Schlamm soll verschwinden

Sächsische Zeitung, Mittwoch, 09.09.2015
Schlamm soll verschwinden
Eine Bürgerinitiative fordert, keinen Kies mehr im Birkwitzer
Badesee zu waschen. Hilfe von Behörden bleibt aber aus.
Von Thomas Möckel
Spülwasser aus dem Kieswerk
verschmutzt den See.
© Katja Frohberg
Pirna. Der Wettkampf hat eine lange Tradition. Seit zehn Jahren kommen
Orientierungstaucher regelmäßig an den Kiessee Birkwitz-Pratzschwitz, um sächsische
Meisterschaften und andere Wettbewerbe auszutragen. Nun aber droht dem Sportereignis das
Aus. Als die Taucher in der vergangenen Woche mit Bojen den Kurs markieren wollten,
gaben sie nach kurzer Zeit auf. Äußerst schlechte Sicht und die große Zahl von
Schlingpflanzen trübten ihre Vorfreude. Unter diesen Bedingungen, so die Froschmänner, sei
ein Wettkampf nicht machbar, ohne die Sportler zu gefährden.
Die Absage der Tauchsportler offenbart ein weiteres Mal ein großes Problem. Offensichtlich
verschlammt und verlandet der Badesee zusehends, aufgrund zusätzlich eingespülter
Nährstoffe nimmt das Pflanzenwachstum ein bisher nie dagewesenes Ausmaß an. Als
Ursache dafür hat die Bürgerinitiative „Erhaltet den Kiessee“ ausgemacht, dass die Kieswerke
Borsberg GmbH Spülwasser des Kiesabbaus ungefiltert in den Badesee leiten. Seit längerer
Zeit schon besteht die Sorge, das ökologische Gleichgewicht des Sees könnte kippen. Somit
stehe die Zukunft des Sees als Badegewässer auf dem Spiel.
Bürgerinitiative, Ortschaftsrat und die Betreiber des Badeareals am Kiessee wollen nun ihren
Kampf gegen die Einspülung forcieren. Sie fordern einen sofortigen Spülstopp und verlangen
von Abbauunternehmen, dass der feine Schlamm aus dem Kiessee entfernt wird. „Es wird
höchste Zeit, dass jetzt etwas passiert“, sagt Gabriele Kaden von der Bürgerinitiative.
Den verstärkten Kampfgeist entfachte jetzt der Umstand, dass von den Behörden keine Hilfe
in dieser Angelegenheit zu erwarten ist. Schon vor dem Sommer hatte die Initiative einen
Fragenkatalog ans Landratsamt und ans Oberbergamt geschickt. Die Antworten ließen aber
bis vor wenigen Tagen auf sich warten – und stießen bei den Fragestellern auf wenig Freude.
Einhellige Meinung zur Ortschaftsratssitzung am Montagabend: Mit den zugesandten
Papieren wolle man die Protestler nur beruhigen und hinhalten. Die Antworten seien das
Papier nicht wert, auf das sie gedruckt sind.
Widersprüchliche Aussagen
Bei einigen Fragen verweisen die Angefragten gleich auf andere Behörden, ohne selbst auf
die Fragen einzugehen. Andere Antworten fallen widersprüchlich aus. So formuliert das
Landratsamt in einer Antwort, durch die Kieswäsche würden keine Nährstoffe in den Kiessee
eingetragen. An anderer Stelle heißt es dann, mit dem Spülwasser würden mineralische Stoffe
in den See geleitet. Vom Oberbergamt Freiberg ist zu erfahren, dass die Erlaubnis für die
Kieswerke, Spülwasser ins Badewasser zu leiten, nicht habe versagt werden können. „Wir
fühlen uns überhaupt nicht ernst genommen“, klagt Gabriele Kaden.
Auch die Antwort auf den Vorwurf, mit der Verlandung seien Lebensräume für Tiere sowie
die Zukunft des Badesees in Gefahr, fiel laut Bürgerinitiative nur unbefriedigend aus. Laut
des Landratsamtes sei derzeit keine Gefahr im Verzug erkennbar. Dabei hatte schon vor
geraumer Zeit das Oberbergamt selbst eingeräumt, dass der Verspülbereich weiter ins
Gewässer wachse – laut des Pratzschwitzer Ortschaftsrates Hans Prugger allein 40 Meter in
diesem Jahr. Auf Luftbildern ist das Ausmaß gut zu erkennen. Und auch in der Tatsache, dass
industriell Kiesspülwasser in einen in die EU-Liste aufgenommenen Badesee eingeleitet wird,
sieht das Landratsamt keinen Widerspruch. Bislang sei die Wasserqualität nicht zu
beanstanden gewesen.
Neue Untersuchungen kommen möglicherweise zu einem anderen Ergebnis. Die
Bürgerinitiative lässt Wasserproben aus dem Kiessee bei der staatlichen Betriebsgesellschaft
für Umwelt und Landwirtschaft sowie bei Wasserexperten an der TU Dresden analysieren.
Noch stehen die konkreten Ergebnisse aus, erste Anzeichen verheißen allerdings wenig Gutes.