weihnachtsempfehlungen

UNSERE PERSÖNLICHEN
WEIHNACHTSEMPFEHLUNGEN
2015
F
Liebe Kundinnen und Kunden!
Es bleibt spannend bei Ameis Buchecke, denn auch das neueste Kapitel
in unserer Geschichte lädt Sie und euch dazu ein, uns zu begleiten und ganz
neue Räume zu entdecken.
Unter dem Motto „Ameis bewegt was“ haben wir im September dieses
Jahres die neuen Ladenräume in der Goschenstraße 29 bezogen – und
möchten an dieser Stelle allen unseren Freunden und Unterstützern ganz
besonders herzlich danken für die tatkräftige und stets motivierende Mithilfe!
Der Umzug hat uns großzügige, helle und barrierefreie Räume beschert
– der gute Service bleibt, wie gewohnt. In unseren Filialen bieten wir besten
Bestellservice rund ums Buch an, auch Modernes Antiquariat, DVDs, MusikCDs, Noten, E-Books, Hörbücher – und vieles mehr. Gern auch telefonisch.
Oder über den Online-Shop auf unserer Internetseite www.ameisbuchecke.
de. Hier können weiterhin ganz bequem von zuhause aus alle im Katalog
enthaltenen Medien bestellt werden – 24 Stunden lang und auch bei tief in
der Nacht auftretenden sehr dringenden Buchwünschen.
Dazu finden und fanden auch in diesem Jahr viele von unserem Team
organisierte Veranstaltungen statt, zu denen wir Sie und euch in den kommenden Monaten wieder sehr herzlich einladen möchten!
Mit unserem Online-Newsletter bleibt man über alle unsere aktuellen
Veranstaltungen stets auf dem Laufenden. Einfach unsere oben genannte
Internetseite aufrufen und gleich auf der Startseite rechts unten den monatlich erscheinenden Newsletter abonnieren. Bei Fragen dazu sind wir selbstverständlich gern behilflich.
Nicht unerwähnt bleiben sollte der „Hildesheimer Kanon der Literatur“,
den es seit November in unseren Läden zu kaufen gibt. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt von vielen begeisterten Kundinnen und Kunden, die sich
darauf eingelassen haben, ihr Lieblingsbuch zu rezensieren und in diesem
schönen Kanon veröffentlichen zu lassen. Eine bemerkenswerte Sammlung
ist zusammengetragen worden, die Sie nicht verpassen sollten. Vielen Dank
nochmals an alle, die sich an diesem Projekt beteiligt haben.
Und nun zu unseren diesjährigen Weihnachtsempfehlungen:
Man darf gespannt sein, gern auch überrascht, angesteckt von unserer Leselust, inspiriert, verlockt, hingerissen. Alle besprochenen Bücher und Hörbücher liegen selbstverständlich in unseren Filialen (griff)bereit.
Das Team von Ameis Buchecke wünscht allen einen frohen Advent,
geruhsame Weihnachtsfeiertage und alles Gute für das Neue Jahr!
F
Maria Knaack empfiehlt
Olivier Rolin Der Meteorologe
Corinna Bernburg, Zoran Drvenkar Könnte ich meine Sehnsucht nach dir sammeln
Karin Kalisa Sungs Laden
Stephanie Schneider Ich brauch euch alle
Christiane Roweck empfiehlt
Martin Heckmann Konstantin im Wörterwald
Lena Gorelik Null bis unendlich
Mikael Wulff, Anders Morgenthaler Truth Facts
Henning Walter empfiehlt
Barry Eichengreen Die großen Crashs 1929 und 2008
Niels Voges empfiehlt
Harald Welzer FUTURZWEI Zukunftsalmanach 2015/16
Jerome Ferrari Das Prinzip
Jon Kabat-Zinn Gesund durch Meditation
Dirk Lütge empfiehlt
Francois Roux Die Summe unseres Glücks
Stephan Thome Fliehkräfte
Björn Taranczewski empfiehlt
Christian Duda Elke
Bov Bjerg Auerhaus
Stefanie de Velasco Tigermilch
Stefan Boonen Ein Mädchen, sieben Pfannkuchen und ein roter Koffer
Helga Schuppan empfiehlt
Kai Weyand Applaus
Loki Schmidt Das Naturbuch für Neugierige
Eveline Borrmann empfiehlt
Meike Haberstock Anton hat Zeit
Elisabeth Herrmann Schattengrund
Marie-Aude Murail Simpel
Susanne Mündel empfiehlt
Erna Sassen Das hier ist kein Tagebuch
Charles Lewinsky Kastelau
Robin Sloan Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra
Anja Krauß empfiehlt
Zora del Buono Das Leben der Mächtigen
Mikael Engström Mesopotamien
Julie Fogliano / Erin E. Stead Wenn du einen Wal sehen willst
Marceline Loridan-Ivens Und du bist nicht zurückgekommen
Sherij Zhadan Kaspar, Opa und der Monsterhecht
Simone Arranz Calvo empfiehlt
Alina Bronsky Baba Dunjas letzte Liebe
Lily King Euphoria
David Foenkinos Charlotte
Micheline Rampe Buddha für Pragmatiker
Christine Rusch-Walter empfiehlt
Dörte Hansen Altes Land
Thomas Schmitz, Dirk Uhlenbrock Julian der Mäuseheld
Sybil Gräfin Schönfeldt Der Rabe auf dem Meilenstein
Claudia Kühl empfiehlt
Peter Wohlleben Das geheime Leben der Bäume
Lea Singer Anatomie der Wolken
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Olivier Rolin
Der Meteorologe
Maria Knaack
Belletristik, Lyrik, Noten
Lernhilfen, Comic
Humor, E-Books
Zuständig für
Ameis Buchecke
in der Goschenstraße
empfiehlt
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Liebeskind 19,90 €
Was in diesem Buch steckt, offenbart sich tatsächlich erst beim Lesen.
Ein kleines Büchlein nur. Es mutet an wie ein netter kleiner Roman oder
wie ein Geschenkbuch für Naturliebhaber, denn sowohl auf dem Cover
als auch im Buch selber befinden sich zahlreiche kleine Bunststiftzeichnungen. Es sind Bilder von Landschaften, Tieren und Pflanzen, aber auch
Rätsel und Sprachspielereien.
Gemalt hat diese Bilder der Meteorologe Alexei Wangenheim. Jedoch
nicht etwa auf einer Expedition oder im Urlaub, sondern im Arbeitslager auf
den Solowezki-Inseln zur Zeit des „Großen Terrors“ in der Sowjetunion unter Stalin (wie der Autor treffend anmerkt, muss es also auch den „Kleinen
Terror“ gegeben haben – das war der alltägliche, schon normal gewordene
in dieser Zeit). Wangenheim hat für seine Tochter gezeichnet, die vier Jahre alt war, als er ins Lager kam, und die er nie wiedersehen sollte.
Olivier Rolin reist schon seit Jahrzehnten regelmäßig nach Russland.
Was ihn immer wieder dorthin zieht, ist ihm selbst ein Rätsel, denn neben
der Herzlichkeit, mit der man in Russland empfangen wird, ist ebenso „viel
Gleichgültigkeit und sogar Rücksichtslosigkeit für das russische Leben
charakteristisch“. Durch Zufall fielen Olivier Rolin auf einer seiner Reisen
diese Zeichnungen und die Briefe Wangenheims an dessen Frau und dessen Tochter in die Hände.
Rolin versucht sich in diesem Buch dem Menschen Wangenheim anzunähern. Ein Mann, der an die Partei und den Sozialismus glaubte, schließlich jedoch in Ungnade fiel, wie so viele. Der Autor bringt den Wahnsinn
des Terrors zum Ausdruck – am Beispiel dieses Mannes, der offensichtlich
nicht besonders mutig war.
Auch im Lager versuchte Wangenheim weiterhin, seinen Glauben an
die Sowjetmacht aufrecht zu erhalten. Er musste dennoch sterben.
Dahinter stand keine Systematik, sondern „nur“ ein rasender Terror,
der jeden treffen konnte – auch diejenigen, die ihn in das Lager brachten
und bewachten. Rolin nähert sich der Person und dem Schicksal Wangenheims Stück für Stück. Zugleich erfährt man viel über historische Hintergründe und über die heutige Aufarbeitung in Russland, insbesondere über
die beeindruckende Arbeit von „Memorial“.
Rolin selbst plagt seine eigene militant-maoistische Vergangenheit in
den Siebziger Jahren, eine Zeit ideologischer Verblendung, wie er selber
sagt. Eine Einschätzung, die man angesichts dessen, was er in diesem
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Buch offenbart, nur teilen kann. Und ein Fakt, der erst langsam in das
allgemeine Bewusstsein drängt und eine Aufarbeitung erfährt. Mit diesem
Buch über den Meteorologen Alexei Wangenheim setzt Olivier Rolin den
unzähligen Opfern des stalinistischen Terrors und dessen Angehörigen ein
Denkmal.
Corinna Bernburg, Zoran Drvenkar
Könnte ich meine Sehnsucht nach dir sammeln
Gedichte und Fotografien
Bei dieser Kostbarkeit in Buchform handelt es sich um das Gemeinschaftsprojekt der Fotografin Corinna Bernburg und des Schriftstellers Zoran Drvenkar. Die Fotografin schießt täglich ein Foto, schickt es dann an
den Schriftsteller, der noch am selben Tag ein Gedicht dazu schreibt.
Wohl mehr als einmal hat Drvenkar den Tag verflucht, an dem er sich
darauf einließ. Insbesondere dann, wenn das Foto erst spät am Abend eintrudelte. Das Projekt ist angelegt auf ein ganzes Jahr, wobei dieser Band
die Monate Juli bis September umfasst. Nach dem Auspacken wurde es
zunächst „gierig“ durchgeblättert, danach habe ich es dann jeden Tag zur
Hand genommen und das Gedicht des Tages gelesen. Als Einstieg in den
Tag oder als besonderen Tagesausklang am Abend.
Drvenkar, bereits bekannt als Kinder- und Jugendbuchautor, ist ein
poetischer Schriftsteller. Seine Texte haben mich inhaltlich und sprachlich
sehr berührt. Sie sind manchmal frech, oftmals sehr gefühlvoll, aber auch
zynisch und sowohl optimistisch als auch desillusioniert. Als Jugendbuch
herausgegeben soll es insbesondere diese Zielgruppe ansprechen.
Heranwachsende, die Lust an Kunst und Sprache haben, werden
durch die Bilder und Texte auf zweifache Weise gepackt. Denn Drvenkar
taucht in vielen Texten ein in die Gefühlswelt eines Kindes und häufiger
noch in die Zeit des Erwachsenwerdens.
Durch die besondere Qualität der Gedichte und kleinen Texte ist es
nicht nur ein Jugendbuch, sondern ein Buch für jedes Alter. Darüber hinaus
ist das Gesamtkonzept wunderbar gelungen. Die ganzseitigen SchwarzWeiß-Fotos zeigen alltägliche Dinge und Szenen und sind hervorragend
gemachte „Schnappschüsse“ einer Fotografin, die ihr Handwerk versteht.
Das Fotoregister am Ende des Buches, in dem Corinna Bernburg jeweils
kurz erklärt, wo das Foto entstanden ist, und dabei auch von ihrem Erleben
an diesem Tag berichtet, ist eine schöne Ergänzung und manches Mal
auch ein spannender Gegenpart zum Gedicht. Ich erwarte mit Ungeduld
die weiteren Bände!
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cbj 22,99 €
E-Book 18,99 €
Karin Kalisa
Sungs Laden
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C.H. Beck 19,95 €
E-Book 15,95 €
In „Sungs Laden“ erzählt die Autorin Karin Kalisa ein modernes Märchen. Es ist eine durchweg positive Utopie, die sie konsequent von der
ersten bis zur letzten Seite ihres Romans vor uns ausbreitet.
Aber worum geht es überhaupt? In einer Grundschule in Prenzlauer
Berg wird das Projekt „Weltoffene Woche“ gestartet. Vom Schulamtsleiter schon vor Monaten dazu genötigt, etwas zur Völkerverständigung an
seiner Schule zu tun, quetscht der Direktor dieses mehr halbherzig in das
ohnehin schon überfüllte vorweihnachtliche Programm. Was unter Zwang
begann, löst schließlich eine Lawine von Ereignissen aus, die über die
Grundschule schließlich das ganze Viertel Prenzlauer Berg erreicht.
