Predigttext von PR Peter Jaumann

Predigt zum Requiem für Pfarrer Alois Brem am 19.3.2016 zu Joh 20,11-18
Liebe Gemeinde!
Wir sind heute miteinander verbunden in der Trauer um unseren geschätzten Pfarrer Brem, von dem
wir Abschied nehmen. Und wir sind heute im Glauben verbunden. Soundso oft – und ja auch heute
– hat uns Pfarrer Brem zusammengeführt und geleitet, Glaubensgemeinschaft zu werden vor Ort in
dieser Zeit und Welt und in der Hoffnung des Evangeliums.
Pfarrer Brem wollte in dieser Abschiedsfeier ausdrücklich keine Lobrede auf sein Leben. Am 8.
Januar 2011 bat er mich in einem Brief, hier heute diese Predigt zu halten.
Er schrieb damals vor gut 5 Jahren:
„Da der Gottesdienst zu meinem Abschied aus dieser Welt ein österlicher Gottesdienst in
weiß sein soll, bitte ich um eine Homilie über Tod und Auferstehung. Jede sogenannte persönliche Würdigung soll unterbleiben. [...]
Ich freue mich über jeden Tag, den ich noch leben darf, aber ich möchte so von der Welt
einmal Abschied nehmen, wie es meinem ganzen Leben in etwa entspricht.“
So wollen wir uns also jetzt in seinem Andenken und seinem Geist über unseren Glauben vergewissern, angesichts unseres Todes und in der Hoffnung auf die Auferstehung.
Stellen wir uns zuerst dem Tod.
Jeder Tod eines Menschen mahnt uns an die eigene Sterblichkeit. Und das ist gegen den Trend unserer Zeit: Unsere Zeit hat für viele Menschen die Gefahren des Todes durch Krankheit, Hungersnot, Gewalttat gemindert, die Lebenserwartung und Entfaltungsmöglichkeiten erhöht. Das ist wirklich ein Gewinn! Unsere Zeit möchte Gefahr und Tod vielleicht noch in spannenden Medien erleben, aber als Realität, die uns selber, die unsere Familie und unsere Freunde trifft, lieber verdrängen
und auch alles wegdrängen, was schon nach Tod riecht: Krankheit, Armut, Alter.
Trotzdem werden wir alle einmal sterben. Pfarrer Brem hat uns immer wieder ermahnt: „Wir sollten
uns mit dem Tod anfreunden. Der Tod ist kein Fremder in dieser Welt, er ist unser Begleiter.“ [Ernte des Lebens, 7] Der Tod ist Teil unseres Weges. Er ist Ausdruck unserer Endlichkeit und ein Stachel zur Demut. Er soll uns ermahnen, uns nicht verzweifelt, mit vordergründigen Dingen zu vertrösten oder mit vergänglichem Reichtum absichern zu wollen. Das letzte Hemd hat keine Taschen!
Der Tod ist der große gerechte Sammler, der uns alle zurückholt aus falschen Sicherheiten und vor
die Sinnfrage stellt: Was soll das alles und was zählt, wenn es doch so radikal enden muss? Der Tod
ist nicht das Evangelium! Er ist höchst ambivalent. Er macht das Leben, jeden Tag kostbar und
stellt es doch total in Frage. Und er gibt selber die Antwort nicht!
Im Osterevangelium von der Begegnung zwischen Maria aus Magdala und dem auferstandenen
Jesus finde ich die Antwort des Evangeliums auf den Punkt gebracht.
Ein kurzer Blick voraus auf den Kontext: Wir sehen Maria zuerst dort, wo wir selber stehen heute
und immer wieder. Sie trauert. Sie ringt mit dem Verlust eines geliebten Menschen. Sie versucht
das Andenken und die Ehre ihres schmachvoll ermordeten Freundes Jesus zu bewahren. Aber Jesus
ist nicht im Grab und nicht in einer Trauerkultur zu fassen. Von hinten aus dem Garten spricht er sie
an, den sie gar nicht mal so falsch mit dem Gärtner verwechselt in diesem Reich des Lebens und
Symbol des Paradieses.
Und jetzt kommt auf zwei Worte verdichtet eine dieser besonderen Schatzstellen im Corpus der
Bibel, ein Kürzestdialog, der alles verändert: Jesus ruft sie beim Namen!
