.
i=1
Sei f ein nicht-konstanter, normierter, irreduzibler Faktor von h. Dann gilt f = fi für ein i ∈
{1, ..., r}. Es folgt f |g, zugleich gilt f |h und damit f |(h − g) ⇒ f |1. Dies widerspricht unserer
Annahme, dass es sich bei f um ein nicht-konstantes Polynom handelt.
Beim nachfolgenden Beweis von Satz 1.4.12 werden wir häufig die Charakterisierung 1.4.10 der
Jacobson-Ringe verwenden.
Lemma 3.3.4 Seien A, B Integritätsbereiche und B über A durch ein einzelnes Element erzeugt,
d.h. es gilt B = A[t] für ein t ∈ B. Sei A ein Jacobson-Ring und b ∈ B ein Element mit der
Eigenschaft, dass die Ringerweiterung B[b−1 ] ein Körper ist. Dann sind A und B beides Körper,
und B|A ist eine endliche Körpererweiterung.
Beweis: Zunächst stellen wir B als Faktorring dar. Wegen B = A[t] gibt es ein Ideal q im Polynomring A[x] mit der Eigenschaft, dass A[x]/q isomorph zu B ist. Dabei handelt es sich um den
Kern der surjektiven Abbildung A[x] → B gegeben durch x 7→ t. Da die Einschränkung des Isomorphismus A[x]/q ∼
= B auf A die Identität (und damit injektiv) ist, gilt q ∩ A = (0). Der Ring B
ist nach Voraussetzung ein Integritätsbereich, deshalb ist q ein Primideal.
45
1. Schritt: Das Ideal q ist ungleich Null.
Angenommen, es gilt q = (0). Dann ist B = A[x], und es existiert ein b ∈ B, so dass B[b−1 ] ein
Körper ist. Sei K = Q(A) der Quotientenkörper von A. Dann ist auch K[x][b−1 ] ein Körper, denn
jedes α ∈ K[x][b−1 ] kann in der Form α = rβ mit r ∈ K und β ∈ B[b−1 ] = A[x][b−1 ] dargestellt
werden. Da nun K[x] ein Jacobson-Ring und Integritätsbereich ist, folgt aus der Körpereigenschaft von K[x][b−1 ] mit Proposition 1.4.10, dass es sich auch beim Polynomring K[x] um einen
Körper handelt. Aber dies ist offensichtlich nicht der Fall.
∼ K[x]/q̃, wobei q̃ das Bildideal von q in K[x] bezeichnet, und B[b−1 ] ist
2. Schritt: Es gilt B[b−1 ] =
eine endliche algebraische Erweiterung von K.
Der Polynomring K[x] ist die Lokalisierung von A[x] bezüglich der multiplikativen Menge S =
A \ {0}. Es gilt S ∩ q = ∅. Auf Grund der bijektiven Korrespondenz zwischen den zu S ele-
mentfremden Primidealen in A[x] und den Primidealen in der Lokalisierung S −1 A[x] = K[x] ist
das Bildideal q̃ von q ein Primideal in K[x], und wegen q 6= (0) ist auch q̃ 6= (0). Damit ist q̃ ein
maximales Ideal, und der Restklassenring K[x]/q̃ ist ein Körper.
Jedes Element in K[x]/q̃ kann als Quotient von Elementen des Integritätsbereichs A[x]/q dargestellt werden, also ist der Restklassenring K[x]/q̃ isomorph zum Quotientenkörper von B ∼
=
A[x]/q. Da B[b−1 ] ein Körper, und somit der Quotientenkörper von B ist, erhalten wir den gewünschten Isomorphismus B[b−1 ] ∼
= K[x]/q̃. Sei 0 6= f ∈ K[x] der irreduzible Erzeuger von q̃.
Dann ist K[x]/q = K[x]/(f ) eine algebraische Erweiterung vom Grad n = deg(f ), insbesondere
endlich.
−1
3. Schritt: Es gibt ein Element an ∈ A, so dass B[a−1
n ] eine ganze Ringerweiterung von A[an ] ist.
Sei 0 6= f ∈ q ein beliebiges Element, f =
Kern der Abbildung x 7→ t ist, gilt
f (t)
Pn
=
i=0
ai xi mit a0 , ..., an ∈ A. Da q nach Definition der
n
X
a i ti
=
0.
i=0
−1
−1
Durch Multiplikation der Gleichung mit a−1
n sieht man, dass t ganz über A[an ] ist. Wegen B[an ] =
−1
−1
A[a−1
n ][t] ist B[an ]|A[an ] somit eine ganze Ringerweiterung.
4. Schritt: Sei β = b−1 . Dann gibt es ein q0 ∈ A, so dass B[β] ganz über A[(an q0 )−1 ] ist.
Wie wir bereits gezeigt haben, ist der Körper Q(B) = B[β] eine endliche algebraische Erweiterung
von K = Q(A). Insbesondere liegt das Element b in dieser endlichen Körpererweiterung. Indem
wir eine Polynomgleichung für b über K mit dem Hauptnenner durchmultiplizieren, erhalten wir
Elemente q0 , ..., qm ∈ A mit
qm bm + ... + q1 b + q0
=
Multiplikation dieser Gleichung mit q0−1 β m liefert
q1
qm
βm +
β m−1 + ... +
q0
q0
0.
=
0.
Da B[β] ein Körper ist, gilt B[β] = B[a−1
n , β], und auf Grund der Gleichung ist B[β] ganz über
dem Ring A[(an q0 )−1 ].
46
Abschluss des Beweises:
Der Ring B[β] ist ein Körper und zugleich ganze Erweiterung von A[(an q0 )−1 ]. Auf Grund von
Proposition 3.3.1 muss dann A[(an q0 )−1 ] ebenfalls ein Körper sein. Nach Voraussetzung ist A
Jacobson-Ring und Integritätsbereich. Anwendung von Proposition 1.4.10 auf das Primideal p =
(0) liefert dann, dass A selbst schon ein Körper ist. Jedes Element im Ring B (sogar im Ring B[β])
erfüllt nach dem, was wir im zweiten Beweisschritt gezeigt haben, eine normierte Gleichung über
K = A. Die Ringerweiterung B|K ist somit ganz und B damit, nach erneuter Anwendung von
Proposition 3.3.1, ein Körper. Bereits im zweiten Schritt haben wir auch gezeigt, dass B = B[β]
eine endliche Körpererweiterung von K = A ist.
Folgerung 3.3.5 Sei B|A eine Ringerweiterung, B = A[t] für ein t ∈ B. Dann gilt:
(i) Ist A ein Jacobson-Ring, dann auch B.
(ii) Ist q ⊆ B ein maximales Ideal, dann ist auch das Primideal p = q ∩ A maximal.
Beweis: zu (i) Sei q ⊆ B ein Primideal, B̄ = B/q der entsprechende Faktorring und b ∈ B̄ ein
Element mit der Eigenschaft, dass B̄[b−1 ] ein Körper ist. Sei außerdem p = q ∩ A und Ā = A/p.
Dann ist B̄|Ā eine Erweiterung von Integritätsbereichen, die zusammen mit dem Element b alle
Voraussetzungen des gerade bewiesenen Lemmas erfüllt. Die Anwendung des Lemmas liefert
die Körpereigenschaft für den Ring B̄. Also ist B nach Proposition 1.4.10 ein Jacobson-Ring.
zu (ii) Ist q maximal, dann ist B̄ = B/q ein Körper, und wir können das Lemma auf die Ringerweiterung B̄|Ā mit Ā = A/p und auf das Element b = 1 anwenden. Der Ring Ā ist demnach ein
Körper, und folglich ist p ein maximales Ideal.
Auch den Beweis von Theorem 1.4.3 können wir jetzt nachholen. Sei L|K eine Körpererweiterung
mit der Eigenschaft, dass L als K-Algebra endlich erzeugt ist, d.h. es gibt Element b1 , ..., bn ∈ L,
so dass
L
=
K[b1 , ..., bn ]
erfüllt ist. Zu zeigen ist, dass es sich bei L|K um eine endliche Körpererweiterung handelt. Wir
führen den Beweis durch vollständige Induktion über die Anzahl n der Erzeuger. Sei zunächst
n = 1 und L = K[b1 ]. Der Homomorphismus φ : K[x] → L, x 7→ b1 ist surjektiv, und wegen der
Körpereigenschaft von L ist m = ker(φ) ein maximales Ideal in K[x]. Es gibt also ein normiertes,
∼ K[x]/(g) ist L|K eine endliche
irreduzibles Polynom 0 6= g ∈ K[x] mit m = (g). Wegen L =
Erweiterung vom Grad n = deg(g).
Sei die Aussage nun für ein n ∈ N bereits bewiesen und L = K[b1 , ..., bn+1 ]. Wegen der Körpereigenschaft von L ist der Kern von
φ : K[x1 , ..., xn ] −→ L
,
xi 7→ bi
für
1≤i≤n
ein maximales Ideal m in K[x1 , ..., xn ]. Der multivariate Polynomring K[x1 , ..., xn ] ist ein JacobsonRing, und nach 3.3.5 (ii) ist das Ideal n = m ∩ K[x1 , ..., xn ] ebenfalls maximal. Der Faktorring
M = K[x1 , ..., xn ]/n ist somit ein Körper. Wegen M = K[b1 , ..., bn ] und auf Grund der Indukti-
47
onsvoraussetzung ist M |K eine endliche Körpererweiterung, und der Fall n = 1 liefert uns wegen
L = M [bn+1 ] dasselbe für L|M . Also ist auch L|K eine endliche Erweiterung.
3.4 Die „going up“- und „going down“-Sätze für Primidealketten
Definition 3.4.1 Sei B|A eine Ringerweiterung und p ⊆ A, q ⊆ B Primideale.
Wir sagen, q liegt über p, wenn p = q ∩ A gilt.
Lemma 3.4.2 Sei B|A eine Ringerweiterung, p ⊆ A ein Primideal und S = A\p. Seien Ap = S −1 A
und Bp = S −1 B mit den zugehörigen Lokalisierungsabbildungen
und
α : A → Ap
gegeben durch a 7→
a
1
bzw. b 7→
b
1
β : B → Bp .
für a ∈ A, b ∈ B.
(i) Ist n ein Ideal in Bp und m = n ∩ Ap , dann gilt α−1 (m) = β −1 (n) ∩ A.
(ii) Sei q ein Primideal in B, das über p liegt und m = α(p)Ap , n = β(q)Bp die Bildideale von p
bzw. q. Dann liegt n über m, d.h. es gilt m = n ∩ Ap .
Beweis: zu (i) Nach Definition ist das Diagramm
A ֒→ B
α↓
↓β
Ap
֒→ Bp
mit den Inklusionsabbildungen als „horizontale“ Homomorphismen kommutativ, d.h. es gilt
α(a) = β(a) für alle a ∈ A. Für alle a ∈ A gilt deshalb
a ∈ β −1 (n)
⇔
β(a) ∈ n
⇔
⇔
β(a) ∈ n ∧ β(a) ∈ Ap
α(a) ∈ m
⇔
⇔
β(a) ∈ n ∩ Ap
a ∈ α−1 (m).
zu (ii) Angenommen, es gilt n ∩ Ap 6= m. Nach Satz 2.2.5 über Primideale und Lokalisierungen
erhalten wir α−1 (n ∩ Ap ) 6= α−1 (m) ⇔ β −1 (n) ∩ A 6= α−1 (m). Wegen p ∩ S = q ∩ S = ∅ (und
wiederum auf Grund von Satz 2.2.5) gilt α−1 (m) = p und β −1 (n) = q. Es folgt q ∩ A 6= p ⇔ p 6= p,
ein Widerspruch.
Bemerkung 3.4.3 Der Ring Bp braucht (im Gegensatz zu Ap ) kein lokaler Ring zu sein.
Lemma 3.4.4 Sei B|A eine ganze Ringerweiterung, p ⊆ A ein Primideal, und seien q ⊆ q′ zwei
über p liegende Primideale des Rings B. Dann gilt q = q′ .
Beweis: Seien m, n, n′ die Bildideale von p, q, q′ in Ap bzw. Bp , wobei diese Ringe wie im vorhergehenden Lemma definiert sind. Dann ist m das eindeutig bestimmte, maximale Ideal im lokalen
Ring Ap . Nach Teil (ii) von Lemma 3.4.2 gilt
n ∩ Ap
=
n′ ∩ Ap
=
m.
Da Bp |Ap nach 3.1.12 eine ganze Ringerweiterung ist, sind n, n′ nach 3.3.2 beides maximale Ideale
in Bp . Zusammen mit n ⊆ n′ folgt n = n′ und damit auch q = β −1 (n) = β −1 (n′ ) = q′ .
48
Folgerung 3.4.5 Sei B|A eine ganze Ringerweiterung und
q1 ( q2 ( ... ( qn
eine Kette von Primidealen in B. Für pi = qi ∩ A gilt dann p1 ( ... ( pn .
Beweis: Die Inklusion pi ⊆ pi+1 für 1 ≤ i < n ist klar. Nehmen wir an, dass pi = pi+1 gilt. Dann
sind qi , qi+1 zwei Primideale über pi mit qi ⊆ qi+1 . Mit Lemma 3.4.4 erhalten wir qi = qi+1 im
Widerspruch zur Voraussetzung.
Lemma 3.4.6 Sei B|A eine ganze Ringerweiterung und p ⊆ A ein Primideal. Dann gibt es in B
ein über p liegendes Primideal q.
Beweis: Sei n ein beliebiges maximales Ideal in Bp . Dann ist q = β −1 (n) ein Primideal. Da die
Ringerweiterung Bp |Ap ganz ist, handelt es sich auch bei m = n ∩ Ap um ein maximales Ideal,
d.h. um das eindeutig bestimmte, maximale Ideal des lokalen Rings Ap . Auf Grund der Korrespondenz zwischen Primidealen in Ringen und ihren Lokalisierungen (Satz 2.2.5) gilt α−1 (m) = p.
Es folgt
q∩A
=
β −1 (n) ∩ A
=
α−1 (n ∩ Ap )
=
α−1 (m)
=
p ,
wobei wir im zweiten Schritt Lemma 3.4.2 (i) verwendet haben. Also ist q ein über p liegendes
Primideal.
Proposition 3.4.7 Sei B|A eine ganze Ringerweiterung und p1 ( p2 Primideale in A. Sei q1 ein
Primideal in B, das über p1 liegt. Dann gibt es ein Primideal q2 in B mit q1 ( q2 über p2 .
Beweis: Sei Ā = A/p1 und B̄ = B/q1 . Dann ist B̄|Ā eine ganze Ringerweiterung. Das Bild p̄2 von
p2 in Ā ist ein Primideal. Nach Lemma 3.4.6 existiert ein q̄2 in B̄ über p̄2 , d.h. es gilt q̄2 ∩ Ā = p̄2 .
Sei q2 das Urbild von q̄2 in B. Dann gilt q2 ∩ A = p2 und q1 ⊆ q2 . Wäre q1 = q2 , dann würde
p1 = q1 ∩ A = q2 ∩ A = p2 folgen, im Widerspruch zur Voraussetzung.
Satz 3.4.8 („going up“-Theorem)
Sei B|A eine ganze Ringerweiterung. Sei p1 ( ... ( pn eine Kette von Primidealen in A und
q1 ( ... ( qm eine Kette von Primidealen in B, wobei m ≤ n ist und pi = qi ∩ A für 1 ≤ i ≤ m gilt.
Dann gibt es Primideale qm+1 , ..., qn in B mit
qm ( qm+1 ( ... ( qn
und
pi = qi ∩ A für m + 1 ≤ i ≤ n.
Beweis: Der Beweis erfolgt durch vollständige Induktion über r = m − n unter Verwendung
von Proposition 3.4.7. Für den Induktionsanfang r = 1 wendet man die Proposition auf die Primideale pm ( pm+1 in A und das Primideal qm in B an. Für den Induktionsschritt betrachtet man
entsprechend die Primideale pm+r und pm+r+1 in A und das Primideal qm+r in B.
Definition 3.4.9 Sei B|A eine Ringerweiterung und a ein Ideal in A. Ein Element b ∈ B wird ganz
über a genannt, wenn ein Polynom
f
=
xn + an−1 xn−1 + ... + a1 x + a0
49
,
ai ∈ a für
0≤i≤n−1
und f (b) = 0 existiert. Die Menge ã = {b ∈ B | b ganz über a} bezeichnen wir als den ganzen
Abschluss von a in B.
Lemma 3.4.10 Sei M ein endlich erzeugter A-Modul, a ⊆ A ein Ideal und φ : M → M ein
Homomorphismus von A-Moduln mit φ(M ) ⊆ aM . Dann gibt es a0 , ..., an−1 ∈ a mit
φn + an−1 φn−1 + ... + a1 φ + a0
=
0.
Beweis: Sei x1 , ..., xr ∈ M ein Erzeugendensystem von M über A. Wegen φ(xi ) ∈ aM für 1 ≤ i ≤ r
gibt es Element aij ∈ a mit
φ(xi )
=
r
X
aij xj
r
X
⇔
j=1
j=1
(δij φ − aij )xj
=
0.
Sei C = (cij ) die r × r-Matrix über dem Ring A[φ] gegeben durch cij = δij φ − aij und v =
(x1 , ..., xr ) aufgefasst als Spaltenvektor. Dann gilt also Cv = 0, und Multiplikation mit der adjunkten Matrix C ∗ liefert det(C)v = C ∗ Cv = 0. Die Gleichung det(C)v = 0 bedeutet ausgeschrieben det(C)xi = 0 für 1 ≤ i ≤ r, also ist ψ = det(C) ∈ A[φ] ein Endomorphismus von M , der
auf dem gesamten Modul verschwindet. Folglich ist f (t) = det(δij t − aij ) ∈ A[t] ein Polynom,
dessen Koeffizienten mit Ausnahme des Leitkoeffizienten alle in a liegen und das φ als Nullstelle
besitzt.
Lemma 3.4.11 Sei B|A eine Ringerweiterung, Ã der ganze Abschluss von A in B, a ein Ideal in
A und b = aà das Bildideal von a in Ã. Für den ganzen Abschluss ã von a in B gilt dann
ã
=
rad(b).
Insbesondere ist ã also ein Ideal in Ã.
Beweis: Ist x ein Element von ã, dann gibt es nach Definition Elemente a0 , ..., an−1 ∈ a mit
xn + an−1 xn−1 + ... + a1 x + a0
=
0
,
und es folgt xn ∈ b, damit x ∈ rad(b). Ist x umgekehrt in rad(b) enthalten, dann gibt es ein n ∈ N
mit xn ∈ b, und wir finden Elemente ai ∈ a und xi ∈ Ã mit
xn
=
r
X
ai xi .
i=1
Der Teilring M = A[x1 , ..., xr ] von B ist ein endlich erzeugter A-Modul, und es gilt xn M ⊆
aM . Sei φ : M → M der Endomorphismus von M gegeben durch m 7→ xn m gegeben. Dann
gilt also φ(M ) ⊆ aM . Die Anwendung von Lemma 3.4.10 auf φ zeigt, dass φ (und damit xn )
Nullstelle eines normierten Polynoms, dessen Koeffizienten mit Ausnahme des Leitkoeffizienten
in a liegen. Also ist x Nullstelle eines normierten Polynoms mit der gleichen Eigenschaft, und es
folgt x ∈ ã.
Bemerkung 3.4.12 Wir erinnern an die folgenden Begriffe aus der Algebra I. Das k-te elementar(n)
symmetrische Polynom εk
∈ Z[x1 , ..., xn ] in n Unbekannten ist definiert durch
XY
(n)
εk
=
xi ,
S i∈S
50
(4)
wobei S die k-elementigen Teilmengen von {1, ..., n} durchläuft. Zum Beispiel ist ε2
= x1 x2 +
x1 x3 + x1 x4 + x2 x3 + x2 x4 + x3 x4 . Man kann zeigen, dass jedes symmetrische Polynom f in
Z[x1 , ..., xn ], also jedes Polynom, das invariant unter Vertauschung seiner Variablen ist, als Polynomausdruck in den elementar-symmetrischen Funktionen dargestellt werde kann, also im Teilring
(n)
(n)
Z[ε1 , ε2 , ..., ε(n)
n ]
⊆
Z[x1 , ..., xn ]
enthalten ist. Ist R ein beliebiger Ring und f ∈ R[x] ein normiertes Polynom mit Linearfaktorzer-
legung
f
xn +
=
n−1
X
ai xi
=
n
Y
i=1
i=0
dann gilt ai = (−1)n−i εn−i (α1 , ..., αn ) für 0 ≤ i < n.
(x − αi )
Proposition 3.4.13 Sei B|A eine Erweiterung von Integritätsbereichen, wobei der Ring A normal,
also ganzabgeschlossen in seinem Quotientenkörper K = Q(A) ist. Sei α ∈ B ganz über einem
Ideal a von A. Dann ist α algebraisch über K. Ist
f
=
xn + ... + a1 x + a0
∈ K[x]
das Minimalpolynom von α über K, dann liegen die Koeffizienten a0 , ..., an−1 in rad(a).
Beweis:
Dass α algebraisch über K ist folgt unmittelbar aus der Definition der Ganzheit und
der Tatsache a ⊆ K. Sei nun L|K eine normale, endliche algebraische Körpererweiterung, die α
enthält. Dann liegen die zu α über K konjugierten Elemente α1 , ..., αr ebenfalls in L, und für jedes
i ∈ {1, ..., r} gibt ein σi ∈ Aut(L|K) mit σi (α) = αi . Jedes Polynom g ∈ K[x], dass α als Nullstelle
hat, besitzt wegen
g(αi )
=
g(σi (α))
=
σi (g)(α)
=
g(α)
=
0
auch die Konjugierten als Nullstelle. Somit sind auch α1 , ..., αr ganz über dem Ideal a. Die über
a ganzen Elemente bilden nach Lemma 3.4.11 ein Ideal im ganzen Abschluss à von A über B,
sind also insbesondere abgeschlossen unter Addition und Multiplikation. Dies zeigt, dass die Koeffizienten ai von f als elementar-symmetrische Funktionen in den αi ganz über a sind (siehe
Bemerkung 3.4.12). Andererseits liegen die Koeffzienten ai in K, und A ist in K ganzabgeschlossen. Mit Lemma 3.4.11 erhalten wir a0 , ..., an−1 ∈ rad(a).
Lemma 3.4.14 Sei φ : A → B ein Ringhomomorphismus. Wie in Abschnitt 2.2 verwenden wir
die Notation ae und bc für Bild- und Urbildideale. Ist p ein Primideal in A, dann sind äquivalent
(i) Es gibt ein Primideal q in B mit qc = p.
(ii) Es gilt pec = p.
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Nach Proposition 2.2.3 gilt pec = qcec = qc = p.
„(ii) ⇒ (i)“ Sei S ⊆ B die multiplikative Teilmenge φ(A \ p). Dann ist pe ∩ S = ∅. Ist nämlich
b ∈ pe ∩ S, dann gibt es ein a ∈ A \ p mit φ(a) = b ∈ pe , und wir erhalten a ∈ φ−1 (pe ) = pec = p im
Widerspruch zur Voraussetzung a ∈
/ p.
51
Sei nun α : B → S −1 B die Lokalisierungsabbildung b 7→ b/1 und p̃ = α(pe )S −1 B das Bildideal
von pe in S −1 B. Dann ist p̃ nicht das Einheitsideal. Denn ansonsten gäbe es Elemente pi ∈ pe ,
si ∈ S und ein n ∈ N mit
Multiplikation der Gleichung mit
Qn
n
X
pi
i=1
=
si
1.
liefert Elemente b1 , ..., bn ∈ B und ein t ∈ S mit
!
n
n
X
Y
= 0 ,
b i pi
si −
t
i=1 si
i=1
e
i=1
und es folgt ts1 ...sn ∈ S ∩ p , im Widerspruch zu pe ∩ S = ∅. Also ist p̃ ein echtes Ideal in S −1 B,
und folglich existiert in diesem Ring ein maximales Ideal m ⊇ p̃. Sei nun q = α−1 (m). Dann ist q
ein Primideal in B, und es gilt q ∩ S = ∅, da q das Urbildideal unter der Lokalisierungsabbildung
α bezüglich der multiplikativen Menge S ist (Satz 2.2.5).
Wir zeigen nun, dass p = φ−1 (q) gilt. Aus α(pe ) ⊆ p̃ ⊆ m folgt pe ⊆ α−1 (m) = q und somit p =
pec = φ−1 (pe ) ⊆ φ−1 (q). Angenommen, es gibt ein Element a ∈ φ−1 (q) \ p, dann ist insbesondere
a ∈ A \ p und somit φ(a) ∈ S ∩ q, im Widerspruch zu S ∩ q = ∅.
Proposition 3.4.15 Sei A ein normaler Integritätsbereich, B ein Integritätsbereich und B|A eine
ganze Ringerweiterung, und seien p1 ( p2 Primideale in A. Sei q2 ein über p2 liegendes Primideal
in B. Dann gibt es ein Primideal q1 ( q2 in B, das über p1 liegt.