Losgetreten wird diese Lawine in der „Weltoffenen Woche“ durch den
Auftritt des kleinen Minh und seiner Großmutter, die eine vietnamesische
Holzpuppe (eine Figur aus dem für Vietnam typischen Wassertheater) mit
auf die Bühne bringt und diese dann von ihrer vietnamesischen Heimat
und ihrer eigenen Geschichte berichten lässt.
Dieser ganze Auftritt ist bemerkenswert und doch lässt sich noch nicht
unmittelbar ahnen, was daraus entstehen sollte. Nach und nach setzt eine
euphorische Hinwendung zu allem Vietnamesischen ein. Das beginnt bei
einer Lehrerin der Grundschule, die anfängt mit Kindern und Erwachsenen
Puppen herzustellen, geht über die Schülerinnen, die begeistert sind von
dem Seidenkleid der Großmutter, bis hin zu weiteren Mitmenschen aus der
Umgebung, die gar nichts mit der Schule zu tun haben.
Die „Prenzelberger“ nehmen plötzlich wahr, wo sie täglich ihre kleinen
und größeren Einkäufe tätigen, wenn sie vom Spielplatz, von der Schule
oder der Arbeit heimkehren. Es sind die Läden an der Ecke, die von Vietnamesen betrieben werden.
Diese Läden sind es auch, die die Autorin Kalisa auf das Thema des
Romans kommen ließen. Selber gerade von Hamburg in den Prenzlauer
Berg gezogen, fielen ihr die vielen vietnamesischen Händler auf.
Es interessierte sie der Grund dafür. Der liegt in der Geschichte der
DDR begründet. In den sechziger Jahren holte der Staat so genannte ‚Vertragsarbeiter‘ aus dem kommunistischen Vietnam ins Land. Diese hatten
in der DDR oftmals einen sehr schweren Stand und mussten Repressalien
erdulden. Nach der Wende wurden die meisten arbeitslos, konnten oder
wollten jedoch nicht nach Hause zurückkehren.
Viele gingen in der Zeit in den Handel und übernahmen die kleinen
Geschäfte, die sie bis heute betreiben. Auch Minhs Familie verdient ihren
Lebensunterhalt mit einem Eckladen. Sie steht im Mittelpunkt der sich ra-
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sant und schier unglaublich entwickelnden Geschichte. Zum Schluss haben sich alle verändert und nicht zuletzt Minhs Familie. Karin Kalisa hat in
ihrem Roman die Frage gestellt: „Was wäre wenn?“ Was wäre, wenn wir
genauer hinschauten und unsere Mitmenschen bewusster wahrnähmen?
Könnten daraus nicht neue Freundschaften entstehen?
Könnte man nicht etwas voneinander lernen? Sich gegenseitig besser verstehen? Zugegeben, das hört sich eher kitschig, wenn nicht gar
abgedroschen an. Aber der Roman ist anders. Kalisa ist Kennerin Asiens
und der asiatischen Sprachen. Sie versteht es, uns das Schicksal und die
Kultur der Menschen aus Vietnam auf verständnisvolle Weise näher zu
bringen. Das alles gelingt ihr auch aufgrund ihrer hervorragenden Art zu
schreiben. Sehr leichtfüßig, beiläufig und mit viel hintersinnigem Witz, aber
ebenso starkem Tiefgang. Ich gehe tatsächlich seit der Lektüre anders
durch die Straßen, schaue hier und da genauer hin und denke: „Ja, was
wäre wenn?“ ‚Sungs Laden‘ ist Karin Kalisas erster Roman. Ich hoffe, es
ist nicht ihr letzter.
Stephanie Schneider
Ich brauch euch alle!
Illustration Astrid Henn
Natürlich braucht Otto sie alle! Wer würde das nicht verstehen. Nicht
ein einziges Tier seiner Kuscheltiersammlung – und er besitzt die größte
Sammlung der ganzen Straße – mag er missen. Schon gar nicht beim
Einschlafen. Aber auch keiner seiner vier Brüder darf fehlen, denn er liebt
auch sie heiß und innig. Und sie ihn.
Als jedoch durch einen Hauptgewinn an der Losbude ein riesengroßes
Kuschelschwein namens Elke hinzu kommt, wird es den Brüdern doch zu
eng im gemeinsamen Bett. Damit die Tiere bleiben können, wollen sie gehen. Aber das kommt für Otto nicht in Frage. Was ist zu tun?
Da jeder der Brüder über eine ganz besondere Leidenschaft und Fähigkeit verfügt, finden sie gemeinsam eine Lösung und am Ende alle Platz.
Eine warmherzige, pointiert und fröhlich-witzig erzählte Geschichte
vom Kuscheln, Einander-Liebhaben und davon, dass sich immer eine Lösung findet, wenn man zusammenhält. Die Bilder sind großzügig und detailreich von der Illustratorin Astrid Henn gestaltet und begleiten den Text
auf gefühlvolle Weise.
Die Hannoveraner Autorin Stephanie Schneider hat nach „Tambo“ und
„Elefanten im Haus“ nun bereits ihr drittes Bilderbuch herausgebracht. Es
mögen noch viele weitere folgen!
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Fischer Sauerländer
14,99 €
Martin Heckmann
Konstantin im Wörterwald
Illustrationen von Stefanie Harjes
Christiane
Roweck
Kinder- und Jugendbuch, Geschenkbuch
Religion
Zuständig für
Ameis Buchecke
in der Andreaspassage
empfiehlt
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mixt vision 17,90 €
E-Book 9,99 €
Konstantin stottert. Er scheut sich vor großen Worten, denn diese machen ihm das Leben schwer. Da er jedoch die Sprache liebt, zieht er sich
in sich selbst zurück und schreibt eine Geschichte, in der er mit Worten,
Lauten und Sätzen spielt („Der Fluss fließt, der Strom strömt, aber was
macht der Bach ... ?)
Die Geschichte: Als er das Lied eines Mädchens mit einer wundervollen Stimme hört, macht sich der verträumte Konstantin auf den Weg,
das Mädchen zu suchen. Auf Irr- und Umwegen durch den Wald begegnet
er einer sprechenden Eintagsfliege und einem bedrohlichen Stachelbären.
Schließlich gelangt er zu einem Ungeheuer, das das Mädchen gefangen
hält. Er befreit es und nimmt es mit zu sich nach Hause.
Als er es seiner Mutter vorstellt, bleibt es für diese jedoch unsichtbar.
Aber Konstantin bestätigt seiner Mutter, dass ihm die Worte ganz leicht
fallen, wenn O (so nennt er das Mädchen) in seiner Nähe ist.
Der Umgang mit der Sprache, wie Heckmann sie verwendet, gibt seiner Erzählung eine poetische Note („Das Wort Wasser macht nicht nass“)
und damit eine bildliche Kraft. Er zeigt anhand von Konstantin, wie machtvoll Sprache sein kann: „Konstantin zähmte das Ungeheuer, indem er es
beschrieb. Er machte es klein mit jedem Satz, in den er das Untier zerlegte. Seine Beschreibung teilte das Ungeheuer in Eigenschaften. Und so
verlor es das Ungeheure.“ Durch Sprache, die Konstantin zu Beginn des
Romans das Leben schwer machte, heilt er sich quasi selbst.
Der zarte, fantasievolle und umgängliche Ton machen diesen Roman
zu einer Traumreise für groß und klein, aus der man nur ungern erwacht.
Die schwarzroten Illustrationen von Stefanie Harjes ergänzen den Text
mit symbolischer Kraft und geben ihm Tiefe. Nominiert für den Jugendliteraturpreis 2015. 10-12 Jahre
Lena Gorelik
Null bis unendlich
Schon in ihrem Roman „Die Listensammlerin“ hat mich die stilistische
Klarheit von Lena Gorelik angesprochen. In ihrem neuen Buch „Null bis
unendlich“ erzählt sie in präziser Sprache, spannend und sensibel bis
aufwühlend die Geschichte von Sanela, ihrem Sohn Niels-Tito und ihrem
Freund Nils Liebe.
Allein den Inhalt wiederzugeben wäre zu banal und würde weder dem
Buch noch der Autorin gerecht werden. Der Roman lebt von der sprachlichen Gestaltung und der dadurch entstehenden Atmosphäre.
Sanela ist Opfer des Krieges im ehemaligen Jugoslawien. Als 14-jäh-
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Mikael Wulff, Anders Morgenthaler
Truth Facts
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riges Waisenkind kommt sie 1992 zu Verwandten nach Deutschland.
Hier freundet sie sich mit ihrem Mitschüler Nils Liebe an, der als kauzig
und hochbegabt (Mathegenie) gilt und dem Sprache, Rhetorik und Ausdruck am Herzen liegen. Auch Sanela hat eine gewisse Affinität zur Sprache (als Erwachsene wird sie täglich ein Gedicht verfassen).
Nachdem sie gemeinsam ins Kriegsgebiet nach Bosnien gereist waren, wo sie das Grab von Sanelas Vater suchten, trennen sich ihre Wege.
Erst 15 Jahre später schreibt Sanela einen Brief an Nils und sie treffen
sich wieder. Zu diesem Zeitpunkt hat Sanela einen kleinen Sohn namens
Niels-Tito (dessen Vater bei einem Autounfall ums Leben kam) und sie ist
unheilbar krank. Nils Liebe ist ein Verstandesmensch. Er denkt klar und
deutlich, fühlt jedoch nicht deutlich. Er begreift in Details, kommt den Dingen jedoch nicht nahe. Sanela wirkt, als könne ihr niemand nahe kommen
(außer ihr Sohn), nicht einmal sie selber. Sie ist destruktiv in der Beziehung
zu Nils. Sie will Nähe, gleichzeitig aber auch Distanz. Sie liebt ihren Sohn
Niels-Tito, jedoch weist sie ihn auch schroff zurück.
Sie ist äußerst melancholisch und dies ist nicht allein auf ihre Krankheit
zurückzuführen, sondern auch auf den Verlust ihrer Eltern, insbesondere
ihres Vaters. Die Geschichte der beiden gleicht einem Psychogramm.
Sie versuchen sich an der Liebe. Und tatsächlich sagte Lena Gorelik
in einem Interview, dass sie ursprünglich vorhatte, das Buch „Ein Versuch
an der Liebe“ zu nennen. Für mich ist dieses Buch ein ganz großer Wurf.
Lena Gorelik erschafft mit der Geschichte dieser drei Sonderlinge eine
Stimmung von gefühlter Unendlichkeit, deren Sog man sich nicht entziehen kann.
Rowohlt Berlin 19,95 €
audio media 19,99 €
E-Book 16,99 €
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C
Gemeinhin werden Infographiken genutzt, um Statistiken sichtbar
und verständlicher zu machen. Nicht so in Truth Facts von den dänischen
Autoren Anders Morgenthaler und Mikael Wulff. Indem sie vermeintliche
Lebenserfahrungen in Form von Statistiken graphisch darstellen, führen
die Autoren jegliche Statistik, die ja nun mal als solche den Anspruch hat,
objektiv zu sein, ad absurdum.
Sie beweisen zum Beispiel, dass Applenutzer religiöse Extremisten
sind und zeigen, wann man bei E-Mails den Tippfehler bemerkt (vor dem
Senden? – im Moment des Sendens?). Alltägliche Erfahrungen wie die,
beim Anstehen an der Kasse im Supermarkt garantiert in der falschen
Schlange zu stehen, werden in überspitzter und witziger Weise dargestellt
und bestätigen damit unsere eigene subjektive Wahrnehmung. Oder ist
das bei Ihnen anders? Truth Facts zeigt, wie das Leben wirklich ist.
Ein Must-have für alle, die sich unkonventionell über die Realitäten des
Lebens informieren wollen und dabei einen riesen Spaß haben!
Kein & Aber 9,90 €
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Barry Eichengreen
Die großen Crashs 1929 und 2008
Henning Walter
empfiehlt
Kundenrezension
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FBV 34,99 €
Das neue Werk des Berkeley-Professors Eichengreen ist keine leichte,
aber eine lohnende Lektüre. Er vergleicht die beiden großen Krisen und
versucht dabei das Handeln der Akteure im politischen System, im realwirtschaftlichen System und im Finanzsektor zu analysieren.
Bestechend sind die Detailkenntnisse, die Eichengreen seiner Argumentation unterlegen kann. Deutlich wird, dass es bisher keine systematischen wissenschaftlichen Modelle für die hyperkomplexen Zusammenhänge zwischen den drei Systemen gibt, so dass das Handeln gegen die
Krise immer eine Art von pragmatischer „Wegsuche auf Sicht“ darstellt.
