arbeit in den werkstätten und rehabilitation

mehrwerk
WERKSTATT IM BLICKPUNKT – DAS MAGAZIN Ausgabe 49 – Oktober 2015
ARBEIT IN DEN WERKSTÄTTEN UND
REHABILITATION GEHEN HAND IN HAND
Lynn Wennmachers’ langer Weg zurück
INHALTSVERZEICHNIS
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Berufsbildungsbereich
Stimmen zu „mehrwerk“,
Zur Vernissage nach Wien,
LEWAC übernimmt neue Aufgaben
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Kundenporträt
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Neue Azubis:
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Mobil.Pro.Fit
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Werkstatthelden
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Kurz notiert
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„Wir dürfen die Entwicklung
nicht verschlafen“ – Schwerpunktthema Werkstatt 4.0:
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Tipps und Termine,
Impressum
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Bilderalbum
22
Bilderalbum
Editorial
Kurz notiert
Viel Erfolg!
Lynn Wennmachers ist eine Kämpferin
Interview mit Norbert Zimmermann, der
Blick von außen und ein Besuch in unserer
IT-Abteilung
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Kunst am Campus:
Dauerausstellung von willsosein im
FIR-Gebäude
Interview mit einer Neueinsteigerin,
Kursbericht: Orientierung in der fremden Stadt
Ethen Rohre: „Ein zuverlässiger Partner“
Demnächst öfter mit dem Rad
Car Aachen,
Neues Führungskonzept,
Brandstiftung
Sommerfeste
Special Olympics
Kurz notiert
Führungswechsel im Elternbeirat,
1000 Euro für ein Pferd,
Neue Leitung im HPA
Hinweis: In unseren Texten sind Frauen und Männer stets gleichermaßen gemeint.
Zur besseren Lesbarkeit verwenden wir jedoch meist die männliche Form.
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Editorial
mehrwerk
WELCHE FOLGEN HAT DIE DIGITALISIERUNG
VON PRODUKTION UND LOGISTIK FÜR UNS ALS
INDUSTRIELLEN DIENSTLEISTER?
NORBERT ZIMMERMANN ÜBER WERKSTATT 4.0
Liebe Leserinnen und Leser!
Herzlichen Dank für die zahlreichen positiven Rückmeldungen zum neuen
Erscheinungsbild unseres Magazins. Darüber haben wir uns sehr gefreut.
Auf Seite 4 lassen wir, stellvertretend für viele, zwei langjährige Wegbegleiter unseres Unternehmens zu Wort kommen. Ihr Lob spornt uns an. Ja,
wir wollen und müssen moderner und zeitgemäßer über unsere Arbeit informieren. Daher steht im nächsten Schritt auch die Neugestaltung unserer
Internetseite auf der Tagesordnung. Bitte haben Sie noch etwas Geduld, in
der nächsten Ausgabe der „mehrwerk“ können wir darüber hoffentlich mehr
verraten.
Eine zukunftsweisende Veränderung gibt es auch bei unseren Leistungen
für den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt. Nach der Gründung
des Integrationsunternehmens CleanCare gGmbH vor zwei Jahren haben wir
jetzt ein weiteres Gemeinschaftsunternehmen, dieses Mal mit unserem Partner WABe, gegründet: Aus einem erfolgreichen Projekt wird nun die LEWAC
gGmbH. Das Team wird künftig die Betreuung unserer Mitarbeiter übernehmen, die auf betriebsintegrierten Arbeitsplätzen bei Aachener Unternehmen
eingesetzt sind. Über die ersten Erfahrungen werden wir ebenfalls in der
nächsten Ausgabe berichten.
Das Schwerpunktthema dieses Heftes lautet Werkstatt 4.0. Dahinter verbirgt
sich die Frage: Wie lässt sich die Teilhabe von Menschen mit Behinderung
am Arbeitsleben zukünftig so gestalten, dass sie zwei aktuellen Entwicklungen gleichermaßen gerecht wird: Zum einen die Entwicklung hin zu einem
inklusiven Arbeitsmarkt auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention, zum anderen die zunehmende Digitalisierung von Produktion und
Logistik in der Wirtschaft. Auf dem Weg zu dieser Industrie 4.0 sind wir unterwegs – als industrieller Dienstleister für Kunden aus der Süßwaren- und
Kosmetikindustrie und durch unseren Kontakt zum Cluster Smart Logistik
auf dem RWTH Campus. Lesen Sie mehr ab Seite 8.
