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Waschbären – Kuscheltier oder Plage? | Manuskript
Waschbären – Kuscheltier oder Plage?
Beitrag: Julia Cruschwitz
Jörg Ahnert
Das ist der Mogli, der ist jetzt circa ein Vierteljahr alt. Anfang Februar haben wir ihn
gefunden, da war er vielleicht drei Tage alt.
Es ist schon das fünfte Waschbärenbaby, das Jörg Ahnert von Hand aufzieht.
Mogli, na komm! Komm mal her.
Jörg Ahnert
Das kleine Wesen. Ich kann da nie nein sagen, wenn die da vor einem liegen. Der letzte
Tropfen. Gut, alle!
Der Waschbärenpapa von Großpösna weiß, dass viele andere Mogli und seine Artgenossen
am liebsten tot sehen wollen. Denn die gefräßigen Graupelze fallen scharenweise über die
Gärten her. Er macht trotzdem weiter.
Jörg Ahnert
Ich bin eigentlich nur die Ersatzmutti, das ist nun mal so. Wenn ich die sehe, wie die
aufwachsen, da habe ich immer gewusst, wenn die sich freuen oder wenn die gute Laune
haben oder schlechte, ich kann das einfach nicht, dass man das Lebewesen dann einfach
weg drückt oder weg schießt.
Heiko Drechsler ist der Chef des Tierparks Meißen. Er mag besonders gerne Vögel.
Waschbären kann er nicht ausstehen.
Heiko Drechsler
Hier haben wir im Moment unsere Notunterkunft für die Zwergenten. Eigentlich haben wir
die unten am großen Teich, der ist fast 30 Meter lang, aber wir hatten die Riesenprobleme
mit dem Waschbären.
Denn die Bären haben Vögel zum Fressen gern. Getötete Enten findet Heiko Drechsler fast
jede Woche, insgesamt hat er schon über 100 verloren.
Heiko Drechsler
Ich habe die Waschbären gesehen. Die saßen früh in der Anlage. Die sind rein geklettert
und sind nicht mehr raus gekommen.
Heiko Drechsler versuchte anfangs, die Wasservögel auf konventionelle Art zu schützen:
Draußen, mit einem Elektrozaun.
Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für den privaten Gebrauch des Empfängers
verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Waschbären – Kuscheltier oder Plage? | Manuskript
Heiko Drechsler
Ich habe hier 100 Meter weg gestanden, da kam eine Waschbärenmutter mit fünf Jungen.
Da dachte ich, na Freunde, da werdet ihr heute staunen. Wir haben was unternommen,
um Euch abzuschrecken. Einer von den Jungen kommt mit den Pfoten richtig dran, springt
hoch, den tat`s richtig schütteln. Da dachte ich, na super, die rennen weg wie der Fuchs.
Nö.
Jetzt erst recht, dachte sich wohl Familie Waschbär. Das Abendessen schon vor Augen.
Heiko Drechsler
Die Mutter ist dann hier hoch geklettert, die Zweige bogen sich runter, purzelte aufs Dach
und hat dann ihre Jungen gerufen. Da fing hier an, der erste Junge hochzuklettern und
dann der zweite. Dann bin ich eingeschritten.
Weil er nicht alle Vögel Waschbären sicher weg sperren kann, ersann der Tierparkchef eine
besondere Art der Bärenabschreckung.
Heiko Drechsler
Kommt mal, Freunde! Ja, bitte, bitte! Meine Damen, meine Herren! Ja kommt! Das sind
unsere großen Pommerngänse und die mögen ja nun Waschbären überhaupt nicht. Und
ich muss sagen, seitdem wir die hier in der Anlage haben, ist das Schöne, haben wir hier in
der Anlage keine Probleme, die verteidigen auch ihre Eier. Die sind, wie man sieht, wie
Kampfhunde.
Einfach und effektiv. Vor diesen beiden hat sogar ein Waschbärenrudel bislang Respekt.