Beweis:
Wesentlicher Schritt ist der Beweis der Idealgleichung p1 Bq2 ∩ A = p1 . Wenden wir
Lemma 3.4.14 dann auf den Ringhomomorphismus φ : A → Bq2 , a 7→ a/1 und das Primideal p1
an, dann erhalten wir ein Primideal q̃ in Bq2 mit q̃ ∩ A = p1 . Das Ideal q1 = q̃ ∩ B ist dann ein
Primideal in B, und es gilt q1 ∩ A = q̃ ∩ A = p1 . Da die Korrespondenz zwischen Primidealen in
Ringen und ihren Bildidealen in Lokalisierungen ordnungserhaltend und das Bildideal von q2 in
Bq2 maximal ist, gilt q1 ⊆ q2 . Wäre q1 = q2 , dann würde daraus p1 = q1 ∩ A = q2 ∩ A = p2 folgen,
im Widerspruch zur Voraussetzung.
In der angegebenen Idealgleichung ist die Inklusion „⊇“ trivial. Ist umgekehrt β ∈ p1 Bq2 ∩ A,
dann finden wir nach Definition der Lokalisierung Elemente α ∈ p1 B und s ∈ B \ q2 mit β = α/s.
Nach Lemma 3.4.11 ist α als Element von p1 B ⊆ rad(p1 B) ganz über p1 . Nach Proposition 3.4.13
liegen die Koeffizienten ui des Minimalpolynoms
f
=
xn + un−1 xn−1 + ... + u1 x + u0
∈ K[x]
von α über dem Quotientenkörper K = Q(A) im Primideal rad(p1 ) = p1 . Dividieren wir nun die
Gleichung αn + un−1 αn−1 + ... + u1 α + u0 = 0 durch β n , dann erhalten wir wegen s = α/β eine
Gleichung
sn + vn−1 sn−1 + ... + v1 s + v0
mit vi = ui β
n−i
⇔ ui = vi β
n−i
=
0
(3.4)
für 0 ≤ i ≤ n − 1. Wegen β ∈ K und s = α/β ist K(α) =
K(s), insbesondere ist der Körpergrad über K gleich. Dies zeigt, dass xn + ... + v1 x + v0 das
Minimalpolynom von s über K ist.
Das Element s ist nach Voraussetzung ganz über A. Anwendung von Proposition 3.4.13 auf s und
das Ideal a = (1) zeigt, dass die Elemente vi ∈ K im Ring A liegen. Nehmen wir nun an, dass
52
β ∈
/ p1 gilt. Wegen ui ∈ p1 folgt dann vi ∈ p1 für 1 ≤ i < n. Nach (3.4) bedeutet dies wiederum
sn ∈ p1 B ⊆ p2 B ⊆ q2 . Es folgt s ∈ q2 im Widerspruch zur Voraussetzung.
Satz 3.4.16 („going down“-Theorem)
Sei A ein normaler Integritätsbereich, B ein Integritätsbereich und B|A eine ganze Ringerweiterung. Sei p1 ( ... ( pn eine Primidealkette in A, m ≤ n und qm ( ... ( qn eine Kette von
Primidealen in B mit qi ∩ A = pi für m ≤ i ≤ n. Dann gibt es Primideale q1 , ..., qm−1 mit
q1 ( ... ( qm−1 ( qm
und
qi ∩ A = pi
für
1 ≤ i < m.
Beweis: Wir beweisen die Aussage durch vollständige Induktion über m ∈ N. Für m = 1 ist
nichts zu zeigen. Sei nun die Aussage für m bereits bewiesen und qm+1 ( ... ( qn eine Primidealkette in B, die die Voraussetzungen des Satzes erfüllt. Nach Induktionsvoraussetzung finden
wir Primideale q2 ( ... ( qm mit qi ∩ A = pi für 2 ≤ i ≤ m. Anwendung der Proposition auf die
Primideale p1 , q1 und q2 liefert ein Primideal q1 ( q2 mit q1 ∩ A = p1 .
53
§ 4. Dimensionstheorie
4.1 Algebraische Abhängigkeit und Transzendenzgrad
Wir erinnern an die folgende Notation. Sei L|K eine Körpererweiterung und S ⊆ L eine Teilmen-
ge. Dann ist K(S) der von S über K erzeugte Teilkörper von L, also der kleinste Zwischenkörper
von L|K, der S enthält. Als Menge ist K(S) gegeben durch
f (α1 , ..., αm ) m
∈
N
,
f,
g
∈
K[x
,
...,
x
]
,
α
,
β
∈
S
,
g(β
,
...,
β
)
=
6
0
.
K(S) =
0
1
m
i
j
1
m
g(β1 , ..., βm ) Lemma 4.1.1 Sei L|K eine Körpererweiterung und α, α1 , ..., αn ∈ L derart, dass α algebraisch
über K(α1 , ..., αn ) ist. Dann gibt es ein Polynom f ∈ K[x1 , ..., xn , x] in n + 1 Unbekannten und
positivem Grad in x, so dass f (α1 , ..., αn , α) = 0 gilt.
Beweis: Sei K̃ = K(α1 , ..., αn ). Da α algebraisch über K̃ ist, gibt es ein Polynom f˜ ∈ K̃[x] positiven Grades mit f˜(α) = 0. Sei
f˜
=
xm + am−1 xm−1 + ... + a1 x + a0
mit
ai ∈ K̃
für
0 ≤ i < m.
Nach Definition von K̃ gibt es für jedes i Polynome fi , gi ∈ K[x1 , ..., xn ] mit gi (α1 , ..., αn ) 6= 0 und
ai
=
fi (α1 , ..., αn )
gi (α1 , ..., αn )
für
0 ≤ i < m.
Q
Sei nun hi = fi j6=i gj für 0 ≤ i < m. Dann liefert die Multiplikation der Gleichung f˜(α) = 0 mit
Q
hm = m−1
i=0 gi eine Gleichung der Form
hm (α1 , ..., αn )αm + hm−1 (α1 , ..., αn )αm−1 + ... + h1 (α1 , ..., αn )α + h0 (α1 , ..., αn )
Also ist h =
Pm
i=0
=
0.
hi xi ∈ K[x1 , ..., xn , x] ein Polynom mit positivem Grad in x, das (α1 , ..., αn , α)
als Nullstelle besitzt.
Definition 4.1.2 Sei B|A eine Ringerweiterung. Ein Tupel (β1 , ..., βn ) von Ringelementen βi ∈ B
wird algebraisch unabhängig über A genannt, wenn für alle Polynome f ∈ A[x1 , ..., xn ] die Implikation
f (β1 , ..., βn ) = 0
⇒
f =0
erfüllt ist. Eine Teilmenge S ⊆ B nennen wir algebraisch unabhängig über A, wenn jedes Tupel
(β1 , ..., βn ) bestehend aus verschiedenen Elementen βi ∈ S algebraisch unabhängig ist. Ansonsten
heißt S algebraisch abhängig.
54
Lemma 4.1.3 Sei L|K eine Körpererweiterung und S ⊆ L eine Teilmenge. Dann sind äquivalent
(i) S ist algebraisch unabhängig über S
(ii) Jedes s ∈ S ist transzendent über Ks = K(S \ {s}).
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Angenommen, das Element s ∈ S ist algebraisch über Ks . Dann gibt es
P
i
ein Polynom 0 6= f ∈ Ks [x] mit f (s) = 0. Sei f = xm + m−1
i=0 ai x mit ai ∈ Ks . Jedes ai
ist darstellbar als Quotient fi (α1 , ..., αm )/gi (α1 , ..., αm ) mit αi ∈ S, wobei g(α1 , ..., αm ) 6= 0 ist.
Somit ist das Element s algebraisch über dem Körper K(α1 , ..., αm ). Lemma 4.1.1 liefert uns ein
Polynom f ∈ K[x1 , ..., xm , x] mit f (α1 , ..., αm , s) = 0 mit positivem Grad in x. Dies widerspricht
der Voraussetzung, dass S algebraisch unabhängig ist.
„(ii) ⇒ (i)“ Nehmen wir an, die Menge S ist algebraisch abhängig über K. Dann gibt es ein
algebraisch abhängiges Tupel (α1 , ..., αm ). Sei 0 6= f ∈ K[x1 , ..., xm ] mit f (α1 , ..., αm ) = 0. Dann
ist f nicht konstant, und wir können o.B.d.A. voraussetzen, dass der x1 -Grad von f größer als
Null ist. Dies zeigt, dass α1 algebraisch über K(α2 , ..., αn ), erst recht über Kα1 ist, im Widerspruch
zur Voraussetzung.
Lemma 4.1.4 Sei L|K eine Körpererweiterung, S ⊆ L algebraisch unabhängig und α ∈ L transzendent über K(S). Dann ist S ∪ {α} algebraisch unabhängig über K.
Beweis: Angenommen, die Menge S ∪ {α} ist algebraisch abhängig. Dann gibt es eine endliche,
algebraisch abhängige Teilfamilie (α1 , ..., αm ) von S ∪ {α}. Auf Grund der algebraischen Unab-
hängigkeit von S muss α ein Element dieser Teilfamilie sein. O.B.d.A. sei α1 = α, alle übrigen
αi sind dann in S enthalten. Sei nun 0 6= f ∈ K[x1 , ..., xm ] ein Polynom mit f (α1 , ..., αm ) = 0.
Wiederum auf Grund der algebraischen Unabhängigkeit von S ist der x1 -Grad von f größer als
Null. Dann aber zeigt die Gleichung, dass α = α1 algebraisch über K(α2 , ..., αm ) ist, erst recht
über K(S), im Widerspruch zur Voraussetzung.
Definition 4.1.5 Eine Körpererweiterung L|K wird rein transzendent genannt, wenn eine über K
algebraisch unabhängige Teilmenge S mit L = K(S) existiert.
Proposition 4.1.6 Sei L|K eine Körpererweiterung. Für S ⊆ L sind äquivalent:
(i) Die Menge S ist maximal mit der Eigenschaft, algebraisch unabhängig über K zu sein, d.h.
jede echt größere Teilmenge von L ist algebraisch abhängig.
(ii) Die Menge S ist minimal mit der Eigenschaft, dass die Erweiterung L|K(S) algebraisch ist.
Man nennt eine solche Teilmenge S eine Transzendenzbasis von L|K.
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Sei S maximal mit der Eigenschaft, algebraisch unabhängig über K zu sein.
Zunächst zeigen wir, dass die Erweiterung L|K(S) algebraisch ist. Angenommen, das Element
s ∈ L ist transzendent über K(S). Dann ist nach Lemma 4.1.4 auch die Menge S ′ = S ∪ {s}
algebraisch unabhängig über K, im Widerspruch zur Maximalität von S.
Nun weisen wir nach, dass S minimal mit der Eigenschaft ist, dass L|K(S) eine algebraische
Erweiterung ist. Nehmen wir an, es gäbe ein s1 ∈ S, so dass L|K(S1 ) mit S1 = S \ {s1 } auch
55
noch algebraisch ist. Dann ist insbesondere s1 ∈ L algebraisch über K(S1 ). Nach Lemma 4.1.3
widerspricht dies der algebraischen Unabhängigkeit von S.
„(ii) ⇒ (i)“ Sei S minimal mit der Eigenschaft, dass L|K(S) eine algebraische Erweiterung ist. Wir
zeigen zunächst, dass die Menge S über K algebraisch unabhängig ist. Wäre dies nicht der Fall,
dann gäbe es ein algebraisch abhängiges Tupel (α1 , ..., αn ) mit αi ∈ S. Sei 0 6= f ∈ K[x1 , ..., xn ]
ein Polynom mit f (α1 , ..., αn ) = 0, wobei wir o.B.d.A. voraussetzen, dass der x1 -Grad von f
größer als Null ist. Dann ist α1 algebraisch über K(α2 , ..., αm ), damit auch über dem Körper
K(S1 ) mit S1 = S \ {α1 }. Da L|K(S) nach Voraussetzung algebraisch ist, gilt dasselbe dann für
die Erweiterung L|K(S1 ). Dies widerspricht der Minimalität von S.
Nun zeigen wir noch, dass S maximal mit der Eigenschaft ist, algebraisch unabhängig über K
zu sein. Angenommen, es gibt ein Element s ∈ L \ S, so dass auch S ∪ {s} noch algebraisch
unabhängig über K ist. Dann ist s nach Lemma 4.1.3 transzendent über K(S). Dies widerspricht
aber der Voraussetzung, dass L|K(S) algebraisch ist.
Folgerung 4.1.7 Sei L|K eine Körpererweiterung und S ⊆ L eine beliebige Teilmenge. Genau
dann ist S eine Transzendenzbasis von L|K, wenn S über K algebraisch unabhängig und L|K(S)
algebraisch ist.
Beweis: Die Richtung „⇒“ ergibt sich direkt aus der gerade bewiesenen Proposition. Zum Nachweis von „⇐“ setzen wir voraus, dass die Teilmenge S die beiden angegebenen Eigenschaften
besitzt. Wir behaupten, dass S maximal mit der Eigenschaft ist, algebraisch unabhängig zu sein.
Nach Voraussetzung ist jedes Element s ∈ L \ S algebraisch über K(S). Nach Lemma 4.1.3 ist
damit die Menge S ∪ {s} algebraisch abhängig, also ist S in der Tat maximal.
Satz 4.1.8 In jeder Körpererweiterung L|K gibt es eine Transzendenzbasis. Genauer gilt: Seien
S ⊆ T Teilmengen von L mit der Eigenschaft, dass S algebraisch unabhängig über K und L|K(T )
algebraisch ist. Dann gibt es eine Teilmenge S0 von L mit S ⊆ S0 ⊆ T , die Transzendenzbasis von
L|K ist.
Beweis: Sei S die Menge aller Teilmengen S ′ von L mit S ⊆ S ′ ⊆ T , die algebraisch unabhängig
über K sind. Es ist S =
6 ∅, da S nach Definition in S liegt. Sei nun (Si )i∈I eine totalgeordnete
Familie von Elementen aus S. Dann ist auch
S′
=
[
Si
i∈I
in S enthalten und eine obere Schranke von (Si )i∈I . Wäre nämlich S ′ algebraisch abhängig, dann
gäbe es ein algebraisch abhängiges Tupel (α1 , ..., αn ). Für jedes j ∈ {1, ..., n} existiert ein ij ∈ I
mit αj ∈ Sij . Ist Sij0 ∈ S das Maximum von Sij1 , ..., Sijn , dann enthält Sij0 alle Elemente αj aus
dem Tupel, im Widerspruch zur algebraischen unabhängigkeit von Sij0 . Auch die Inklusionen
S ⊆ S ′ ⊆ T sind offenbar erfüllt.
Nach dem Zornschen Lemma gibt es in S ein maximales Element S0 . Um zu zeigen, dass S0 eine
Transzendenzbasis von L|K ist, müssen wir noch zeigen, dass L|K(S0 ) eine algebraische Erweiterung ist. Jedes t ∈ T ist algebraisch über K(S0 ), denn ansonsten wäre S0 ∪ {t} nach Lemma 4.1.4
algebraisch unabhängig über K im Widerspruch zur Maximalität von S0 . Also ist K(T )|K(S0 )
56
algebraisch, und nach Voraussetzung ist auch L|K(T ) eine algebraische Erweiterung. Folglich ist
auch die Erweiterung L|K(S0 ) algebraisch.
Folgerung 4.1.9 Für jede Körpererweiterung L|K gibt es einen Zwischenkörper K̃, so dass K̃|K
rein transzendent und L|K̃ algebraisch ist.
Beweis: Anwendung von 4.1.8 auf S = ∅ und T = L liefert eine Transzendenzbasis S0 von L|K.
Der Zwischenkörper K̃ = K(S0 ) hat dann die gewünschte Eigenschaft.
Satz 4.1.10 (Austauschsatz)
Sei L|K eine Körpererweiterung, (α1 , ..., αn ) eine über K algebraisch unabhängige Familie in L
und (β1 , ..., βr ) eine Transzendenzbasis von L|K. Dann gilt n ≤ r, und nach geeigneter Umnummerierung der Elemente βi ist (α1 , ..., αn , βn+1 , ..., βr ) eine Transzendenzbasis von L|K.
Beweis:
Wir beweisen die Aussage durch vollständige Induktion über n. Für n = 0 ist nichts
zu zeigen. Sei nun die Aussage für ein n ∈ N bereits bewiesen, (β1 , ..., βr ) eine Transzendenzbasis und (α1 , ..., αn+1 ) eine algebraisch unabhängige Familie. Die Induktionsvoraussetzung liefert
uns die Ungleichung n ≤ r und die Aussage, dass (α1 , ..., αn , βn+1 , ..., βr ) eine Transzendenzbasis von L|K ist. Der Fall n + 1 > r kann nur eintreten, wenn n = r ist. Aber in diesem Fall wäre
einerseits (α1 , ..., αn ) eine Transzendenzbasis von L|K, andererseits (α1 , ..., αn+1 ) algebraisch unabhängig. Dies widerspricht der Tatsache, dass eine Transzendenzbasis eine maximale algebraisch
unabhängige Teilmenge von L ist. Also muss auch n + 1 ≤ r gelten.
Wegen der Maximalität von (α1 , ..., αn , βn+1 , ..., βr ) ist die Familie
(α1 , ..., αn , αn+1 , βn+1 , ..., βr )
über K algebraisch abhängig. Sei 0 6= f ∈ K[x1 , ..., xn+1 , yn+1 , ..., yr ] ein Polynom mit
f (α1 , ..., αn , αn+1 , βn+1 , ..., βr )
=
0.
Da die Familie (α1 , ..., αn , βn+1 , ..., βr ) nach Voraussetzung algebraisch unabhängig ist, muss der
Grad von f in xn+1 größer als Null sein. Wegen der algebraischen Unabhängigkeit von (α1 , ..., αn+1 )
ist auch der yi -Grad des Polynoms für ein i ∈ {n + 1, ..., r} positiv. O.B.d.A. können wir i = n + 1
annehmen. Somit ist βn+1 algebraisch über K(α1 , ..., αn+1 , βn+2 , ..., βr ), und umgekehrt ist αn+1
algebraisch über dem Körper K(α1 , ..., αn , βn+1 , ..., βr ).
Wir zeigen nun zunächst, dass die Erweiterung L|K(α1 , ..., αn+1 , βn+2 , ..., βr ) algebraisch ist. Nach
Voraussetzung ist L algebraisch über K(α1 , ..., αn , βn+1 , ..., βr ), also insbesondere über dem Zwischenkörper
K(α1 , ..., αn+1 , βn+1 , ..., βr )
=
K(α1 , ..., αn+1 , βn+2 , ..., βr )(βn+1 )
von L|K. Wie wir soeben gezeigt haben, ist βn+1 algebraisch über K(α1 , ..., αn+1 , βn+2 , ..., βr ).
Insgesamt erhalten wir so die gewünschte Aussage. Zum Schluss beweisen wir die algebraische
Unabhängigkeit von (α1 , ..., αn+1 , βn+2 , ..., βr ). Sei 0 6= g ∈ K[x1 , ..., xn+1 , yn+2 , ..., yr ] ein Polynom mit g(α1 , ..., αn+1 , βn+2 , ..., βr ) = 0. Dann ist der xn+1 -Grad von größer als Null, denn die
Familie (α1 , ..., αn , βn+2 , ..., βr ) ist algebraisch unabhängig. Damit ist αn+1 algebraisch über
K̃
=
K(α1 , ..., αn , βn+2 , ..., βr ) ,
57
und somit ist auch L|K̃ algebraisch. Dies widerspricht dann aber der Minimalitätseigenschaft der
Familie S = (α1 , ..., αn , βn+1 , ..., βr ).
Folgerung 4.1.11 Besitzt die Körpererweiterung L|K eine endliche Transzendenzbasis mit n Elementen, dann ist jede Transzendenzbasis von L|K endlich und enthält genau n Elemente.
Beweis: Sei (α1 , ..., αn ) eine Transzendenzbasis von L|K mit n Elementen. Gäbe es eine unendliche Transzendenzbasis S ⊆ L von L|K, dann könnten wir darin ein (n + 1)-elementiges al-
gebraisch unabhängiges System (β1 , ..., βn+1 ) wählen. Dies aber widerspricht dem Austauschsatz. Sei nun (β1 , ..., βr ) eine weitere Transzendenzbasis von L|K. Da sowohl (β1 , ..., βr ) als auch
(α1 , ..., αn ) algebraisch unabhängig ist, liefert uns der Austauschsatz r ≤ n und n ≤ r, insgesamt
also n = r.
Definition 4.1.12 Sei L|K eine Körpererweiterung. Wir definieren den Transzendenzgrad trdeg(L|K)
durch

n falls L|K eine n-elementige Transzendenzbasis besitzt (n ∈ N )
0
trdeg(L|K) =
∞ sonst.
Insbesondere gilt also trdeg(L|K) = 0, falls L|K algebraisch ist. Ist B|A eine Erweiterung von
Integritätsbereichen, dann setzen wir trdeg(B|A) = trdeg(L|K), wobei K = Q(A) und L = Q(B)
die Quotientenkörper von A, B bezeichnen.
Beispiel 4.1.13 Sei K ein Körper, R = K[x1 , ..., xn ] der Polynomring in n Unbekannten und
L = K(x1 , ..., xn ) dessen Quotientenkörper. Dann ist
trdeg(R|K)
=
trdeg(L|K)
=
n.
Das System (x1 , ..., xn ) ist nach Definition des Polynomrings algebraisch unabhängig über K.
Andererseits ist die Erweiterung L|K(x1 , ...xn ) trivial, damit insbesondere algebraisch.
Proposition 4.1.14 Seien L|K und L1 |L Körpererweiterungen mit der Eigenschaft, dass die Transzendenzgrade trdeg(L|K) und trdeg(L1 |L) endlich sind. Dann ist auch trdeg(L1 |K) endlich, und
es gilt
trdeg(L1 |K)
=
trdeg(L1 |L) + trdeg(L|K).
Sei (α1 , ..., αm ) eine Transzendenzbasis von L|K und (β1 , ..., βn ) eine Transzendenzbasis von
L1 |L. Wir zeigen, dass dann (α1 , ..., αm , β1 , ..., βn ) eine Transzendenzbasis von L1 |K ist. Zunächst
beweisen wir die algebraische Unabhängigkeit. Sei f ∈ K[x1 , ..., xm , y1 , ..., yn ] mit
f (α1 , ..., αm , β1 , ..., βn )
=
0.
Da die Elemente αi in L liegen und (β1 , ..., βn ) über L algebraisch unabhängig ist, ist der yi -Grad
von f gleich Null für 1 ≤ i ≤ n. Damit liegt f im Polynomring K[x1 , ..., xm ]. Da aber (α1 , ..., αm )
über K algebraisch unabhängig ist, folgt insgesamt f = 0.
Es bleibt zu zeigen, dass L1 |K(α1 , ..., αm , β1 , ..., βn ) eine algebraische Erweiterung ist. Da die Erweiterung L|K(α1 , ..., αm ) nach Voraussetzung algebraisch ist, gilt dasselbe für die Erweiterung
L(β1 , ..., βn )|K(α1 , ..., αm , β1 , ..., βn ).
58
Auch die Körpererweiterung L1 |L(β1 , ..., βn ) ist nach Voraussetzung algebraisch. Da die Zusammensetzung zweier algebraischer Erweiterungen wiederum algebraisch ist, erhalten wir insgesamt die gewünschte Aussage.
Folgerung 4.1.15
(i) Seien L|K und L1 |L Körpererweiterungen, wobei L1 |L algebraisch und der Transzendenzgrad L|K endlich ist. Dann gilt trdeg(L|K) = trdeg(L1 |K).
(ii) Seien B ⊇ A Integritätsbereiche und B1 |B eine ganze Ringerweiterung. Ist trdeg(B|A)
endlich, dann gilt trdeg(B|A) = trdeg(B1 |A).
Beweis:
Die erste Aussage folgt direkt aus der vorhergehenden Proposition und der Tatsache
trdeg(L1 |L) = 0. Teil (ii) erhält man durch Anwendung der ersten Aussage auf K = Q(A), L =
Q(B) und L1 = Q(B1 ).
Bemerkung 4.1.16 Eine Erweiterung L = K(S) mit der Eigenschaft, dass jedes s ∈ S (und sogar
jedes s ∈ L \ K) transzendent über K ist, braucht nicht rein transzendent zu sein. Sei zum Beispiel
C(x) der Funktionenkörper in einer Variablen. Wir setzen x1 = x, und für jedes n ∈ N sei jeweils
xn+1 ein Element in einer algebraischen Erweiterung von Ln = C(xn ), das die Gleichung
x2n+1
=
xn
erfüllt. Definieren wir nun S = {xn | n ∈ N} und L = C(S), dann ist jedes Element in L \ C
transzendent, denn der Körper C ist algebraisch abgeschlossen. Andererseits ist L|C keine rein
transzendente Erweiterung. Wäre dies der Fall, dann wäre L wegen trdeg(L|C) = 1 isomorph
zum rationalen Funktionenkörper C(x). In der Menge C(x) \ C gibt es aber keine Elemente, aus
denen man beliebig oft die Quadratwurzel ziehen kann, was man z.B. durch Betrachtung der
Null- und Polstellenordnung von Funktionen aus C(x) erkennt.
4.2 Noetherscher Normalisierungssatz und endliche Morphismen
Satz 4.2.1 Sei K ein Körper und A eine endlich erzeugte K-Algebra. Sei ferner r ∈ N und I1 (
I2 ( ... ( Ir eine Kette von Idealen in A mit Ij 6= (1) für 1 ≤ j ≤ r. Dann gibt es ein n ∈ N0 und
Elemente t1 , ..., tn ∈ A, so dass gilt
(i) Die Elemente t1 , ..., tn sind algebraisch unabhängig über K.