Erschwerend wirkt, dass im sich beschleunigenden Strukturwandel nicht
einmal über die drei Teilsysteme tragfähige Kenntnisse herstellbar sind.
Gerade im Finanzsektor lassen sich atemberaubende Konstruktionen mit
wertsteigernden Hebelwirkungen finden, deren Risiken für interne wie für
externe Akteure weitgehend unübersichtlich sind, auch wenn in Zeiten der
Prosperität das Gegenteil behauptet wird.
In Eichengreens Überlegungen wiederholt sich Geschichte insofern,
als die krisenhafte Unübersichtlichkeit immer wieder an den Rand eines
großen Crashs führt; Realwirtschaftliche und finanzwirtschaftliche Steuerungsversuche charakterisiert er als Versuche zur „Normalisierung des
Abnormalen“. Der interessierte Leser kann mögliche Instrumente und
Handlungsanweisungen beim Versuch der Normalisierung des Abnormalen am Rande des Crashs aus Eichengreens vergleichender Analyse kennenlernen, wenn er der verästelten Darstellung folgt.
Auch wenn man nicht allen Überlegungen folgt, wird man fruchtbare
Erkenntnisse aus dem Buch ziehen. Übrigens auch interessant bei Eichengreens Ausblicken auf Europa und die Eurokrise.
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Harald Welzer
FUTURZWEI Zukunftsalmanach 2015/16
Geschichten vom guten Umgang mit der Welt
Dana Giesecke und Luise Tremel (Hrsg.)
Was dieses Handbuch für eine enkeltaugliche Zukunft bei uns erreichen will, ist eine bewusste Haltung als machtvolle Konsumenten und
Gestalterinnen unserer eigenen Zukunft. Dies erreicht der Almanach problemlos durch sein Herzstück, 82 gut und unterhaltsam erzählte wahre Geschichten über Menschen und Projekte, die fern von Wachstumshörigkeit
und Kapitalismusgläubigkeit alternative Wege des Wirtschaftens gegangen sind und zeigen, wie eine gute Zukunft gelingen kann. Denn wir alle
kennen Sie, die Ungerechtigkeiten der Welt, die wir mit jedem unreflektierten Einkauf unterstützen.
Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, dass jeder Gebrauchsartikel, den
wir benutzen, irgendwo von irgendjemandem unter mehr oder weniger guten Bedingungen hergestellt worden sein muss, Rohstoffe, Erdöl, Mineralien mussten geschürft und transportiert werden.
Das Ding wurde hübsch verpackt und wieder transportiert. Am Ende
der Nutzungsdauer muss es entsorgt werden. Weil die Bedingungen oft
schlecht sind, oder gar nicht mehr genau nachvollziehbar, wird hier mit
Einfallsreichtum und sozialer Intelligenz nach Alternativen gesucht.
Alle im Zukunftsalmanach dargestellten Initiativen befinden sich in
unterschiedlichen Stadien, manche erst am Anfang, manche schon renommiert und erfolgreich. Dort wird erzählt von eigener dezentraler Energieversorgung, von in Deutschland mit fairen Löhnen hergestellter
und trotzdem erschwinglicher Kleidung, von Entwicklung und Produktion
von Farben und Lacken ohne giftige Abfälle, von Strohballenarchitektur,
Kunststoff aus Wiesengras, Dämmstoffen aus Neptungras, Guerilla-Sanierungen für bezahlbares Wohnen, Shared-Space-Konzepte im öffentlichen
Raum, Bewirtschaftung öffentlicher Grünflächen mit Gemüse und Obst zur
freien und kostenlosen Ernte durch die Stadt-Bewohnerinnen, Leihbörsen,
Verschenkläden, Gebrauchtläden, Reparaturcafes, Netzwerke von Sammel-, Aufbereitungs- und Reparaturinitiativen, die aussortierte Produkte
reaktivieren und verkaufen.
Literatur über die Auswirkungen unkritischen Konsums gibt es seit
Jahren. Jeder halbwegs mündige Bürger dürfte gut informiert sein über
zur Neige gehende Rohstoffe und die Veränderung des Weltklimas, über
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Niels Voges
Bellestristik, Biographien
Kunst und Kultur
Zuständig für das
Antiquariat Seitenwechsel
empfiehlt
:
Fischer Taschenbuch
16,99 €
die desolaten Umwelt-, Sicherheitsstandards und Arbeitsbedingungen in
den Regionen unserer Welt, in denen die Dinge, die wir täglich nutzen,
hergestellt werden. Jeder Mensch könnte bereits von den Strömen von
Plastikpartikeln in den Ozeanen (das neue Plankton) und den Bergen gesundheitsschädigenden Elektronikschrotts in Afrika gehört haben und das
alles, während China, die Werkstatt der Welt, ein Kohle- bzw. Atomkraftwerk nach dem anderen baut, um die ungebremste Nachfrage nach neuen
Dingen zu befriedigen.
Über all dies möchte der neue Zukunftsalmanach der FuturZwei Stiftung Zukunftsfähigkeit in erster Linie aber nicht nur informieren, sondern
sogleich Alternativen zu der scheinbaren Machtlosigkeit gegenüber dem
ungezügelten Kapitalismus aufzeigen und wie man diesem ganzen Wahnsinn der Ausbeutung von Mensch und Natur mit sozialer und moralischer
Intelligenz entkommen und die Zukunft wieder selbst in die Hand nehmen
kann.
Jerome Ferrari
Das Prinzip
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Ü
Secession Verlag
für Literatur 19,95 €
E-Book 14,99 €
Nie hat wohl ein Romancier poetischer über die Errungenschaften der
Quantenmechanik und deren Folgen geschrieben. Entlang des Lebens des
Kernphysikers Werner Heisenberg macht sich der französische Schriftsteller in diesem kurzen, aber feinen Text auf die Suche nach Antworten.
Zunächst Korrespondenzen in ganz Europa und den Vereinigten Staaten pflegend – zu Bohr, Pauli, Einstein und Schrödinger – wenden sich alle
von ihm ab, als Heisenberg sich entschließt, während der Nazi-Diktatur in
Deutschland zu bleiben.
Auch die Naturwissenschaften werden von der Sprache der Nazis infiziert. Nichts Jüdisches darf mehr zitiert – auch nicht nur genannt – werden.
Am Ende der Schreckensherrschaft gibt sich Heisenberg naiv und glaubt
nicht, etwas Unrechtes getan zu haben, waren es doch nicht sie, die Deutschen, die es geschafft haben, die Bombe zu bauen, sondern die Amerikaner, und damit das Leid von Millionen zu forcieren.
Doch verharrt der Autor nicht in der Vergangenheit. Das Prinzip des
technisch Machbaren, des Fortschritts um jeden Preis, seiner (Un-)Kontrollierbarkeit und der Allianz von Wissen, Mit-Wissen und Verantwortung,
spürt er überraschend, aber äußerst subtil auch in seiner eigenen Gegenwart auf. Jerome Ferrari ist Jahrgang 1968, erhielt 2012 den begehrten
Prix Goncourt für seine Korsika- Trilogie und lebt als freier Schriftsteller in
Paris.
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Jon Kabat-Zinn
Gesund durch Meditation
Die erste deutsche Ausgabe dieses mittlerweile als Klassiker der Literatur über Meditation geltenden Buchs ist bereits 1991 erschienen. Ich
habe es bereits seit ein paar Jahren in meinem Bücherschrank aufbewahrt,
bevor es mir vor einigen Wochen bei meinem persönlichen Wiedereinstieg
in die Meditationspraxis in die Hände fiel und ich es mit zunehmender Begeisterung von vorne bis hinten durchgelesen habe.
Jon Kabat-Zinn ist Gründer der Stress Reduction Clinic an der University of Massachusetts. Er beschreibt hier das dort entwickelte achtwöchige Programm der Stressbewältigung durch Achtsamkeit, an welchem
seit dem Zeitpunkt des Bestehens bereits über 17.000 Menschen teilgenommen haben. Das Programm basiert auf dem systematischen Training
der Achtsamkeit, was vereinfacht ausgedrückt bedeutet, jeden Augenblick
und all jene Dinge, über die wir gewöhnlich nie nachdenken, bewusst zu
erfassen. Die Kursteilnehmer werden darin geschult, sich selbst aus einer
neutralen Beobachterperspektive heraus wahrzunehmen.
Sie richten Ihre Aufmerksamkeit zunächst auf die Fülle von wertenden
Gedanken und Gefühlen, die tagein tagaus unser Dasein umtosen und uns
vom Wesentlichen ablenken.
In der Meditation konzentriert man sich dann bewusst auf die Atmung,
die Grundlage und Essenz allen Lebens. Taucht ein Gedanke auf, was
unweigerlich passieren wird, wird man sich seiner bewusst, ohne ihn zu
werten und vor allem ohne sich mit ihm zu identifizieren, lässt ihn ziehen
und konzentriert sich erneut auf die Atmung. Dies etwa 15 Minuten am
Tag praktiziert, wird bereits eine deutliche Beruhigung des Geistes nach
sich ziehen. Der Autor geht auf verschiedene Arten der Meditation ein: Die
Sitzmeditation, das Yoga und den Body-Scan.
All diese Übungen sind Möglichkeiten für das Training der Achtsamkeit.
Natürlich geht er auch auf die Schulung der Achtsamkeit im Alltag ein.
In einem anderen Teil beleuchtet Kabat-Zinn den Paradigmenwechsel
im Bild des Menschen und geht auf die Aufhebung der Dualität von Geist
und Körper ein. Er zieht eine große Anzahl wissenschaftlicher Belege
heran, um die Auswirkung eines ruhigen und in Achtsamkeit geschulten
Geistes auf die körperliche Gesundheit darzulegen.
Das vorgestellte Buch ist gleichermaßen für Interessierte, Anfänger
und Wiedereinsteiger geeignet und vermittelt unterhaltsam und klar die
Vorteile einer regelmäßigen und engagierten Praxis der Meditation.
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Knaur Taschenbuch
12,99 €
Hörbuch, Argon Verlag
3 CDs 16,95 €
Francois Roux
Die Summe unseres Glücks
Dirk Lütge
Pädagogik, Politik
Geschichte, Philosophie
Ökologie, Naturwissenschaften, Sport
Zuständig für das
Antiquariat Seitenwechsel
empfiehlt
3
Piper 24 €
Es ist der Mai 1981, als die vier Freunde Rodolphe, Paul, Tanguy und
Benoit mit unterschiedlichem Erfolg ihre Abiturprüfungen hinter sich bringen und voller Erwartungen ins Erwachsenenleben aufbrechen. Der Sozialist Mitterand hat die Präsidentschaftswahlen gewonnen und die Mehrheit
der Franzosen ist von der Hoffnung auf eine modernere und gerechtere
Gesellschaft euphorisiert.
Rodolphe und Tanguy, die beiden glänzenden Schüler gehen nach
Paris und streben Karrieren in Politik und Wirtschaft an, während der IchErzähler Paul ebenfalls in Paris zunächst eher ziellos den Ansprüchen des
übermächtigen Vaters zu entfliehen versucht und sein schwules ComingOut erlebt. Benoit, bleibt als einziger in der Provinz und macht aus seinem
Hobby, der Fotografie, einen Beruf, zunächst als Lokaljournalist, später als
freier Fotograf.
In kleinen Episoden erleben wir die unterschiedliche Lebensstationen
der vier Protagonisten, die Erfüllung und das Zerplatzen mancher Träume,
Leidenschaften und Egoismen, sowie die durchaus schwierige Entwicklung ihrer Freundschaft bis in die heutige Zeit.
Franccois Roux gelingt dabei ein vielschichtiges und eindringliches
Portrait einer Generation, die gleichzeitig Protagonist wie Opfer einer gewaltigen gesellschaftlichen Umwälzung geworden ist. Mit scharfem Blick
seziert er das Vordringen des Primats der Ökonomie und den Siegeszug
neoliberalen Prinzipien in Politik und Privatsphäre. Das Streben nach
Glück in den westlichen Gesellschaften dieser Epoche wird mit klugem
Blick hinterfragt ohne uns allzu sehr zu belehren.
Ein Buch, das zur Selbstreflexion einlädt und gleichzeitig ein großes
Lesevergnügen bietet.