Persönlicher geht es nicht. Natürlich ist das nicht nur so ein „Hallo!“ und schon verklungen. Beim
Namen gerufen werden heißt biblisch gesehen, erkannt, geliebt und berufen werden.
Es kommt nun darauf an, dass auch wir uns wie Maria Magdalena von Jesus beim Namen rufen
lassen! In diesem persönlichen Anblick und Anruf durch Jesus verdichtet sich, dass er (und durch
ihn hindurch Gott) mich anschaut und persönlich meint – und Sie alle auch, jeden von uns, von Geburt an, den ganzen Lebensweg … und über den Tod hinaus. „Ich habe dich beim Namen gerufen.
Du gehörst mir.“ (Jes 43,1) „Ich habe ich eingeschrieben in meine Hände.“ (Jes 49,16) sagt Gott.
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Das leitet durch das Leben und das trägt im Tod. Damit wird eine Beziehung von Gott und nun neutestamentlich von Jesus zu uns beschrieben, die nicht wir erzeugen müssen und auch nicht verdienen könnten oder müssen, sondern die schon da ist von ihm her.
Vielleicht können Sie es sich innerlich-geistig so vorstellen, dass Jesus Sie tatsächlich persönlich
anblickt und bei Ihrem Namen ruft. Vielleicht möchten Sie sein persönliches Mitgehen mit Ihnen so
verstehen, dass Jesus in Ihrem Gewissen zu Ihnen spricht und in dem Mitmenschen, der Sie braucht.
Auch begleitet Jesus uns durch sein überliefertes Wort. Er begleitet uns durch die sakramentalen
Zeichen der Kirche. Er begleitet uns durch viele Menschen, die uns erinnern, die ihn spiegeln.
Und im Innersten darin sehe ich diese seine ganz persönliche Zuwendung zu jedem von uns, die in
unserem Evangelium ausgedrückt ist. Das ist wie ein Halteseil, gespannt von Ewigkeit durch unser
Leben hindurch in die Ewigkeit. Oder vielleicht ist dieses Bild zu stark, zu dinglich, denn es geht ja
um eine Beziehungsqualität: Es ist wie eine Hand gereicht ins Leben, haltend auch über das Leben
hinaus.
Bei einem solchen Du-Wort gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder ich glaub‘s nicht. Oder es
verändert alles: Du bist wirklich geliebt! Damit kommt eine Spur des Vertrauenkönnens in unser
Leben: „Fürchte dich nicht! Ich bin mit dir!“ Und eine Spur von Liebe, von Geliebtsein und Liebenkönnen. „Bleibt in meiner Liebe!“ (Joh 15,9) So ermutigt Jesus seine Jünger, und also auch uns.
Es ist eine Umdeutung, eine Sinndeutung des Lebens: eine Spur Reich Gottes schon mitten im Leben; eine Spur vom Himmel, eine Spur der Auferweckung aus der verzweifelten Selbsterlösung, aus
der Angst vor dem Tod.
Klar: Das ist leichter gesagt, aber schwerer getan: eher der Liebe zu folgen, eigene Absicherungen
zu lassen, dem Vertrauen Raum zu geben. Wir brauchen Hilfe. Es braucht die Antwort, wie Maria
Magdalena sie gab, die auch tiefe Bedeutung hat: „Rabbuni – mein Meister“, das heißt übersetzt:
Ich will mich von dir leiten lassen. Und wir sind auf diesem Weg nicht allein. Wir gehen miteinander, auch gestärkt durch die vielen, die vor uns schon auf Jesus vertraut haben und vor uns mit ihm
und schon zu ihm gegangen sind. So können wir heute im Glauben getrost unseren Pfarrer Brem
beerdigen und die Stärkungen und Orientierungen bewahren, die er uns gab, damit auch wir den
Weg des Glaubens finden.
Ich erlaube mir mit der ungewöhnlichen Fügung zu enden, dass Pfarrer Brem gerade am 15. März,
an seinem Geburtstag, verstorben ist und dass so sein letzter Geburtstag und Todestag zu seinem
ewigen Geburtstag wurde. Dieses Wort würde er vielleicht unterschreiben: Bedenkt! Wir werden
geboren, um zu sterben. Aber wir sterben, um zu leben. Amen.
Peter Jaumann