Zum Schluss möchte ich Ihnen den Beitrag über unsere Mitarbeiterin Lynn
Wennmachers besonders ans Herz legen (Seite 6). Bei zahlreichen Begegnungen durfte auch ich miterleben, wie sie sich nach ihrem Unfall zurück ins
Leben gekämpft und, man kann sagen, gearbeitet hat. Auch Ihnen und Ihren
Lieben wünsche ich alles Gute.
Ihr Norbert Zimmermann, Geschäftsführer
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mehrwerk
Kurz notiert
STIMMEN ZUR NEUEN „MEHRWERK“
Manfred Fuchs, ehemaliger Vorsitzender des Aufsichtsrats: „Herzlichen Glückwunsch zur neuen Ausgabe des
Werkstattmagazins. Ich finde es in Aufmachung und Inhalt sehr gut. Die Leser erhalten dadurch noch besser
als bisher einen hervorragenden Einblick in die Arbeit der Werkstatt und die Leistungsfähigkeit behinderter
Menschen. Sie können aber vor allem durch die guten Artikel und großartigen Fotos sehen, dass diese Menschen ebenso fröhlich sein können und ein erfülltes Leben führen wie die Nichtbehinderten.“
Michael Mahr, Geschäftsleitung Theod. Mahr Söhne GmbH, schrieb uns: „Die Zeitschrift Mehrwerk erinnert
mich in regelmäßigen Abständen daran, dass es keine innere Zufriedenheit geben kann, wenn ein Volk, eine
Wirtschaft oder eine Familie nicht auch Anstrengungen unternimmt, den Benachteiligten zu helfen. Der hohe
Bildanteil zeigt sehr plastisch, wie es gelingt, mit immensem persönlichen Aufwand vieler den verantwortungsvollen Aufgaben gerecht zu werden.“
LEWAC: AUS EINEM
ERFOLGREICHEN PROJEKT
WIRD MEHR
Seit 2009 ist LEWAC – eine Kooperation der Werkstatt mit WABe e. V. – im
Auftrag der Arbeitsagentur in den Bereichen „Unterstützte Beschäftigung“
sowie „Diagnose der Arbeitsmarktfähigkeit“ von Menschen mit Behinderung
tätig. Im Bereich der unterstützten Beschäftigung werden lernbehinderte Menschen passgenau in Unternehmen vermittelt. Aus dem Projekt LEWAC wird nun
eine gemeinnützige GmbH, deren Leitung Ulrike Feldmann-deVet übernimmt.
Bereits zum Start der neuen gGmbH wird mit den „Betriebsintegrierten
Arbeitsplätzen“ (BiAp) auch die Begleitung der Beschäftigten der Werkstatt,
die einen Einzelarbeitsplatz in einem Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes haben, hinzukommen. „Unsere Kompetenzen bei der passgenauen
Vermittlung und die guten Kontakte zu den Firmen in der Region sind eine
ideale Grundlage für den neuen Arbeitsbereich“, so Feldmann-deVet.
Weitere Infos: www.lewac.de
ZUR VERNISSAGE NACH WIEN
Sechs Künstler unserer Gruppe „willsosein“ nahmen im Mai an der Vernissage
in „Michl´s Café“ in Wien teil. Das Michl´s im Pflegewohnhaus Leopoldstadt
ist ein Projekt der Wien Work, ein gemeinnütziges Unternehmen der Sozialwirtschaft. Entstanden ist der Kontakt nach Wien im EU-Projekt „Lebenslanges Lernen“, in dem der internationale Austausch zwischen Organisationen zum Thema Inklusion im Fokus stand. Besonderer Schwerpunkt war die
Integration von Menschen mit Behinderung in gastronomischen Unternehmen. Daraus entstand die Idee, Bilder zum Thema Essen auszustellen, die von
Menschen mit Behinderung gemalt wurden. Ein herzliches Dankeschön an
den Rotary Club Aachen-Land, der die Reise der willsosein-Künstler ermöglichte und mit zahlreichen Mitgliedern begleitete.
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Ausbildung
mehrwerk
Fünf
gewinnt
Das neue Ausbildungsjahr hat begonnen. Fünf junge Menschen haben
sich für eine Ausbildung bei uns entschieden. Wir stellen sie kurz vor.
Benedikt Kochs, 21, aus Alsdorf hat nach dem Abitur zunächst ein Informatikstudium an der FH Aachen begonnen, sich
aber dann für die Ausbildung zum Bürokaufmann entschieden.
Er kennt die Lebenshilfe gut, da sein Bruder eine Behinderung hat
und hier betreut wird.
Vanessa Koch, 20, aus Aachen macht bei uns die Ausbildung
zur Heilerziehungspflegerin. An der Käthe-Kollwitz-Schule hatte
sie zuvor eine Ausbildung zur Sozialassistentin gemacht und ein
Jahrespraktikum in unserem Heilpädagogischen Arbeitsbereich
absolviert.