Stephan Thome
Fliehkräfte
Ich hatte den Roman Fliehkräfte vor ca. zwei Jahren gelesen und war
damals sehr beeindruckt von dem Buch. Es erzählt die Geschichte des
Paares Maria und Hartmut aus der Sicht des Mannes und ist dabei vor
allem die Geschichte seiner Lebenskrise im Alter von etwa Mitte 50 Jahren.
Er ist Professor für Philosophie in Bonn, der nicht mehr recht weiß,
welche Ziele er im Leben noch verwirklichen soll.
Sie, gebürtige Portugiesin, Hausfrau und Mutter, das gemeinsame Kind
ist erwachsen, hat vor kurzem beschlossen, sich endlich selbst zu verwirklichen und als Regieassistentin zu einem renommierten Theaterensemble
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nach Berlin zu gehen. Hartmut sieht die Notwendigkeit dieses Schrittes
nicht wirklich ein und leidet mehr und mehr unter der räumlichen Trennung.
Stephan Thome beschreibt minutiös und zugleich packend die Verunsicherung und die Sinnkrise des Mannes. Sehr fein lotet er dabei die
Höhen und Tiefen der Beziehung der beiden aus, die sich zwar auseinandergelebt haben, aber doch immer noch viel füreinander empfinden.
In diesem Frühjahr erschien dann „Gegenspiel“, in welchem die Geschichte und die Beziehung aus Marias Sicht noch einmal erzählt wird.
Das ist hochspannend, stellenweise überraschend und nahezu durchgehend sehr glaubwürdig. Ihm gelingt es sehr gut, sich auch in die weibliche
Sichtweise und auch die interkulturelle Perspektive einzufühlen.
Auch Maria hängt noch an ihrer Liebe. Es findet keine Abrechnung
statt, sondern eine intensive Auseinandersetzung mit den Höhen und Tiefen ihrer Beziehung und vor allem mit den Entwicklungen und den Brüchen
in ihrem eigenen Leben.
Genau wie Hartmut im anderen Roman scheint Maria ihrer Beziehungskrise mit ebenso großer Ehrlichkeit sich selbst gegenüber wie auch
einer gewissen Ratlosigkeit und Unsicherheit entgegenzutreten. Das ist
hochspannend zu verfolgen und fein ausgeleuchtet vom Autor.
Beide Bücher, die man natürlich auch mit großem Genuss einzeln lesen kann, laden zur Reflektion über das eigene Leben, über Beziehungen
und Geschlechterrollen ein und dürften Leserinnen und Leser gleichermaßen berühren.
15
§
§
Suhrkamp Geb. 22,95 €
TB 10,99 €
Gegenspiel:
Suhrkamp Geb. 22,95 €
Christian Duda
Elke
Björn
Taranczewski
Kinder- und Jugendbuch
Zuständig für
Ameis Buchecke
in der Goschenstraße
empfiehlt
h
Beltz & Gelberg 12,95 €
E-Book 11,99 €
Hörbuch 2CDs
HörCompany 14,95 €
Gelesen von Nina Petri
Vielen Dank an den Verlagsvertreter von Beltz & Gelberg für seinen
Hinweis, es wäre „schade, wenn wir dieses Buch nicht im Laden hätten“.
Sehe ich mittlerweile auch so.
Ich hatte das Vorabexemplar mit mäßiger Begeisterung angefangen zu
lesen, stieß gleich am Anfang auf die Beschreibung der diesem Buch den
Namen gebenden Person, nämlich Elke, die hier als fett bezeichnet wird,
und legte es erst einmal zur Seite.
Beim zweiten Anlauf las ich weiter und wurde belohnt mit einer lebensnahen, anrührenden Geschichte, die mir großes (Vor-) Lesevergnügen
bereitet hat. Sie spielt in der „Lubitsch“, einer etwas schäbigen Straße im
Osten Berlins.
Aufgrund einer zufälligen Begegnung, einem gerade verhinderten Zusammenprall, lernen sich besagte Elke, die als Betreuerin in einer Wohngruppe arbeitet, und der 5-jährige Kasimir kennen. Seine Neugier und ihre
Freundlichkeit führen die beiden zusammen und weil Elke jeden Tag das
Café in der Lubitsch mit ihrem Kuchen beliefert, ist der Cafébetreiber Uwe
eine weitere wichtige Figur in dieser Geschichte.
Darüber hinaus lernen wir noch so manche Person kennen, die alle „ihr
Päckchen“ zu tragen haben. Dieses Päckchen ist manchmal ein Paket...
Ich war verwundert, welche Themen in dieser nur gut 150-seitigen Geschichte untergebracht werden, ohne dass sie Gefahr läuft, schwermütig
zu sein. Kasimirs kindliche Logik sowie die authentisch und warmherzig
gezeichneten Protagonisten verhindern trotz mancher nachdenklich stimmenden Momente allzu negative Stimmung.
Darüber hinaus sind viele Dialoge, z. B. die verbalen Scharmützel
zwischen dem leicht griesgrämigen Uwe und seinem neuen vorlauten
„Stammgast“ Kasimir, wirklich witzig und wie dieses Café immer mehr zum
Anziehungspunkt unterschiedlichster Menschen wird, hat etwas Märchenhaftes.
Eine unglaubliche Fülle verschiedener Emotionen beinhaltet dieses
„schmale Buch über die Wirkung von Kuchen“, so der Untertitel, und auch
wenn ich den Einstieg anfangs als etwas schroff empfunden habe, so
passt er doch wunderbar zu dem Ton dieses Buches.
Kleine Vignetten (den Kapiteln vorangestellte Zeichnungen) von Julia
Friese, als auch das im Anhang befindliche Rezept für Elkes sensationellen
Russischen Zupfkuchen runden das gelungene Buch von Christian Duda
ab. Macht viel Spaß, manchmal nachdenklich oder traurig und kann neugierigen Kindern und Erwachsenen gleichermaßen gefallen.
16
Bov Bjerg
Auerhaus
Dieser feine kleine Roman (280 Seiten ) hat mich für ein paar Stunden
in meine Jugend in den 80ern und die Zeit kurz vor dem Abitur zurück katapultiert, und das auf sehr vergnügliche Weise.
Erzählt wird aus der Ich-Perspektive die Geschichte einer WG im ländlichen süddeutschen Raum, die sich aufgrund eines missglückten Suizids
des besten Freundes des Erzählers gegründet hat. Um ein bisschen aufeinander aufzupassen, dass so etwas nicht wieder passiert, haben die jungen Leute den elterlichen Segen bekommen, in ein leer stehendes Haus
im Dorf zu ziehen. Dort „lebten wir ein richtiges Leben mit Aufstehen und
Frühstückmachen und Federballspielen, mit Essenbesorgen und zusammen kochen“.
Unglaublich stilsicher trifft Bjerg den Ton dieser Zeit, die Haltung zum
Leben zwischen allumfassendem Weltschmerz und totaler Gleichgültigkeit,
die Stärke und Wärme, die aus einer Gemeinschaft junger Leute erwächst,
aber eben auch Details der 80er, wie Terroristenplakate, Verweigern oder
Berlin sowie das titelgebende Stück von Madness („Our House“) im Radio,
lassen die Lesenden, die in etwa dieser Generation angehören, mit vielen
Aha-Erlebnissen zurück.
Die kurzen Kapitel und eine Vielzahl charmanter Dialoge sorgen für
eine sehr lebendige Sprache. Die Geschichte durchweht ein lakonischer
Witz („Er setzte sich. Das sah so ungelenk aus, als wären ER und SICH
zwei verschiedene Personen. Wer setzte sich? Er setzte sich. Wen setzte
er? Sich setzte er.“) und viele kluge Gedanken. Habe ich, nachdem ich aus
dieser Zeitmaschine ausgestiegen war, gleich nochmal gelesen.
Sehr zu empfehlen für Leute, denen Bücher oft zu dick oder ausschweifend sind.
Stefanie de Velasco
Tigermilch
Letztes Jahr erschienen, also nicht mehr ganz neu, doch von mir erst
dieses Jahr entdeckt, hat mich Tigermilch gepackt. Zuerst als Jugendbuch
verlegt, geht dieses Buch gerade den gleichen Weg wie „Tschick“ von
Wolfgang Herrndorf, mit dem es manchmal verglichen wird. Nämlich den
Weg in die Erwachsenenliteratur.
Wenn ein Jugendbuch ausmacht, dass die Protagonistinnen sich im
Jugendalter befinden, dann ist es ein Jugendbuch. Wenn man eine rasant
17
M
q
Blumenbar 18 €
E-Book 13,99 €
Hörbuch
Aufbau Audio 16,99 €
Gelesen von
Robert Stadlober
k
B
KiWi TB 8,99 €
Geb. 16,99 €
E-Book 8,99 €
Argon Hörbuch 19,95 €
gelesen von
Inka Löwendorf
und originell erzählte Geschichte über prekäre Verhältnisse, drohende Abschiebung, migrationsspezifische Probleme, ungeplante Schwangerschaft
und das Loblied auf die Freundschaft (im Jugendalter) lesen möchte, dann
ist dieses Buch genau das richtige, für jedes Alter.
Trotz ziemlich desolater Familienverhältnisse strotzen die 14-jährigen
Freundinnen Nini und Jameelah nur so vor Neugier und Lebenslust. Sie
verbringen ihre Freizeit mit jugendtypischem Abhängen am Cliquentreffpunkt oder im Freibad, klauen im Kaufhaus oder üben auf der „Kurfürsten“
fürs erste Mal, indem sie sich als Schulmädchen anbieten, ohne die letzten
Grenzen zu überschreiten.
Klingt deprimierend bis leichtsinnig, ist es auch, und dennoch ist ihre
Freundschaft einfach großartig, sind ihre Sprachspielereien und Gespräche
erfrischend und wortwitzig. Sei es ihre Spielvariante „Stadt, Land, Aids“, in
dem sie Flüsse durch Krankheiten ersetzen, weil sie ohnehin keine Flüsse
kennen oder ihr „Wörter knacken“, alle Vokale durch o zu ersetzen. So wird
aus Katze Kotze, aus Geld Gold usw.. .
Irgendwann wird diese innige Freundschaft durch einen tragischen
Vorfall auf die Probe gestellt, droht zu zerbrechen, zu unterschiedlich sind
ihre Ansichten, wie es weitergehen soll.
Kann unter diesen Lebensverhältnissen alles gut werden? Das Ende
jedenfalls ist stimmig, das ganze Buch erscheint mir sehr wahrhaftig. Es
liest sich so authentisch, so schnell, drastisch und bildgewaltig, dass ich
atemlos dem Verlauf der Geschichte folgte. Echt kross!
Stefan Boonen
Ein Mädchen, sieben Pfannkuchen und ein roter Koffer
g
f
Fischer KJB 14,99 €
E-Book 12,99 €
Es gab und gibt ja immer wieder Diskussionen über Sinn und Unsinn
von Märchen wegen der ihnen innewohnenden Brutalität. Nach meiner Erfahrung mit drei vorlese- und zuhörbegeisterten Kindern kann ich sagen,
dass sie damit ganz gut zurechtkommen.
Womit Ich nicht so gut klar komme, sind die stereotypen Rollenbilder
darin. Deshalb freue ich mich immer besonders über neue Bücher, die
viele märchenhafte Elemente enthalten, aber nicht die ausgelatschten
Pfade der Geschlechterklischees breiter treten.
Der flämische Schriftsteller Stefan Boonen erzählt uns die Geschichte eines Mädchens, welches eines Tages an den Flussstrand von Wammerswald gespült wird, sich ihres Namens nicht mehr erinnern kann (oder
will?), demzufolge Findling genannt wird und fortan an ebendiesem Strand
in einem selbst gebauten Verschlag leben möchte.
Mutter tot, Vater weg und ein Leben bei einer ungeheuer fiesen Tante
18
hinter sich lassend, wird Findling für alle Bewohner des Dorfes zu einer
interessanten Figur, die die meisten Herzen mit ihrer lieben, vorwitzigen
und klugen Art für sich gewinnt.
Neben Findling treten auf: eine schießwütige Försterin, ein Polizist mit
Sprachfehler, der Bäcker, seine Frau und elf Söhne mit großem FindlingInteresse, eine Pfannkuchen backende Schifferin, ein Allesreparierer, der
gut vorlesen kann und viele andere mehr oder weniger kluge Menschen.