(ii) Der Ring A ist ganz über R = K[t1 , ..., tn ] und als R-Modul endlich erzeugt.
(iii) Für jedes s ∈ {1, ..., r} gibt es ein ks ∈ N0 , so dass Is ∩ R = (t1 , ..., tks ) gilt. Dabei bedeutet
ks = 0, dass (t1 , ..., tks ) das Nullideal ist.
Den Beweis teilen wir zur besseren Übersicht in mehrere Einzelschritte auf. Zunächst betrachten
wir den Fall, das A = K[z1 , ..., zn ] der Polynomring in n Unbekannten ist. Wir beweisen, dass die
Aussagen (i) bis (iii) dann stets mit diesem n erfüllt sind. Es reicht jeweils zu zeigen, dass A|R
ganz und als Ringerweiterung endlich erzeugt ist. Dass A als R-Modul endlich erzeugt ist, ergibt
sich dann aus Proposition 3.1.5.
Beim Beweis bietet es sich an, Multiindex-Schreibweise für Polynome zu verwenden. Ist ν =
59
(ν1 , ..., νn ) ∈ Nn0 , dann schreiben wir z ν als Abkürzung für das Monom
f ∈ A kann dann in der Form
f
=
X
cν z ν
Qn
νi
i=1 zi .
Jedes Polynom
ν∈Nn
0
mit cν ∈ K dargestellt werden, wobei cν = 0 für alle bis auf endlich viele ν ∈ Nn0 erfüllt ist.
Schritt 1: Fall n = 0
In diesem Fall ist A = K, r = 1 und I1 = (0), da (0) und (1) die einzigen Ideale in K sind. Die
Aussagen (i) bis (iii) sind dann offensichtlich erfüllt, wobei unter (iii) k1 = 0 gewählt wird.
Schritt 2: Fall n > 0, r = 1, I1 ist Hauptideal
Ist I1 = (0), dann wählt man einfach ti = zi für 1 ≤ i ≤ n und setzt k1 = 0. Die Bedingungen (i)
bis (iii) sind dann offensichtlich erfüllt. Wir können also voraussetzen, dass I1 6= (0) ist. Zunächst
betrachten wir den Fall, dass I1 ein Hauptideal ist, dass also I1 = (f ) für ein Element 0 6= f ∈ A
gilt. Unser Ziel besteht darin, ein algebraisch unabhängiges System (t1 , ..., tn ) von Elementen aus
A mit f = t1 zu konstruieren. Da jedes Polynom aus nur endlich vielen Termen besteht, finden
wir eine endliche Teilmenge M ⊆ Nn0 und Koeffizienten cν ∈ K × mit
X
f =
cν z ν .
ν∈M
Sei N der größte in den Monomen von f auftretende Exponent, also
N
=
max{µ ∈ N0 | ∃ ν ∈ M und i ∈ {1, ..., n} mit νi = µ}.
Da f wegen I1 6= (1) keine Konstante ist, ist die Zahl N > 0. Wir definieren nun eine Abbildung
Pn
σ : M → N0 durch σ(ν) = i=1 νi pi , wobei pi = (N + 1)i−1 für 1 ≤ i ≤ n ist. Wegen 0 ≤ νi ≤ N
ist jedes ν ∈ M die Entwicklung der Zahl σ(ν) ∈ N0 zur Basis N +1, insbesondere ist σ injektiv. Sei
σ̄ das Maximum von σ und µ ∈ M das eindeutig bestimmte Element mit σ(µ) = σ̄. Wir definieren
nun
und
t1 = f
Dann gilt
X
ν∈M
ti = zi − z1pi
für 2 ≤ i ≤ n.
cν z1ν1 (t2 + z1p2 )ν2 ...(tn + z1pn )νn − t1
=
f − t1
=
0.
Betrachten wir die Summe links als Polynom in z1 , t1 , t2 , ..., tn , dann hat der Summand zum Element ν ∈ M jeweils den Grad σ(ν). Den höchsten z1 -Grad hat also der Summand zum Element
µ, und das Monom mit dem höchsten z1 -Grad σ̄ in der Summe links ist cµ z1σ̄ . Wir erhalten also
eine Gleichung der Form
cµ z1σ̄
+
σ̄−1
X
j=0
gj z1j
=
0
mit gj ∈ K[t1 , ..., tn ] für
0 ≤ j < σ̄.
Multiplikation dieser Gleichung mit c−1
µ zeigt, dass z1 ganz über R = K[t1 , ..., tn ] ist. Wegen
zi = ti + z1pi gilt zi ∈ R[z1 ] für 1 ≤ i ≤ n, also A = R[z1 ], d.h. die Ringerweiterung A|R ist ganz
und endlich erzeugt. Damit ist Bedingung (ii) erfüllt.
Da der Quotientenkörper Q(A) von A eine algebraische Erweiterung von Q(R) ist (das Element z1
erfüllt über Q(R) eine algebraische Gleichung), gilt trdegK (Q(R)) = trdegK (Q(A)) = n. Wegen
60
Q(R) = K(t1 , ..., tn ) können wir nach Satz 4.1.8 in S = {t1 , ..., tn } eine Transzendenzbasis wählen.
Auf Grund des Transzendenzgrades ist S selbst eine Transzendenzbasis und somit algebraisch
unabhängig, d.h. (i) ist erfüllt. Dies wiederum zeigt, dass R isomorph zum Polynomring in n
Unbekannten über K ist, und das erzeugte Ideal (t1 ) in R ist ein Primideal.
Da es sich bei A|R um eine ganze Ringerweiterung handelt, gibt es in A nach Lemma 3.4.6 ein
über (t1 ) liegendes Primideal q, also ein Primideal q mit (t1 ) = q ∩ R. Wegen f = t1 ∈ q gilt
I1 = (f ) ⊆ q im Ring A, außerdem (t1 ) ⊆ I1 nach Definition der Ideale (t1 ) und I1 in den Ringen
R und A. Insgesamt erhalten wir (t1 ) ⊆ I1 ∩ R ⊆ q ∩ R = (t1 ), also (t1 ) = I1 ∩ R. Setzen wir k1 = 1,
dann ist auch Bedingung (iii) erfüllt.
Schritt 3: Fall n > 0, r = 1, I1 ist beliebiges Ideal
Hier beweisen wir die Aussage durch vollständige Induktion über n. Ist n = 1, dann ist A =
K[z1 ] ein Hauptidealring, also I1 ein Hauptideal. Diesen Fall haben wir bereits behandelt. Sei nun
n > 1 und I1 kein Hauptideal. Wir wählen ein beliebiges Element 0 6= f ∈ I1 und wenden das
bereits gezeigte auf das Ideal I˜1 = (f ) an. Dies liefert uns ein System t1 , x2 , ..., xn von algebraisch
unabhängigen Elementen aus A mit t1 = f , so dass A ganz über R̃ = K[t1 , x2 , ..., xn ] ist und
I˜1 ∩ R̃ = (t1 ) gilt.
Die Induktionsvoraussetzung angewendet auf den Ring R̂ = K[x2 , ..., xn ] und das Ideal Iˆ1 =
I1 ∩ R̂ zeigt, dass algebraisch unabhängige Elemente t2 , ..., tn in R̂ existieren, so dass R̂ ganz über
dem Ring R0 = K[t2 , ..., tn ] ist und ein k1 ∈ N mit Iˆ1 ∩ R0 = I1 ∩ R0 = (t2 , ..., tk1 ) existiert. Sei
nun R = R0 [t1 ] = K[t1 , ..., tm ]. Wegen R̃ = R̂[t1 ] ist dann auch R̃|R eine ganze Ringerweiterung.
Mit A|R̃ und R̃|R ist auch A|R ganz. Als Polynomring ist A über K als Ring endlich erzeugt, also
erst recht über R. Die algebraische Unabhängigkeit des Systems (t1 , ..., tn ) erhält man wie zuvor
durch die Betrachtung des Transzendenzgrades. Damit haben wir die Bedingungen (i) und (ii)
verifiziert.
Nun beweisen wir die Idealgleichung (t1 , ..., tk1 ) = I1 ∩ R. Die Inklusion „⊆“ ist unmittelbar klar,
da nach Voraussetzung t1 = f ∈ I1 und t2 , ..., tk1 ∈ I1 gilt und all diese Elemente auch im Ring R
liegen. Zum Nachweis von „⊇“ sei g ∈ I1 ∩ R. Wegen R = R0 [t1 ] können wir g in der Form
g
=
r
X
gi ti1
i=0
mit gi ∈ R0
darstellen. Wegen t1 ∈ I1 ist g0 ∈ I1 ∩ R0 = (t2 , ..., tk1 ). Es folgt g ∈ (t1 , ..., tk1 ). Also ist auch
Bedingung (iii) erfüllt.
Schritt 4: Fall n > 0, r > 1
Hier führen wir vollständige Induktion über r ∈ N durch, wobei der Induktionsanfang r = 1
bereits erledigt wurde. Sei also r > 1. Nach Induktionsvoraussetzung gibt es algebraisch unabhängige Elemente x1 , ..., xn ∈ A und k1 , ..., kr−1 ∈ N0 , so dass A ganz über K[x1 , ..., xn ] ist und
Is ∩ K[x1 , ..., xn ]
=
(x1 , ..., xks )
für
1 ≤ s ≤ r − 1 gilt.
(4.5)
Sei k = kr−1 und ti = xi für 1 ≤ i ≤ k. Wenden wir den Fall r = 1 auf das Ideal I = Ir ∩ R̃ im
Ring R̃ = K[xk+1 , ..., xn ] an, so finden wir algebraisch unabhängige Elemente tk+1 , ..., tn ∈ R̃, so
61
dass R̃ ganz über R̂ = K[tk+1 , ..., tn ] ist und I ∩ R̂ = Ir ∩ R̂ = (tk+1 , ..., tkr ) für ein kr ≥ k gilt.
Sei R = R̂[t1 , ..., tk ] = K[t1 , ..., tn ]. Mit R̃|R̂ ist auch R̃[t1 , ..., tk ] ganz über R. Weil A ganz über
K[x1 , ..., xn ] = R̃[t1 , ..., tk ] ist, erhalten wir insgesamt die Ganzheit der Ringerweiterung A|R.
Wiederum ist klar, dass A als Polynomring endlich erzeugt über K und R ist, ebenso die algebrai-
sche Unabhängigkeit von t1 , ..., tn . Also sind die Bedingungen (i) und (ii) damit nachgewiesen.
Es bleiben die Idealgleichungen
Is ∩ R
für
(t1 , ..., tks )
=
1≤s≤r
zu zeigen. Wir betrachten zunächst den Fall s < r. Wegen ti = xi gilt ti ∈ Is für 1 ≤ i ≤ ks nach
(4.5), also ist „⊇“ erfüllt. Andererseits gilt auch
Is ∩ K[t1 , ..., tn ] ⊆ Is ∩ K[x1 , ..., xn ] = (x1 , ..., xks ) = (t1 , ..., tks ).
Es bleibt Ir ∩ K[t1 , ..., tn ] = (t1 , ..., tkr ) zu zeigen, wobei wir Ir ∩ K[tk+1 , ..., tn ] = (tk+1 , ..., tkr ) als
Voraussetzung haben. Die Inklusion „⊇“ folgt daraus unmittelbar wegen t1 , ..., tk ∈ Ir−1 ⊆ Ir .
Für „⊆“ beweisen wir zunächst die Inklusion Ir ∩K[tk , ..., tn ] ⊆ (tk , ..., tkr ). Ein beliebiges Element
g in diesem Durchschnitt schreiben wir in der Form
g
=
v
X
gi tik
mit
i=0
gi ∈ K[tk+1 , ..., tn ].
Wegen tk ∈ Ir und g ∈ Ir ist auch g0 ∈ Ir ∩ K[tk+1 , ..., tn ] = (tk+1 , ..., tkr ). Es folgt g ∈ (tk , ..., tkr ).
Indem wir nun denselben Schritt mit k − 1, k − 2, ... an Stelle von k wiederholen, erhalten wir
schließlich die gewünschte Aussage. Damit ist der Nachweis der Bedingung (iii) vollständig.
Schritt 5: A ist beliebige endlich erzeugte K-Algebra (also kein Polynomring mehr)
Sei a1 , ..., am ein Erzeugendensystem von A. Dann gibt es einen surjektiven Ringhomomorphismus
π : K[z1 , ..., zm ] −→ A
,
zi 7→ ai
vom Polynomring in m Unbekannten nach A. Sei J0 = ker(π) und Ji = π −1 (Ii ) für 1 ≤ i ≤ r.
Die Anwendung des bisher Gezeigten auf den Polynomring mit diesen Idealen liefert algebraisch
unabhängige Elemente u1 , ..., um ∈ K[z1 , ..., zm ] und ℓ0 , ..., ℓr ∈ N0 , so dass K[z1 , ..., zm ] ganz
über K[u1 , ..., um ] und
Js ∩ K[u1 , ..., um ]
=
(u1 , ..., uℓs )
für
0≤s≤r
erfüllt ist. Sei nun n = m − ℓ0 , ks = ℓs − ℓ0 und ti = π(ui+ℓ0 ) für 1 ≤ i ≤ n. Nach Proposi-
tion 3.1.11 überträgt sich die Ganzheit von Ringerweiterungen auf homomorphe Bilder. Wegen
π(K[u1 , ..., um ]) = K[t1 , ..., tn ] und der Ganzheit von K[z1 , ..., zm ] über K[u1 , ..., um ] ist A eine
ganze Ringerweiterung von K[t1 , ..., tn ]. Wegen
J0 ∩ K[uℓ0 +1 , ..., um ] = (0)
liefert die Einschränkung von π auf K[uℓ0 +1 , ..., um ] eine Ringisomorphismus
K[uℓ0 +1 , ..., um ]
∼
=
62
K[t1 , ..., tn ] ,
also sind die Elemente t1 , ..., tn algebraisch unabhängig über K. Aus den Idealgleichungen
Js ∩ K[uℓ0 +1 , ..., um ] = (uℓ0 +1 , ..., uℓs ) und π(uk ) = tk−ℓ0 folgt
π(Js ∩ K[u1 , ..., um ]) = π(Js ∩ K[uℓ0 +1 , ..., um ]) = (t1 , ..., tks )
für
1 ≤ s ≤ r.
Es gilt π(Js ∩ K[u1 , ..., um ]) ⊆ Is ∩ K[t1 , ..., tn ]. Ist umgekehrt f ∈ Is ∩ K[t1 , ..., tn ] und g ∈
K[u1 , ..., um ] ein beliebiges Urbild, dann folgt g ∈ Js . Wir erhalten somit die Idealgleichung
Is ∩ K[t1 , ..., tn ] = (t1 , ..., tks ). Damit ist der Beweis des Noetherschen Normalisierungssatzes
abgeschlossen.
Definition 4.2.2 Ein Morphismus φ : X → Y zwischen affinen Varietäten heißt dominant, wenn
die Bildmenge φ(X) dicht in Y liegt.
Wir erinnern daran, dass jedem Morphismus φ : X → Y nach Satz 2.3.19 auf eindeutige Weise ein
Ringhomomorphismus φ∗ : O(Y ) → O(X) zugeordnet ist. Dieser ist definiert durch φ∗ (h) = h ◦ φ
für alle h ∈ O(Y ).
Lemma 4.2.3 Seien X, Y affine Varietäten, φ : X → Y ein Morphismus und Z ⊆ X eine abgeschlossene Teilmenge. Sei außerdem a ⊆ O(X) das (nach dem Hilbertschen Nullstellensatz
eindeutig bestimmte) Radikalideal mit ZX (a) = Z. Dann gilt
φ(Z)
=
ZY ((φ∗ )−1 (a))
,
wobei die Menge auf der linken Seite den topologischen Abschluss von φ(Z) bezeichnet.
Beweis: Sei b = (φ∗ )−1 (a) ⊆ O(Y ) und c ⊆ O(Y ) das eindeutig bestimmte Radikalideal mit
ZY (c) = φ(Z). Nach dem Hilbertschen Nullstellensatz genügt es zu zeigen, dass b = c ist. Für
jedes h ∈ O(Y ) gilt
h∈c
⇔
h(a) = 0 ∀ a ∈ φ(Z)
⇔
h(a) = 0 ∀ a ∈ φ(Z)
,
letzteres, weil die Nullstellenmenge von h abgeschlossen bezüglich der Zariski-Topologie ist. Weiter gilt
h(a) = 0 ∀ a ∈ φ(Z)
⇔
⇔
(h ◦ φ)(a) = 0 ∀ a ∈ Z
φ∗ (h) ∈ a
⇔
⇔
φ∗ (h)(a) = 0 ∀ a ∈ Z
h ∈ (φ∗ )−1 (a) = b
Insgesamt ist damit b = c bewiesen.
Folgerung 4.2.4 Für einen Morphismus φ : X → Y zwischen affinen Varietäten sind äquivalent
(i) φ ist dominant
(ii) φ∗ : O(Y ) → O(X) ist injektiv
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Nach Lemma 4.2.3 gilt φ(X) = ZY ((φ∗ )−1 (0)) und wegen φ(X) = Y somit
Y = ZY ((φ∗ )−1 (0)). Da nach dem Hilbertschen Nullstellensatz das Nullideal (0) der gesamten
Varietät entspricht, bedeutet dies (φ∗ )−1 (0) = (0), d.h. φ∗ ist injektiv.
„(ii) ⇒ (i)“ Ist φ∗ injektiv, dann folgt (φ∗ )−1 (0) = (0) und somit ZY ((φ∗ )−1 (0)) = Y .
Mit Lemma 4.2.3 erhalten wir φ(X) = Y .
63
Lemma 4.2.5 Sei φ : X → Y ein Morphismus, a ∈ X, b ∈ Y , und seien p ⊆ O(X), q ⊆ O(Y ) die
zugehörigen maximalen Ideale. Dann gilt
φ(a) = b
(φ∗ )−1 (p) = q
⇔
Beweis: Die Richtung „⇒“ erhält man durch die Äquivalenzumformung
f ∈q
⇔
f (b) = 0
⇔
(f ◦ φ)(a) = 0
⇔
φ∗ (f )(a) = 0
⇔
φ∗ (f ) ∈ p.
Zum Beweis von „⇐“ wenden wir ZY auf beide Seiten der Gleichung (φ∗ )−1 (p) = q an. Wir
erhalten
ZY ((φ∗ )−1 (p)) = ZY (q) = {b}.
Da {a} die Nullstellenmenge von p ist, folgt daraus mit Lemma 4.2.3 die Gleichung φ({a}) = {b}.
Da einelementige Mengen abgeschlossen sind, ist dies gleichbedeutend mit φ(a) = b.
Definition 4.2.6 Ein Morphismus φ : X → Y zwischen affinen Varietäten heißt endlich, wenn φ
dominant ist und O(X) bezüglich des injektiven Homomorphismus φ∗ : O(Y ) → O(X) zu einem
endlich erzeugten O(Y )-Modul wird.
Bemerkung 4.2.7 Ist φ : X → Y endlich, dann ist O(X)|O(Y ) also insbesondere eine ganze
Ringerweiterung (vgl. Proposition 3.1.5).
Satz 4.2.8 Sei φ : X → Y ein endlicher Morphismus. Dann gilt
(i) φ ist surjektiv.
(ii) Ist Z ⊆ X abgeschlossen, dann auch die Teilmenge φ(Z) ⊆ Y abgeschlossen. Mit anderen
Worten, φ ist als stetige Abbildung zwischen topologischen Räumen abgeschlossen.
(iii) Die Urbildmenge φ−1 (b) ist endlich für alle b ∈ Y .
zu (i)
Sei b ∈ Y und p ⊆ O(Y ) das zugehörige maximale Ideal. Da O(X)|O(Y ) eine ganze
Ringerweiterung ist, gibt es ein Primideal q ⊆ O(X) mit (φ∗ )−1 (q) = p (Lemma 3.4.6) und dieses
ist maximal (Folgerung 3.3.2). Sei a ∈ X der zu p gehörige Punkt. Mit Lemma 4.2.5 folgt φ(a) = b.
Damit ist die Surjektivität von φ bewiesen.
zu (iii) Die Punkte a ∈ X mit φ(a) = b entsprechen nach Lemma 4.2.5 eineindeutig den maxi-
malen Idealen q ⊆ O(X) mit (φ∗ )−1 (q) = p, wobei p das zum Punkt b gehörige maximale Ideal
in O(Y ) bezeichnet. Es genügt also zu zeigen, dass nur endlich viele Primideale in O(X) über p
liegen. Sei
Ā = O(Y )/p
und
B̄ = O(X)/pO(X) ,
wobei pO(X) das Bildideal von p bezeichnet. Weil es in O(X) nach (i) zumindest ein über p
liegendes Primideal gibt, ist pO(X) ∩ O(Y ) = p nach Lemma 3.4.14. Also ist die durch φ∗ :
O(Y ) → O(X) induzierte Abbildung Ā → B̄ injektiv, und auf Grund der Maximalität von p
ist Ā ein Körper. Weil O(X) ein endlich erzeugter O(Y )-Modul ist, handelt es sich bei B̄ um einen
endlich-dimensionalen Ā-Vektorraum.
Wir werden im bald folgenden Abschnitt über nulldimensionale Ringe sehen, dass endlich-dimensionale Algebren über einem Körper artinsche Ringe sind und als solche nur endlich viele
64
Primideale besitzen. Mit dem Isomorphiesatz für Ringe angewendet auf B̄ folgt, dass nur endlich
viele Primideale q in O(X) mit q ⊇ pO(X) existieren. (In den Aufgaben 1 und 2 auf Blatt 9 haben
wir einen direkten Beweis für diese Tatsache skizziert.)
zu (ii) Sei ψ : Z → φ(Z) die Einschränkung von φ auf Z. Seien a ⊆ O(X) und b ⊆ O(Y ) die zu
Z und φ(Z) gehörenden Radikalideale. Wegen Lemma 4.2.3 gilt
Z
=
ZY ((φ∗ )−1 (a) ,
und der Hilbertsche Nullstellensatz liefert b = (φ∗ )−1 (a). Also induziert φ∗ : O(Y ) → O(X) einen
injektiven Ringhomomorphismus Ā → B̄ zwischen den Restklassenringen
und
Ā = O(Y )/b
B̄ = O(X)/a.
Weil O(X) endlich erzeugter O(Y )-Modul ist, handelt es sich bei B̄ um einen endlich erzeugten
Ā-Modul. Weil Ā und B̄ nach Definition die Koordinatenringe von Z und φ(Z) sind, zeigt dies,
dass auch die eingeschränkte Abbildung ψ ein endlicher Morphismus ist. Bereits unter (i) haben
wir gezeigt, dass endliche Morphismen surjektiv sind. Es folgt φ(Z) = ψ(Z) = φ(Z), insbesondere
ist φ(Z) abgeschlossen.
Wir übersetzen nun die Aussage des Noetherschen Normalisierungssatzes in die geometrische
Sprache.
Satz 4.2.9 Sei X eine affine Varietät, und seien X1 ⊇ ... ⊇ Xr nichtleere, abgeschlossene Teilmengen von X. Dann gibt es ein n ∈ N0 , einen endlichen Morphismus φ : X → An und Zahlen
k1 , ..., kr ∈ N0 mit
φ(Xs )
=
ZAn (z1 , ..., zks )
für
1 ≤ s ≤ r.
Dabei bezeichnen z1 , ..., zn ∈ O(An ) die Koordinatenfunktionen auf An . Die Menge auf der rechten Seite ist demnach der affine Unterraum
Hs
Beweis:
=
{(z1 , ..., zn ) ∈ An | z1 = ... = zks = 0}.
Nach dem Noetherschen Normalisierungssatz gibt es einen injektiven Homomorphis-
mus ψ : R → O(X), wobei R = K[z1 , ..., zn ] den Polynomring in n Unbekannten bezeichnet.
Dabei kann R mit dem Ring O(An ) der regulären Funktionen auf An identifiziert werden. Durch
den Homomorphismus ψ wird O(X) zu einem endlich erzeugten R-Modul. Bezeichnet bs das
Radikalideal zur Teilmenge Xs ⊆ X, dann gilt außerdem ψ −1 (bs ) = as mit as = (z1 , ..., zks ) für
1 ≤ s ≤ r und geeignete Zahlen k1 , ..., kr ∈ N0 .
Nach Satz 2.3.19 existiert ein Morphismus φ : X → An mit φ∗ = ψ. Weil ψ injektiv ist und
O(X) zu einem endlich erzeugten R-Modul macht, ist φ ein endlicher Morphismus. Wenden wir
schließlich Lemma 4.2.3 auf die Gleichung
(φ∗ )−1 (bs )
=
ψ −1 (bs )
=
as
an, dann erhalten wir φ(Xs ) = ZAn (z1 , ..., zks ). Nach Satz 4.2.8 (ii) ist φ als stetige Abbildung
zwischen topologischen Räumen abgeschlossen, es folgt deshalb φ(Xs ) = ZAn (z1 , ..., zks ).
65
4.3 Der Dimensionsbegriff
Definition 4.3.1 Sei R ein Ring und ℓ ∈ N0 . Ein Kette von Primidealen der Länge ℓ in R ist eine
(ℓ + 1)-elementige totalgeordnete Menge von Primidealen in R. Dabei bedeutet totalgeordnet, dass
je zwei Primideale in der Menge durch die Inklusionsrelation ⊆ miteinander vergleichbar sind.
