Greenlife 6 der Standard Donnerstag, 3. Dezember 2015 Der Rio Doce ist ein „biologischer Friedhof“ Susann Kreutzmann aus São Paulo Der Biologe Marcos Freitas von der Universität in Rio de Janeiro malt kein Schreckensszenario, sondern beschreibt die Folgen des bislang schwersten Minenunfalls in der Geschichte Brasiliens: „Wenn der Schlamm ankommt, stirbt jedes Leben, binnen Minuten.“ Vor etwa drei Wochen brachen in der Eisenerzmine Samarco im Bundesstaat Minas Gerais die Dämme eines Rückhalte- und Klärschlammbeckens. Ein „brauner Tsunami“ aus 62 Millionen Litern giftigem Schlamm überrollte die Ortschaft Bento Rodrigues. Zwölf Menschen starben, elf gelten noch als vermisst. Doch die grau-braunen Schlammmassen ließen sich nicht aufhalten und fließen in den Fluss Rio Doce. Der 850 Kilometer lange „süße Fluss“ ist die Lebensader der Region. Jetzt ist er ein „biologischer Friedhof“, wie Freitas sagt. Inzwischen hat der giftige Schlamm die Atlantikküste erreicht und dort eine weitere Umweltkatastrophe ausgelöst. Das für das Unglück verantwortliche Unternehmen Samarco, dessen Eigner die australisch-britische BHP Billiton und der brasilianische Bergbaukonzern Vale sind, wiegelt ab. Es fänden sich keine gesundheitsschädigenden Stoffe in dem Schlamm, ließ das Unternehmen wissen. Es seien Wasserproben genommen worden, und diese hätten keine höhere Schwermetallkonzentration ergeben. Nicht nur Umweltexperten, sondern auch die brasilianische Staatsanwaltschaft weisen die Behauptungen als falsch zurück. trophen ist“, sagte Anwalt Mauricio Guetta von der Umweltorganisation Instituto Socioambiental. „Aber wir haben ein Problem bei der Umsetzung“, fügt er hinzu. 97 Prozent aller verhängten Strafen würden nicht gezahlt. Die mehr als 200.000 Menschen, die weiterhin ohne Trinkwasser sind, und die Fischer, die ihre Existenzgrundlage verloren haben, fühlen sich von den Behörden im Stich gelassen. Auch Brasiliens politisch angeschlagene Präsidentin Dilma Rousseff bewies ein miserables Krisenmanagement. Erst nach mehr als einer Woche flog sie im Hubschrauber über das Unglücksgebiet und zitierte danach die zuständigen Gouverneure zum Rapport. Auf der Weltklimakonferenz in Paris versprach sie der Weltöffentlichkeit, dass Brasilien die Unternehmen für ihr „unverantwortliches Handeln“ verklagen werde. KURZ GEMELDET Luchse kehren langsam nach Österreich zurück Wien – Luchse schleichen sich wieder in Österreich ein. Im Dreiländereck Österreich-SlowenienItalien wurden drei erwachsene Tiere gesichert, in der Böhmerwaldpopulation gab es demnach sogar Nachwuchs, berichtet der WWF. Getrübt wurde das Erfolgserlebnis jedoch durch eine Luchstötung: Ein Jungtier aus der Nationalpark-Kalkalpen-Region wurde gewildert. Der Luchs war in weiten Teilen Europas bereits zur Gänze ausgerottet. Erst Wiederansiedlungsprojekte, mit deren Durchführung man in den 1970erJahren begann, ermöglichten der Katze eine vereinzelte Rückkehr in ihren ursprünglichen Lebensraum. (APA) Millionen Tonnen tote Fische „Es ist unser Fukushima“, sagt einer der Fischer verbittert. In ihrer Verzweiflung versuchen sie mit hunderten Freiwilligen, Fische in nahe Lagunen umzusiedeln. Doch sie haben den Kampf gegen die Zeit verloren: Erst in der vergangenen Woche wurden neun Millionen Tonnen verendeter Fisch aus dem Rio Doce geborgen. Der Umweltbiologe André Ruschi ist überzeugt, dass es mindestens 100 Jahre dauern wird, bis die giftigen Rückstände aus dem Rio Doce verschwunden sind. Doch genauso verheerend seien die Auswirkungen für den Atlantik, in den die Schlammlawine jetzt abfließe. Über Jahre hinweg würden auf einer Fläche von 200.000 Quadratkilometern die giftigen Rückstände nachweisbar sein. Die Giftstoffe würden durch Wellen und Niederschläge im Ozean verteilt, sagt Ruschi. In Espirito Santo mündet der Rio Doce in den Atlantik. Der Strand, einstiges Surferparadies und Umweltrefugium, ist nachhaltig verseucht. Für viele Jahre wird es hier weder Schildkröten, Krebse noch Muscheln geben. Mehr als 330 tote Wale im Süden von Chile gezählt Foto: APA / Christophe Simon Der Dammbruch in einer Eisenerzmine hat zu einer Umweltkatastrophe in Brasilien geführt. Der Schaden wird sich noch ausweiten: Die hochgiftige Schlammlawine ist nun in den Atlantik geflossen und verseucht dort die Küste. Eine Aufnahme im Ort Bento Rodrigues im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien einen Tag nach dem Dammbruch. Auch die vor der Küste gelagerten Korallenriffe werden den giftigen Schlamm nicht überleben. Die ehemalige Umweltministerin und zweifache Präsidentschaftskandidatin Marina Silva ist überzeugt, dass kriminelle Machenschaften hinter dem „größten Umweltverbrechen in Brasilien“ stecken. Auch Ingenieure der Umweltbehörde Ibama stellen klar: „Natürlich hätte das Unglück verhindert werden können. Ein Damm bricht nicht von einem Tag auf den anderen.