Nicht zu vergessen den gefährlichen Wald namens „Die Finsternis“, den
dort wohnenden Bären, Herrn Waltz, der aus dem Wald (und dem Dorf?)
einen riesigen Vergnügungspark bauen will und und und.
Irgendwo zwischen Räuber Hotzenplotz und Pippi Langstrumpf in
der heutigen Zeit angesiedelt, mit wunderschönen Illustrationen von Tom
Schoonooghe bestückt, ist dieses Buch ein „modernes Märchen“, wie es
mir gefällt. Phantasievoll, spannend, Herz ergreifend und lustig. Bitte mehr
Bücher dieses Autors ins Deutsche übersetzen!
Kai Weyand
Applaus für Bronikowski
Als Nies dreizehn Jahre alt ist, erklären seine Eltern ihm und seinem
18jährigen Bruder Bernd, dass sie nach Kanada auswandern werden. Mit
„sie“ sind Vater und Mutter gemeint. Die Jungs sind ihrer Ansicht nach
bereits sehr selbständig und Bernd wird schon gut für den Bruder sorgen
können.
Nies ist vollkommen perplex, ist irritiert, enttäuscht, wütend ... und beim
letzten gemeinsamen Abendessen verkündet er, dass er ab jetzt nur noch
auf den Namen NC hören wird: No Canadian.
Bernd, sein Bruder, arbeitet in einer Bank, ist zielstrebig und karrierebewusst – alles das, was NC nicht ist und auch niemals sein möchte.
Nach Beendigung der Schule beginnt er eine Ausbildung als Landschaftsgärtner – und bricht diese wieder ab. Er hält sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser, aber am liebsten streift er durch die Straßen und guckt
sich die Gegend und die Menschen an. NC schaut nicht einfach nur; er
sieht ganz genau hin und macht sich so seine Gedanken.
Z.B. über den dreibeinigen Hund mit dessen Herrchen. Wie stellt ein
Hund mit nur drei Beinen es an, an einem Baum das Bein zu heben, ohne
umzukippen? Diese und auch andere ungemein wichtige Fragen lassen
ihm manchmal keine Ruhe.
19
Helga Schuppan
Medizin und Gesundheit
Reise, Naturheilkunde
Kochen und Ernährung
Fremdsprachige Literatur
Garten
Zuständig für Ameis
Buchecke in der Uni
empfiehlt
Aber nicht nur mit seinen Beobachtungen nimmt es NC sehr genau.
Auch die Sprache, die Ausdrucksweise der Menschen nimmt er gerne
„beim Wort“. Das kann auch schon mal so weit gehen, dass ihn sein Gegenüber anblafft: „Bist wohl Sprachwissenschaftler, was?“
Es macht ungemein viel Spaß, NC in seinen Gedanken und Gesprächen zu folgen; und darüber zu lesen, wie er eine neue Beschäftigung bei
einem Bestattungsinstitut findet und was er daraus macht. Die Geschichte
über NC hat Witz, Ironie, Tragik, Wärme, Phantasie ...!
Ich habe beim Lesen keinen einzigen Satz ausgelassen; aus Angst,
ich könnte etwas verpassen! Übrigens: Was es mit dem „Applaus für Bronikowski“ auf sich hat, erfahren wir zum Ende hin. Auch die Frage, wie bzw.
ob der dreibeinige Hund sein Bein heben kann, wird im Laufe des Buches
Gott sei Dank beantwortet. Ein Lesevergnügen vom Feinsten !
)
Fischer KJB 14,99 €
E-Book 12,99 €
v
s
Rowohlt Berlin
TB 9,99 €
Geb. 19,95 €
E-Book 9,99 €
Loki Schmidt
Das Naturbuch für Neugierige
Loki Schmidt hat das Buch „Naturbuch für Neugierige“ in Zusammenarbeit mit dem Biologen Lothar Frenz geschrieben und erklärt uns darin die
Welt der Pflanzen und Tiere in kleinen Kapiteln und Geschichten.
Ihre Intention ist es, uns dazu zu bringen, neugierig zu sein und auch
ganz genau hinzuschauen. Ob sie nun gerade vom Aronstab erzählt, der
bei ihr im Garten wächst oder von den Schachbrettblumen, die auf den
Überschwemmungswiesen der Elbe stehen – immer sind Loki Schmidts
Beschreibungen sehr präzise und immer klingt die Begeisterung über das,
worüber sie gerade berichtet, mit. Manchmal habe ich den Eindruck, dass
sie alle Details liebevoll und genauestens erfassen möchte, nicht eine Kleinigkeit übersehen mag.Die Fotos helfen bei der Veranschaulichung – und
die naturgetreuen Zeichnungen sind einfach wunderschön.
Aber es bleibt nicht immer „nur“ bei der Beschreibung. Auch die Geschichte einer Pflanze oder einer Landschaft und Zusammenhänge von
Flora und Fauna haben bei Loki Schmidt einen hohen Stellenwert.
Für mich ist es kein Buch zum „Durchlesen“. Ich habe mir ab und zu
ein Kapitel angesehen und habe auch noch einige vor mir, auf die ich mich
freuen kann.
Der Botanische Garten in Hamburg heißt seit einigen Jahren „LokiSchmidt-Garten“; zu Ehren einer Frau, die bereits als Kind die Natur lieben
lernte und später für deren Schutz eintrat. Und wenn Sie nach der Lektüre
des Buches neugierig geworden sind: dann besuchen Sie doch mal diesen
Garten mit dem Loki-Schmidt-Haus. Es lohnt sich – versprochen !
20
Meike Haberstock
Anton hat Zeit
Diese Buchbesprechung hat etwa 120 Wörter. Diese zu lesen dauert
ungefähr solange, wie aus dem Haus zu gehen und zu bemerken, dass
man etwas vergessen hat, und wieder zurück zu laufen.
Mit solchen Umschreibungen beginnt Meike Haberstock jedes Kapitel
ihres Buches. Eine wirklich schöne Idee, den Kindern eine Vorstellung davon zu geben, wie lange es dauert, dieses Kapitel zu lesen und das Thema
Zeit begreifbarer zu machen. Mir hat das Buch sehr viel Spaß gemacht und
vor Augen geführt, wie unterschiedlich Kinder und Erwachsene das Thema
Zeit begreifen. Ein guter Einfall, mal zu diesem Thema auf diese Weise ein
Kinderbuch zu konzipieren. Viele bunte Illustrationen begleiten dieses tolle
Vor-und Selbstlesebuch für Kinder ab 5 Jahren.
Anton hat Zeit, aber keine Ahnung warum. Und wie kann es sein, dass
Anton VIEL Zeit hat und Mama WENIG. Diese Fragen stellt sich Anton
andauernd, so wie sich seine Mutter ständig fragt „Himmel, wo ist die Zeit
schon wieder geblieben.“ Aber wohin geht die Zeit und warum weiß Mama
nicht, wo sie geblieben ist. Anton ist sechs Jahre alt und gerade in die
Schule gekommen. Er kann die Uhr noch nicht lesen, trotzdem fragt ihn
Mama immer wieder, ob er denn nicht schon mal auf die Uhr geschaut
habe. Wenn Anton dann auf die Uhr schaut, sieht die aus wie immer, 2
Zeiger, 12 Zahlen, aber sonst?
Mama möchte gerne, dass Anton das Uhrenlesen lernt, doch Anton
kann sich nicht vorstellen, was das bringen soll. Doch manchmal denkt Anton schon, ob es nicht besser wäre, die Uhr lesen zu können. Ob er dann
Mama besser versteht?
Elisabeth Herrmann
Schattengrund
Die 17jährige Nicola soll das Haus ihrer Großmutter erben. „Schattengrund“, in dem sie in ihrer Kindheit oft zu Besuch war. Ihre Eltern versuchen die Erbschaft mit allen Mitteln zu verhindern und schlagen das Erbe
als Vormund ihrer Tochter letztendlich aus.
Aus Neugierde reist Nicola heimlich in das abgelegene Dorf im Harz
und will sich Schattengrund zumindest einmal anschauen. Das Haus ist alt
und unheimlich, überall knarzt und flüstert es. Nach einem Besuch beim
Bäcker des Dorfes muss Nicola feststellen, dass die Einwohner des Dorfes
21
Eveline
Borrmann
Hörbücher und Elternrat
Zuständig für
Ameis Buchecke
in der Goschenstraße
empfiehlt
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Oetinger Geb. 12,99 €
E-Book 9,99 €
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q
cbj TB 9,95 €
Geb. 14,99 €
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Hörbuch
Der Hörverlag 19,99€
gekürzte Lesung, 6 CDs
Gelesen von Laura Maire
&
N
Fischer Verlag TB 7,95 €
Taschenbibliothek 11 €
Geb. 13,95 €
E-Book 7,99 €
Hörbuch Hörcompany 10 €
ungekürzte Lesung, 4 CDs
Gelesen von
Martin Baltscheit
einen tiefen Groll gegen sie und ihre verstorbene Großmutter hegen, aber
warum? Sie hat viele schöne Erinnerungen an die Besuche bei ihrer Oma
und an die wunderbaren Geschichten, die sie erzählen konnte. Langsam
kommen längst vergessene Erinnerungen in ihr hoch. Da gab es die kleine
Filli, ihre beste Freundin. Was ist aus ihr geworden und warum will ihr niemand dazu eine Frage beantworten.
Nicola lässt sich nicht abschrecken und bohrt weiter in den alten Geschichten und wohl auch in tiefen Wunden und muss bald merken, dass ihr
das zum Verhängnis werden könnte.
Spannend und düster, wunderbar gelesen von Laura Maire, die für ihre
Interpretation mit dem deutschen Hörbuchpreis des Jahres 2014 ausgezeichnet wurde. Ab 16 Jahren.
Marie-Aude Murail
Simpel
Das beste Hörbuch, das ich dieses Jahr gehört habe. Wunderbar und
facettenreich gelesen von Martin Baltscheid.
Simpel ist 22 Jahre, doch auf dem mentalen Entwicklungsstand eines
Dreijährigen. Er lebt mit seinem 17 jährigen Bruder zusammen in einer
Wohngemeinschaft in Paris. Simpel liebt Playmobil und sein Stofftier Monsieur Hase Hase, mit dem er alles bespricht und der ihn zu so manchem
Wagnis ermutigt. Simpel wurde einige Zeit in einem Heim betreut, in dem
er todunglücklich war und in das er auf keinen Fall zurück will.
Sein Bruder versucht ihm ein Leben außerhalb des Heimes zu ermöglichen, weil auch er der festen Überzeugung ist, dass Simpel in so einem
Heim nicht gut untergebracht ist. Er möchte, dass Simpel mit ihm leben
kann, mit jemandem, der für ihn da ist.
Er versucht sein Möglichstes, diesen Anforderungen gerecht zu werden, stößt aber auch immer wieder an die Grenzen des Machbaren. Aber
es ist auch klar, die beiden sind nicht allein.
Dieses Hörbuch ist wahnsinnig gut gelesen. Martin Baltscheid erweckt
die Figuren zum Leben, jede auf ihre eigene Art. Man fragt sich immer
wieder, ob da nicht doch mehrere Personen lesen, aber dem ist nicht so.
Ich kann mir gut vorstellen, dass gerade diese Lesung dem Buch ein ganz
gewisses Etwas einhaucht, was beim selber Lesen evtl. nicht so rüberkommt. Einfach fantastisch und unbedingt hören, es lohnt sich.
Die Autorin hat eine so warmherzige und humorvolle Geschichte geschaffen, über ein doch so nicht oft behandeltes Thema. Verständlich,
leicht, zum Schreien komisch und auch manchmal traurig. Für die Darstellung schwieriger Lebensthemen von jungen Erwachsenen ist die Autorin
durchaus bekannt.
22
Erna Sassen
Das hier ist kein Tagebuch
„Das hier ist kein Tagebuch“ ist ein Jugendroman, der mich schon beim
ersten Reinlesen direkt in seinen Bann zog. Ich habe das Buch am selben
Abend in einem Rutsch durchgelesen. Es sieht aus wie ein Einschreibbuch, was es in der Geschichte auch ist.
Der Knockout kommt bei Bou erst Jahre nach dem Selbstmord seiner
manisch-depressiven Mutter. Er war damals 11 Jahre alt und lebt seitdem
in einer Art Schockstarre aus Wut und Angst. Eine harmlose Bemerkung
seiner kleinen Schwester (damals 2) bewirkt einen Zusammenbruch des
jetzt 16-jährigen Bou. Er versinkt in einer massiven Depression.