Martin Schulz, 21, aus Aachen kennt die Werkstatt von seinem
Freiwilligen Sozialen Jahr bei unserer Außenarbeitsgruppe bei
Zentis und einer Zeit als Produktionshelfer. Jetzt will er ebenfalls
Heilerziehungspfleger werden.
v. l. n. r.: Benedikt Kochs, Vanessa Koch und Martin Schulz
Laura Kück, 23, aus Würselen, begann nach dem Fachabitur
zunächst eine Ausbildung zur Erzieherin, bevor sie sich dann für
die Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement entschied.
Pia Franken, 22, aus Geilenkirchen, hat ein Freiwilliges Soziales
Jahr bei der Lebenshilfe Heinsberg gemacht und wollte zunächst
ebenfalls Erzieherin werden. Dann entschied sie sich jedoch für
die Heilerziehungspflege und bewarb sich bei uns mit Erfolg.
Laura Kück und Pia Franken
5
mehrwerk
Werkstatthelden
Gruppenleiter Ralf Bohr:
„Lynn redet mit den Leuten, sie kümmert sich
und hilft, wenn jemand Hilfe braucht.“
WERKSTATTHELDEN
KÄMPFERIN
FÜR DAS LEBEN
In unserem Unternehmen arbeiten viele interessante Persönlichkeiten. Menschen mit
sympathischen Macken, Menschen mit ungewöhnlichen Hobbys, Menschen, die still und
zuverlässig ihre Arbeit tun, kurz: Menschen, die man einfach mögen muss. Lesen Sie den
zweiten Teil der Serie „Unsere Helden“.
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LYNN WENNMACHERS:
EIN LANGER WEG ZURÜCK
Der Unfall passiert im August 2009. Es ist
ein schöner Sommertag. Lynn Wennmachers, 22 Jahre, Studentin, stürzt zu Hause die Treppe hinunter, schlägt mit dem
Kopf auf und fällt ins Koma. Erst nach
langen Untersuchungen im Krankenhaus
stellen die Ärzte fest, dass der Auslöser
des Sturzes ein Gehirn-Aneurysma war.
Dabei reißt eine Schlagader und löst
eine Hirnblutung aus. In der Folge werden zentrale Hirnfunktionen geschädigt.
Die junge Frau muss künstlich beatmet
und ernährt werden. Sie ist ein Pflegefall.
Es folgen zahlreiche Operationen, Phasen
im Wachkoma und lange Aufenthalte in
Reha-Kliniken in Köln und Herdecke. Erst
nach 18 Monaten zeigt sie zum ersten
Mal wieder eine bewusste Reaktion. Nach
24 Monaten isst sie ihr erstes Stückchen Apfel. Heute, sechs Jahre nach dem
Unfall, ist Lynn Wennmachers wieder
da. Sie hat gekämpft, sich nie aufgege-
ben. Sie war wütend und sauer auf ihr
Schicksal. Sie war verbissen und abwehrend, für ihre Eltern, Betreuer, Therapeuten und Ärzte oft kaum erträglich. Aber
sie ist wieder da. Sie kann wieder laufen,
ihr Sprachvermögen wird von Tag zu Tag
besser. Zugleich hat sie verstanden und
akzeptiert, dass sie ihr altes Leben nicht
wieder aufnehmen kann. Auch wenn heute niemand sagen kann, was möglich ist.
Viele Menschen haben bei dieser erstaunlichen Rehabilitation mitgeholfen.
Zuallererst natürlich ihre Familie und
Helfer aus dem privaten Umfeld. Aber
auch Menschen in der Werkstatt: Betreuerinnen, Therapeutinnen und Gruppenleiter, zunächst Anne Nacken und
später Ralf Bohr. Im Herbst 2011 kommt
Lynn zum ersten Mal in die Werkstatt,
zunächst stundenweise. Eine Freundin
übernimmt die Betreuung der Rollstuhlfahrerin und den Fahrdienst. Lynn fand
es „schrecklich“, berichtet Vater Gerd
Wennmachers. „So viele Menschen mit
einer Behinderung. Diese Lautstärke. Der
kleinste Anlass setzte Lynn unter Stress.“
Sie schreit, zetert, wirft Gegenstände an
die Wand, wenn ihr etwas nicht passt.