“ Samarco ließ seine Anwälte erklären, dass alle regelmäßig durchgeführten Kontrollen keine Anomalitäten aufgewiesen hätten. Es liegt jetzt an der Staatsanwaltschaft, dem Unternehmen Fahrlässigkeit nachzuweisen und es wegen eines Umweltverbrechens anzuklagen. Das kann Jahre dauern. Das juristische Kräftemessen hat erst begonnen. Santiago de Chile – Im Süden Chiles sind mehr als 330 Wale gestrandet - eine der größten Strandungen dieser Art, die jemals registriert wurden. Die Ursache soll demnächst in dem wissenschaftlichen Fachblatt National Geographic enthüllt werden. (APA) Größte EU-Solaranlage in Südfrankreich eröffnet Paris – In Südwestfrankreich ist die größte Solaranlage Europas eingeweiht worden. Der Photovoltaik-Park in Cestas nahe Bordeaux hat eine Leistung von 300 Megawatt, das entspricht in etwa dem Stromverbrauch einer Stadt mit 300.000 Einwohnern, wie die Betreiber mitteilten. Auf einem 260 Hektar großen Gelände wurden in weniger als einem Jahr 983.500 Sonnenkollektoren aufgestellt. Der Anteil von Sonnenenergie an der Stromproduktion in Frankreich steigt mit der Anlage von 1,4 Prozent auf 1,7 Prozent. Frankreich setzt nach wie vor in großem Umfang auf Atomenergie. (APA) Streit um Entschädigung Eine Klimakonferenz klimafreundlicher machen Großereignisse wie COP21 in Paris erzeugen Tonnen an CO2 – die Uni Klagenfurt sucht nach Alternativen Wien – Etwa zehn Tage dauert es, mit dem Zug von Peking nach Paris zu fahren. Ob sich Teilnehmer der UN-Klimakonferenz in Paris für diese zeitintensive Reisevariante entschieden haben, ist nicht bekannt. Doch die Kampagne „Train to Paris“ hat durchaus das Potenzial, die Klimabilanz des Großereignisses aufzubessern. Damit wird um die umweltbewusste Anreise von Politikern, NGO-Vertretern und Journalisten aus Europa und Asien geworben. „Pro Teilnehmer, der mit Langstreckenflug anreist, kann man mit ein bis zwei Tonnen CO2Emissionen rechnen“, schätzt Günter Getzinger von der AlpenAdria-Universität Klagenfurt. Der Wissenschafter und seine Kollegen beschäftigen sich mit der Frage, wie klimafreundlich solche Konferenzen sind und welche Alternativen es dazu gibt. Sie sind in der Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich organisiert. Die UN-Konferenz habe jedoch durchaus ihre Berechtigung: Die in Paris zu erwartenden Entscheidungen werden ungleich höhere Emissionsreduktionen bringen, betont Getzinger. „Daher ist die persönliche Anwesenheit höchstrangiger Vertreter der Nationen auch legitim“, sagt er. Anders sieht es teilweise bei Dienstreisen im universitären Bereich aus. Eine virtuelle Mitarbeit, etwa durch eine Videokonferenz, sei oft ohne wesentlichen Qualitätsverlust hinreichend, sagt Getzinger. Der Anteil der Dienstreisen an den Gesamtemissionen einer Universität hat mittlerweile meist die Größenordnung der Emissionen aus dem täglichen Arbeitspendel- verkehr erreicht. Getzinger plädiert daher für zwei Maßnahmen: Bis zu einer Entfernung von 750 Kilometer sollte die Bahn das bevorzugte Verkehrsmittel sein. Doch nicht nur bei Flugreisen, sondern auch bei Autofahrten gibt es Nachholbedarf. Das in Österreich gültige Kilometergeld von 42 Cent pro Kilometer macht die Nutzung des Pkws attraktiver. Telekonferenz-Offensive Foto: APA / Stephane De Sakutin Experten fanden unter anderem Überreste von Arsen, Chrom, Nickel, Blei und Quecksilber in dem Schlamm. „Das Ausmaß der Umweltschäden entspricht etwa der Größe von 20.000 olympischen Schwimmbecken gefüllt mit giftigem Schlamm“, stellt der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und Umwelt, John Knox, klar. „Außerdem gibt es eine Kontamination der Böden, Flüsse und des Wassersystems auf mehr als 850 Kilometern.“ Der brasilianische Staat gab jetzt bekannt, die verantwortlichen Unternehmen auf rund fünf Milliarden Euro (20 Milliarden Reais) Schadenersatz zu verklagen. Das Geld soll in einen Umweltfonds fließen. Der Fonds solle für die Dauer von zehn Jahren angelegt und bei Bedarf verlängert werden, sagte Umweltministerin Izabela Teixeira. Sollten sich die Unternehmen nicht darauf einlassen, könnten Konten blockiert werden. Die Regierung geht von mindestens 25 Jahren aus, bis die Umweltschäden beseitigt sind. „Wir haben eine wirklich gute Gesetzgebung, die sehr fortschrittlich in Bezug auf die Verantwortlichkeit für solche Umweltkatas- Zur Eröffnung der Klimakonferenz wurden Botschaften für den Klimaschutz auf den Eiffelturm projiziert. Zweitens ist das Wissenschaftsministerium gefragt, um eine Telekonferenz-Offensive der Universitäten zu unterstützen. Das spart nicht nur CO2, sondern auch Kosten: Die Ausgaben für Dienstreisen und insbesondere für Flugreisen stiegen an Universitäten kontinuierlich. „Das hängt mit der Europäisierung der Forschungsfinanzierung zusammen. Mobilität ist gleichsam zum Selbstwert geworden“, sagt Getzinger. (july) p http://traintoparis.org
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