„Nichts gemacht heute
gestern auch nichts gemacht
und vorgestern auch nicht“.
Susanne Mündel
Krimis, Psychologie
Frauensachbuch
Geschenkbuch
Postkarten, Non-Books
Zuständig für die
Büchergilde Gutenberg
und das
Antiquariat Seitenwechsel
empfiehlt
Das ist der erste Eintrag in das Buch, zu dem sein Vater ihn verdonnert
hat. Er muß täglich etwas zu seinem Tag schreiben, egal was. Und er muß
sich täglich das „Stabat Mater“ von Pergolesi anhören.
Bou hat keine Ahnung, was das bringen soll. Aber es zu tun, wenn
auch widerwillig (statt in die Psychiatrie eingewiesen zu werden), ist schon
mal eine Entscheidung. Sowohl das Schreiben als auch die Musik haben
ihre Wirkung, und was da hochkommt, setzt einen Verarbeitungsprozeß in
Gang, der allerdings durch Störfeuer der Pubertät nicht gerade erleichtert
wird. Gut, daß er seine kleine Schwester hat, die seine Trösterin ist, einfach weil es sie gibt. Eigentlich tut Pauline auch gut. Wenn sie nur nicht
auch gefährlich wäre ... Klingt nach schwierigem Buch?
Die Autorin Erna Sassen hat ein in der Tat schweres Thema in authentische und verdauliche Häppchen verpackt und mit leichter Hand zu einem
sehr gut lesbaren Buch komponiert. Beeindruckend! Ab 14 Jahren.
Charles Lewinsky
Kastelau
Ab und zu passiert es mir, dass ein Buch mich so lange anguckt, bis ich
es endlich lese. So war es auch bei diesem; denn dass der Titel mich
neugierig gemacht hätte, kann ich nicht behaupten. Charles Lewinsky
wählt für seine allesamt hochgelobten und z.T. preisgekrönten Bücher
immer so mitreißende Titel wie „Melnitz“, „Gerron“ oder eben „Kastelau“.
Was verbirgt sich nun hinter dieser Unscheinbarkeit?
1944 ergreift ein ganzes Filmteam die Gelegenheit, aus dem
23
t
Freies Geistesleben
17,90 €
E-Book 14,99 €
e
V
Büchergilde Gutenberg
Geb. 19,95 €
dtv TB 10,90 €
Nagel & Kimche AGV
24,90 €
H
Büchergilde Gerstenberg
Geb. 17,95 €
Heyne TB 9,99 €
Karl Blessing Geb. 19,99 €
E-Book 8,99 €
bombenbedrohten Berlin wegzukommen, um ihren „kriegswichtigen“
Durchhaltefilm ‚Lied der Freiheit‘ in den bayrischen Bergen weiter zu
drehen, eben in Kastelau. Unterwegs kommt die gesamte Technik-Crew
zu Tode – durch Bombardierung, weil sie in Requisitenbussen sitzt, die
wie Wehrmachtsfahrzeuge bemalt sind. Damit sind die Dreharbeiten unmöglich geworden. Und Kastelau hat auch gar kein (drehentscheidendes)
Schloß, sondern nur eine Ruine. Was nun folgt, ist eine Farce: Die Schauspieler spielen den Dorfbewohnern vor, dass sie einen Film drehen.
Die Geschichte wird nicht als Roman präsentiert, sondern als wissenschaftliche Arbeit eines amerikanischen Doktoranden über den deutschamerikanischen Schauspieler Walter Arnold/Arnie Walton, der damals in
Kastelau dabei war und dessen Rolle nicht ganz so rühmlich war, wie später in seiner Vita dargestellt.
Und wir lesen fasziniert eine Geschichte in der Geschichte in der
Geschichte – ein tolles, spannendes, lesenswertes Buch.
Robin Sloan
Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra
Die sonderbare Buchhandlung des Mr. Penumbra hat 24 Stunden täglich geöffnet. Sie ist nicht sehr groß, aber unglaublich hoch. Das Buchangebot wie auch der Abverkauf sind mittelmäßig. Das eigentlich Wichtige
scheint der hintere Teil des Ladens zu sein, der halb im Dunkeln liegt.
Dorthin kommen auch nachts zielstrebige Menschen, die jetzt sofort ein
ganz bestimmtes Buch brauchen, das sie aber nicht kaufen, sondern mit
einer Code-Karte ausleihen.
Clay Jannon, arbeitsloser Web-Designer und die „Nachtschicht“ bei Penumbra, darf nicht in diese Bücher schauen (was er natürlich doch tut ...).
Seine Hauptaufgabe ist es, die Begegnungen mit der Kundschaft, Stimmung, Ablauf, Äußeres, Ungewöhnliches usw. in einer Art Logbuch genauestens festzuhalten. Clay Jannon gehört der Generation an, der Computer
selbstverständlicher sind als das Buch. (Obwohl die „Drachenchroniken“
von Clark Moffat sein jugendliches Leben geprägt haben und das eigentlich immer noch tun.) Neugierig geworden und zugleich in seiner Nachtschicht nicht übermäßig ausgelastet, spielt er ein bißchen auf seinem
Computer rum, läßt z.B. die ausgeliehenen Bücher in einem 3-D-Modell
leuchten – und fördert dabei Erstaunliches zutage. Und das tritt dann die
eigentliche Geschichte los ...
Ein bisschen „Harry Potter“, ein bisschen „Name der Rose“, ein bisschen „Oceans Eleven“, ein spöttischer Blick auf Google-Allmachtsphantasien sowie eine Liebeserklärung an Bücher und ans selber denken!
Der Roman-Erstling von Robin Sloan (der für online-Plattformen arbeitet)
ist spannend, liebenswert und sehr unterhaltsam. Viel Spaß!
24
Zora del Buono
Das Leben der Mächtigen, Reisen zu alten Bäumen
„Es gibt so vieles, was einem Baum in seinem Leben widerfahren kann“
Zora del Buono verbringt ein Jahr, in Begleitung ihres Hundes, mit Bäumen und reist zu fünfzehn der ältesten und größten Individuen der Erde.
Sie beleuchtet botanische und geschichtliche Aspekte der einsamen, alten
Riesen und schon auf den ersten Seiten dieses wunderbaren Buches mag
man seine Wanderstiefel sofort aus dem Keller herauf holen und ihrer Reise folgen. Ankerwycke Yew, europäische Eibe, 2000 bis 2500 Jahre alt, der
Stammumfang 9,1 Meter, 14,9 Meter hoch. Sagen und Legenden umwehen die Geschichte dieses Baumes. Richard Löwenherz und Heinrich der
VIII. mit Anna Boleyn sollen schon hier gesessen haben.
Schneeglöckchen, sonst hier nicht heimisch, wachsen im Frühjahr zu
seinen Füßen. Innen ist der Baum hohl mit tief hängenden Ästen, die sich
in der Erde zu neuen Wurzeln verankern, mächtig, knorrig, das Holz unter
der rauen Borke glatt wie Marmor.
In diesem Buch gibt es Sommer-Linden, Zirbelkiefern und Stiel-Eichen
zu bestaunen. Man erfährt nicht nur Alter und pflanzenkundliche Daten,
man begegnet bei der Lektüre dieses Buches auch den ehemaligen Besitzern und heutigen Bewachern der alten Bäume. Von der Autorin selbst
erstellte Fotos runden die Reise zu den Bäumen ab.
„Wir sind klein und mit nicht sehr viel Zeit beschenkt, unsere Lebensspanne entspricht der einer durchschnittlichen Birke, einem der kurzlebigsten Bäume überhaupt.“ Wie schön, hin und wieder einem Baum zu
begegnen.
Sherij Zhadan
Mesopotamien
Literatur ist eine Möglichkeit, sich einem anderen Land, einer anderen
Lebensform zu nähern. Nähern wir uns der östlichen Ukraine und dort einer Stadt, Charkiw. Dass es sich u
​ m ein aktuelles Krisengebiet handelt,
das Buch ist im Original 2014 erschienen, macht die Sache nicht einfacher.
Anlässlich einer Beerdigung des ehemaligen Boxers Marat treffen wir
auf ein Personal, das mit alltäglichem umher leben, Geschäfte machen,
Verwandte besuchen, Liebesbeziehungen führen, heiraten, Arbeitsplätze
wechseln und Ähnlichem beschäftigt ist.
Nichts außergewöhnliches, das macht man auch in Deutschland. Aber
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Anja Krauß
Kinder- und Jugendbuch, Belletristik, Lyrik
Zuständig für
Ameis Buchecke
in der Andreaspassage
empfiehlt
C
u
Naturkunden bei
Matthes & Seitz 32 €
S
Suhrkamp 22,95 €
Mesopotamien ist ein Synonym für ein modernes Babylon, das Zweistromland, eigentlich Wiege der Zivilisation, zwischen dem ukrainischen Dnjepr
im Westen und dem russischen Don im Osten.
Der drohende Konflikt zeichnet sich bereits ab und all die schrägen
Hauptfiguren der einzelnen Geschichten, Marat, Romeo, Iwan, Mario, Jura,
Foma, Matwij, Bob, Luka verkörpern die kommende Gewalt, den Hass, die
Orientierungslosigkeit und Zerrissenheit der politischen Situation.
Suchen werden aber all diese Männer nach Liebe, Zugehörigkeit,
Nähe, Verständnis und nochmals, immer wieder nach Liebe.
Sie begegnen ehemaligen Prostituierten, jungen Frauen, haltlos wie
sie selbst, Drogenhändlern, Tunichtguten und Schwerkriminellen, gehören
selbst ins Gefängnis, trinken die Nächte durch, ringen um Freundschaften
und landen immer wieder in der Einsamkeit des städtischen Molochs.
So viel zum ersten Teil der Geschichten und Biografien.
Im zweiten Teil, Erläuterungen und Verallgemeinerungen, finden wir
Gedichte, die die Geschichten um Marat und seine Freunde weiter erzähen. Ja, Gedichte, Liebesgedichte, Nachtgedichte, die wie ein Aufruf nach
Erlösung, ein Bitten um Liebe, in ihrer Form so ganz anders, noch dichter,
direkter und schwermütiger sind als der erste Teil von Mesopotamien.
Ein finsteres Buch eines begnadet empathischen Erzählers, abgründig, dunkel, brachial, dennoch voller Hoffnung und wahrlich strotzend vor
Lebendigkeit – und – es machte mich sanft, aufmerksam und sanft beim
Lesen. Ein weiterer Serhij Zhadan, „Die Erfindung des Jazz im Donbass“,
liegt schon zum Lesen für mich bereit.
Julie Fogliano, Erin E. Stead
Wenn du einen Wal sehen willst
w
Suhrkamp 22,95 €
Wovon träumst du? Was willst du erleben? Wohin soll deine Reise gehen?
In diesem stillen Bilderbuch, das auf der New-York-Times-Bestenliste stand,
steht fest, du willst einen Wal sehen. Wale sind scheue Tiere und sie leben
unter Wasser, du wirst Geduld brauchen du musst warten, warten, warten ...
Du brauchst Zeit, ein Meer, ein Fenster, einen Freund, der dir Gesellschaft leistet. Es gibt Dinge, die dich ablenken könnten wie die Rose ...
denn „wenn du einen Wal sehen willst, darfst du die Rosen nicht beachten,
nicht ihr Rosa, nicht ihren süßen Duft, nicht ihre Wildheit und ihr Flattern
im Wind, denn Rosen wollen nicht, dass du Wale beobachtest oder auf
etwas wartest, an etwas denkst, das nicht rosa ist und nicht duftet und das
keine Rose ist.“
In diesem so poetischen Bilderbuch wird der barfüßige Junge am Ende
belohnt, ein Wal zeigt sich ihm, natürlich. Für mich das schönste Bilderbuch des Jahres auch für Erwachsene, natürlich.
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Marceline Loridan-Ivens
Und du bist nicht zurückgekommen
Dieser schmale Band im Insel Verlag erzählt eine seltsame und wahre
Geschichte. Siebzig Jahre nach dem gewaltsamen Tod ihres Vaters, ermordet in Auschwitz, erinnert sich die Autorin zum ersten Mal öffentlich und
schreibt nach dieser langen Zeit einen Brief an den Vater, den sie ihr Leben lang vermisst hat. Selbst Deportierte und Überlebende von Birkenau,
versucht sie, sich diesem Verlust, ihrem eigenen Vergessen, aber auch
ihrem Schmerz anzunähern. Der Vater und die damals 15-jährige Autorin
Marceline werden gemeinsam abtransportiert, aber eben auf verschiedene
Lager aufgeteilt. Sie erinnert sich an Gräuel, Hunger, Gewalt, Krankheit,
Angst, an Apathie und Verzweiflung und an eine kleine von ihrem Vater
handgeschriebene Botschaft, von einem Mitgefangenen überbracht.