Eine solche Kette kann in der Form
p0 ( p1 ( ... ( pℓ
dargestellt werden. Wir nennen die Kette maximal, wenn die Menge P = {p0 , ..., pℓ } bezüglich
Inklusion maximal ist. Es gibt also keine totalgeordnete Menge von Primidealen in R, die P als
echte Teilmenge enthält.
Definition 4.3.2 Die (Krull)-Dimension eines Rings R ist definiert durch
dim R
=
sup{ℓ ∈ N0 | ∃ eine Kette von Primidealen der Länge ℓ in R}.
Dabei ist auch dim R = ∞ möglich, wenn es in R Primidealketten beliebig großer Länge gibt.
Für den Nullring setzen wir dim 0 = −∞.
Beispiel 4.3.3 Ein Integritätsbereich R ist genau dann nulldimensional, wenn er ein Körper ist.
Beweis: „⇐“ Ist R ein Körper, dann gibt es in R nur ein einziges Primideal, nämlich (0). Also
haben alle Primidealketten in R die Länge Null.
„⇒“ Weil R ein Integritätsbereich ist, handelt es sich bei (0) um ein Primideal. Um zu zeigen,
dass R ein Körper ist, genügt es nachzuweisen, dass (0) und (1) die einzigen Ideale in R sind.
Angenommen, a ist ein Ideal in R ungleich (0) und (1). Dann gibt es ein maximales Ideal m ⊇ a,
und (0) ( m ist eine Primidealkette der Länge 1 in R, im Widerspruch zu dim R = 0.
Beispiel 4.3.4 Ist R ein Hauptidealring, aber kein Körper, dann gilt dim R = 1. Ist in einem
solchen Ring a ein Element ungleich Null und keine Einheit, dann ist dim R/(a) = 0.
Beweis: Aus der Algebra I-Vorlesung ist bekannt, dass die Primideale p 6= (0) genau die Hauptideale (π) mit einem Primelement π ∈ R sind, und das diese Primideale zugleich maximal sind.
Weil Hauptidealringe nach Definition Integritätsbereiche sind, ist das Nullideal (0) ein Primideal.
Die einzigen Primidealketten der Länge 1 in R sind also gegeben durch (0) ( (π) mit einem Primelement π. Deshalb gilt dim R = 1.
Sei nun 0 6= a ∈ R. Nehmen wir an, dass dim R/(a) ≥ 1 gilt. Dann finden wir in diesem Rest-
klassenring eine Kette p̄ ( q̄ der Länge 1. Sei π : R → R/(a) der kanonische Epimorphismus,
p = π −1 (p̄) und q = π −1 (q̄). Nach dem Isomorphiesatz für Ringe gilt (a) ⊆ p ( q. Somit
ist (0) ( p ( q eine Primidealkette der Länge 2 in R. Aber dies ist unmöglich, da wir bereits
dim R = 1 gezeigt haben. Folglich kann es in dim R/(a) keine Primidealketten der Länge 1 geben.
Da R/(a) wegen a ∈
/ R× andererseits nicht der Nullring ist, folgt dim R = 0.
66
Beispiel 4.3.5 Aus dem vorherigen Beispiel folgt dim Z = 1 und dim Z/30Z = 0.
Ist K ein Körper, dann ist der Polynomring K[x] ein Hauptidealring und somit dim K[x] = 1.
Proposition 4.3.6 Ist B|A eine ganze Ringerweiterung.
(i) Es gilt dim A < ∞ genau dann, wenn dim B < ∞ ist.
(ii) Unter der Voraussetzung der äquivalenten Bedingungen in (i) gilt dim A = dim B.
Beweis: Ist p0 ( ... ( pℓ ein Primidealkette in A, dann existiert nach Lemma 3.4.6 ein Primideal q0
mit q0 ∩ A = p0 . Auf Grund des „going up“-Theorems können wir q0 zu einer Primidealkette q0 (
... ( qℓ über p0 ( ... ( pℓ erweitern. Ist umgekehrt q0 ( ... ( qℓ eine Primidealkette in B, dann
genügen die Primideale pi = qi ∩ A nach Folgerung 3.4.5 den echten Inklusionen p0 ( ... ( pℓ .
Für jedes ℓ ∈ N0 gibt es somit eine bijektive Korrespondenz zwischen Primidealketten der Länge
ℓ in A und ebenso langen Primidealketten in B. Daraus folgen unmittelbar beide Aussagen.
Beispiel 4.3.7 Sei K ein Zahlkörper, also eine endliche algebraische Erweiterung von Q. Der
Ganzheitsring OK ist nach Definition der ganze Abschluss von Z in K. Auf Grund der Proposition
gilt dim OK = 1 für diese Ringe.
√
Bemerkung 4.3.8 Wie man sich leicht überzeugt, ist Z[ −5] eine ganze Ringerweiterung von
√
Z. Es handelt sich dabei um den Ganzheitsring des Zahlkörper Q( −5). Wie in der Algebra I
gezeigt wird, ist dieser Ring kein Hauptidealring. Eindimensionale Ringe brauchen also i.a. keine
Hauptidealringe zu sein.
Beispiel 4.3.9 Ist K ein Körper und n ∈ N, dann gilt dim K[x1 , ..., xn ] ≥ n. Dazu betrachten wir
die Idealkette
(0) ( (x1 ) ( (x1 , x2 ) ( ... ( (x1 , ..., xn ).
Weil K[x1 , ..., xn ]/(x1 , ..., xi ) ∼
= K[xi+1 , ..., xn ] ein Integritätsbereich ist, sind alle Ideale in der
Kette Primideale. Wir werden mit Hilfe des Noetherschen Normalisierungssatzes gleich sehen,
dass in der Tat dim K[x1 , ..., xn ] = n ist.
Satz 4.3.10 Sei K ein Körper, A eine endlich erzeugte K-Algebra und zugleich ein Integritätsbereich. Sei n = trdeg(A|K).
(i) Ist p0 ( ... ( pℓ eine Kette von Primidealen in A, dann gilt ℓ ≤ n.
(ii) Ist diese Kette maximal, dann folgt ℓ = n.
Beweis: zu (i) Wir wenden den Noetherschen Normalisierungssatz auf die Idealkette p0 ( ... (
pℓ an. Dies liefert uns algebraisch unabhängige Elemente t1 , ..., tn ∈ A und Zahlen k0 , ..., kℓ ∈ N0
mit
pi ∩ K[t1 , ..., tn ]
=
(t1 , ..., tki )
für 0 ≤ i ≤ ℓ.
Weil A|K[t1 , ..., tn ] eine ganze Erweiterung ist und nach Folgerung 3.4.5 ist (t1 , ..., tki ) jeweils in
(t1 , ..., tki+1 ) echt enthalten, es gilt also ki < ki+1 für 0 ≤ i < ℓ. Aus k1 < k2 < ... < kℓ erhalten wir
dann die Abschätzung ℓ ≤ n.
zu (ii) Nun setzen wir voraus, dass die Primidealkette maximal ist. Dann ist p0 = (0) das Nullideal, und pℓ ist maximal. Weil A|K[t1 , ..., tn ] eine ganze Ringerweiterung ist, handelt es sich nach
67
Folgerung 3.3.2 auch bei pℓ ∩ K[t1 , ..., tn ] = (t1 , ..., tkℓ ) um ein maximales Ideal, d.h. es gilt kℓ = n.
Wenn wir nun zeigen können, dass ki+1 − ki für 0 ≤ i < n gleich 1 ist, dann folgt ℓ = n.
Angenommen, es gibt ein i mit ki+1 − ki ≥ 2. Sei Ā = A/pi der Restklassenring modulo pi
und π : A → Ā der kanonische Epimorphismus. Ferner sei uj = π(tj+ki ) für 1 ≤ j ≤ r mit
r = n − ki ist. Weil die Ganzheit beim Übergang zu Restklassenringen erhalten bleibt (Proposition
3.1.11), und weil K[u1 , ..., ur ] das Bild von K[t1 , ..., tn ] unter dem Homomorphismus π ist, ist auch
Ā|K[u1 , ..., ur ] eine ganze Ringerweiterung. Sei nun
p̄ = π(pi+1 )
und
s = (u1 , ..., uki+1 −ki ).
Wegen pi+1 ∩ K[t1 , ..., tn ] = (t1 , ..., tki+1 ) ist p̄ ein über s ⊆ K[u1 , ..., ur ] liegendes Primideal in Ā.
Auf Grund der Inklusion
pi ∩ K[tki+1 , ..., tn ] ⊆ (t1 , ..., tki ) ∩ K[tki+1 , ..., tn ] = (0)
liefert die Einschränkung von π auf K[tki+1 , ..., tn ] einen Isomorphismus
K[tki+1 , ..., tn ]
∼
=
K[u1 , ..., ur ]
von Ringen. Die Elemente u1 , ..., ur sind also algebraisch unabhängig, d.h. K[u1 , ..., ur ] ist ein
Polynomring in r Unbekannten, somit faktoriell und insbesondere normal (Proposition 3.2.2). Wir
wenden nun das „going down“-Theorem auf die Idealkette (0) ( (u1 ) ( s im Ring K[u1 , ..., ur ]
und das über s liegende Primideal p̄ an. Wir erhalten ein Primideal q̄ in Ā mit (0) ( q̄ ( p̄. Mit
q = π −1 (q̄) liefert uns der Isomorphiesatz für Ringe ein Primideal q mit pi ( q ( pi+1 . Dies
widerspricht der angenommenen Maximalität der Kette.
Folgerung 4.3.11 Sei K ein Körper, A eine endlich erzeugte K-Algebra und Integritätsbereich,
dann gilt dim(A) = trdeg(A|K).
Beweis: Wie wir gesehen haben, ist die Länge von Primidealketten durch n = trdeg(A|K) beschränkt, und es gibt Ketten der Länge n, nämlich die maximalen Primidealketten.
Definition 4.3.12 Sei X ein noetherscher Raum. Eine irreduzible Kette der Länge ℓ in X ist eine
(ℓ + 1)-elementige, totalgeordnete Menge bestehend aus nichtleeren, abgeschlossenen und irreduziblen Teilmengen von X. Eine irreduzible Kette kann durch den Ausdruck
X0 ) X1 ) ... ) Xℓ
dargestellt werden. Wir nennen eine irreduzible Kette maximal, wenn es keine Kette gibt, die
{X0 , ..., Xℓ } als echte Teilmenge enthält.
Definition 4.3.13 Für einen noetherschen Raum definieren wir
dim X
=
sup{ℓ ∈ N0 | ∃ irreduzible Kette der Länge ℓ in X .
Auch hier ist dim X = ∞ möglich.
68
Lemma 4.3.14 Sei X ein noetherscher Raum und X = Y1 ∪ ... ∪ Yr die eindeutig bestimmte
Zerlegung von X in irreduzible Komponenten (vgl. Satz 1.3.14). Dann sind die Yi gerade die
maximalen irreduziblen Teilmengen von X.
Beweis: Wir zeigen zunächst, dass alle Yi maximal sind. Angenommen, es gibt ein i und eine
irreduzible abgeschlossene Teilmenge Yi′ ) Yi . Dann gilt
[
X = Yi′ ∪
Yj .
j6=i
Sei nun S = {j ∈ {1, ..., r} | Yj ( Yi′ }. Dann erhalten wir durch
[
X = Yi′ ∪
Yj
j∈S
eine weitere Zerlegung von X in irreduzible Komponenten, im Widerspruch zur Eindeutigkeit.
Nehmen wir nun an, Ỹ ist eine maximale irreduzible abgeschlossene Teilmenge mit Ỹ 6= Yi für
1 ≤ i ≤ r. Wir definieren T = {j ∈ {1, ..., r} | Yj ( Ỹ }. Weil Ỹ nach Voraussetzung maximal ist,
gilt Ỹ ( Yi für 1 ≤ i ≤ r. Also erhalten wir durch
[
X = Ỹ ∪
Yj
j∈T
erneut eine weitere Zerlegung der Menge X in irreduzible Komponenten. Dies ist aber auf Grund
der Eindeutigkeit ausgeschlossen.
Folgerung 4.3.15 Sei X ⊆ AnK eine algebraische Teilmenge.
(i) Ist X irreduzibel (also eine affine Varietät) und A der Koordinatenring von X, dann gilt
dim X = dim A = trdeg(A|K).
(ii) Ist X reduzibel und X = X1 ∪ ... ∪ Xr die Zerlegung in irreduzible Komponenten, dann
gilt
dim X
=
max{dim Xi | 1 ≤ i ≤ r}.
zu (i) Sei ℓ ∈ N0 . Nach dem Hilbertschen Nullstellensatz entsprechen die irreduziblen Ketten der
Länge ℓ in X genau den Primidealketten der Länge ℓ in A. Daraus folgt dim X = dim A. Wegen
der Irreduzibilität von X ist A ein Integritätsbereich, und als Faktorring von K[x1 , ..., xn ] ist A als
K-Algebra endlich erzeugt. Nach Folgerung 4.3.11 gilt also dim X = trdeg(A|K).
zu (ii) Sei Y0 ) ... ) Yℓ eine irreduzible Kette maximaler Länge in X. Dann ist Y0 eine maximale,
irreduzible abgeschlossene Teilmenge in X und Yℓ ein einzelner Punkt. Nach Lemma 4.3.14 gibt
es ein i mit Y0 = Xi . Es folgt dim X = ℓ ≤ dim Xi ≤ max{dim Xi | 1 ≤ i ≤ r}. Andererseits
gilt dim Xi ≤ dim X für 1 ≤ i ≤ r, denn jede maximale irreduzible Kette in Xi ist auch eine
irreduzible Kette in X.
Bemerkung 4.3.16 Ist X eine affine Varietät mit Koordinatenring A, dann gilt auch dim X =
trdeg(K(X)|K), wobei K(X) den Funktionenkörper von X bezeichnet (siehe Definition 2.3.6).
Denn K(X) ist isomorph zum Quotientenkörper von A, und folglich gilt
trdeg(A|K)
=
trdeg(K(X)|K)
nach Definition des Transzendenzgrades für Integritätsbereiche.
69
Definition 4.3.17 Sei X ein noetherscher Raum und a ∈ X. Dann nennen wir
dima X
=
min{dim(U ) | U ⊆ X offene Umgebung von a }
die Dimension von X im Punkt a.
Lemma 4.3.18 Sei X ein topologischer Raum und U ⊆ X offen.
(i) Ist V ⊆ U nichtleer, irreduzibel und abgeschlossen in U , dann ist der Abschluss V̄ von V
in X irreduzibel, und es gilt
V̄ ∩ U
=
V.
(ii) Ist V ⊆ X irreduzibel und abgeschlossen mit V ∩ U 6= ∅, dann ist V ∩ U irreduzibel und
abgeschlossen in U , und es gilt V ∩ U = V .
Durch die Zuordnungen V 7→ V̄ und V 7→ V ∩ U sind also zueinander inverse, bijektive Abbil-
dungen gegeben zwischen den nichtleeren, irreduziblen Teilmengen von U und den irreduziblen
Teilmengen V von X mit V ∩ U 6= ∅.
Beweis: zu (i) Sei V̄ = V1 ∪ V2 mit abgeschlossenen Teilmengen Vi ⊆ X für i = 1, 2. Dann gilt
V = V̄ ∩ V = (V1 ∪ V2 ) ∩ V = (V1 ∩ V ) ∪ (V2 ∩ V ).
Weil Vi ∩ V in V für i = 1, 2 abgeschlossen und V irreduzibel ist, können wir V1 ∩ V = V
voraussetzen. Es folgt V ⊆ V1 und wegen der Abgeschlossenheit von V1 die Inklusion V̄ ⊆ V1 .
Wir haben damit gezeigt, dass V̄ keine nichttriviale Darstellung als Vereinigung abgeschlossener
Teilmengen besitzt und somit irreduzibel ist.
Nun beweisen wir noch die Gleichung V̄ ∩U = V . Die Inklusion „⊇ ist offensichtlich. Weil V andererseits in U abgeschlossen ist, gibt es nach Definition der Teilraumtopologie eine abgeschlossene
Teilmenge W in X mit V = W ∩ U . Insbesondere ist V in W enthalten, damit auch V̄ , und es folgt
V̄ ∩ U ⊆ W ∩ U = V .
zu (ii) Sei V ∩ U = U1 ∩ U2 , wobei die Teilmengen U1 , U2 in V ∩ U abgeschlossen sind. Dann gibt
es abgeschlossene Teilmengen W1 , W2 ⊆ V mit Ui = Wi ∩ U für i = 1, 2. Die Menge W1 ∪ W2 ist
abgeschlossen in V , und wegen
(W1 ∪ W2 ) ∩ U = (W1 ∩ U ) ∪ (W2 ∩ U ) = U1 ∪ U2 = V ∩ U
enthält W1 ∪ W2 die nichtleere, in V offene Teilmenge V ∩ U . Weil V irreduzibel ist, liegt V ∩ U
dicht in V , und es folgt W1 ∪ W2 = V . Wiederum auf Grund der Irreduzibilität können wir
V = W1 annehmen. Es folgt U1 = W1 ∩ U = V ∩ U . Insgesamt haben wir damit die Irreduzibilität
von V ∩ U bewiesen. Die Gleichung V ∩ U = V folgt einfach aus der Tatsache, dass V ∩ U als
nichtleere, offene Teilmenge der irreduziblen Teilmenge V dicht in V liegt.
Folgerung 4.3.19 Sei X ⊆ AnK eine algebraische Teilmenge mit den irreduziblen Komponenten
X1 , ..., Xr . Dann gilt
dima X
=
max{dim Xi | i ∈ {1, ..., r} und a ∈ Xi }
70
Beweis: Wir beweisen zunächst den Teil „≥“ der Ungleichung. Nach Umnummerierung der Xi
können wir voraussetzen, dass ein s ∈ N existiert mit a ∈ Xi für 1 ≤ i ≤ s und a ∈
/ Xi für
s < i ≤ r. Sei U ⊆ X eine offene Umgebung von a. Zu zeigen ist dann dim Xi ≤ dim U für
1 ≤ i ≤ s. Dazu wählen wir in Xi eine maximale Kette
Y0 ) Y1 ) ... ) Yℓ
mit Yℓ = {a}. Es gilt ℓ = dim(Xi ), und auf Grund von Lemma 4.3.18 ist
Y0 ∩ U ) Y1 ∩ U ) ... ) Yℓ ∩ U
eine irreduzible Kette in U . Durch Yℓ = {a} ist sichergestellt, dass alle Mengen in der Kette nichtleer sind. Somit gilt dim(Xi ) = ℓ ≤ dim(U ).
Nun beweisen wir die Ungleichung mit „≤“ und betrachten dazu die spezielle offene Umgebung
!
r
[
Xi
U = X\
i=s+1
des Punktes a. Sei Y0 ) ... ) Yℓ eine irreduzible Kette in U . Wiederum nach Lemma 4.3.18 ist Ȳ0 )
... ) Ȳℓ eine irreduzible Kette in Ū. Die Menge Ȳ0 ist in einer maximalen ireduziblen Teilmenge
von X enthalten, nach Umnummerierung können wir Ȳℓ ( X1 annehmen. Wir erhalten ℓ ≤
dim(X1 ) und damit dim(U ) ≤ dim(X1 ).
Folgerung 4.3.20 Sei X ⊆ AnK eine algebraische Teilmenge und R(X) ihr Koordinatenring.
(i) Ist a ∈ X und p das zugehörige maximale Ideal in R(X), dann gilt dima X = dim R(X)p .
(ii) Ist X eine affine Varietät, dann gilt
dim OX,a
=
dima X
=
dim X
für alle a ∈ X.
Beweis: zu (i) Sei p0 ( ... ( pℓ eine Primidealkette maximaler Länge in R(X)p . Auf Grund der
bijektive Korrespondenz zwischen Primidealen in Ringen und ihren Lokalisierungen entspricht
dieser Kette eine Primidealkette
q0 ( ... ( qℓ
in R(X) mit qℓ ⊆ p. Der Hilbertsche Nullstellensatz liefert eine irreduzible Kette Y0 ) ... ) Yℓ mit
a ∈ Yℓ . Es gilt also ℓ ≤ dim(Y ) ≤ dima X.
Sei nun d = dima X und Y eine irreduzible Komponente von X mit a ∈ Y und d = dim Y . Dann
gibt es in Y eine irreduzible Kette Y0 ) ... ) Yd der Länge d mit Yd = {a}. Der Hilbertsche
Nullstellensatz liefert und eine Kette q0 ( ... ( qd von Primidealen in R(X) mit qd = p. Die
Bildideale der qi in R(X)p bilden dann ebenfalls eine Primidealkette der Länge d, und wir erhalten
d ≤ dim R(X)p , insgesamt dim R(X)p = dima X.
zu (ii) Ist X irreduzibel, dann ist X die einzige irreduzible Komponente, und es gilt dima X =
dim X für alle a ∈ X. Sei p das maximale Ideal in R(X) zum Punkt a. Dann ist die erste Gleichung
wegen OX,a ∼
= R(X)p nur ein Spezialfall von (i).
71
4.4 Kompositionsreihen und Länge eines Moduls
Definition 4.4.1 Sei A ein Ring und M ein A-Modul.
(i) Wir nennen M noethersch, wenn jede aufsteigende Kette M0 ⊆ M1 ⊆ ... von Untermoduln
Mi in M nach endlich vielen Schritten stationär wird, wenn also ein n ∈ N mit Mn =
Mn+1 = Mn+2 = ... existiert.
(ii) Der Modul M heißt artinsch, wenn jede absteigende Kette M0 ⊇ M1 ⊇ ... von Untermoduln
in M nach endlich vielen Schritten stationär wird.
Definition 4.4.2 Ein Ring A wird artinsch genannt, wenn A aufgefäßt als Modul über sich selbst
artinsch ist. Da die Untermoduln von A in diesem Fall genau die Ideale sind, ist dies gleichbedeutend damit, dass jede absteigende Kette a0 ⊇ a1 ⊇ ... von Idealen in A nach endlich vielen
Schritten stationär wird.
Beispiel 4.4.3 Der Ring Z ist nicht artinsch, wie man an der unendlichen absteigenden Folge
Z ⊇ 2Z ⊇ 4Z ⊇ 8Z ⊇ ...
von Idealen sieht. Dagegen sind endlich Ringe, z.B. Restklassenringe der Form Z/nZ, offensichtlich artinsch. Ist K ein Körper, A eine K-Algebra und A endlich-dimensional als K-Vektorraum,
dann sind die Ideale von A insbesondere Untervektorräume. Also sind auch solche Ringe artinsch. Ist zum Beispiel 0 6= f ∈ K[x], dann ist der Restklassenring A = K[x]/(f ) ein artinscher
Ring.
Definition 4.4.4 Wir nennen einen A-Modul M einfach, wenn {0} und M die einzigen Untermoduln von M sind.
Satz 4.4.5 (Homomorphiesatz für Moduln)
Sei A ein Ring und φ : M → N ein surjektiver Homomorphismus von A-Moduln mit M ′ = ker(φ).
Dann ist durch die Zuordnung
φ̄ : M/M ′ −→ N
m mod M ′ 7→ φ(m)
,
ein Isomorphismus von A-Moduln definiert.
Beweis:∗ Wir zeigen zunächst, dass die Abbildung φ̂ wohldefiniert, also unabhängig von der
Wahl des Repräsentanten der Restklasse m mod M ′ ist. Seien m1 , m2 ∈ M mit m1 mod M ′ =
m2 mod M ′ . Dann gilt m1 ≡ m2 mod M ′ , also m1 − m2 ∈ M ′ und somit φ(m1 − m2 ) = 0. Es folgt
φ(m1 ) = φ(m2 + (m1 − m2 )) = φ(m2 ) + φ(m1 − m2 ) = φ(m2 ).
Die Surjektivität von φ̄ ist leicht zu sehen: Weil φ surjektiv ist, finden wir für jedes n ∈ N ein
m ∈ M mit φ(m) = n, und es folgt φ̄(m mod M ′ ) = n nach Definition von φ̄. Zum Schluss zeigen
wir die Injektivität. Sei m mod M ′ ein Element aus M/M ′ mit φ̄(m mod M ′ ) = 0. Dann folgt
φ(m) = 0, also m ∈ M ′ und damit m mod M ′ = 0 in M/M ′ .
72
Satz 4.4.6 (Isomorphiesatz für Moduln)
Sei M ein A-Modul, N ein Untermodul und π : M → M̄ der kanonische Epimorphismus gegeben
durch m 7→ m mod N , wobei M̄ = M/N ist. Dann gilt
(i) Die Zuordnungen P 7→ π(P ) und P̄ 7→ π −1 (P ) sind zueinander inverse, inklusionserhaltende Bijektionen zwischen
(a) der Menge der A-Moduln P mit N ⊆ P ⊆ M
(b) den Untermoduln von M̄ .
(ii) Ist P̄ ein Untermodul von M/N und P = π −1 (P ), dann gilt M/P ∼
= M̄ /P̄ .
