09.03.16_ZR_Sv_Kling - Webseiten der Juristischen Fakultät

Augsburger Examinatorium
der Juristischen Fakultät
Universitätsstraße 24
86159 Augsburg
Zimmer 2007a
Examinatorium Probeexamen
Tel +49 821 598 - 4055
Klausur vom:
09.03.2016 (Original: 2010 II 1)
[email protected]
www.jura.uni-augsburg.de/examinatorium
Besprechung am:
30.03.2016, 15:30-18:30 Uhr, Raum 2003
Tobias Kling
Sachverhalt
Die Fleißig-GmbH mit Sitz in Regensburg ist ein Nachhilfeinstitut mit 63 Mitarbeitern, das Gymnasiasten bei der Vorbereitung auf das Abitur unterstützt. Ein Betriebsrat existiert nicht.
Im Juni 2010 wird bei der Fleißig-GmbH die Stelle eines Nachhilfelehrers vakant. In der Stellenanzeige für die Nachhilfelehrerstelle wird ein "Gymnasiallehrer (m/w) mit zwei überdurchschnittlichen
Examina" gesucht, denn nach dem Geschäftsmodell der Fleißig-GmbH kommen als Nachhilfelehrer
nur Gymnasiallehrer mit überdurchschnittlichen Ergebnissen in der Ersten Lehramtsprüfung und der
Zweiten Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien in Betracht. Mit Arbeitsvertrag vom 30. Juni
2010 stellt der alleinige Geschäftsführer der Fleißig-GmbH, Lothar Lehmann, den in Regensburg
wohnenden Bernd Brem ab dem 01. Juli 2010 als Nachhilfelehrer ein. Bernd Brem hatte mit seinen
Bewerbungsunterlagen Zeugnisse - mit jeweils überdurchschnittlichen Noten - über die Erste Lehramtsprüfung und die Zweite Staatsprüfung für das Lehramt an Gymnasien vorgelegt.
Als Lothar Lehmann Mitte des Jahres 2014 an den Folgen eines Unfalls verstirbt und deshalb die
Stelle des Geschäftsführers der Fleißig-GmbH ausgeschrieben wird, bewirbt sich auch Bernd Brem.
Der Alleingesellschafter der Fleißig-GmbH, Albert Abel, der durch die Satzung der Fleißig-GmbH
wirksam von der Beschränkung des Verbots des Insichgeschäfts befreit ist, vereinbart mit Bernd
Brem am 20. Juni 2014 mündlich dessen "Beförderung" vom Nachhilfelehrer zum Geschäftsführer
zum 01. Juli 2014, verbunden mit einer Gehaltserhöhung. Bernd Brem hatte in der Vergangenheit
großes kaufmännisches Geschick gezeigt. Maßgeblich war für Albert Abel aber vor allem, dass die
von Bernd Brem vorgelegten Examenszeugnisse im Vergleich zu allen anderen Bewerbern die besten Noten aufwiesen. Überdurchschnittliche Examensergebnisse sind nach dem Geschäftskonzept
der Fleißig-GmbH, das Bernd Brem bekannt ist, insbesondere im Hinblick auf die Außendarstellung
des Nachhilfeinstituts von besonderer Bedeutung.
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Am 24. August 2015 entdeckt Albert Abel durch Zufall, dass beide Examenszeugnisse, die Bernd
Brem vorgelegt hatte, gefälscht waren. Tatsächlich hat Bernd Brem die Erste Lehramtsprüfung nur
mit einer unterdurchschnittlichen Note knapp bestanden. Durch die Zweite Staatsprüfung für das
Lehramt an Gymnasien ist Bernd Brem endgültig durchgefallen.
Mit Schreiben vom 24. August 2015, das Bernd Brem am nächsten Tag zugeht, erklärt Albert Abel
im Namen der Fleißig-GmbH die Abberufung von Bernd Brem als Geschäftsführer der FleißigGmbH. Außerdem ficht er den Geschäftsführeranstellungsvertrag vom 20. Juni 2014 an und kündigt
diesen hilfsweise außerordentlich. Schließlich erklärt er auch die Anfechtung des Arbeitsvertrages
vom 30. Juni 2010, hilfsweise dessen außerordentliche Kündigung.
Bernd Brem wendet sich am 07. September 2015 an Rechtsanwältin Regina Rat mit der Frage, ob
und wie er mit Erfolg gerichtlich seine Stellung als Geschäftsführer, seinen Geschäftsführeranstellungsvertrag und sein Arbeitsverhältnis retten könne. Albert Abel und der verstorbene Geschäftsführer Lothar Lehmann hätten seine Tätigkeit in der Vergangenheit nie kritisiert, da er diese stets bestens erledigt habe. Für seine Tätigkeit sei seine Qualifikation "auf dem Papier" nicht relevant gewesen. Seine schlechten Prüfungsergebnisse führe er mittlerweile auf eine am 27. August 2015 durch
ein ärztliches Gutachten festgestellte Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätsstörung aufgrund einer
angeborenen Anomalie der Signalverarbeitung im Gehirn zurück. Eventuell sei er deshalb sogar
schwerbehindert. Er fühle sich durch die mit seinen schlechten Examensergebnissen begründete
Beendigung seiner Tätigkeit für die Fleißig-GmbH wegen seiner Behinderung diskriminiert und habe
überdies gehört, dass Schwerbehinderte ohne behördliche Zustimmung nicht entlassen werden
dürften. Vor dem Gutachten vom 27. August 2015 sei ihm die Behinderung nicht bekannt gewesen.
Einen Antrag auf behördliche Anerkennung als schwerbehinderter Mensch wolle er nur stellen,
wenn er im Falle der Anerkennung seine rechtliche Position in der Auseinandersetzung mit der
Fleißig-GmbH verbessern könne.
Vermerk für die Bearbeiter:
Die Antwort von Rechtsanwältin Regina Rat ist in einem Gutachten, das auf alle aufgeworfenen
Rechtsfragen eingeht, vorzubereiten.
Mögliche Bereicherungs- oder Schadensersatzansprüche der Fleißig-GmbH gegen Bernd Brem
wegen der gezahlten Vergütung sind nicht zu erörtern.
Es ist zu unterstellen, dass Albert Abel etwaigen Protokollierungserfordernissen nach § 48 Abs. 3
GmbHG hinreichend Rechnung getragen hat. Auf datenschutzrechtliche Vorschriften, auf die Europarechtskonformität des AGG und auf § 90 Abs. 2a Alt. 2 SGB IX ist nicht einzugehen.
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