Aber sie erinnert sich nicht an den Inhalt der Botschaft. Diese Fehlstelle ihres Gedächtnisses wird zum Bild für alles Unaussprechliche ihres
Kummers, für ihre Unfähigkeit, ein ,normales‘ Leben nach dem Holocaust
zu führen. Loridan-Ivens ist Schauspielerin, Regisseurin und Drehbuchautorin, mit ihrem Mann hat sie zahlreiche Dokumentarfilme gedreht, u.a.
Birkenau und Rosenfeld. Dieses Buch ist ganz große Literatur, zutiefst bewegend und wahr.
&
Insel 15 €
Mikael Engström
Kaspar, Opa und der Monsterhecht
Dass Kaspar hauptsächlich bei Opa lebt, liegt daran, dass Kaspars
Eltern immer unterwegs sind um die Welt zu retten. Kaspar ist gern bei
Opa, er schnitzt Holzpferdchen mit ihm. Kaspars sind manchmal etwas
kurzbeinig oder dickbäuchig, aber es ist ein ruhige Arbeit und Opa und
Kaspar reden dabei übers Barsche angeln, über das Wetter und über den
Mond. Die Holzpferdchen verkauft Opa im Dorfladen, und dafür bekommt
er Lebensmittel und Schnupftabak.
Eines Abends, die Barsche wollen nicht beißen, was sicher daran liegt,
dass „der Mond verkehrt steht“, wie Opa meint, geht der Außenbordmotor
des Kahns kaputt, Opa will ihn reparieren, macht ihn aber noch kaputter.
Zum Glück gibt es ein Preisausschreiben der örtlichen Zeitung. Wer den
größten Hecht angelt, kann sich auf einen nigelnagelneuen Bootsmotor
freuen. Die Gelegenheit lassen sich Opa und Kaspar nicht entgehen ...
Und dann ist da auch noch Lisa mit den tollen tiefbraunen Augen und
die unheimliche Isabelle und eben der Monsterhecht. Das Ganze ist wunderbar illustriert von Peter Schössow. Den Autor Engström sollte man sowieso mal gelesen haben. Sein Bücher „Brando, Ihr kriegt mich nicht“ und
dieses sind eine Wucht. Für alle! Ab 8.
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U
dtv 10,95 €
Alina Bronsky
Baba Dunjas letzte Liebe
Simone
Arranz Calvo
Esoterik, Lebensrat
Östliche Philosophie
Zuständig für
Ameis Buchecke in der
Goschenstraße und
in der Andreaspassage
empfiehlt
N
Kiepenheuer&Witsch 16 €
E-Book 13,99 €
Hörbuch Roof Music
19,99 €
gelesen von Sophie Rois
Der neue Roman von Alina Bronsky beinhaltet alles, was man von
einem guten Buch erwarten kann: eine starke, wirkungsvoll erzählte Geschichte, gut geschrieben sowieso, ein feiner Humor, der einem während
der Lektüre ein Dauerlächeln ins Gesicht zaubert, eine Prise Grusel, ebenso wie eine wohl dosierte, sich steigernde Spannung, die einen bis zur
letzten Seite nicht mehr loslässt – und ein außergewöhnliches Thema.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht Baba Dunjas, einer alten
Frau, die in ihre Heimat zurückkehrt, ein verlassenes Dorf im radioaktiv
verseuchten Sperrgebiet Tschernobyls, und dort die letzte Zeit ihres Lebens verbringen möchte. Weitere Menschen finden sich ein, die aus den
verschiedensten Gründen beschlossen haben, eins der verlassenen alten
Häuser in Besitz zu nehmen um ebenfalls fortan ihr Leben im von der Allgemeinheit gefürchteten Gebiet zu verbringen.
Und tatsächlich: Das Leben geht weiter an diesem eigentlich doch lebensfeindlichen Ort; frisches, verstrahltes Obst und Gemüse wird geerntet
und verzehrt, Freundschaften werden geschlossen oder vertieft, eine
Hochzeit wird gefeiert, ein Mord begangen, die Geister der Verstorbenen
nehmen merkwürdig lebhaft Anteil am Geschehen, Sterbenskranke halten
länger durch, als man meinen möchte …
Die 1978 in der Sowjetunion geborene Autorin Alina Bronsky hat mit
„Baba Dunjas letzte Liebe“ einen weiteren preisverdächtigen Roman geschrieben (dieser stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis
2015). Das Buch ist unbedingt geeignet sowohl für jüngere Leser als auch
für die älteren unter uns. Gute Unterhaltung garantiert; verführt zum Innehalten und Weiterdenken.
Lily King
Euphoria
Diesen Roman habe ich mit in meinen späten Sommerurlaub genommen und ihn klimatisch passend unter der heiß scheinenden Sonne innerhalb kürzester Zeit verschlungen. Er ist aber unbedingt auch als Lektüre
für den Winter zu empfehlen – zum Aufwärmen.
Worum geht es in diesem Buch? In erster Linie um das Leben und die
Arbeit dreier Ethnologen in Neuguinea. Ein Ehepaar und ein junger Mann,
der sich dem Paar anschließt, um seiner schweren Depression zu entkommen. Von Anfang an mitreißend erzählt, bekommt man einen Einblick in
die praktische anthropologische Arbeit in den dreißiger Jahren des letzten
Jahrhunderts – was zunächst vielleicht trocken klingen mag, tatsächlich
aber faszinierend ist und neugierig auf mehr macht.
Der hervorragend ins Deutsche übersetzte Roman basiert auf dem Le-
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ben der berühmten US- amerikanischen Ethnologin Margaret Mead, die im
Buch Nell Stone genannt wird. Die Geschichte wird so eindringlich erzählt,
dass man sich beim Lesen selbst mit auf diese Forschungsreise begibt.
Man fährt mit den Ethnologen auf den einfachen Booten der Eingeborenen, erträgt die feuchte Hitze, die Moskitos, das Zusammenleben mit
den Stammesmitgliedern, die zwar fasziniert von den weißen Forschern
zu sein scheinen, sie aber offensichtlich gleichzeitig auch als ungeheuer
störend und fremd empfinden.
Der Leser erkundet die Rituale der Eingeborenenstämme, empfindet
den unausweichlichen Konkurrenzkampf des jungen Forscherehepaars,
erduldet den ständig schwelenden Streit des Paares und ist erleichtert
über die Besuche des jungen Wissenschaftlers, der ganz in der Nähe
„seinen eigenen Stamm“ erforscht und der die angespannte Atmosphäre
durch seine Besuche aufzulockern vermag.
Zumindest zunächst einmal, denn unter diesen ungewöhnlichen Lebensumständen entsteht fast schon gezwungenermaßen eine Dreiecksgeschichte. Die Autorin hat das Leben und die Arbeit der Margaret Mead
gut recherchiert, große Teile dieses Romans basieren auf Fakten. Lily King
wirft aber auch die Frage auf, ob diese Form anthropologischer Forschung
tatsächlich objektiv sein kann oder ob die Ergebnisse dieser Forschungen
vielleicht zu einem großen Teil den Stempel der jeweiligen Persönlichkeit
des einzelnen Ethnologen und seiner ganz persönlichen Sicht der Dinge
tragen. Interessant, darüber nachzudenken.
David Foenkinos
Charlotte
David Foenkinos, 1974 in Paris geboren, erzählt die Geschichte von
Charlotte Salomon, geboren 1917 als einziges Kind liberaler jüdischer Eltern in Deutschland. Sie war eine überaus talentierte bildende Künstlerin
im Berlin der Nazi-Diktatur und später während des Vichy-Regimes in Südfrankreich. Ausstellungen ihrer Bilder hat es nach dem Zweiten Weltkrieg
mehrere gegeben. So wie Foenkinos aus ihrem Leben erzählt, muss sie
eine überaus facettenreiche Persönlichkeit gewesen sein.
Klug, kreativ, und obwohl seit früher Kindheit seelisch traumatisiert, bewies Charlotte Salomon nichtsdestotrotz Zeit ihres Lebens eine ungeheure
psychische Stärke. Der Autor hat sich auf eine sehr intensive Spurensuche
begeben; er muss sehr oft in Berlin gewesen sein, auf Charlottes Spuren;
dort hat er so viele Mosaiksteinchen zusammengesucht, wie man es wohl
von einem Promovierenden der Kunstgeschichte erwarten würde.
Allerdings hat der Autor seine Rechercheergebnisse schließlich zu
einem ganz außergewöhnlichen Stück Literatur zusammengefügt, das seinesgleichen sucht. Schlägt man das Buch auf, fällt einem auf, dass die
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y
G
C.H. Beck 19,95 €
E-Book 15,99 €
&
Deutsche Verlags-Anstalt
17,99 €
Hörbuch
der Hörverlag 17,99 €
gelesen von
Devid Striesow
7
Argon 3 CDs 16,95 €
Gräfe und Unzer
Buch mit Übungs-CD
17,99 €
Gräfe und Unzer
E-Book 14,99 €
Biografie in Versform geschrieben zu sein scheint. Man könnte meinen,
Foenkinos hätte eine Art Homerischen Gesang zu Ehren Charlotte Salomons angestimmt. Tatsächlich versinkt man schon nach sehr kurzer Zeit in
dieses Buch, auch aufgrund der ganz eigenen Rhythmik; erschrocken und
wie gebannt folgt man dem Weg, den dieses alles andere als glatt verlaufende Künstlerleben nimmt. Der Autor scheint Charlottes Leben gleichsam
mit zu leben, er ist bei ihr, sowohl in ihren glücklichsten Momenten, als
auch in ihren dunkelsten.
Sehr gelungen webt Foenkinos seine eigenen Gefühle und Gedanken,
die ihn während seiner Recherchen umtreiben, in das Geschehen ein. Mir
hat David Foenkinos das Leben der Charlotte Salomon mit ihrer alles andere als klassischen Biografie sehr nah gebracht.
Der Gedanke daran, dass diese Frau mit nur 26 Jahren und im fünften
Monat schwanger in Konzentrationslager Auschwitz sterben musste, bricht
mir schier das Herz.
Micheline Rampe
Buddha für Pragmatiker
Wie ein achtsamer Geist das Gehirn positiv verändert
Fühlen Sie sich ab und an über die Maßen gestresst, und die Anspannung will auch nicht nachlassen, wenn die anstrengende Situation
eigentlich schon längst wieder vorüber ist? Wirbeln die Gedanken in Endlosschleife in Ihrem Kopf herum? Möchten Sie sich gern viel öfter ausgeglichener und entspannter fühlen? – Dann versuchen Sie es doch mal mit
Meditation! Es gibt zurzeit einige richtig gute CDs mit geführten Meditationen auf dem Markt. Eine dieser gelungenen Produktionen möchte ich
Ihnen vorstellen:
Micheline Rampe präsentiert nicht nur einige ausgewählte Methoden
der Meditation, so dass Sie gleich selbst ausprobieren können, welche
Form(en) der Meditation am besten zu Ihnen passen könnte(n), die erfahrene Heilpraktikerin erklärt zudem in plausiblen und durchaus unterhaltsamen Zusammenhängen, was auf neurobiologischer Ebene in unserem
Gehirn passiert, wenn wir meditieren, oder wie sich regelmäßige Achtsamkeitsübungen auf unsere Psyche auswirken und unser Verhalten und unsere alltäglichen Reaktionen langfristig positiv verändern.
Wie der Titel der drei CDs (oder des Buches mit Übungs-CD selben
Inhalts) schon sagt, erfährt man auch einiges Wissenswerte zum Thema
Buddhismus; es ist jedoch nicht notwendig, dass man sich zum Buddhismus hingezogen fühlt, um mit dem Meditieren zu beginnen – dafür braucht
es keinerlei bestimmte Affinität zu irgendeiner Religion oder Philosophie.
Die gelungene Mischung aus wissenschaftlich belegten Erkenntnissen
und praktischen Übungen hat mich absolut überzeugt.