Beweis:∗ zu (i) Wir beweisen zunächst die Gleichung π −1 (π(P )) = P für alle A-Moduln P mit
N ⊆ P ⊆ M . Zum Nachweis von „⊇“ sei p ∈ P . Dann gilt π(p) ∈ π(P ) und somit p ∈ π −1 (π(P ))
nach Definition der Urbildmenge. Für die Inklusion „⊆“ sei p ∈ π −1 (π(P )) vorgegeben. Dann gilt
π(p) ∈ π(P ), es gibt also ein p′ ∈ P mit π(p) = π(p′ ). Aus π(p − p′ ) = 0 folgt p − p′ ∈ N ⊆ P und
somit p = p′ + (p − p′ ) ∈ P .
Als nächstes zeigen wir π(π −1 (P̄ )) = P̄ für alle Untermoduln P̄ von M̄ . „⊇“ Sei p̄ ∈ P̄ und p ∈ M
ein Element mit π(p) = p̄. Dann gilt p ∈ π −1 (P̄ ), also p̄ = π(p) ∈ π(π −1 (P̄ )). „⊆“ Ist p̄ ∈ π(π −1 (P̄ ))
vorgegeben, dann finden wir ein p ∈ π −1 (P̄ ) mit π(p) = p̄. Es folgt p ∈ π −1 (P̄ ), also π(p) ∈ P̄
und damit p̄ = π(p) ∈ P̄ . Insgesamt haben damit nachgewiesen, dass die beiden Zuordnungen
tatsächlich zueinander invers sind.
zu (ii) Wir wenden den Homomorphiesatz auf den Homomorphismus φ : M → M̄ /P̄ gegeben
durch m 7→ π(m) mod P̄ an. Es genügt also zu zeigen, das ker(φ) = P ist. Sei zunächst p ∈ P .
Dann gilt φ(p) = π(p) mod P̄ , außerdem gilt π(p) ∈ P̄ nach Definition von P . Es folgt φ(p) = 0.
Nun sei p ∈ M ein Element im Kern von φ. Aus φ(p) = 0 folgt π(p) mod P̄ = 0 und somit π(p) ∈ P̄ .
Also gilt p ∈ π −1 (P̄ ) = P .
Folgerung 4.4.7 Sei M ein A-Modul und N ein Untermodul. Der Faktormodul M/N ist genau
dann einfach, wenn kein A-Modul P mit N ( P ( M existiert.
Definition 4.4.8 Sei M ein A-Modul und ℓ ∈ N0 . Eine Kette von Untermoduln der Länge ℓ ist
eine (ℓ + 1)-elementige, totalgeordnete Menge von Untermoduln in M . Wir schreiben eine solche
Kette in der Form
M0 ( M1 ( ... ( Mℓ .
Eine solche Kette der Länge ℓ wird Kompositionsreihe von M genannt, wenn M0 = {0} und Mℓ =
M gilt und Mi+1 /Mi einfach ist für 0 ≤ i < ℓ.
Definition 4.4.9 Wir definieren die Länge eines A-Moduls M durch
ℓA (M )
=
inf{ℓ ∈ N0 | ∃ eine Kompositionsreihe der Länge ℓ von M } ,
sofern M überhaupt eine Kompositionsreihe hat. Besitzt M keine Kompositionsreihe, dann setzen
wir ℓA (M ) = ∞.
Lemma 4.4.10 Ist M ein A-Modul mit ℓA (M ) < ∞ und N ein echter Untermodul von M , dann
gilt ℓA (N ) < ℓA (M ).
73
Beweis: Sei M0 ( ... ( Mℓ eine Kompositionsreihe von M und Ni = Mi ∩ N für 0 ≤ i ≤ ℓ. Dann
induziert die Inklusion Ni ⊆ Mi eine injektive Abbildung Ni+1 /Ni → Mi+1 /Mi . Weil Mi+1 /Mi
nach Voraussetzung einfach ist, gilt Ni = Ni+1 oder Ni+1 /Ni = Mi+1 /Mi für jedes i. Indem wir
evtl. mehrfach vorkommende Elemente aus der aufsteigenden Folge N0 ⊆ ... ⊆ Nℓ entfernen,
erhalten wir eine Kompositionsreihe für N . Es gilt also ℓA (N ) ≤ ℓA (M ) = ℓ.
Nehmen wir nun an, dass ℓA (N ) = ℓA (M ) ist. Dann sind die Abbildungen Ni+1 /Ni → Mi+1 /Mi
alle Isomorphismen. Nach Voraussetzung gilt M0 = N0 = {0}. Die Bijektivität der Abbildung
N1 /N0 → M1 /M0 liefert dann N1 = M1 . Ebenso ist N2 /N1 → M2 /M1 bijektiv, es gilt also N2 +
M1 = M2 und wegen M1 = N1 ⊆ N2 somit N2 = M2 . Durch Iteration erhalten wir schließlich
N = Nℓ = Mℓ = M , im Widerspruch zur Voraussetzung. Also muss ℓ(N ) < ℓ(M ) gelten.
Folgerung 4.4.11 Sei M ein A-Modul endlicher Länge.
(i) Jede Kette in M hat Länge ≤ ℓA (M ).
(ii) Die Ketten der Länge ℓ(M ) sind genau die Kompositionsreihen von M .
Beweis: zu (i) Sei M0 ( M1 ( ... ( Mℓ eine Kette der Länge ℓ. Dann gilt ℓA (M ) ≥ ℓA (Mℓ ) >
ℓA (Mℓ−1 ) > ... > ℓA (M1 ) > ℓA (M0 ) ≥ 0, also ℓ(M ) ≥ ℓ.
zu (ii) Sei k die Länge einer beliebigen Kompositionsreihe. Dann gilt k ≤ ℓ(M ) nach (i), also
k = ℓA (M ) nach Definition der Länge eines Moduls. Nun sei M0 ( ... ( Mℓ eine beliebige Kette.
Ist ℓ = ℓA (M ), dann muss die Kette eine Kompositionsreihe sein. Denn wäre etwa Mi+1 /Mi nicht
einfach, dann gäbe es einen Untermodul {0} ( N̄ ( Mi+1 /Mi und somit einen Modul N mit
Mi ( N ( Mi+1 . Wir erhalten somit eine Kette der Länge ℓ + 1 im Widerspruch zu (i). Ebenso
kann man natürlich eine längere Kette bilden, wenn M0 6= {0} oder M 6= Mℓ ist.
Folgerung 4.4.12 Sei M ein A-Modul.
(i) Ist ℓA (M ) < ∞, dann kann jede Kette von Untermoduln in M zu einer Kompositionsreihe
erweitert werden.
(ii) Es gilt ℓA (M ) = sup{ℓ ∈ N0 | ∃ eine Kette der Länge ℓ in M }.
Beweis: zu (i) Sei M0 ( ... ( Mℓ eine beliebige Kette. Wenn diese Kette selbst keine Kompositionsreihe ist, dann können wir diese, wie im Beweis von 4.4.11 gezeigt, zu einer Kette der Länge
ℓ + 1 erweitern. Ist diese verlängerte Kette immer noch keine Kompositionsreihe, gehen wir zu
einer Kette der Länge ℓ + 2 über usw. Spätestens wenn die Länge ℓA (M ) erreicht ist, haben wir
nach 4.4.11 eine Kompositionsreihe konstruiert.
zu (ii)
Ist das Supremum auf der rechten Seite der Gleichung unendlich, dann gibt es in M
Untermodulketten beliebiger Länge. Im Modul M können dann keine Kompositionsreihen existieren, weil nach 4.4.11 (i) eine solche Reihe die Kettenlänge nach oben beschränken würde. Also
gilt ℓA (M ) = ∞. Nehmen wir nun an, dass die Zahl ℓ ∈ N0 die kleinste obere Schranke für die
Kettenlänge ist. Dann existieren in M Ketten der Länge ℓ, und jede Kette dieser Länge ist eine
Kompositionsreihe. (Ansonsten könnte man Ketten größerer Länge konstruieren, wie im Beweis
von 4.4.11.) Es folgt ℓA (M ) ≤ ℓ. Weil nach 4.4.11 (ii) jede Kompositionsreihe Länge ℓA (M ) besitzt,
gilt sogar ℓ = ℓA (M ).
74
Satz 4.4.13 Sei M ein A-Modul und N ⊆ M ein Untermodul.
(i) Es gilt ℓA (M ) < ∞ genau dann, wenn ℓA (N ) und ℓA (M/N ) endlich sind.
(ii) Sind die äquivalenten Bedingungen unter (i) erfüllt, dann gilt
ℓA (M )
=
ℓA (N ) + ℓA (M/N ).
Beweis: zu (i) „⇒“ Ist ℓA (M ) < ∞, dann können auch in N nur Ketten beschränkter Länge
auftreten, denn jede Kette von Untermoduln in N ist auch eine Kette in M . Ist M̄0 ( M̄1 ( ... (
M̄ℓ eine Kette der Länge ℓ in M/N , dann ist π −1 (M̄0 ) ( ... ( π −1 (M̄ℓ ) eine Kette derselben Länge
in M . Also muss auch ℓA (M/N ) < ∞ gelten.
„⇒“ und (ii) Sei {0} = N0 ( N1 ( ... ( Nr = N eine Kompositionsreihe von N und {0} =
M̄0 ( M̄1 ( ... ( M̄s = M/N eine Kompositionsreihe von M/N . Definieren wir Mi = π −1 (M̄i )
für 0 ≤ i ≤ r, dann ist durch
{0} = N0 ( ... ( Nr = N = M0 ( ... ( Ms = M
eine Kompositionsreihe der Länge r + s gegeben. Denn die Faktoren Ni+1 /Ni sind nach Voraussetzung einfach, und dasselbe gilt für die Faktoren Mi+1 /Mi , weil diese auf Grund des Isomorphiesatzes für Moduln isomorph zu M̄i+1 /M̄i sind. Es folgt ℓA (M ) = r + s = ℓA (M ) + ℓA (M/N ),
insbesondere ist ℓA (M ) endlich.
Lemma 4.4.14 Sei M ein Modul, N ein Untermodul, M̄ = M/N und π : M → M̄ der kanonische
Epimorphismus. Seien M1 ⊆ M2 Untermoduln von M , M̄1 = π(M1 ) und M̄2 = π(M2 ). Gilt
M̄1 = M̄2 und M1 ∩ N = M2 ∩ N , dann folgt M1 = M2 .
Beweis: Gilt M̄1 = M̄2 , dann folgt M1 + N = π −1 (M̄1 ) = π −1 (M̄2 ) = M2 + N . Ist nun m ∈ M2 ,
dann gibt es ein m′ ∈ M1 und ein n ∈ N mit m = m′ + n. Wegen n = m − m′ ∈ M2 ∩ N = M1 ∩ N
folgt m = m′ + n ∈ M1 .
Satz 4.4.15 Sei M ein A-Modul und N ein Untermodul.
(i) Der Modul M ist genau dann noethersch, wenn N und M/N noethersch sind.
(ii) Es ist M artinsch genau dann, wenn N und M/N artinsch sind.
Beweis: Wir beweisen nur Teil (i), da der Beweis von (ii) völlig analog verläuft. „⇒“ Jede aufsteigende Folge von Untermoduln in N ist auch eine aufsteigende Folge in M und wird deshalb stationär. Ist M̄1 ⊆ M̄2 ⊆ ... eine aufsteigende Folge von Untermoduln in M/N , dann ist
durch M1 ⊆ M2 ⊆ ... mit Mi = π −1 (M̄i ) eine Folge in M gegeben. Es gibt also ein n ∈ N mit
Mn = Mn+1 = ..., und darauf folgt M̄i = M̄i+1 für alle i ≥ n.
„⇐“ Sei M1 ⊆ M2 ⊆ ... eine aufsteigende Kette in M . Dann wird die Folge M1 ∩N ⊆ M2 ∩N ⊆ ...
stationär, d.h. es gibt ein r ∈ N mit Mi ∩ N = Mi+1 ∩ N für alle i ≥ r. Auch die Folge M̄1 ⊆ M̄2 ⊆
... der Bildmoduln M̄i = π(Mi ) unter dem kanonischen Epimorphismus π : M → M/N wird
stationär, d.h. es gibt ein s ∈ N mit M̄i = M̄i+1 für alle i ≥ s. Ist nun i ≥ max{r, s}, dann gilt also
Mi ∩ N = Mi+1 ∩ N und M̄i = M̄i+1 . Mit Lemma 4.4.14 erhalten wir Mi = Mi+1 , d.h. auch die
Folge M1 ⊆ M2 ⊆ ... wird stationär.
75
Definition 4.4.16 Sei M ein A-Modul. Wir nennen einen Untermodul N von M echt, wenn N (
M gilt, und maximal, wenn kein echter Untermodul P von M mit N ( P existiert.
Bemerkung 4.4.17 Ist M 6= {0} ein noetherscher Modul, dann gibt es in M maximale Untermoduln. Wenn nämlich keine maximalen Untermoduln in M existieren würden, dann könnte man
diese Eigenschaft nutzen, um eine unendliche aufsteigende Kette M0 ( M1 ( ... zu konstruieren.
Proposition 4.4.18 Für einen A-Modul M sind äquivalent
(i) M ist noethersch und artinsch.
(ii) Es gilt ℓA (M ) < ∞.
Beweis:
„⇐“ Im Fall ℓA (M ) < ∞ ist die Länge jeder Kette von Untermoduln durch ℓA (M )
beschränkt, also wird jede aufsteigende oder absteigende Folge von Untermoduln nach endlich
vielen Schritten stationär.
„⇒“ Sei M noethersch und artinsch. Dann können wir folgendermaßen eine Kompositionsreihe
konstruieren: Weil M0 = M noethersch ist, existiert ein maximaler Untermodul M1 ( M0 . Mit M0
ist auch M1 noethersch, und wir finden in M1 einen maximalen Untermodul M2 . Durch Iteration
erhalten wir eine absteigende Kette M = M0 ) M1 ) M2 ) ... in M . Weil M artinsch ist, muss
Mr = {0} für ein r ∈ N gelten. Weil Mi+1 in Mi jeweils maximal gewählt wurde, sind die Faktoren
Mi /Mi+1 einfach. Wir haben also tatsächlich eine Kompositionsreihe von M konstruiert.
Lemma 4.4.19 Sei K ein Körper und V ein K-Vektorraum. Dann sind äquivalent
(i) V ist artinsch.
(ii) V ist noethersch.
(iii) ℓK (V ) < ∞
(iv) dimK (V ) < ∞
Sind diese Bedingungen erfüllt, dann gilt darüber hinaus dimK (V ) = ℓK (V ).
Beweis: „(ii) ⇒ (iv)“ Angenommen, es gilt dimK (V ) = ∞. Dann existiert eine unendliche Folge
(vn )n∈N linear unabhängiger Vektoren in V . Durch hv1 i ( hv1 , v2 i ( ... erhalten wir eine unendli-
che aufsteigende Kette von Unterräumen, im Widerspruch zu unserer Voraussetzung, dass V ein
noetherscher Modul ist.
„(i) ⇒ (iv)“
Sei dimK (V ) = ∞ und (vn )n∈N eine linear uabhängige Folge von Vektoren. Für
jedes n ∈ N definieren wir Vn = h{vi | i ≥ n}i. Dann ist V1 ) V2 ) V3 ) ... eine unendliche
absteigende Kette von Unterräumen, was der Voraussetzung widerspricht, dass es sich bei V um
einen artinschen Modul handelt.
„(iv) ⇒ (iii)“
Ist dimK (V ) endlich, dann ist Länge jeder Kette von Untervektorräumen durch
dimK (V ) beschränkt.
Die Richtungen „(iii) ⇒ (i)“ und „(iii) ⇒ (ii)“ sind bereits durch Proposition 4.4.18 abgehandelt.
Um den Zusatz zu beweisen, genügt es, eine Kette {0} = V0 ( V1 ( ... ( Vn = V zu betrachten,
wobei dimK (Vi ) = i für 0 ≤ i ≤ n gilt. Eine solche Kette ist offenbar eine Kompositionsreihe,
76
weil die Faktoren Vi+1 /Vi als eindimensionale Vektorräume einfache K-Moduln sind. Die Länge
dieser Kompositionsreihe ist n = dimK (V ), also gilt ℓK (V ) = dimK (V ).
Satz 4.4.20 Sei A ein Ring, m ein maximales Ideal und M ein A-Modul mit mn M = 0 für ein
n ∈ N. Dann gilt
(i) Die Faktormoduln Fk = mk M/mk+1 M sind Vektorräume über dem Restklassenkörper κ =
A/m für 0 ≤ k < n, und die κ-Untervektorräume von Fk sind genau die A-Untermoduln.
(ii) Ist M noethersch oder artinsch, dann gilt dimκ Fk < ∞ für 0 ≤ k < n und
ℓA (M )
n−1
X
=
dimκ Fk .
k=0
Beweis: zu (i) Wir definieren eine κ-Vektorraumstruktur auf Fk , indem wir die Addition von der
A-Modulstruktur übernehmen. Die skalare Multiplikation definieren wir durch
κ × Fk −→ Fk
(ā, m̄) 7→ am
,
,
wobei ā ∈ κ und m̄ ∈ Fk Elemente bezeichnen, die durch a ∈ A und m ∈ mk M repräsentiert werden. Diese Abbildung ist wohldefiniert, denn sind a′ ∈ A und m′ ∈ mk M weitere Repräsentanten,
dann gilt a′ − a ∈ m, m′ − m ∈ mk+1 M und somit
a′ m′ − am
=
a′ m′ − am′ + am′ − am
=
(a′ − a)m′ + a(m − m′ )
∈ mk+1 M
,
also repräsentieren am und a′ m′ in Fk dasselbe Element. Die Vektorraum-Axiome verifiziert man
unmittelbar mit Hilfe der Modulaxiome von M .
Es bleibt zu zeigen, dass die κ-Unterräume mit den A-Untermoduln von Fk zusammenfallen.
Weil die Addition bezüglich beider Strukturen dieselbe ist, genügt es zu zeigen: Eine Teilmenge
U ⊆ Fk ist genau dann abgeschlossen unter skalarer Multiplikation mit A, wenn sie abgeschlossen
unter skalarer Multiplikation mit κ ist. Weil die A-Modulstruktur auf dem Faktormodul Fk durch
am̄ = am für alle a ∈ A und alle m̄ ∈ Fk mit Repräsentant m ∈ M gegeben ist, ist das aber
offensichtlich.
zu (ii)
Ist M noethersch oder artinsch, dann gilt nach Satz 4.4.15 dasselbe für die Faktormo-
duln Fk . Weil κ-Untervektorräume und A-Untermoduln von Fk zusammenfallen, ist Fk auch
noethersch oder artinsch als κ-Vektorraum. Wie wir in Lemma 4.4.19 gesehen haben, sind beide
Eigenschaften für Vektorräume äquivalent zu dimκ Fk < ∞. Satz 4.4.13 liefert nun
ℓA (M )
=
n−1
X
k=0
ℓA (Fk )
=
n−1
X
k=0
ℓκ (Fk )
=
n−1
X
dimκ Fk
,
k=0
wobei das vorletzte „=“ erneut dadurch zustande kommt, dass Untermoduln und Unterräume
von Fk übereinstimmen.
77
4.5 Nulldimensionale Ringe
Definition 4.5.1 Ein Ring heißt semilokal, wenn er nur endlich viele maximale Ideale besitzt.
Lemma 4.5.2 Sei R ein semilokaler Ring und m1 , ..., mr seine maximalen Ideale. Das Ideal a =
Qr
i=1 mi sei nilpotent. Dann sind äquivalent
(i) R ist noethersch
(ii) R ist artinsch
Beweis: Sei p ∈ N mit ap = (0). Wir definieren die Faktormoduln
Mk
=
k−1
Y
mpi
i=1
!
/
k
Y
mpi
i=1
!
für 1 ≤ k ≤ r.
Dann gilt mpk Mk = 0 für alle k, und die Moduln M1 , ..., Mr sind die Faktoren der absteigenden
Kette
(1) ⊇ mp1 ⊇ mp1 mp2 ⊇ ... ⊇
r
Y
mpi = ap = (0).
i=1
„(i) ⇒ (ii)“ Ist R noethersch, dann gilt dasselbe nach Satz 4.4.15 für die Faktormoduln Mk . Durch
Anwendung von Satz 4.4.20 erhalten wir ℓA (Mk ) < ∞ für alle k. Nach Proposition 4.4.18 ist
jedes Mk damit auch artinsch, und damit auch der Ring R. Der Schluss „(ii) ⇒ (i)“ verläuft völlig
analog.
Proposition 4.5.3 Sei R 6= 0 ein noetherscher Ring und a ⊆ R ein Ideal. Dann gibt es Primideale
p1 , ..., pr in R mit a ⊇ p1 · · · pr .
Beweis: Sei S die Menge der Ideale in R, die kein Produkt von Primidealen enthalten. Wir nehmen
an, dass S =
6 ∅ ist. Sei T ⊆ S eine bezüglich Inklusion totalgeordnete Teilmenge. Dann gibt es in T
ein maximales Element. Wäre dies nicht der Fall, dann könnte in T eine unendliche aufsteigende
Kette gebildet werden, im Widerspruch zur Annahme, dass R noethersch ist. Wir können nun
das Zornsche Lemma anwenden und erhalten in S ein maximales Element a.
Das Ideal a ist ungleich (1), denn das würde bedeuten, dass kein Ideal in R ein Produkt von Primidealen enthält. Insbesondere gäbe es keine Primideale in R, was wegen R 6= 0 aber unmöglich
ist. Andererseits ist a wegen a ∈ S auch kein Primideal. Wir finden also Elemente b1 , b2 ∈ R mit
b1 b2 ∈ a und bi ∈
/ a für i = 1, 2. Die Ideale a1 = a + (b1 ) und a2 = a + (b2 ) sind dann echt größer
als a, es gilt aber a1 a2 ⊆ a. Auf Grund der Maximalität von a in S gibt es Primideale pi und qj mit
a1 ⊇ p1 · · · pr und a2 ⊇ q1 · · · qs . Es folgt
p1 · · · pr q1 · · · qs ⊆ a1 a2 ⊆ a
im Widerspruch zu a ∈ S. Also muss S = ∅ sein.
Folgerung 4.5.4 Ist R noethersch, dann gibt es nur endlich viele minimale Primideale in R.
78
Beweis: Nach Proposition 4.5.3 gibt es Primideale p1 , ..., pr mit
Qr
i=1
pi = (0). Sei nun q ein belie-
biges minimales Primideal. Dann gilt p1 ...pr ⊆ (0) ⊆ q. Auf Grund der Primidealeigenschaft von
q folgt pi ⊆ q für ein i. Weil q minimal ist, gilt sogar pi = q. Also sind alle minimalen Primideale
in der endlichen Menge {p1 , ..., pr } enthalten.
Lemma 4.5.5 Sei R ein Ring und a ein endlich erzeugtes Ideal, das nur nilpotente Elemente
enthält. Dann ist a nilpotent, d.h. es gibt ein p ∈ N mit ap = (0).
Beweis: Sei a1 , ..., ar ein Erzeugendensystem und m ∈ N mit am
= 0 für 1 ≤ i ≤ r. Ist nun
Pir
a ∈ a ein beliebiges Element, dann gibt es s1 , ..., sr ∈ R mit a = i=1 si ai . Multipliziert man den
Ausdruck
r
X
si ai
i=1
!rm
aus, dann ist jeder Summand Vielfaches von einem Monom vom Grad rm in den Elementen
a1 , ..., ar . Eines der ai kommt in diesem Produkt mindestens m-fach vor. Wegen am
i = 0 ist der
Summand gleich Null. Somit ist arm = 0, und die Behauptung ist für p = rm erfüllt.
Lemma 4.5.6 Artinsche Ringe sind nulldimensional.
Beweis: Sei R artinsch und p ⊆ R ein Primideal. Sei x ∈ R \ p beliebig. Weil R ein artinscher Ring
und (x) ⊇ (x2 ) ⊇ ... eine absteigende Kette in R ist, gibt es ein n ∈ N mit (xn ) = (xn+1 ). Es gilt
also xn = xn+1 y für ein y ∈ R. Insbesondere gilt die Gleichung x̄n = x̄n+1 ȳ im Restklassenring
R/p, wobei x̄, ȳ ∈ R/p die Bilder von x, y ∈ R bezeichnen. Weil R/p ein Integritätsbereich ist,
können wir die Kürzungsregel anwenden und erhalten x̄ȳ = 1. Wir haben damit gezeigt, dass
jedes Element ungleich Null in R/p ein invertierbar ist. Damit ist R/p Körper und p ein maximales
Ideal. Ein Ring, in dem jedes Primideal maximal ist, ist nach Definition ein nulldimensionaler
Ring.
Lemma 4.5.7 Ist R artinsch, dann gibt es nur endlich viele Primideale in R.
Beweis: Wegen dim R = 0 ist jedes Primideal maximal. Es genügt also zu zeigen, dass der Ring
R semilokal ist. Angenommen, es gibt eine unendliche Folge m1 , m2 , ... von verschiedenen maximalen Idealen. Für alle r ∈ N gilt dann
m1 ∩ ... ∩ mr
)
m1 ∩ ... ∩ mr ∩ mr+1 .
Qr
Denn im Falle der Gleichheit wäre m1 ∩ ... ∩ mr ⊆ mr+1 , insbesondere i=1 mi ⊆ mr+1 . Auf
Grund der Primidealeigenschaft gibt es ein i mit mi ⊆ mr+1 . Weil die Ideale alle maximal sind,
folgt mi = mr+1 im Widerspruch zur Voraussetzung, dass die Ideale mi alle verschieden sind. Wir
haben somit eine unendliche absteigende Idealkette in R konstruiert. Weil aber R ein artinscher
Ring ist, kann es eine solche Kette nicht geben.