Probleme mit Waschbären kennt man in Hessen seit Jahren zur Genüge. Immer wieder
nisten sich mehrköpfige Familien unter Wohnhausdächern ein. Vor allem die hungrigen
Welpen fressen sich durch Hölzer und Dämmmaterialien.
Ursprünglich kommen die Plagegeister aus Nordamerika. In den 1930er-Jahren wurde in
Hessen ein Pärchen ausgesetzt. 1945 entkamen viele Tiere bei Berlin aus einer Pelztierfarm.
Seitdem erobern sie Lebensraum. Sie sind gekommen, um zu bleiben. Das bewiesen Forscher
schon vor über 15 Jahren. Auch Jagen nütze nichts, sie vermehrten sich nur umso mehr. Der
Biologe Ulf Hohmann sagt immer wieder: Wir müssen mit ihnen zurechtkommen.
Ulf Hohmann
Der Zug ist abgefahren. Wir werden diese Tiere mit jagdlichen Mitteln vermutlich nicht
mehr in den Griff bekommen. Das haben wir in Hessen diese Erfahrung gemacht und das
werden wir in Sachsen-Anhalt diese Erfahrung machen genauso wie in anderen
Bundesländern. Wir werden uns mit dieser Tierart arrangieren müssen wie wir uns mit
anderen Tierarten, ob wir sie nun wollen oder nicht wollen, auch arrangiert haben.
Das unfreiwillige Zusammenleben mit Waschbären ist tückisch, ja mancherorts fast
unmöglich. Das berichtet Eisdielenbesitzer Mario Schierhorn aus Weißenfels. Ein Jungtier
genügte, um das Allerheiligste zu verwüsten – das Eislabor.
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verwendet werden. Jede Verwertung ohne Zustimmung des Urheberberechtigten ist unzulässig.
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Waschbären – Kuscheltier oder Plage? | Manuskript
Mario Schierhorn
Es sah aus wie nach einem Bombenangriff hier drinne. Wir hatten einen Schaden von
mehreren 1.000 Euro.
Die Einnahmen eines ganzen Sommerwochenendes waren futsch, alles verschmiert und
zernagt. Die Eimer mit dem Eisaroma umgeschmissen. Einer kostet um die 80 Euro. Die
ganze Misere nur wegen eines kleinen Naschbären.
Mario Schierhorn
Nach kurzem Überblick habe ich dann gesehen, dass hier hinten im Regal ein kleiner
Waschbär saß.
Das Tier war durch das angekippte Fenster hinein geklettert, saß in der Falle, kam nicht mehr
heraus. Das Chaos geschah aus Versehen! Das meint zumindest die Versicherung.
Mario Schierhorn
Ich bin gegen Vandalismus versichert. Die Versicherung hat gesagt: Ok, Vandalismus ist es,
aber nicht unter Vorsatz. Ein Tier kann nicht unter Vorsatz handeln, also haste halt Pech
gehabt.
Immer noch schaut der Waschbär regelmäßig vorbei. Ins Haus kam er nicht wieder. Aber
man weiß ja nie. Mario Schierhorn jedenfalls hat genug von der pelzigen Plage.
Mario Schierhorn
Wir versuchen zwar immer, alle Türen zu, alle Fenster zu und alles, aber dann vergisst man
es doch mal und dann geht das Theater wieder von vorne los. Ich finde es nicht mehr
schön.
Zurück nach Großpösna. Jörg Ahnert macht sich mit seinem kleinen WaschbärenWaisenhaus also nicht nur Freunde. In die freie Wildbahn entlässt er allerdings keinen seiner
Schützlinge.
Jörg Ahnert:
Ich ziehe die ja nur mit der Hand auf, wenn ich weiß, dass sie mir jemand abnimmt. Der
hier zum Beispiel geht hier in den botanischen Garten, da bauen wir ein Gehege.
Ein Gehege das ausbruchssicher sein soll.
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