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Auf den CDs vom Argon Verlag liest Gabriele Gerlach das Buch von
Micheline Rampe mit angenehmer Stimme, so dass man die CDs immer
wieder anhören mag – und anhören sollte, denn nur bei regelmäßiger
Übung tritt der beschriebene positive und lang anhaltende Effekt ein.
Aber wenn Sie erst einmal mit dem Meditieren angefangen haben,
möchten Sie sowieso nicht mehr davon lassen – wollen wir wetten?
Dörte Hansen
Altes Land
Im Alten Land bei Hamburg treffen in einem Jahrhunderte alten Bauernhaus Menschen mit tiefen seelischen Verletzungen aufeinander:
Die ostpreußische Adlige Hildegard von Kamcke gelangt am Ende
einer von traumatischen Erlebnissen geprägten Flucht mit ihrer kleinen
Tochter Vera in ein Dorf bei Hamburg, wo die Bauersfrau auf die Kriegsrückkehr ihres Sohnes wartet und in der Zwischenzeit mühsam den Hof zu
bewirtschaften sucht. Die bei ihr einquartierten Flüchtlinge weist sie eisig
zurück, so dass ein beinharter Kampf zwischen ihr und der ostpreußischen
Gräfin entsteht, der zu ihren Ungunsten beendet wird, als ihr Sohn seelisch
und körperlich versehrt aus dem Krieg heimkehrt und die Gräfin sich mit
ihm zusammentut. Die alte Bäuerin macht den Weg frei, indem sie sich
aufhängt.
Aber es entsteht kein glückliches Zusammenleben. Eiskalt berechnend
und ehrgeizig auf ihr persönliches Glück bedacht, verlässt die Gräfin ihre
kleine Tochter und den eher ungeliebten Mann und begibt sich in die Hamburger Schickeria, wo sie eine zweite Tochter zur Welt bringt.
Beide Töchter sind Opfer der persönlichen Kälte ihrer Mutter und
schlagen sich voller Unfähigkeit zur Empathie gegenüber ihren Mitmenschen durch das Leben: die eine als einsame Frau auf dem alten Hof, die
andere als ambitioniertes ehrgeiziges Mitglied der Hamburger Schickeria,
die ihre Kinder zu musikalischen Wunderkindern trimmen will.
An diesen Absichten scheitert zunächst ihre Tochter, die schließlich,
verachtet von der Mutter, das Tischlerhandwerk erlernt und auch noch das
Zerbrechen ihrer Ehe erleben muss.
Auf der Flucht aus der lieblosen Umgebung in Hamburg sucht sie mit
ihrer kleinen Tochter Hilfe bei ihrer Tante Vera, die bei aller antrainierten
Robustheit selbst Mühe hat, ihr Leben durchzustehen.
In dem tastenden gegenseitigen Erleben der sehr einfühlsam gestalteten Akteure entfaltet sich ein Bild vom Leben, das mich sehr berührt hat.
Vor allem als die Frauen im Bild der Erstarrungswärme zum Schutz von
Apfelblüten eine Ahnung davon erhalten, dass die seelische Unerreichbar-
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Christine
Rusch-Walter
Kinder- und Jugendbuch, Belletristik
Zuständig für
Ameis Buchecke
in der Goschenstraße
empfiehlt
M
Albrecht Knaus 19,99 €
Büchergilde Gutenberg
17,95 €
Hörbuch
Random House Audio
19,99 €
4 CDs, gelesen von
Hannelore Hoger
keit der Mutter und Großmutter vielleicht die einzige Möglichkeit für sie darstellte, die Erlebnisse der Flucht zu überleben. Die Geschichte entwickelt
sich anhand von vielen Episoden mit teilweise leicht grotesk überzeichneten Figuren auf dem Lande und in der städtischen Schickeria, manchmal
auch angekitscht witzig, aber zugleich tief berührend. Ein tolles Buch!
Thomas Schmitz/ Dirk Uhlenbrock
Julian der Mäuseheld
m
Ersteliga 19,90 €
V
Julians Mäusefamilie lebt glücklich in einer schönen Wohnung und
die Mäusekinder spielen den ganzen Tag, oft Verstecken. Das kann Julian besonders gut, er ist dann so leise, dass er manchmal nicht gefunden wird. Es könnte alles immer so aufregend schön sein, das Leben in
der Mäuseschar, wenn da nicht die Katze wäre. Die hat funkelnde Augen,
spitze Zähne und Krallen und großen Spaß daran, kleine Mäuse zu jagen
und beim Sackhüpfen, beim Blindekuh spielen, bei Himmel und Hölle und
beim Knickern zu stören.
Weil es so nicht weitergehen kann, beschließt der Mäuserat zu handeln: Einer muss der Katze eine Glocke an den Schwanz binden, so dass
sie sich nicht mehr heimlich anschleichen kann. Eine tolle Idee, aber wer
bindet ihr die Glocke an den Schwanz ?
Natürlich ist es schließlich der kleine Julian, der die freche Tat vollbringt
und danach mit knapper Not zurück zur Mäusefamilie flüchtet. Jetzt ist er
der gefeierte Held und alle können wunderbar spielen, weil man die Katze
ja schon von weitem hört und keine Angst mehr haben muss.
Sehr schön gezeichnet von Dirk Uhlenbrock, kindgerecht getextet von
Thomas Schmitz, nach einer Fabel von Jean de la Fontaine weitererzählt
– und der Clou: Der Mäuseheld muss nicht Julian heißen, sondern kann
je nach eigenem Kind, Enkelin oder Enkel beim Bestellauftrag den angemessenen Namen erhalten. Natürlich muss der eigene Held hart genug
sein, den Auftrag auszuführen. Das schafft man irgendwann ab dem dritten
Lebensjahr.
Sybil Gräfin Schönfeldt (Hrsg.)
Der Rabe auf dem Meilenstein
Tulipan 26 €
Büchergilde Gutenberg
26 €
Balladen habe ich immer gern gelesen oder vorgetragen bekommen.
Da springen junge Helden von ragender Klippe in das tosende Meer oder
zwischen „von Mordsucht heißen“ Raubkatzen in den Zwinger, irgendwie
aus Liebe oder wegen der Ehre der Ritterschaft. Oder aber es reitet ein
Vater mit dem ächzenden, von Fieberträumen geschüttelten Sohn im Arm
an den lockenden Töchtern des Erlkönigs vorbei „durch Nacht und Wind“,
um dann den rettenden Hof doch zu spät zu erreichen.
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Es werden unter Opferung des eigenen Lebens viele Menschen gerettet, es wird die Freundschaft, die Liebe, die Leidenschaft, auch die Moral besungen. Heute kommen defekte Roboter und andere Herausforderungen dazu. Zu all dem wird hier eine gelungene Sammlung an alten und
neuen Balladentexten, die mit aufwendig gezeichneten Bildern von Willi
Glasauer illustriert sind, vorgestellt. Man findet die wichtigen deutschsprachigen Autoren der literarischen Tradition genauso wie moderne.
Wer Freude an rhythmisch gestalteten, phantasievoll erzählenden Texten hat, wer sie gern liest, auswendig lernt oder sich und anderen vorträgt,
der ist mit dieser Auswahl bestens bedient.
Die Bilder bieten zudem Anlässe zur „besinnlichen“ Vertiefung oder
machen ganz einfach Spaß beim Anschauen.
Peter Wohlleben
Das geheime Leben der Bäume
Was sie fühlen, wie sie kommunizieren –
die Entdeckung einer verborgenen Welt
Die Landschaft in Mitteleuropa und vor allem in Deutschland ist geprägt
von Bäumen. Wir finden sie in unseren Städten, entlang vieler Landstraßen
und Alleen und natürlich in kleinen und großen Waldgebieten.
Wir freuen uns über den kühlenden Schatten, den sie im Sommer
spenden – oder wir ärgern uns, weil sie unsere Wohnungen verdunkeln.
Im Frühjahr begrüßen wir beglückt die ersten grünen Triebe und die Blüten
– im Herbst murren wir über das viele Laub, das wir entsorgen müssen.
Manche Bäume kennen wir immerhin mit Namen und können sie an den
Blättern oder am Stamm erkennen. Über ihre Lebensbedingungen aber
wissen wir herzlich wenig.
Dieser Unwissenheit hilft Peter Wohlleben mit seinem ungemein lesenswerten Buch „Das geheime Leben der Bäume“ ab. In kurzen Kapiteln,
die so schöne Überschriften haben wie: „Liebe“, „Die Eiche – ein Weichei?“,
„Sozialamt“ und „Straßenkinder“ führt er den Leser ein in die Lebenswelt
der Bäume. Ich habe staunend gelesen, dass Bäume Sympathien und Antipathien haben, dass sie über das Wurzelgeflecht und mit Hilfe von Pilzen
miteinander kommunizieren und ihresgleichen unterstützen.
Fasziniert bin ich davon, wie sich beispielsweise Buchen dem Regen
entgegenstrecken um so viel von dem Wasser aufzunehmen wie nur möglich – und warum Fichten das nicht können.
Das Kapitel mit dem Titel „CO2-Staubsauger“ musste ich zugegebenermaßen zweimal lesen um es als Chemie-Analphabetin zu verstehen
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Claudia Kühl
ehemalige Kollegin
empfiehlt
Z
f
und auch ein bisschen davon zu behalten. Wie schwer es die „Straßenkinder“ haben, vor allem in unseren Städten, war mir bislang auch nicht
bewusst. Alles das erzählt der Autor, der über zwanzig Jahre lang Beamter
in einer Forstverwaltung war und nun einen umweltfreundlichen Forstbetrieb in der Eifel leitet, spannend und mit Humor.
Ich verspreche Ihnen großes Lesevergnügen – und dass Sie in Zukunft
bei Ihrem Waldspaziergang mehr sehen und erleben werden.
Lea Singer
Anatomie der Wolken
Ludwig 19,99 €
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e
Tulipan 26 €
Dem einen sind sie Objekte der Forschung. Er will sie klassifizieren
nach Form, Größe und Farbe, will verstehen, in welcher Weise sie die Witterung beeinflussen. Dieser eine ist Johann Wolfgang von Goethe.
Der andere kann tagelang auf Felsen im Elbsandsteingebirge, im Riesengebirge oder in den Dünen der Ostsee sitzen und ihnen mit den Augen
folgen, ihren Anblick geradezu in sich hinein saugen, um dann – irgendwann – seine Eindrücke und Empfindungen im Atelier auf die Leinwand zu
bannen. Das ist Caspar David Friedrich. Und beider so unterschiedliche
Interessen gelten – den Wolken.
In Lea Singers Roman „Anatomie der Wolken“ treffen wir auf Goethe,
den Verehrten, der sich in seiner Berühmtheit sonnt und doch fühlt, dass
er den Zenit seines Lebens überschritten hat. Weshalb er noch einmal alle
Welt erstaunen will mit neuen Erkenntnissen über das Klima und die Wolken. Zur selben Zeit ist Caspar David Friedrich ein nicht mehr ganz junger
Maler, der um Anerkennung ringt, vor allem auch in den Kreisen, von deren
Urteil Erfolg oder Misserfolg abhängt. In diesen Kreisen setzt Goethe die
Maßstäbe. Und Goethe versteht Friedrichs Bilder nicht. Diese Bilder, die
zum großen Teil aus Himmel und Wolken bestehen.
Er empfindet sie als leer und trostlos. In ihnen kommt das Lebensgefühl der Romantik zum Ausdruck, das Gefühle ernst nimmt und in dem
Freiheit Glück bedeutet. Und das ist Goethe fremd und zuwider.
Beide Protagonisten werden von Lea Singer als Ringende gezeichnet:
Goethe, der Klassiker, der in dieser Umbruchszeit nicht mehr ganz zu Hause ist, und Friedrich, der Romantiker, der seinen Platz noch nicht gefunden
hat. Singers Sprache ist direkt, nennt die Dinge beim Namen. Sie nähert
sich den beiden Meistern ohne Ehrfurcht aber mit Respekt. Ich habe dieses Buch mit viel Vergnügen und Gewinn gelesen.
Lea Singer ist das Pseudonym, unter dem sie biografische Romane
schreibt, z.B. über Giuseppe Verdi oder Paul Wittgenstein. Sachbiografien,
zuletzt über Wolfgang Amadeus Mozart, veröffentlicht sie unter ihrem richtigen Namen Eva Gesine Baur.
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Illustration: Gerlinde Meyer
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