Lemma 4.5.8 Ist R ein artinscher Ring, dann ist das Nilradikal n von R nilpotent.
Beweis: Weil R artinsch ist, gibt es ein p ∈ N mit np = np+1 . Angenommen, das Ideal b = np ist
ungleich Null. Dann finden wir ein Ideal c mit bc 6= (0), und weil R artinsch ist, kann c minimal mit
79
dieser Eigenschaft gewählt werden. Sei c ∈ c ein Element mit cb 6= (0). Auf Grund der Minimalität
von c gilt dann c = (c).
Wegen np = np+1 gilt b2 = b und somit auch
b(bc)
=
6= (0).
bc
Wiederum auf Grund der Minimalität von c folgt bc = c, also cb = (c), d.h. es gibt ein b ∈
b mit bc = c. Durch vollständige Induktion erhalten wir bn c = c für alle n ∈ N. Weil b nach
Voraussetzung im Nilradikal von R gibt, gibt es ein p ∈ N mit bp = 0. Es gilt somit c = bp c = 0 im
Widerspruch zu unserer früheren Feststellung cb = (0). Also war die Annahme np 6= (0) falsch,
und das Ideal n ist nilpotent.
Satz 4.5.9 Für einen Ring R sind äquivalent:
(i) R ist noethersch und dim R = 0
(ii) R ist artinsch
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Ein noetherscher Ring R besitzt nur endlich viele minimale Primideale
p1 , ..., pr . Wegen dim R = 0 sind diese Primideale auch maximal, d.h. {p1 , ..., pr } ist die gesamte Primidealmenge unseres Rings. Für n = nil(R) gilt
n
=
r
\
pi
i=1
Qr
nach Satz 1.4.7 angewendet auf das Nullideal. Setzen wir a = i=1 pi , dann ist a ⊆ n. Weil
das Ideal a als Teilmenge von n nur nilpotente Elemente enthält und endlich erzeugt ist, ist a
nach Lemma 4.5.5 nilpotent. Damit sind die Voraussetzungen von Lemma 4.5.2 erfüllt, und R ist
artinsch.
„(ii) ⇒ (i)“ Wir haben bereits gezeigt, dass dim R = 0 ist und dass R nur endlich viele Primideale
p1 , ..., pr enthält. Ebenso wissen wir bereits, das n = nil(R) = p1 ∩ ... ∩ pr nilpotent ist. Es gibt also
Qr
ein p ∈ N mit np = (0). Für das in n liegende Ideal a = i=1 pi gilt dann erst recht ap = (0). Wir
können also Lemma 4.5.2 anwenden, und demnach ist der Ring R noethersch.
Definition 4.5.10 Zwei Ideale a, b in einem Ring R werden als teilerfremd oder koprim bezeichnet,
wenn a + b = (1) gilt.
Lemma 4.5.11 Sei R ein Ring mit Idealen a, b, c und a1 , ..., ar .
(i) Sind a, b beide teilerfremd zu c, dann ist auch ab teilerfremd zu c.
Qr
(ii) Sind die Ideale a1 , ..., ar teilerfremd zu c, dann ist das Produkt i=1 ai teilerfremd zu c.
(iii) Sind a und b teilerfremd, dann gilt a ∩ b = ab.
(iv) Sind a1 , ..., ar paarweise teilerfremd, dann gilt
Qr
i=1
ai =
Tr
i=1
ai .
Beweis: zu (i) Nach Voraussetzung gilt a + c = b + c = (1). Daraus folgt
(1) = (1)2 = (a + c)(b + c) = ab + ac + bc + c2 ⊆ ab + c
also ab + c = (1), d.h. ab und c sind teilerfremd.
80
zu (ii)
Der Beweis erfolgt durch vollständige Induktion über r ∈ N. Für r = 1 ist nichts zu
zeigen, und r = 2 ist durch (i) bereits erledigt. Seien nun die Ideale a1 , ..., ar+1 teilerfremd zu c.
Qr
Nach Induktionsvoraussetzung ist b = i=1 ai teilerfremd zu c. Anwendung des Falls n = 2 auf
b und ar+1 liefert die Teilerfremdheit von bar+1 und c.
zu (iii)
Wegen ab ⊆ a und ab ⊆ b gilt jedenfalls ab ⊆ a ∩ b. Zum Beweis der umgekehrten
Inklusion verwenden die Teilerfremdheit von a und b und erhalten Elemente a ∈ a, b ∈ b mit
a + b = 1. Ist nun x ∈ a ∩ b, dann gilt x = x · 1 = x(a + b) = xa + xb. Da xa und xb in ab liegen, ist
auch x somit in ab enthalten.
zu (iv) Wiederum zeigen wir die Aussage durch vollständige Induktion über r, wobei der Fall
r = 1 trivial und r = 2 bereits in Teil (iii) behandelt wurde. Nach Induktionsvoraussetzung gilt
Tr
Qr
i=1 ai mit b =
i=1 ai . Nach (ii) ist b teilerfremd zu ar+1 . Es folgt
b=
r+1
Y
i=1
ai = bar+1 = b ∩ ar+1 =
r
\
ai
i=1
!
∩ ar+1 =
r+1
\
ai .
i=1
Satz 4.5.12 (Chinesischer Restsatz)
Sei R ein Ring mit paarweise teilerfremden Idealen a1 , ..., ar und a =
φ : R −→
r
Y
R/ai
,
i=1
Qr
i=1
ai . Dann induziert
x 7→ (x mod a1 , ..., x mod ar )
Qr
einen Isomorphismus R/a ∼
= i=1 R/ai von Ringen.
Beweis: Der Kern von φ ist durch
Tr
i=1
ai = a gegeben. Die Aussage des Satzes folgt aus dem
Homomorphiesatz für Ringe, sobald wir gezeigt haben, dass φ surjektiv ist. Im Fall r = 1 ist die
Aussage trivial. Sei nun r = 2 und ein Paar (x1 mod a1 , x2 mod a2 ) in R/a1 × R/a2 vorgegeben.
Weil a1 und a2 teilerfremd sind, finden wir Elemente a1 ∈ a1 , a2 ∈ a2 mit a1 + a2 = 1. Sei nun
x
=
x1 a2 + x2 a1 .
Dann gilt a2 = 1 − a1 ≡ 1 mod a1 , ebenso a1 ≡ 1 mod a2 und somit x ≡ xi mod ai für i = 1, 2.
Also ist φ(x) = (x1 mod a1 , x2 mod a2 ), d.h. wir haben Urbild für unser Element in R/a1 × R/a2
gefunden.
Sei nun r ≥ 3 und ein Tupel (x1 mod a1 , ..., xr mod ar ) vorgegeben. Auf Grund des bereits bewie-
senen Falls r = 2 finden wir für jedes i ∈ {1, ..., r} ein yi ∈ R mit yi ≡ 1 mod ai und yi ≡ 0 mod bi ,
Pr
Q
wobei bi = j6=i aj ist. Setzen wir x = i=1 xi yi , dann gilt x ≡ xi mod ai für 1 ≤ i ≤ r, also wird
x von φ auf unser vorgegebenes Tupel abgebildet.
Satz 4.5.13 (Struktursatz für Artinsche Ringe
Jeder artinsche Ring ist isomorph zu einem endlichen direkten Produkt von lokalen artinschen
Ringen.
Beweis: Sei R ein artinscher Ring. Dann besitzt R, wie wir bereits gesehen haben, nur eine endliche Anzahl von Primidealen m1 , ..., mr , und auf Grund der Nulldimensionalität sind dies genau
81
die maximalen Ideale von R. Sei a =
Qr
i=1
mi und n = nil(R) =
Tr
i=1
mi . Dann ist a in n ent-
halten, besteht also nur aus nilpotenten Elementen. Weil a als Ideal in einem noetherschen Ring
außerdem endlich erzeugt ist, gibt es nach Lemma 4.5.5 ein p ∈ N mit ap = (0).
Auf Grund der Maximalität sind die Ideale mi paarweise teilerfremd. Nach Lemma 4.5.11 sind
dann auch die Ideale mpi paarweise teilerfremd. Der Chinesische Restsatz liefert nun
R = R/(0) = R/ap ∼
=
r
Y
R/mpi .
i=1
Weil mi das einzige maximale Ideal in R ist, das mpi enthält (für j 6= i sind mj und mpi teilerfremd),
folgt aus dem Isomorphiesatz für Ringe, dass R/mpi für jedes i ein lokaler Ring ist. Als Faktorring
von R erfüllt auch R/mpi die Bedingung für absteigende Folgen, d.h. R/mpi ist auch ein artinscher
Ring.
4.6 Der Krullsche Höhensatz
Lemma 4.6.1 Sei R ein Ring, a ⊆ R ein Ideal und M ein endlich erzeugter R-Modul. Es gelte
aM = M . Dann gibt es ein a ∈ a mit (1 − a)M = {0}.
Beweis: Wir wenden Lemma 3.4.10 auf den Homomorphismus φ = idM an und erhalten Elemente
Pn−1
a0 , ..., an−1 ∈ a mit φn + i=0
ai φi = 0. Wegen φk = idM für alle k ∈ N0 folgt
!
n−1
X
ai idM = 0.
idM +
i=0
Also ist a = −
Pn−1
i=0
ai ein Element mit (1 − a)M = {0}.
Satz 4.6.2 (Nakayama-Lemma)
Sei R ein lokaler Ring, m sein maximales Ideal, M ein endlich erzeugter R-Modul und N ⊆ M ein
Untermodul mit N + mM = M . Dann folgt N = M .
Beweis: Zunächst betrachten wir den Fall mM = M . Auf Grund des Lemmas finden wir ein
a ∈ m mit (1 − a)M = {0}. Weil 1 − a nicht in m enthalten ist, handelt es sich um eine Einheit.
Denn andernfalls läge 1 − a in einem echten Ideal a von R, das wiederum Teilmenge des einzigen
maximalen Ideals m ist. Wir erhalten nun
M
=
(1 − a)−1 (1 − a)M
=
(1 − a)−1 {0}
=
{0}.
Sei nun N +mM = M . Definieren wir M̄ = M/N , dann bedeutet dies mM̄ = M̄ , und dies hat, wie
wir gerade gesehen haben, M̄ = 0 zur Folge. Dies wiederum ist gleichbedeutend mit N = M .
Definition 4.6.3 Sei R ein Ring und p ein Primideal. Dann ist die Höhe von p definiert durch
ht(p)
=
sup{ℓ ∈ N0 | ∃ eine Primidealkette p0 ( ... ( pℓ der Länge ℓ mit pℓ ⊆ p}.
Auch ∞ ist als Wert möglich. Ist a ein beliebiges echtes Ideal, dann setzen wir
ht(a)
=
inf{ht(p) | p Primideal, p ⊇ a}.
82
Ist a das Einheitsideal, dann definieren wir ht(a) = ∞.
Bemerkung 4.6.4 Für jedes Primideal p in einem Ring R gilt ht(p) = dim Rp , denn die in p liegenden Primidealketten von R entsprechen 1-zu-1 den Primidealketten von Rp . Ist insbesondere
R ein lokaler Ring und m sein maximales Ideal, dann gilt ht(m) = dim R.
Definition 4.6.5 Sei a ein echtes Ideal in einem Ring R. Ein Primideal p von R heißt minimales
Primoberideal von a, wenn p ⊇ a gilt und kein Primideal q mit q ⊇ a und q ( p existiert.
Satz 4.6.6 Sei R ein Ring, a ein echtes Ideal und p ein Primideal mit p ⊇ a. Dann gibt es ein
minimales Primoberideal s von a mit s ⊆ p.
Beweis: Wir beweisen die Aussage mit Hilfe des Zornschen Lemmas. Sei S die Menge der Primideale q mit a ⊆ q ⊆ p. Wegen p ∈ S ist S nichtleer; außerdem ist S bezüglich der Relation „⊇“
halbgeordnet. Sei nun {qi }i∈I eine totalgeordnete Familie von Elementen in S. Wir zeigen, dass
\
q =
qi
i∈I
eine in S liegende obere Schranke von {qi }i∈I ist. Zunächst gilt offenbar a ⊆ q ⊆ p. Es bleibt zu
zeigen, dass q ein Primideal ist. Wegen q ⊆ p ist q zunächst nicht das Einheitsideal. Seien nun
a, b ∈ R mit ab ∈ q gegeben. Angenommen, es gilt a, b ∈
/ q. Dann gibt es i, j ∈ I mit a ∈
/ qi und
b∈
/ qj . Da die Familie totalgeordnet ist, können wir qi ⊆ qj annehmen. Dann gilt a, b ∈
/ qi , obwohl
ab in q ⊆ qi enthalten ist. Dies widerspricht der Primidealeigenschaft von qi . Also ist q ∈ S
tatsächlich eine obere Schranke für {qi }i∈I , und das Zornsche Lemma liefert uns ein maximales
Element s in S. Auf Grund der Maximalität ist dies ein minimales Primoberideal von a.
Satz 4.6.7 (Krullsches Hauptideallemma)
Sei R ein noetherscher Ring, x ∈ R \ R× und p ein minimales Primoberideal des Hauptideals (x).
Dann gilt ht(p) ≤ 1.
Beweis:
1. Schritt: Rückführung der Aussage auf eine lokale Situation
Auf Grund der bijektiven Korrespondenz zwischen in p liegenden Primidealen von R und den
Primidealen in der Lokalisierung Rp ist m = pRp ein minimales Primoberideal von (x)Rp . Wir
können also von nun an voraussetzen, dass R ein lokaler Ring ist, bezeichnen sein maximales
Ideal mit m und brauchen wegen ht(m) = dim R nur dim R ≤ 1 zu zeigen.
2. Schritt: ersetze R durch einen Integritätsbereich
Angenommen, es gilt dim R ≥ 2. Dann gibt es in R eine Primidealkette q ( p ( m. Das Bild m̄
von m in R̄ = R/q ist minimal mit der Eigenschaft m̄ ⊇ (x̄) mit x̄ = x mod q. Indem wir R durch
R̄ ersetzen, können wir also annehmen, dass R ein Integritätsbereich mit einer Primidealkette
(0) ( p ( m ist. Wir müssen dies zum Widerspruch führen mit der Tatsache, dass m minimales
Primoberideal eines Hauptideals (x) ist.
3. Schritt: verwende die Nulldimensionalität des Faktorrings R̄ = R/(x)
Weil m minimales Primoberideal von (x) ist, besitzt der Ring R̄ das Bild m̄ von m als einziges
83
Primideal. Es gilt also dim R̄ = 0. Weil R̄ außerdem noetherscher ist, handelt es sich bei R̄ auf
Grund der Ergebnisse aus dem vorherigen Abschnitt um einen artinschen Ring. Wir betrachten
nun die Primidealkette mit den Elementen
pn Rp ∩ R.
=
pn
Die Kette der Bildideale p̄1 ⊇ p̄2 ⊇ ... in R̄ wird stationär, es gibt also ein n ∈ N mit p̄n = p̄n+1
und somit pn ⊆ pn+1 + (x). Wir beweisen nun die Gleichung
=
pn
pn+1 + xpn .
Die Inklusion „⊇“ ist offensichtlich. Sei nun t ∈ pn vorgegeben. Dann gibt es Elemente w ∈ pn+1
und z ∈ R mit t = w + xz. Es folgt xz ∈ pn = pn Rp ∩ R. Weil m nach Voraussetzung ein minimales
Primoberideal von (x) ist, gilt x ∈
/ p. Wir erhalten also
z
=
xz
x
=
1
(xz)
x
∈
pn Rp ∩ R = pn
und somit t ∈ pn+1 + xpn . Damit ist die Gleichung bewiesen. Es gilt dann auch pn = pn+1 + mpn ,
und das Nakayama-Lemma liefert uns pn = pn+1 . Es folgt
pn Rp = pn Rp = pn+1 Rp = pn+1 Rp .
Durch eine erneute Anwendung des Nakayama-Lemmas auf den Modul pn Rp und das maximale
Ideal pRp erhalten wir pn Rp = (0), also auch pn = (0). Aber dies ist unmöglich, weil p 6= (0) ist
und es sich bei R nach Voraussetzung um einen Integritätsbereich handelt.
Lemma 4.6.8 Sei R ein noetherscher Ring, q ⊆ R ein Primideal, x ∈ q und p0 ( ... ( pℓ eine
Primidealkette der Länge ℓ ≥ 1 in R mit pℓ ⊆ q. Dann gibt es auch eine Primidealkette
p′0 ( ... ( p′ℓ−1
mit x ∈ p′0
und
p′ℓ−1 ⊆ q.
Beweis: Wir beweisen die Aussage durch vollständige Induktion über ℓ. Im Fall ℓ = 1 brauchen
wir nur p′0 = q zu setzen. Sei nun ℓ > 1, und nehmen wir zunächst an, dass x ∈ pℓ−1 gilt. Wenden
wir die Induktionsvoraussetzung auf das Primideal pℓ−1 und die Kette p0 ( ... ( pℓ−1 an, dann
erhalten wir eine Kette
p′0 ( ... ( p′ℓ−2
mit
x0 ∈ p′0
und
p′ℓ−2 ⊆ pℓ−1 .
Setzen wir nun p′ℓ−1 = pℓ , dann hat die neue Primidealkette alle gewünschten Eigenschaften. Wir
können also von nun an x ∈
/ pℓ−1 voraussetzen.
Wegen (x) + pℓ−2 ⊆ q finden wir ein minimales Primoberideal s von (x) + pℓ−2 mit s ⊆ q, und
wegen x ∈
/ pℓ−2 erhalten wir eine Primidealkette
p0 ( ... ( pℓ−2 ( s
der Länge ℓ − 1. Anwendung der Induktionsvoraussetzung auf diese Kette und das Primideal s
liefert uns eine neue Kette
p′0 ( ... ( p′ℓ−2
mit x0 ∈ p′0
84
und
p′ℓ−2 ⊆ s.
Außerdem gilt s ( q. Denn wäre s = q, dann würden wir in R̄ = R/pℓ−2 eine Primidealkette
(0) ( p̄ℓ−1 ( s̄ erhalten, wobei p̄ℓ−1 und s̄ die Bildideale von pℓ−1 und s in R̄ bezeichnen. Weil
aber s̄ ein minimales Primoberideal von (x̄) ist, widerspricht die Existenz einer solchen Kette dem
Krullschen Hauptideallemma. Wir können also p′ℓ−1 = q setzen und erhalten so eine Primidealkette der Länge ℓ − 1 mit den gewünschten Eigenschaften.
Satz 4.6.9 (Krullscher Höhensatz)
Sei R ein noetherscher Ring und a = (x1 , ..., xr ) ein echtes Ideal, das von r Elementen erzeugt
wird. Dann gilt ht(p) ≤ r für alle minimalen Primoberideale p ⊇ a (und somit nach Definition
auch ht(a) ≤ r).
Beweis: Wir beweisen die Aussage durch vollständige Induktion über r. Für r = 1 folgt die Aussage aus dem Krullschen Hauptideallemma. Sei nun r > 1 und p0 ( ... ( pℓ eine Primidealkette
der Länge ℓ mit pℓ ⊆ p. Zu zeigen ist ℓ ≤ r, wobei wir ℓ ≥ 1 voraussetzen können (sonst ist die
Abschätzung bereits erfüllt).
Auf Grund des Lemmas existiert eine Primidealkette p′0 ( ... ( p′ℓ−1 der Länge ℓ − 1 mit xr ∈ p′0
und p′ℓ−1 ⊆ p. Sei nun R̄ = R/(xr ). Mit ā, p̄′i und p̄ bezeichnen wir die Bildideale von a, p′i , p in R̄.
Nach dem Isomorphiesatz für Ringe erhalten wir auf diese Weise eine Primidealkette
p̄′0 ( ... ( p̄′ℓ−1
(4.6)
der Länge ℓ − 1 in R̄ mit p̄′ℓ−1 ( p̄. Weil p ein minimales Primoberideal von a ist, handelt es sich bei
p̄ um ein minimales Primoberideal von ā. Ferner gilt ht(p̄) ≤ r − 1 nach Induktionsvoraussetzung,
wir können also die Länge der Primidealkette (4.6) durch ℓ − 1 ≤ r − 1 abschätzen, und es folgt
ℓ ≤ r wie gewünscht.
Wir diskutieren nun eine Reihe von geometrischen Anwendung des Krullschen Höhensatzes.
Definition 4.6.10 Sei X ein noetherscher Raum und Z ⊆ X eine irreduzible, abgeschlossene
Teilmenge. Dann ist die Kodimension von Z in X definiert durch
codimX (Z)
=
sup{ ℓ ∈ N0 | ∃ eine irreduzible Kette X0 ( ... ( Xℓ der Länge ℓ mit Z ⊆ X0 }.
Es ist auch der Wert codimX (Z) = ∞ möglich. Ist Z eine beliebige nichtleere, abgeschlossene
Teilmenge und sind Z1 , ..., Zr die irreduziblen Komponenten von Z, dann setzt man
codimX (Z)
=
min{ codimX (Zi ) | 1 ≤ i ≤ r}.
Proposition 4.6.11 Ist X ⊆ AnK eine algebraische Teilmenge und Y ⊆ X nichtleer und abge-
schlossen, dann gilt
dim(Y ) + codimX (Y )
≤
dim(X).
Ist X irreduzibel (also eine affine Varietät), dann gilt sogar Gleichheit.
Beweis: Sei zunächst Y irreduzibel. Sei Y = X0 ( ... ( Xℓ ⊆ X eine irreduzible Kette in X mit
ℓ = codimX (Y ). Dann gilt Xℓ = X̃, wobei X̃ eine irreduzible Komponente von X bezeichnet.
85
Ferner sei Y0 ( ... ( Ym = Y eine maximale irreduzible Kette in Y . Dann gilt m = dim(Y ). Nach
Definition der Kodimension ist
Y0 ( ... ( Ym = Z = X0 ( ... ( Xℓ
eine maximale irreduzible Kette in X̃. Es folgt
dim(Y ) + codimX (Y ) = m + ℓ = dim(X̃) ≤ dim(X).
Ist X selbst irreduzibel, dann gilt X = X̃, und wir können in der Ungleichung „≤“ durch „=“
ersetzen. Ist Y reduzibel, dann wählen wir eine irreduzible Komponente Ỹ mit dim(Y ) = dim(Ỹ )
und erhalten
dim(Y ) + codimX (Y ) ≤ dim(Ỹ ) + codimX (Ỹ ) ≤ dim(X).
Ist X irreduzibel, dann gilt dim(Yi ) + codimX (Yi ) = dim(X) für alle irreduziblen Komponenten
Yi von Y . Die Dimension dim(Yi ) ist also genau dann maximal, wenn codimX (Yi ) minimal ist. Ist
Ỹ also irreduzibel mit dim(Ỹ ) = dim(Y ), dann folgt codimX (Y ) = codimX (Ỹ ), und es gilt auch
in diesem Fall dim(Y ) + codimX (Y ) = dim(X).
Satz 4.6.12 Sei X eine affine Varietät, f1 , ..., fr ∈ O(X) reguläre Funktionen auf X und V =
ZX (f1 , ..., fr ) die Nullstellenmenge dieser Funktionen. Dann gilt codimX (Z) ≤ r für jede irreduzible Komponente Z von V , insbesondere
codimX (V )
≤
r.
Beweis: Die Verschwindungsideale der irreduziblen Komponenten Zi sind nach dem Hilbertschen Nullstellensatz genau die minimalen Primoberideale pi des Ideals p = (f1 , ..., fr ). Nach
dem Krullschen Höhensatz gilt ht(p) ≤ r. Jede Primidealkette
q0 ( ... ( pℓ
mit
pℓ ⊆ p
hat also Länge ℓ ≤ r. Also hat auch jede irreduzible Kette Xℓ ( ... ( X0 mit Z ⊆ Xℓ Länge ℓ ≤ r.
Dies beweist codimX (Z) ≤ r. Die zweite Aussage ergibt sich aus der Definition der Kodimension
für reduzible Teilmengen.
Folgerung 4.6.13 Sei X eine affine Varietät und V ⊆ X die Nullstellenmenge einer r-elementigen
Menge f1 , ..., fr regulärer Funktionen auf X. Dann gilt dim(Z) ≥ dim(X) − r für jede irreduzible
Komponente Z von V , insbesondere dim(V ) ≥ dim(X) − r.
Beweis: Auf Grund des soeben bewiesen Satzes und nach Proposition 4.6.11 gilt
dim(Z)
=
dim(X) − codimX (Z)
≥
dim X − r.
Definition 4.6.14 Seien X ⊆ Am und Y ⊆ An algebraische Teilmengen. Dann ist das kartesische
Produkt von X und Y gegeben durch
X ×Y
=
{(p, q) ∈ Am × An | p ∈ X, q ∈ Y }
86
Lemma 4.6.15 Identifiziert man Am × An mit dem Am+n , dann ist X × Y aufgefasst als Teilmenge
von Am+n eine algebraische Teilmenge.
Beweis: Sei R1 = K[x1 , ..., xm ] der Koordinatenring von Am und a ⊆ R1 das Verschwindungs-
ideal von X. Ferner sei b ⊆ R2 = K[z1 , ..., zn ] das Verschwindungsideal der algebraischen Teilmenge Y in An . Dann können wir R = K[x1 , ..., xm , z1 , ..., zn ] als Koordinatenring von Am+n
auffassen. Wir zeigen nun, dass
X ×Y
=
erfüllt ist.
