CULTAN-Düngung Das Geheimnis des wurzelumhüllten Ammoniumdepots Cultan-Düngung, das heisst Abschied nehmen von bekannten Düngemustern: Ammonium-Stickstoff statt Nitrat, Depot statt mehrere Kopfdüngungen, in den Boden platziert statt über den Boden gestreut. Mit Mut und der entsprechenden Technik kann es funktionieren. D ie Pflanze nimmt Nährstoffe in den meisten Fällen aus dem Bodenvorrat über die Wurzeln auf. Wenn wir düngen, streuen wir den Dünger aber meist breitflächig, im besten Fall in einer Reihe über den Boden. Mit dem Regen gelangt er zu den Wurzeln. Mit einer Unterfussdüngung, bei der man den Dünger der Pflanze direkt zu Füssen beziehungsweise unter die Wurzeln legt, kann dieser Weg künstlich verkürzt werden. Der eingesetzte Nitratdünger kann aber wie der über den Boden gestreute Dünger einfach ausgewaschen oder verdunstet werden. Eine Lösung kann ein Ammoniumdüngerdepot (Fachausdruck CultanDüngung) sein. CULTAN ist die Abkürzung für den englischen Ausdruck Controlled Uptake Long Term Ammonium Nutrition, was übersetzt etwa kontrollierte Aufnahme durch Langzeiternährung mit Ammonium heisst. Die Technik ist entscheidend Daniel Strahm von der fenaco Lyssach hat im letzten Jahr auf dem Betrieb von Jakob Nadenbousch in Hindelbank einen Versuch mit Cultan-Düngung in Kartoffeln gemacht. Obwohl die Sommerwitterung einen grösseren Einfluss als die verschiedenen Verfahren hatte, konnte festgehalten werden: Die Technik spielt eine grosse Rolle. Hinter dem Legegerät, aber noch bevor die Knollen wieder zugedeckt werden, läuft ein Schar, hinter dem der Ammonium- dünger seitlich neben den Kartoffeln in den Boden eingebracht wird. Die Technik, die auf dem Betrieb Nadenbousch eingesetzt wurde, entsprach aber nicht ganz dem System des Cultan-Anbauverfahrens. Das Ziel wäre eigentlich, ein Depot aus flüssigem Ammoniumdünger direkt unter die Kartoffelknolle zu bringen. «Es war technisch aber so nicht machbar», bedauert Daniel Strahm. Dazu wäre ein Schar vor dem Legegerät nötig, das mit einem im Frontanbau angehängten Ammoniumtank verbunden ist. Ein Kompressor erzeugt einen Druck von etwa fünf bar, um die Nährlösung in den Boden zu injizieren. Im Versuch der fenaco wurde fester Ammoniumdünger gesät. In der Schweiz ist es derzeit schwierig, ein Gerät zu bekommen, das für die Cultan-Düngung einsetzbar wäre. Die Kompromisslösung des Maschinenherstellers Grimme auf dem Betrieb Nadenbousch überzeugt noch nicht ganz. Martin Häberli aus Rosshäusern hat auf seinem Betrieb schon Versuche mit injizierter Gülle als Unterfussdüngung gemacht. Er ist zusammen mit der Landmaschinenwerkstatt Sigrist Landmaschinen in Golaten BE dran, eine echte CultanMaschine zu konstruieren. Die Wurzeln hüllen das Depot ein Ein hochkonzentriertes abgeschlossenes Düngerdepot ist ein Kernpunkt des Cultan-Verfahrens. Einige Wurzeln der Pflanze nähern sich dem Depot und hüllen es ein. Die Auswaschungsgefahr ist so sehr ge- ring. Das Ammonium wird in Wurzel und Stängel in den Proteinstoffwechsel übernommen. Das steht im Gegensatz zum Nitrat, das vor allem im Spross in den Proteinstoffwechsel aufgenommen wird. Durch das höhere Wachstum der Wurzel umschliessen die Wurzelspitzen das Ammoniumdepot immer mehr. Das