Praxisänderung Verheiratetentarif Das Bundesgericht hat am 7.8.2015 einen Entscheid gefällt, der für zahlreiche Scheidungs- und Konkubinatspaare mit gemeinsamen Kindern Konsequenzen haben könnte: Fortan soll der Elternteil mit dem tieferen Lohn den günstigeren Steuertarif erhalten, sofern keine Unterhaltszahlungen gezahlt werden und das Kind sich in alternierender Obhut befindet. Ein Entscheid, der vielen Vätern von «modernen» Scheidungsfamilien wenig Freude machen dürfte. Genauer gesagt geht es um Paare mit gemeinsamem Sorgerecht, die abwechselnd und zu gleichen Teilen für den Nachwuchs sorgen und zu dessen Unterhalt beitragen – also eine zunehmende Zahl. Bei solchen Familien-Konstellationen stellt sich die Frage, welcher Elternteil nach der Scheidung mit dem harten Steuertarif für Alleinstehende vorliebnehmen muss und welcher weiterhin den günstigeren Elterntarif erhält, wie er bei verheirateten Eltern zur Anwendung kommt. Dass beide den Elterntarif erhalten, ist ausgeschlossen. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat im Kreisschreiben Nr. 30 vom 21. Dezember 2010 zur Familienbesteuerung festgehalten, dass in den oben erwähnten Fällen der Elterntarif dem Elternteil mit dem höheren Einkommen zugutekommt da dieser zur Hauptsache für den Unterhalt des Kindes sorgt; dies dürfte häufig der Mann sein. Dieselbe Regelung gilt ebenfalls für die wachsende Gruppe der Eltern ohne Trauschein: Auch hier erhält der Besserverdienende den günstigeren Tarif. Die Überlegung dahinter ist, dass dieser aufgrund seines höheren Verdiensts mehr zum Unterhalt des Kindes beitragen wird als der andere Elternteil. Die Lausanner Richter kommen zum Schluss, dass die Frau dadurch im Verhältnis stärker belastet werde als der Mann, was gegen den Verfassungsgrundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstosse. Bei familiären Konstellationen, wo Mutter und Vater gleichermassen für den Unterhalt sorgen, müsse der günstigere Tarif sowohl bei der Kantons- wie bei der Bundessteuer dem Elternteil mit dem tieferen steuerbaren Einkommen zustehen, heisst es in den Erwägungen. Das Urteil betrifft zwar einen Fall, der sich unter der alten Familienbesteuerung zugetragen hat, seine Ausführungen gelten aber auch für das geltende Recht. Wie die Eidgenössische Steuerverwaltung auf den Entscheid reagiert und inwieweit sie ihr Kreisschreiben anpassen wird, wird sich zeigen. Die heutige Regelung kommt den «modernen» Scheidungsfamilien und den unverheirateten Elternpaaren jedenfalls entgegen: Da der besser verdienende Teil sanfter angefasst wird, muss die Familie dem Staat gesamthaft weniger Steuern abliefern als nach der bundesgerichtlichen Version – wobei die Eltern frei sind, untereinander einen finanziellen Ausgleich wegen des Tarifs vorzunehmen. Eine Neuregelung im Sinne des Bundesgerichts wäre also alles andere als familienfreundlich.1 Timo Wagner Treuhandsachbearbeiter Mit dieser Ansicht ist das Bundesgericht nicht einverstanden. Es heisst die Beschwerde einer Mutter gut, die sich mit dem Ex-Mann auf die alternierende Obhut und die Finanzierung des Unterhalts ihrer Tochter zu gleichen Teilen geeinigt hatte und die aufgrund ihres tieferen Lohns nach dem Tarif für Alleinstehende besteuert wurde. 1 Quelle: NZZ Online vom 26.08.2015 ARTARIS AG ∙ Pestalozzistrasse 2 ∙ 9000 St. Gallen │ Romanshornerstrasse 4 ∙ 9320 Arbon Telefon 071 447 88 90 ∙ Fax 071 447 88 97 ∙ [email protected] ∙ www.artaris.ch
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