ZAm+n (a ∪ b)
„⊆“ Sei (p, q) ∈ X × Y . Für jedes f ∈ a gilt dann f (p, q) = f (p) = 0, wobei wir verwendet
haben, dass f als Polynom in R1 nur von p abhängt. Für jedes g ∈ b erhält man entsprechend
g(p, q) = g(q) = 0. Damit ist (p, q) ∈ ZAm+n (a ∪ b) gezeigt.
„⊇“
Sei (p, q) ∈ ZAm+n (a ∪ b). Für alle f ∈ a gilt dann f (p) = f (p, q) = 0, also liegt p in X.
Ebenso gilt g(q) = g(p, q) = 0 für alle g ∈ b, somit ist q in Y enthalten. Insgesamt erhalten wir
(p, q) ∈ X × Y .
Wir behalten die Bezeichnungen R1 , R2 , R aus dem letzten Beweis für die Koordinatenringe von
Am , An und Am+n bei, ebenso die Bezeichnungen a, b für die Verschwindungsideale. Mit c bezeichnen wir das Verschwindungsideal von X × Y .
Lemma 4.6.16 Seien X ⊆ Am und Y ⊆ An nichtleere algebraische Teilmengen.
(i) Sind X und Y irreduzibel, dann gilt dasselbe für X × Y .
(ii) Sind X1 , ..., Xr die irreduziblen Komponenten von X und Y1 , ..., Ys die irreduziblen Komponenten von Y , dann sind
Xi × Yj
1≤i≤r
,
1≤j≤s
die irreduziblen Komponenten von X × Y .
Beweis: zu (i) Angenommen, die Menge X × Y ist nicht irreduzibel. Dann ist das Verschwindungsideal JR (X × Y ) in R = K[x1 , ..., xm , z1 , ..., zn ] nicht prim, andererseits wegen X × Y 6= ∅
auch nicht das Einheitsideal. Es gibt also f, g ∈ R mit f, g ∈
/ JR (X × Y ) und f g ∈ JR (X × Y ). Es
gibt also Paare (p1 , q1 ) und (p2 , q2 ) in X × Y mit f (p1 , q1 ) 6= 0 und f (p2 , q2 ) 6= 0.
Die Funktion f˜ auf Y gegeben durch f˜(q) = f (p1 , q) für alle q ∈ Y verschwindet nicht identisch
auf Y wegen f˜(q1 ) 6= 0. Dasselbe gilt für g̃ : Y → K mit g̃(q) = g(p2 , q). Die Mengen
{q ∈ Y | f˜(q) 6= 0}
und
{q ∈ Y | g̃(q) 6= 0}
sind also nichtleer und offen. Wenn Y irreduzibel ist, dann sind sie auch dicht, und es gibt einen
Punkt q0 im Durchschnitt. Es gilt also f (p1 , q0 ) 6= 0 und g(p2 , q0 ) 6= 0.
Nun betrachten wir die Funktionen f ′ : X → K und g ′ : X → K gegeben durch f ′ (p) = f (p, q0 )
und g ′ (p) = g(p, q0 ). Wegen f ′ (p1 ) 6= 0 und g ′ (p2 ) 6= 0 liegen f ′ und g ′ beide nicht in J(X),
aber f ′ g ′ ist wegen f (p, q0 )g(p, q0 ) = 0 für alle p ∈ X in J(X) enthalten. Dies widerspricht der
Primidealeigenschaft von J(X) und damit der Irreduzibilität von X.
87
zu (ii) Offensichtlich ist X × Y die Vereinigung aller Teilmengen der Form Xi × Yj für 1 ≤ i ≤ r
und 1 ≤ j ≤ s. Nach Teil (i) sind alle Teilmengen dieser Form irreduzibel. Gilt Xi × Yj ⊆ Xi′ × Yj ′
für zwei Paare (i, j) und (i′ , j ′ ), dann folgt Xi ⊆ Xi′ und Yj ⊆ Yj ′ und damit i = i′ , j = j ′ nach
Definition der irreduziblen Komponenten.
Proposition 4.6.17 Seien X ⊆ Am und Y ⊆ An affine Varietäten.
(i) Die Abbildungen
π1 : X × Y → X
,
(p, q) 7→ p
π2 : X × Y → Y
,
(p, q) 7→ q
sind Morphismen, die zugehörigen Ringhomomorphismen sind gegeben durch
π1∗ : R1 /a −→ R/c ,
f mod a 7→ f mod c
π2∗ : R2 /b −→ R/c ,
f mod b 7→ f mod c
(ii) Die Abbildung φ : X → X × X, p 7→ (p, p) ist ein Morphismus, der zugehörige Ringhomomorphismus ist gegeben durch
φ∗ R/c −→ R1 /a ,
xi mod c 7→ xi mod a
,
zi mod c 7→ xi mod a für
1 ≤ i ≤ n.
Beweis: zu (i) Wir beschränken uns darauf, die Aussagen für die Abbildung π1 zu beweisen.
Zunächst stellen wir fest, dass die Abbildung R1 /a → R/c, f mod a 7→ f mod c wohldefiniert ist.
Liegt nämlich f in a, dann gilt f (p) = 0 für alle p ∈ X, damit auch f (p, q) = f (p) = 0 für alle
(p, q) ∈ X × Y . Also ist f im Verschwindungsideal c enthalten. Für f ∈ R1 und (p, q) ∈ X × Y gilt
π1∗ (f )(p, q)
=
f (π1 (p, q)) = f (p) ,
also gilt tatsächlich π1∗ (f mod a) = f mod c.
zu (ii) Zunächst zeigen wir, dass der angegebene Ringhomomorphismus ψ : R/c → R1 /a wohldefiniert ist. Sei f ∈ c. Dann wird f abgebildet auf das Polynom g(x) = f (x, x), dass dadurch
entsteht, dass jede Variable zi durch ein xi ersetzt wird. Aus f ∈ c folgt nun f (p, q) = 0 für alle
(p, q) ∈ X ×X. Da auch (p, p) ∈ X ×X liegt, gilt g(p) = f (p, p) = 0 für alle p ∈ X, das Bildpolynom
g = ψ(f ) von f ist also in a enthalten. Die Gleichung ψ = φ∗ folgt aus
φ∗ (f )(p)
=
(f ◦ φ)(p)
=
f (p, p)
=
ψ(f )(p)
,
d.h. die Abbildungen φ∗ (f ) und ψ(f ) stimmen punktweise überein.
′
′
Proposition 4.6.18 Seien X ⊆ Am , X ′ ⊆ Am und Y ⊆ An , Y ′ ⊆ An affine Varietäten und
φ : X → X ′ , ψ : Y → Y ′ Morphismen. Dann ist auch die Abbildung
φ × ψ : X × Y −→ X ′ × Y ′
,
(x, y) 7→ (φ(p), ψ(q))
ein Morphismus.
Beweis: Auf Grund der dominanten Morphismen π1 : X ′ × Y ′ → X ′ und π2 : X ′ × Y ′ → Y ′
können wir O(X ′ ) und O(Y ′ ) als Teilringe von O(X ′ × Y ′ ) auffassen. Alle drei Ringe können
88
wir als Faktorringe von Polynomringen auffassen: Ist O(X ′ ) ein Faktorring von K[x1 , ..., xm′ ]
und O(Y ′ ) ein Faktorring von K[z1 , ..., zn′ ], dann können wir O(X ′ × Y ′ ) als Faktorring von
K[x1 , ..., xm′ , z1 , ..., zn′ ] betrachten. Insbesondere wird O(X ′ × Y ′ ) als K-Algebra von den Teilringen O(X ′ ) und O(Y ′ ) erzeugt. Es genügt also, die Morphismus-Eigenschaft anhand der Elemente
aus O(X ′ ) und O(Y ′ ) zu überprüfen. Für alle f ∈ O(X ′ ) und alle (p, q) ∈ X × Y gilt
(φ × ψ)∗ (f )(p, q) = f ((φ × ψ)(p, q)) = f (φ(p), ψ(q)) = f (φ(p)) = (φ∗ f )(p) ,
ebenso rechnet man (φ ◦ ψ)∗ (g) = ψ ∗ (g) für alle g ∈ O(Y ′ ) nach. Damit haben wir gezeigt, dass
(φ ◦ ψ)∗ (h) für alle h ∈ O(X ′ × Y ′ ) eine reguläre Funktion ist. Weil jede reguläre Funktion auf
einer offenen Teilmenge in X ′ × Y ′ zumindest lokal als Quotient von Elementen aus O(X ′ × Y ′ )
darstellbar ist, haben wir damit die Morphismus-Eigenschaft von φ ◦ ψ nachgewiesen.
Proposition 4.6.19 Sind φ und ψ endlich, dann auch φ × ψ.
Beweis: Weil φ und ψ dominant sind, gilt dasselbe für φ × ψ. Die zugehörige Abbildung (φ × ψ)∗ :
O(X ′ × Y ′ ) → O(X × Y ) ist also injektiv. Zu zeigen bleibt, dass
O(X × Y )|O(X ′ × Y ′ )
(4.7)
eine ganze Ringerweiterung ist. Nach Voraussetzung sind O(X)|O(X ′ ) und O(Y )|O(Y ′ ) ganze
Ringerweiterungen. Außerdem haben wir bereits gesehen, dass O(X), O(Y ) als Teilringe von
O(X×Y ) aufgefasst werden können und den Ring O(X×Y ) erzeugen. Dasselbe gilt entsprechend
für X ′ und Y ′ . Weil jedes f ∈ O(X) ganz über O(X ′ ) ist, ist es erst recht ganz über O(X ′ × Y ′ ).
Ebenso ist jedes g ∈ O(Y ) ganz über O(X ′ × Y ′ ). Da O(X × Y ) von O(X) und O(Y ) erzeugt wird,
ist damit (4.7) eine ganze Ringerweiterung.
Satz 4.6.20 Seien X ⊆ Am und Y ⊆ An algebraische Teilmengen. Dann gilt
dim X × Y
=
dim X + dim Y.
Beweis: Sei r = dim X und s = dim Y . Wegen Lemma 4.6.16 können wir voraussetzen, dass X und
Y irreduzibel sind. Nach dem Noetherschen Normalisierungssatz gibt es endiche Morphismen
φ : X → Ar
und
ψ : Y → As .
Nach Proposition 4.6.19 ist auch φ × ψ : X × Y → Ar × As ∼
= Ar+s ein endlicher Morphismus.
Weil die Ringerweiterung O(X ×Y )|O(Ar+s ) ganz ist, stimmen die Transzendenzgrade der Ringe
überein, und es folgt dim X × Y = r + s.
Lemma 4.6.21 Sei DAn = {(x, x) ∈ An × An | x ∈ An }. Dann ist φ : An → DAn , x 7→ (x, x) ein
Isomorphismus affiner Varietäten.
Beweis:
Wir haben bereits in Proposition 4.6.17 gezeigt, dass φ ein Morphismus ist. Die Um-
kehrabbildung von φ ist offenbar gegeben durch ψ = π1 |DAn , die Einschränkung der Projektionsabbildung auf DAn . Wir überprüfen, dass es sich dabei um einen Morphismus handelt. Für alle
f ∈ O(An ) gilt
ψ ∗ (f )(p, p) = (f ◦ ψ)(p, p) = f (p).
89
Das Verschwindungsideal von DAn im Polynomring
O(An × An )
=
K[x1 , ..., xn , z1 , ..., zn ]
ist gegeben durch b = (x1 − z1 , ..., xn − zn ), und der zu ψ gehörige Ringhomomorphismus ist
auf Grund unserer Rechnung ψ ∗ : O(An ) → O(An × An ), f 7→ f mod b. Insbesondere ist ψ also
ein Morphismus. Wegen ψ ◦ φ = idAn und φ ◦ ψ = idAn ×An sind φ und ψ zueinander inverse
Isomorphismen.
Satz 4.6.22 (Schnittdimensionssatz)
Seien X, Y ⊆ An affine Varietäten mit X ∩ Y 6= ∅. Dann gilt
dim Z
≥
für jede irreduzible Komponente Z von X ∩ Y .
dim X + dim Y − n
Beweis: Sei φ : An → DAn der Isomorphismus aus dem vorherigen Lemma. Da φ insbesondere
ein Homöomorphismus ist, führt er die irreduziblen Komponenten von X × Y in die irreduziblen
Komponenten von
φ(X × Y )
=
(X × Y ) ∩ DAn
über. Die Dimension der Komponenten ändert sich dadurch nicht. Sei nun K[x1 , ..., xn , z1 , ..., zn ]
der Koordinatenring von An ×An . Dann ist (X ×Y )∩DAn die Nullstellenmenge der n Funktionen
fi
=
(xi − zi )|X×Y .
Nach Satz 4.6.13 gilt dim Z ≥ dim(X × Y ) − n für jede irreduzible Komponente Z dieser Nullstel-
lenmenge. Zusammen mit dim(X × Y ) = dim X + dim Y ergibt sich die gewünschte Aussage.
90
§ 5. Regularität
5.1 Reguläre lokale Ringe
Sei R ein noetherscher n-dimensionaler, lokaler Ring und m sein maximales Ideal. Dann besteht
jedes Erzeugendensystem von m aus mindestens n Elementen. Denn nach Definition von Dimension und Höhe gilt ht(m) = dim R = n. Wäre m mit weniger als n Elementen erzeugbar, dann
würde ht(m) = n dem Krullschen Höhensatz widersprechen.
Definition 5.1.1 Ein lokaler Ring R mit maximalem Ideal m wird regulär genannt, wenn er
noethersch ist, endliche Dimension n besitzt und m durch n Elemente erzeugt werden kann.
Beispiel 5.1.2 Ein nulldimensionaler, noetherscher lokaler Ring R ist genau dann regulär, wenn
er ein Körper ist. Denn in diesem Fall besagt die Regularität, dass das maximale m durch null
Elemente erzeugt wird, also m = (0) ist. Dies bedeutet, dass (0) und (1) die einzigen Ideale des
Rings R sind. Also handelt es sich bei R tatsächlich um einen Körper.
Definition 5.1.3 Sei R ein beliebiger Ring. Ein Primideal p von R wird reguläres Primideal genannt,
wenn der lokale Ring Rp regulär ist. Wir bezeichnen R als regulär, wenn alle Primideale von p
regulär sind.
Lemma 5.1.4 Sei R ein lokaler Ring, m ein maximales Ideal und M ein endlich erzeugter RModul. Wir haben gesehen (vgl. Satz 4.4.20), dass der Faktormodul M̄ = M/mM als Vektorraum
über dem Restklassenkörper κ = R/m aufgefasst werden kann. Sei nun m1 , ..., mr ∈ M ein System von Elementen mit der Eigenschaft, dass die Bilder m̄i ∈ M̄ ein Erzeugendensystem von M̄
als κ-Vektorraum bilden. Dann ist m1 , ..., mr ein Erzeugendensystem von M .
Beweis:
Sei N der von m1 , ..., mr erzeugte Untermodul und N̄ das Bild von M̄ . Nach Voraus-
setzung gilt N̄ = M̄ , also mM + N = M . Auf Grund des Nakayama-Lemmas erhalten wir
N = M.
Folgerung 5.1.5 Sei R ein lokaler Ring, m sein maximales Ideal und M ein endlich erzeugter
R-Modul. Seien m1 , ..., mr ∈ M und m̄1 , ..., m̄r die Bilder dieser Elemente in M̄ = M/mM . Unter diesen Voraussetzungen ist m1 , ..., mr genau dann ein minimales Erzeugendensystem von M ,
wenn m̄1 , ..., m̄r eine Basis von M̄ als κ-Vektorraum ist.
Definition 5.1.6 Sei R ein lokaler Ring, R sein maximales Ideal und κ = R/m der Restklassenkörper. Dann ist
T (R)∗
=
91
m/m2
der Kotangentialraum von R. Dabei handelt es sich um einen κ-Vektorraum. Der Dualraum T (R) =
Homκ (m/m2 , κ) wird Tangentialraum von R genannt.
Proposition 5.1.7 Sei R ein n-dimensionaler, noetherscher lokaler Ring. Dann gilt
dimκ T (R)∗ ≥ n
,
und Gleichheit genau dann, wenn R regulär ist.
Beweis: Wäre dimκ T (R)∗ < n, dann könnte man den Modul M = m nach Folgerung 5.1.5 mit
weniger als n Elemente erzeugen. Dies ist aber, wie wir zu Anfang dieses Kapitels festgestellt
haben, unmöglich. Ist nun R regulär, dann gibt es ein n-elementiges Erzeugendensystem von
m. Da dieses minimal ist, liefern die Bildelemente in m/m2 eine Vektorraum-Basis, und es folgt
dim T (R)∗ = n. Ist umgekehrt diese Gleichung erfüllt, dann können wir eine n-elementige Basis
in m/m2 wählen. Die Urbilder liefern dann ein n-elementiges Erzeugendensystem des maximalen
Ideals m.
In diesem Abschnitt soll gezeigt werden, dass reguläre lokale Ringe immer nullteilerfrei sind.
Außerdem soll der Zusammenhang zwischen den Eigenschaften „regulär“ und „normal“ eines
lokalen Rings untersucht werden.
Lemma 5.1.8 (Primvermeidungslemma)
Sei R ein Ring, a, b Ideale und p1 , ..., pr Primideale in R. Gilt b 6⊆ pi für 1 ≤ i ≤ r und b 6⊆ a, dann
folgt
6⊆
b
a ∪ p1 ∪ ... ∪ pr .
Beweis: Wir beweisen die Aussage durch vollständige Induktion über r ∈ N. Sei zunächst r = 1.
Ist a ⊆ p1 , dann gilt a ∪ p1 = p1 , und die Aussage ist klar. Wir können also a 6⊆ p1 annehmen. Sei
nun a ∈ b \ a. Ist a ∈
/ p1 , dann sind wir bereits fertig, also setzen wir a ∈ p1 voraus. Wählen wir
nun Elemente y ∈ a \ p1 und z ∈ b \ p1 , dann gilt
a + yz
∈
b \ (a ∪ p1 ) .
Denn wegen a ∈ b und z ∈ b ist auch a + yz ∈ b. Läge a + yz in a, dann würde a ∈ a aus y ∈ a
folgen, im Widerspruch zur Voraussetzung. Liegt a + yz in p1 , dann wegen a ∈ p1 auch yz. Aber
wegen y ∈
/ p1 und z ∈∈
/ p1 und auf Grund der Primidealeigenschaft ist dies nicht möglich.
Nun sei r > 1 und die Aussage für alle Zahlen kleiner als r bereits bewiesen. Wir setzen pi 6⊆ pj
für i 6= j voraus, denn ansonsten kann unmittelbar die Induktionsvoraussetzung angewendet
werden. Wir wählen nun Elemente ai ∈ pi \ pr für 1 ≤ i < r, außerdem a ∈ a \ pr und b ∈ b \ pr .
Definieren wir
c
=
ab
r
Y
ai
,
i=1
dann liegt c wegen der Primidealeigenschaft von pr in a ∩ b ∩ (p1 ∩ ... ∩ pr−1 ) \ pr . Nach Induktionsvoraussetzung gibt es ein Element
d
∈
b \ (a ∪ p1 ∪ ... ∪ pr−1 ) .
92
Gilt d ∈
/ pr , dann sind wir fertig. Für den Fall d ∈ pr zeigen wir, dass c + d in
b \ (a ∪ p1 ∪ ... ∪ pr )
enthalten ist. Zunächst gilt c + d ∈ b wegen c ∈ b und d ∈ b. Nehmen wir nun an, c + d liegt
in der Vereinigung a ∪ p1 ∪ ... ∪ pr . Ist c + d ∈ a ∪ p1 ∪ ... ∪ pr−1 , dann folgt d ∈ a ∪ p1 ... ∪ pr−1
im Widerspruch zur Voraussetzung. Liegt c + d in pr , dann folgt c ∈ pr , was wir aber bereits
ausgeschlossen hatten.
Definition 5.1.9 Sei R ein noetherscher lokaler Ring, m sein maximales Ideal und n = dim R
endlich. Wir nennen a1 , ..., an ∈ m ein Parametersystem, wenn
ht((a1 , ..., an ))
=
n
gilt.
Ist sogar m = (a1 , ..., an ), dann spricht man von einem regulären Parametersystem. Ein einzelnes
Element a ∈ m wird als Parameter bezeichnet, wenn es in einem Parametersystem enthalten ist.
Bemerkung 5.1.10 Nach Definition der Regularität besitzt ein noetherscher, lokaler, n-dimensionaler
Ring genau dann ein reguläres Paramtersystem, wenn er regulär ist.
Proposition 5.1.11 Sei R ein noetherscher lokaler Ring, m sein maximales Ideal und n = dim R
endlich. Für ein System a1 , ..., an von Elementen aus m sind die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) a1 , ..., an ist ein Parametersystem
(ii) Für das Ideal a = (a1 , ..., an ) gilt rad(a) = m.
(iii) Für das Ideal a = (a1 , ..., an ) gilt dim R/a = 0.
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Nehmen wir an, es gilt rad(a) ( m. Weil rad(a) der Durchschnitt über alle
Primideale ist, die a enthalten, muss es dann ein minimales Primoberideal p ⊇ rad(a) mit p ( m
geben. Es folgt ht(rad(a)) ≤ ht(p), und wegen n = dim R und p ( m muss ht(p) < n sein.
Insgesamt erhalten wir einen Widerspruch zur Voraussetzung ht(rad(a)) = n.
„(ii) ⇒ (iii)“ Wäre dim R/a ≥ 1, dann gäbe es in R̄ = R/a eine Primidealkette p̄0 ( p̄1 der Länge 1.
Das Urbild p0 von p̄0 in R ist dann nicht maximal, andererseits gilt rad(a) ⊆ p0 . Es folgt rad(a) ( m
im Widerspruch zur Voraussetzung.
„(iii) ⇒ (i)“ Angenommen, es gilt ht(p) < n für ein minimales Primoberideal p von a. Dann
folgt a ⊆ p ( m, und die Bildideale in R/a bilden eine Primidealkette p̄ ⊆ m̄ der Länge 1. Dies
widerspricht der Voraussetzung dim R/a = 0.
Lemma 5.1.12 („Umkehrung“ des Krullschen Höhensatzes)
Sei R ein noetherscher Ring und p ein Primideal mit ht(p) = n, n ∈ N0 . Dann gibt es in R ein Ideal
a, das ein n-elementiges Erzeugenensystem besitzt und p als minimales Primoberideal hat.
Beweis: Wir beweisen die Aussage durch vollständige Induktion über n. Im Fall n = 0 ist p ein
minimales Primideal von R, und wir können a = (0) wählen. Sei nun n ≥ 1 und die Aussage für
93
alle Zahlen < n bereits bewiesen. Seien ferner q1 , ..., qt die minimalen Primideale von R. Nach
dem Primvermeidungslemma gibt es ein Element
a
∈
p\
t
[
i=1
qt
!
.
Wir definieren R̄ = R/(a). Für das Bildideal p̄ von p in R̄ gilt dann ht(p̄) < n. Denn ansonsten
gäbe es in R̄ eine Primidealkette
p̄0 ( ... ( p̄n = p̄
Sei p0 ( ... ( pn = p die Kette der Urbildideale. Auf Grund des Isomorphiesatzes für Ringe gilt
a ∈ p0 . Wegen ht(p) = n muss es sich bei p0 um ein minimales Primideal handeln, aber dann kann
a nach unserer Wahl nicht in p0 liegen. Wir erhalten einen Widerspruch.
Wegen ht(p̄) < n können wir nun die Induktionsvoraussetzung anwenden. Demnach existiert in
R̄ ein Ideal ā = (ā1 , ..., ān−1 ) mit der Eigenschaft, dass p̄ ein minimales Primoberideal von ā ist.
Das Urbild von ā ist a = (a, a1 , ..., an−1 ), und auf Grund des Isomorphiesatzes für Ringe ist p ein
minimales Primoberideal von a.
Satz 5.1.13 Sei R ein noetherscher Ring und a ⊆ R ein echtes Ideal, dass durch n Elemente
erzeugt werden kann. Sei ferner p ein Primideal mit p ⊇ a, R̄ = R/a und p̄ das Bild von p in R̄.
Dann gilt
ht(p)
≤
n + ht(p̄).
Beweis: Sei m = ht(p̄). Auf Grund des Lemmas gibt es ein Ideal b̄ in R̄, das durch m Elemente erzeugbar ist mit der Eigenschaft, dass es sich bei p̄ um ein minimales Primoberideal von b̄ handelt.
Das Urbild b von b̄ ist dann durch m+n Elemente erzeugbar. Nach dem Isomorphiesatz für Ringe
ist p ein minimales Primoberideal von b, und der Krullsche Höhensatz liefert ht(p) ≤ m + n.
Folgerung 5.1.14 Sei R ein noetherscher Ring, p ein Primideal, und a ∈ p ein Element, das in
keinem minimalen Primideal von R enthalten ist. Bezeichnet p̄ das Bild von p im Restklassenring
R̄ = R/(a), dann gilt
ht(p)
ht(p̄) + 1.
=
Beweis: Sei m = ht(p̄). Dann existiert in R̄ eine Primidealkette p̄0 ( ... ( p̄m = p̄ der Länge m.