Resultat ist eine kräftigere und besser verankerte Pflanze. Vom Ammoniumdepot geht aber auch eine giftige Wirkung aus. Die Konzentration an Ammonium ist um das Depot herum zu hoch, um ein Leben für Bakterien zu ermöglichen. So kommt es, dass das Ammoniumdepot nicht durch Bakterien nitrifiziert wird und demnach stabil ist. Die Pflanze findet so kaum mehr Nitrat. Aber auch sie kann das Ammoniumdepot nicht sofort entleeren. Die Aufnahme ist an die assimilatorische, durch Licht gesteuerte Entwicklung gekoppelt. Somit wird nur so viel aus dem Depot herausgenommen wie für ein optimales Wachstum notwendig ist, was von der Pflanze selbst gesteuert wird. Der angepasste Gehalt an Stickstoff in den Pflanzensäften erhöht die Toleranz gegenüber Umwelteinflüssen und Krankheiten. Der N-Wirkungsgrad wird bis zu 20 Prozent erhöht. HAS oder AHL können eingesetzt werden Im Versuch auf dem Betrieb Nadenbousch wurde im Cultan-Verfahren ein Ammonsulfat-Dünger eingesetzt. In einem Verfahren wurde gänzlich auf eine Kopfdüngung verzichtet, wie es ideal ist für ein Cultan- PFL ANZENBAU DANIEL STR AHM Daniel Strahm ist Berater bei der fenaco Lyssach und hat einen CultanVersuch mit Kartoffeln durchgeführt. Verfahren. Bei einem Verfahren wurde eine zusätzliche Kopfdüngung gegeben. Als Vergleiche dienten drei Verfahren mit einem Kartoffeldünger von Landor. In einem Fall wurde er breitflächig (mit Kopfdüngung), in zwei Fällen als Unterfussdüngung (eine mit einer reduzierten Kopfdüngung) verabreicht. Martin Freund vom Inforama Seeland hat auf einem Gemüsebaubetrieb in Lauch, Blumenkohl und Eisbergsalat Versuche mit einem CultanVerfahren gemacht. Dabei wurde direkt zur Pflanzung eine flüssige hochkonzentrierte Harnstoff-Ammonium-Sulfat Lösung (HAS) eingespritzt, die 250 g N/Liter enthielt. Da- Vor- und Nachteile abwägen (BILD AGR ARFOTO) Vorteile: – Effizientere Ausnutzung der zugeführten Düngemittel – Geringere Nitratauswaschung – Geringere Nmin-Werte nach der Ernte – gleichmässige, durch die Pflanze regulierte N-Zufuhr – Arbeitseinsparung – weniger Nitrat im Ernteprodukt – Unkräuter werden nicht durch Stickstoff zusätzlich «gemästet» 30 Nachteile: – In nährstoffreichen Böden problematisch – Weniger Verwertung der hofeigenen Dünger – Grösseres C/N-Verhältnis – Technik noch wenig verbreitet DIE GRÜNE – 6/2004 FAT-UNTERSUCHUNG Die Stärkegehalte und Erträge in Cultan-Verfahren (teils mit dem Nitrifikationshemmer Didin) sind vor allem beim Einsatz konzentrierter Gülle besser. DIE GRÜNE – 6/2004 31 (BILD DANIEL S TR AHM) CULTAN-Düngung SETZGER ÄT Das im Versuch der fenaco eingesetzte Setzgerät bringt den Dünger leicht neben den Knollen in den Boden. 15 cm Damm nach dem Legen 10 cm 5 cm 0 cm Ursprüngliche Ackeroberfläche Knolle – 5 cm 5 cm Düngerkörner – 10 cm Legerinne 5 cm 5 cm – 15 cm Reihenweite zum Beispiel 75 cm DÜNGERPL ATZIERUNG Im Versuch konnte das Ammoniumdüngerdepot nicht direkt unter die Pflanzen gebracht werden, wie es für ein Cultan-Verfahren ideal wäre. von waren 90 g als Ammonsulfat und 160 g als Harnstoff zu finden. Die Resultate seines Versuchs zeigten beim Eisbergsalat positive Effekte des Cultan-Verfahrens, bei Lauch und Blumenkohl allerdings nicht. Gesamthaft gesehen vermochte das