Sei p0 ( ... ( pm = p die Kette der Urbildideale. Wegen a ∈ p0 ist p0 kein minimales Primideal.
Daraus folgt ht(p) > m. Da andererseits auf Grund des Satzes ht(p) ≤ m + 1 gilt, erhalten wir
insgesamt ht(p) = m + 1.
Bemerkung 5.1.15 Ist R ein noetherscher Ring, und liegt das Element a ∈ R in einem minimalen
Primideal von R, dann ist a ein Nullteiler. Sind nämlich p1 , ..., pt die endlich vielen minimalen
Primideale von R, dann ist
nil(R)
=
rad((0))
=
r
\
pi .
i=1
Qt
Insbesondere ist das Produkt i=1 pi im Nilradikal nil(R) enthalten. Nach Umnummerierung der
Primideale können wir a ∈ p1 voraussetzen. Setzen wir a1 = a und sind ai beliebige Elemente in
94
pi \ {0} für 2 ≤ i ≤ t, dann ist das Produkt b =
Qt
i=1
ai in nil(R) enthalten. Weil alle Elemente in
nil(R) nilpotent sind, gibt es ein n ∈ N mit b = 0. Wegen a|bn ist somit a ein Nullteiler.
n
Proposition 5.1.16 Sei R ein noetherscher lokaler Ring, m sein maximales Ideal und n = dim R
endlich. Dann sind für ein Element a ∈ m die folgenden Aussagen äquivalent:
(i) a ist Parameter
(ii) Es gilt dim R/(a) = n − 1.
(iii) Es gilt dim R/(a) < n.
Beweis: „(i) ⇒ (ii)“ Sei a = a1 , ..., an ein Parametersystem. Ist a = (a1 , ..., an ) das von diesen
Elementen erzeugte Ideal, dann gilt rad(a) = m. Sei R̄ = R/(a), und seien m̄, ā die Bildideale von
m, a in R̄. Dann liefert der Isomorphiesatz für Ringe rad(ā) = m̄. Auf Grund des Krullschen Höhensatzes und wegen ā = (ā2 , ..., ān ) gilt dim R̄ = ht(m̄) ≤ n − 1; nach Satz 5.1.13 ist andererseits
ht(m̄) ≥ n − 1. Insgesamt erhalten wir dim R/(a) = n − 1.
„(ii) ⇔ (iii)“ Die Implikation „⇒“ ist unmittelbar klar. Für die Richtung „⇐“ können wir erneut
Satz 5.1.13 auf das maximale Ideal m̄ von R̄ = R/(a) anwenden und erhalten dim R̄ ≥ n − 1,
zusammen mit der Voraussetzung also dim R̄ = n − 1.
„(ii) ⇒ (i)“ Diese Richtung beweisen wir durch vollständige Induktion über n ∈ N. Ist n = 1,
dann gilt nach Voraussetzung dim R/(a) = 0, und nach Proposition 5.1.11 bildet a ein einelementiges Parametersystem. Sei nun n > 1 und die Aussage für alle Zahlen < n vorausgesetzt. Wir
definieren R̄ = R/(a) und bezeichnen mit p1 , ..., pr die minimalen Primoberideale von (a). Es gilt
m 6= pi für alle i, denn ansonsten würde das Krullsche Hauptideallemma ht(m) ≤ 1 liefern, im
Widerspruch zur Voraussetzung dim R = n > 1. Auf Grund des Primvermeidungslemmas finden
wir ein Element
a2
∈
m \ (p1 ∪ ... ∪ pr )
,
und es gilt dim R̄/(ā2 ) = dim R̄ − 1 = n − 2 nach Folgerung 5.1.14. Dieser Satz ist anwendbar, da
ā2 auf Grund unserer Wahl in keinem minimalen Primideal von R̄ enthalten ist.
Nun wenden wir die Induktionsvoraussetzung auf den Ring R̄ an und erhalten als Resultat, dass
ā2 ein Parameter von R̄ ist, also zu einem Parametersystem ā2 , ā3 , ..., ān erweitert werden kann.
Sei ai ∈ R ein Urbild von āi für 3 ≤ i ≤ n. Dann ist der Faktorring
R/(a, a2 , ..., an )
∼
=
R̄/(ā2 , ..., ān )
nulldimensional, also (a, a2 , ..., an ) ein Parametersystem in R. Insbesondere ist das Element a ein
Parameter.
Satz 5.1.17 Jeder reguläre lokale Ring ist ein Integritätsbereich.
Beweis: Sei R ein regulärer lokaler Ring, m sein maximales Ideal und n = dim R. Wir beweisen
die Aussage durch vollständige Induktion über n ∈ N0 . Ist n = 0, dann folgt aus der Regularität
m = (0), und R ist ein Körper. Insbesondere ist R ein Integritätsbereich.
Nun sei n > 0 und die Aussage für alle kleineren Zahlen bereits bewiesen. Wir bezeichnen mit
p1 , ..., pr die minimalen Primideale von R. Wegen dim R = n > 0 gilt m 6⊆ pi für 1 ≤ i ≤ r. Wegen
95
dimκ m/m2 > 0 (κ ist Restklassenkörper R/m des lokalen Rings) gilt auch m 6⊆ m2 . Wir können
das Primvermeidungslemma anwenden und erhalten ein Element
a ∈ m \ m2 ∪ p1 ∪ ... ∪ pr .
Das Bildelement ā von a in m/m2 können wir zu einer Basis ā = ā1 , ā2 , .., ān des κ-Vektorraums
m/m2 erweitern. Ist ai jeweils ein Urbild von āi für 2 ≤ i ≤ n, dann gilt m = (a, a2 , ..., an )
nach Lemma 5.1.4. Die Elemente a, a2 , ..., an bilden also ein (reguläres) Parametersystem in R.
Mit Proposition 5.1.16 erhalten wir
dim R̄
=
für R̄ = R/(a).
n−1
Sei m̄ das Bildideal von m in R̄. Weil m̄ das maximale Ideal des lokalen Rings R̄ ist und von den
n − 1 Elementen ā2 , ..., ān erzeugt wird, handelt es sich bei R̄ um einen regulären lokalen Ring.
Auf Grund der Induktionsvoraussetzung ist R̄ ein Integritätsbereich. Folglich ist das Hauptideal
(a) ein Primideal, und es gilt pi ⊆ (a) für eines der minimalen Primideale pi von R. Wir zeigen
nun, dass pi = (0) gilt. Sei dazu b ∈ pi ein beliebiges Element. Wegen pi ⊆ (a) finden wir ein
x ∈ R mit xa = b. Auf Grund unserer Wahl von a gilt a ∈
/ pi , und wir erhalten x ∈ pi . Da b
beliebig gewählt war, folgt pi = api , damit auch pi = mpi und schließlich pi = (0) nach dem
Nakayama-Lemma. Wir haben damit gezeigt, dass das Nullideal in R ein Primideal ist. Also ist
R ein Integritätsbereich.
Lemma 5.1.18 Sei R ein lokaler, noetherscher Integritätsbereich und m sein maximales Ideal. Sei
ferner x ∈ m \ {0} ein Element mit der Eigenschaft, dass R̄ = R/(x) normal ist. Dann ist auch R
normal.
Beweis:
In einem ersten Beweisschritt zeigen wir, dass jedes a ∈ R \ {0} eine Darstellung als
Produkt a = xr e mit r ∈ N0 und e ∈ R \ (x) besitzt. Dazu bilden wir das Ideal
a
=
\
(xr )
r∈N0
und zeigen, dass xa = a gilt. Die Inklusion „⊆“ ist offensichtlich. Sei nun a ∈ a vorgegeben. Dann
liegt a insbesondere in (x), es gilt also a = xb für ein b ∈ R. Weil a nach Voraussetzung für jedes
r ∈ N0 auch in (xr+1 ) enthalten ist, gibt es ein c ∈ R mit a = xr+1 c. Da R ein Integritätsbereich
ist, liefert xr+1 c = a = xb die Gleichung b = xr c, also b ∈ (xr ). Da r ∈ N0 beliebig vorgegeben
war, folgt b ∈ a und damit a = xb ∈ xa.
Aus xa = a und x ∈ m folgt ma = a. Als Ideal in einem noetherschen Ring R ist a ein endlich
erzeugter R-Modul. Wir können also das Nakayama-Lemma anwenden und erhalten a = 0. Ist
nun 0 6= a ∈ R, dann gibt es ein r ∈ N0 mit a ∈ (xr ) \ (xr+1 ). Dies liefert ein e ∈ R mit a = xr e
und e ∈
/ (x).
Weil es sich bei R̄ nach Voraussetzung um einen normalen Ring, insbesondere um einen Integritätsbereich handelt, ist das Hauptideal (x) ein Primideal. Sei nun b = uv ∈ Q(R) ein Quotient aus
Elementen u, v ∈ R, v 6= 0, das ganz über R ist, und B = R[b]. Der Beweis ist abgeschlossen, wenn
wir b ∈ R beweisen können. Bezeichnet p ein beliebiges über (x) liegendes Primideal in B (das
96
auf Grund der Ganzheit von B|R existiert), dann gilt p ∩ R = (x) und somit xB ∩ R ⊆ p ∩ R = (x),
also xB ∩ R = (x).
Unser nächstes Ziel besteht darin, ein spezielles, über (x) liegendes Primideal p zu konstruieren.
Dazu schreiben wir u = xr d und v = xs e mit r, s ∈ N0 und d, e ∈ R \ (x) wie im ersten Schritt
angegeben. Es folgt b = xt de , wobei t = r − s ist. Es gilt t ≥ 0, denn sonst wäre d = x−t eb ∈
xB ∩ R ∈ (x), im Widerspruch zur Voraussetzung. Also hat unser Element b die Form b =
−1
−1
−1
w
e
−1
mit w ∈ R und e ∈ R \ (x). Es folgt R[e ] = B[e ] und damit auch xR[e ] = xB[e ]. Auf
Grund der bijektiven Korrespondenz zwischen Primidealen in R[e−1 ] und Primidealen q in R mit
q ∩ {e−n | n ∈ N0 } = ∅ ist das Hauptideal xR[e−1 ] ein Primideal in R[e−1 ]. Damit ist
xR[e−1 ] ∩ B
=
p
ein Primideal im Ring B, das zudem über (x) liegt, denn es gilt
p∩R
=
xR[e−1 ] ∩ B ∩ R
=
xB[e−1 ] ∩ B ∩ R
=
xB ∩ R
=
(x).
Der Restklassenring B̄ = B/p ist somit eine Ringerweiterung von R̄, darüber hinaus eine ganze Erweiterung, weil B|R ganz ist. Außerdem liegt B̄ im Quotientenkörper von R̄, weil B im
Quotientenkörper von R enthalten ist. Weil R̄ nach Voraussetzung normal ist, folgt B̄ = R̄, also
B = R + p. Es gilt somit b ∈ B = R + p ⊆ R + xR[e−1 ]; wir können b also in der a + xc
e mit a, c ∈ R
darstellen. Dies wiederum bedeutet
B
R[ xc
e ]
=
=
R+
xc
e B.
Definieren wir nun den Restklassenring B̄ = B/R, dann gilt
xc
e B̄
= B̄.
Auf Grund der Ganzheit über R ist B ein endlich erzeugter R-Modul. Sei ω1 , ..., ωn ∈ B ein
endliches Erzeugendensystem und ω̄i jeweils das Bild von ωi in B̄. Es gibt dann Elemente aij ∈ R
mit
n
X
aij xc
ω̄j =
für 1 ≤ j ≤ n.
e ω̄i
i=1
Sei nun die Matrix C über dem Ring B durch C = (aij xc
e ) − En gegeben, wobei En die Einheitsmatrix bezeichnet. Dann gilt die Matrix-Vektor-Gleichung

ω̄1

 
C  ... 
=
0.
ω̄n
Multiplizieren wir dies mit der adjunkten Matrix C̃, dann folgt det(C)ω̄i = 0 für 1 ≤ i ≤ n, also
det(C)B̄ = 0 und somit det(C)B ⊆ R. Anhand der Leibniz-Formel sieht man, dass det(C) =
xc
xc
±(1 + xc
e a) für ein a ∈ R gilt. Wegen (1 + e a)B ⊆ R ist insbesondere 1 + e a ∈ R, also auch
xc
e a
∈ R ∩ xR[e−1 ] = (x) ⊆ m.
Dies bedeutet, dass 1 + xc
e a nicht in m enthalten, also eine Einheit in R ist. Aus (1 +
folgt dann B ⊆ R, insbesondere b ∈ R.
97
xc
e a)B
⊆R
Satz 5.1.19 Reguläre lokale Ringe sind normal.
Beweis: Sei R ein regulärer und lokaler Ring mit dem maximalen Ideal m. Wir führen den Beweis
durch vollständige Induktion über d = dim R. Ist d = 0, dann ist R ein Körper, insbesondere
normal. Sei nun d > 0 und m das maximale Ideal von R. Wir wählen ein Element x ∈ m aus
einem regulären Parametersystem und betrachten den Restklassenring R̄ = R/(x). Dann gilt
dim R̄ = d − 1, und auch R̄ ist ein regulärer Ring. Auf Grund der Induktionsvoraussetzung ist R̄
normal, und aus dem Lemma folgt die Normalität von R.
Satz 5.1.20 Jeder normale, eindimensionale lokale noethersche Ring R ist regulär.
Beweis: Zu zeigen ist, dass das maximale Ideal m von R durch ein einziges Element erzeugt
werden kann. Es gilt dimκ m/m2 ≥ 1, wobei κ = R/m den Restklassenkörper des lokalen Rings
bezeichnet. Wir können also ein x ∈ m \ m2 wählen und behaupten, das m = (x) gilt.
Angenommen, dies ist nicht der Fall, und es gilt (x) ( m. Wegen dim R = 1 ist m das einzige
Primoberideal von (x), es gilt also m = rad((x)). Weil m endlich erzeugt ist, finden wir ein n ∈ N
mit mn ⊆ (x). Wir setzen voraus, dass n minimal mit dieser Eigenschaft ist. Wegen (x) ( m muss
n > 1 sein. Sei y ∈ mn−1 \ (x). Auf Grund der Minimalität von n gilt dann ym ⊆ (x).
Nun zeigen wir, dass ym ⊆ xm gilt. Ist dies nicht der Fall, dann folgt
eine Einheit. Es gibt also Elemente m ∈ m und u ∈ R
x ∈ ym ⊆ m2 , im Widerspruch zur Wahl von x.
×
mit
y
xm
y
xm
6⊆ m, und
y
xm
enthält
= u. Nun folgt ym = ux, also
y r
y
x m ⊆ m und induktiv ( x ) m ⊆ m für alle r ∈ N0 . Dann ist
xR[ xy ] ⊆ R, also R[ xy ] ⊆ x1 R. Weil x1 R ein endlich (sogar einfach!) erzeugter R-Modul und R
noethersch ist, handelt es sich auch bei R[ xy ] um einen endlich erzeugten R-Modul. Das Element
y
y
x ist dann ganz über R. Weil R normal ist, folgt x ∈ R und y ∈ (x), im Widerspruch dazu, wie
Aus der Inklusion ym ⊆ xm folgt
wir y gewählt haben. Also muss m = (x) gelten, und R ist regulär.
5.2 Geometrische Interpretation der Regularität
Definition 5.2.1 Sei K ein Körper, B eine K-Algebra und M ein B-Modul. Eine K-Derivation von
B nach M ist eine Abbildung ∂ : B → M mit den folgenden Eigenschaften:
(i) ∂(a) = 0 für alle a ∈ K
(ii) ∂(f + g) = ∂(f ) + ∂(g) für alle f, g ∈ B
(iii) ∂(f g) = f · ∂(g) + g · ∂(f ) für alle f, g ∈ B
Eine gleichwertige Bedingung lautet, dass ∂ eine K-lineare Abbildung ist und zusätzlich die Produktregel (iii) erfüllt ist.
Die Menge der K-Derivationen bezeichnen wir mit DerK (B, M ). Weil mit ∂, ∂ ′ auch die durch
punktweise Addition gegebene Abbildung ∂ + ∂ in DerK (B, M ) liegt und auch a∂ für jedes a ∈ K
eine K-Derivation ist, besitzt DerK (B, M ) eine natürliche Vektorraumstruktur.
Satz 5.2.2 Sei R ein lokaler Ring mit einem maximalem Ideal m. Ferner existiere auf R eine K-
98
Algebrenstruktur über einem Körper K derart, dass die Abbildung K → R, a 7→ a1R einen
Isomorphismus K ∼
= R/m von Ringen induziert. Bezeichnen wir dann für jedes f ∈ R mit f (m) ∈
K das Urbild von f mod m unter diesem Isomorphismus, dann ist durch
f ·a
=
für f ∈ R, a ∈ K
f (m)a
eine R-Modulstruktur auf K definiert. Betrachten wir die Derivationen bezüglich dieser Modulstruktur, dann gibt es einen natürlichen Isomorphismus
T (R)
∼
=
DerK (R, K)
von K-Vektorräumen, wobei T (R) den Tangentialraum des lokalen Rings R bezeichnet.
Beweis: Sei ∂ ∈ DerK (R, K) vorgegeben. Wir zeigen, dass dann ∂(m2 ) = 0 ist. Sind f, g ∈ m, dann
gilt f (m) = g(m) = 0, und es folgt
∂(f g)
=
f · ∂(g) + g · ∂(f )
=
f (m)∂(g) + g(m)∂(f )
=
0.
Somit induziert ∂ eine wohldefinierte Abbildung ∂¯ : m/m2 → K, und diese ist K-linear, da ∂ eine
lineare Abbildung ist. Somit liegt ∂¯ in T (R). Man überprüft unmittelbar, dass die Zuordnung
∂ 7→ ∂¯ ebenfalls eine K-lineare Abbildung ist.
Nun sei umgekehrt λ : m/m2 → K ein Element aus T (R). Wir definieren eine Abbildung ∂ durch
∂ : R −→ K
,
f 7→ λ (f − f (m)) mod m2
und müssen überprüfen, dass es sich dabei um eine K-Derivation handelt. Die K-Linearität ist
unmittelbar klar. Zum Beweis der Produktregel seien f, g ∈ R vorgegeben. Dann liegen f − f (m)
und g − g(m) in m, das Produkt dieser beiden Elemente also in m2 . Nun gilt
(f − f (m))(g − g(m)) ≡ 0 mod m2
⇔
f g − f (m)g − f g(m) + f (m)g(m) ≡ 0 mod m2
f g + f (m)g(m) ≡ f (m)g + f g(m) mod m2
⇔
⇔
f g − f (m)g(m) ≡ f (m)g + g(m)f − 2f (m)g(m) mod m2
⇔
f g − f (m)g(m) ≡ f (m)(g − g(m)) + g(m)(f − f (m)) mod m2
und wir erhalten
∂(f g)
=
λ(f g − f (m)g(m))
=
=
f (m)λ(g − g(m)) + g(m)λ(f − f (m))
f (m)∂(g) + g(m)∂(f )
=
f · ∂(g) + g · ∂(f ).
Nun überprüfen wir noch, dass die beiden Abbildungen zwischen DerK (R, K) und T (R) zueinander invers sind. Ist ∂ ∈ DerK (R, K) vorgegeben, λ = ∂¯ das zugehörige Element in T (R) und ∂˜
˜ ) = λ((f − f (m)) mod m2 ), dann gilt
wiederum definiert durch ∂(f
˜ )
∂(f
=
λ((f − f (m)) mod m2 )
=
¯
∂((f
− f (m)) mod m2 )
99
=
∂(f − f (m))
=
∂(f )
für alle f ∈ R. Sei nun λ ∈ T (R) gegeben, ∂(f ) = λ((f − f (m)) mod m2 ) und λ̃(f mod m2 ) =
¯ mod m2 ) für f ∈ m. Dann folgt
∂(f
λ̃(f mod m2 )
=
∂(f )
=
λ((f − f (m)) mod m2 )
=
λ(f mod m2 ).
Damit ist gezeigt, dass durch die Zuordnung DerK (R, K) → T (R), ∂ 7→ ∂¯ ein Isomorphismus
von K-Vektorräumen definiert ist.
Proposition 5.2.3 Sei p ∈ AnK ein Punkt und m das dazugehörige maximale Ideal im Koordinatenring R = K[x1 , ..., xn ] von AnK . Dann bilden die Derivationen gegeben durch
∂i (f )
∂f
(p)
∂xi
=
,
1≤i≤n
eine K-Vektorraumbasis von DerK (Rm , K).
Beweis: Auf Grund der K-Linearität und der Produktregel ist jedes Element ∂ ∈ DerK (Rm , K)
durch die Bilder ∂(xi ) (1 ≤ i ≤ n) eindeutig gelegt. Denn zunächst liegt mit ∂(xi ) auch das Bild
∂(xni ) für jedes n ∈ N fest, damit auch das Bild jedes Monoms und jedes Polynoms aus R. Sei nun
g ∈ R \ m. Wegen
1
1
1
=g·∂
+ · ∂(g)
0 = ∂(1) = ∂ g ·
g
g
g
⇔
∂
1
1
= − 2 · ∂(g)
g
g
sind dann auch die Bilder beliebiger rationaler Funktionen aus Rm festgelegt. Gilt nun ai = ∂(xi )
für 1 ≤ i ≤ n, dann folgt
∂
=
n
X
ai ∂i
,
i=1
denn wegen ∂i (xj ) = δij stimmen die Bilder von xj unter den Derivationen auf der linken und
rechten Seite der Gleichung überein. Dies zeigt, dass die Elemente ∂1 , ..., ∂n ein Erzeugendensystem für den K-Vektorraum DerK (Rm , K) bilden.
Sind (p1 , ..., pn ) die Koordinaten unseres vorgegebenen Punktes p, dann wird das maximale Ideal
mRm durch die n Elemente xi − pi (1 ≤ i ≤ n) erzeugt. Wegen dim Rm = n ist Rm somit ein
regulärer lokaler Ring, und es folgt dim DerK (Rm , K) = dim T (Rm ) = n. Unser n-elementiges
Erzeugendensystem von DerK (Rm , K) ist damit auch eine Vektorraumbasis.
Definition 5.2.4 Sei X ⊆ AnK eine affine Varietät. Wir nennen p ∈ X eine regulären Punkt auf X,
wenn OX,p ein regulärer lokaler Ring ist. Andernfalls sprechen wir von einem singulären Punkt.
Definition 5.2.5 Sei X ⊆ AnK eine affine Varietät, a = (f1 , ..., fm ) das Verschwindungsideal von
X in R = K[x1 , ..., xn ] und p ∈ X ein Punkt. Dann bezeichnet man
Jp
=
∂fi
(p)
∂xj
∈ M(m × n, K)
als die Jacobi-Matrix von X im Punkt p. Man beachte, dass die Matrix Jp von der Wahl des Erzeugendensystems des Ideals a abhängt.
100
Satz 5.2.6 Mit den Bezeichnungen aus der vorhergehenden Definition gilt: Ein Punkt p ∈ X ist
genau dann regulär, wenn rg(Jp ) = n − dim(X) erfüllt ist.
Beweis: Auf Grund der Vertauschbarkeit von Lokalisierung und Übergang zu Faktorringen gilt
∼ OAn ,p /aOAn ,p . Auf diese Weise sieht man, dass es sich bei Der(OX,p , K) um einen UnterOX,p =
vektorraum von Der(OAn ,p , K) handelt: Jedes Element ∂ ∈ OX,p kann durch
π
OAn ,p → OX,p → K
als Derivation in Der(OAn ,p , K) aufgefasst werden, wobei π die Restklassenabbildung modulo
aOAn ,p bezeichnet. Umgekehrt definiert ein Element ∂ ∈ Der(OAn ,p , K) genau dann eine Deri-
vation von OX,p , wenn ∂(aOAn ,p ) = 0 ist. Auf Grund der Produktregel für Derivationen ist dies
gleichwertig mit ∂(fi ) = 0 für 1 ≤ i ≤ m. Stellen wir ∂ als Linearkombination der in Proposition
Pn
5.2.3 angegebenen Basis dar, also ∂ = i=1 ai ∂i mit a1 , ..., an ∈ K, dann sind die Gleichungen
∂(fi ) = 0 äquivalent zu
n
X
∂fi
aj
(p) = 0.
∂xj
j=1
Die Derivation ∂ liegt also genau dann in Der(OX,p , K), wenn der Vektor (a1 , ..., an ) ∈ K n eine
Lösung des linearen Gleichungssystems mit Jp als Koeffizientenmatrix ist. Es folgt
dim Der(OX,p , K)
=
n − rg(Jp ).
Nun ist p nach Definition genau dann ein regulärer Punkt, wenn die Dimension von T (OX,p ) ∼
=
Der(OX,p , K) gleich dim(X) ist. Also ist die Regularität von p äquivalent zu dim(X) = n − rg(Jp ).
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Literatur
[At]
M. Atiyah, I. Macdonald, Introduction to Commutative Algebra. Addison-Weseley Publishing Company, Reading, Massachusetts 1969.
[Br]
M. Brodmann, Algebraische Geometrie. Basler Lehrbücher, Birkhäuser-Verlag Basel 1989.
[Ku]
E. Kunz, Kommutative Algebra. vieweg-Verlag Wiesbaden 1986.
[Za]
O. Zariski, P. Samuel, Commutative Algebra. University Series in Higher Mathematics, van
Nostrand Reinhold Company, New York 1958.
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