Cultan-Verfahren nicht zu überzeugen. In deutschen Versuchen in Getreide wurden auch Ammonium-Harnstoff-Lösungen (AHL) eingesetzt. Wichtig ist einfach: Der Dünger darf kein Nitrat enthalten, sonst funktioniert die Selbstregelung nicht. Im Cultan-Anbausystem nur einmal düngen Wer sich für das Cultan-Anbausystem entscheidet, muss grundsätz- lich umdenken. Die N-Düngung erfolgt nur in Ammoniumform zur Pflanzung. Winterkulturen können mit Spezialgeräten im Frühjahr entsprechend nachgedüngt werden. Später ist keine N-Düngung mehr notwendig. Jede spätere zusätzliche und andersartige Düngung führt dazu, dass sich die Pflanze an anderen Stickstoffformen orientiert. Die Ammoniumaufnahme würde geschmälert. Problematisch wird es in Böden, in denen viel organisches Material vorkommt oder die mit Mist gedüngt wurden. «Genau dies war bei unserem Versuch in Hindelbank der Fall. Auf der Fläche war noch MistKompost von früheren Düngungen im Boden. Das aus dem organischen Material mineralisierte Nitrat störte PFL ANZENBAU die Ammoniumaufnahme und schwächte die ertragsteigernde Wirkung», erklärte Daniel Strahm. So eignen sich leichte, nährstoffarme Böden am besten, weil sie wenig Nitrat nachliefern. Das Ammoniumdepot ist aber dort weniger stabil. Was sich im Versuch andeutete, lässt hoffen: Es müssen mit Cultan keine Ertragseinschränkungen hingenommen werden. Einzelne Versuche zeigten gar Mehrerträge. Um einen hohen Gehalt an Stärke in den Kartoffeln zu erreichen, muss die Versorgung mit Stickstoff in der Phase der Abreife terminlich rechtzeitig abgeschlossen sein. Für Karl Sommer vom agrikulturchemischen Institut der Universität Bonn ist dies gezielt nur mit einer stabilen Stickstoffquelle mit sicherem hohem Wirkungsgrad möglich. Die Stärkegehalte im Versuch der fenaco waren allgemein hoch zwischen 16,3 und 17,1 Prozent. Den höchsten Gehalt erzielten die beiden Cultan-Verfahren, die Unterschiede waren aber gering. Das C/N-Verhältnis wird grösser Im Boden hat das KohlenstoffStickstoff-Verhältnis (C/N) eine Bedeutung für den Abbau von organischer Substanz. Die Nmin-Werte sind laut Versuchen im Cultan-Verfahren tiefer, was zu einem höheren C/NVerhältnis führt. Angst vor Strohproblemen hat Cultan-Fachmann Karl Sommer nicht: «Dadurch würden die grösseren Bodentiere wie Regenwürmer gefördert», gibt er im «ap-Magazin» preis. Für ein gesundes Gleichgewicht zwischen Stroh und Bodentieren sei aber eine gewisse Zeit nötig. Das kann ein, zwei Übergangsjahre bedeuten. Damit der durch die regen Lebewesen verbesserte Boden seine Qualität behält, strebt Karl Sommer an, das Cultan-Verfahren auch für Getreide in der konservierenden Bodenbearbeitung einzusetzen. Angesichts dessen, dass man ähnlich zur konservierenden Bodenbearbeitung auch beim Cultan-Verfahren ein paar Übergangsjahre benötigt, sollte man nicht von einem Verfahren, sondern eher von einem ganzen System sprechen. Ähnlich wie bei der Direktsaat braucht es auch beim Cultan-System ein grundlegendes Umdenken. Die Systeme passen aber sehr gut zusammen. «Ökonomie und Ökologie werden in der Pflanzenproduktion in idealer Weise kombiniert», so Karl Sommer. Kaspar Grünig DIE GRÜNE – 6/2004 33
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