Ralf Bohr weist sie in die Schranken, fin-det die richtigen Worte – und letztlich
einen Draht zu ihr.
che mit ihrem Vater haben wir ihr Schritt
für Schritt neue Aufgaben gegeben und
sie damit motiviert.“ Nachdem sie keinen
Rollstuhl sondern nur noch Rollator oder
Gehstock brauchte, arbeitete sie zeitweise
im Stehen. Im Februar 2014 stimmt Lynn
schließlich der bislang letzten Operation
zu. An ihrem rechten Fuß wird die Achillessehne verlängert und die Spitzfußstellung erfolgreich korrigiert. Seitdem kann
sie wieder fast normal gehen, und das ist
die Basis für den nächsten Schritt: Lynn
übernimmt neue Aufgaben in der Küche,
genauer: Sie hilft beim Aufdecken und
Abräumen, zunächst nur vormittags bei
der Frühstückspause. „Da geht es nicht
ganz so hektisch zu wie beim Mittagessen“, erklärt Ralf Bohr. „Als sie das gut
geschafft hat, haben wir dann als
nächste Herausforderung die
Mittagspause
obendrauf
gesetzt.“ Heute sei Lynn
schon so belastbar,
dass sie auch spontan andere Aufgaben übernehme,
„ohne stundenlang darüber zu diskutieren“.
„Parallel zur schrittweisen Verbesserung
ihrer körperlichen und sprachlichen Fä-higkeiten wurde Lynn freundlicher“,
blickt Ralf Bohr zurück. „In enger Abspra--
Manchmal will Lynn aber auch schnell
zu viel. Im Sommerurlaub an der holländischen Küste ist sie Rad gefahren und
im Sand gestürzt. Sie will weitergehen,
nicht stehen bleiben. Im Moment steht
die Wohnfrage im Raum. Findet sich
eine Wohngemeinschaft für Lynn? „Es
ist schon etwas Besonderes“, sagt Gerd
Wennmachers, „wie sie sich in den vier
Jahren in der Werkstatt entwickelt hat.
Wir sind sehr froh, dass Lynn hier so viele
therapeutische Angebote wahrnehmen
kann.“
Ihre Arbeit nimmt Lynn Wennmachers sehr
genau. Für Gruppenleiter Ralf Bohr zählt sie
zu den Leistungsstärksten. Nach zwei Jahren
im Berufsbildungsbereich hat sie nun einen
regulären Werkstattvertrag.
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mehrwerk
Schwerpunktthema: Werkstatt 4.0
Ohne Computer läuft nichts: Bei der Verpackung von Süßwaren
sind wir über Buchungsterminals direkt mit dem Kunden verbunden.
WENN ROBOTER DEN RASEN MÄHEN
SCHWERPUNKTTHEMA WERKSTATT 4.0
Roboter mähen Rasen. Im Supermarkt kassieren Maschinen. U-Bahnen, und bald wohl auch die ersten
Serienautos, fahren automatisch. Immer mehr Tätigkeiten von Menschen übernehmen Computer.
Welche Folgen hat diese Entwicklung für Werkstätten für Menschen mit Behinderung?
Wir haben mal kurz in die Zukunft geschaut.
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INTERVIEW MIT GESCHÄFTSFÜHRER NORBERT ZIMMERMANN –
„WIR DÜRFEN DIE ENTWICKLUNG
NICHT VERSCHLAFEN“
Herr Zimmermann, Sie haben den Begriff Werkstatt 4.0
geprägt. Was verstehen Sie darunter?
Den Begriff habe ich aus dem Sprachgebrauch der Wirtschaft
übernommen. Hier ist das Stichwort Industrie 4.0 derzeit in
aller Munde (siehe Beitrag von Prof. Stich). Er beschreibt verschiedene Phasen der industriellen Entwicklung. Übertragen
auf die Werkstätten heißt das: Auch in unseren sozialen Unternehmen gibt es ständigen Wandel. Wir sind ein Teil der Gesellschaft und passen uns gesellschaftlichen Veränderungen an.
Welche Phasen haben denn die Werkstätten durchlaufen?
Angefangen hat es ja mit den Beschützenden Werkstätten in
den 1960er und 1970er Jahren. In dieser Zeit des Aufbaus war
die Werkstatt 1.0 ein eher geschlossenes System. Dann kam die
„Werkstatt für Behinderte WfB“. Bis Ende der neunziger Jahre
wurde diese Werkstatt 2.0 nach und nach in die Wertschöpfungsketten der regionalen Wirtschaft eingebunden. Heute
haben wir die „Werkstatt für behinderte Menschen WfbM“, in
der mit der Reform des Sozialgesetzbuches XI im Jahr 2001 der
Gedanke der beruflichen Teilhabe im Vordergrund steht. Das ist
für mich die Werkstatt 3.0, die sehr stark institutionell denkt.
Norbert Zimmermann ist seit 2007
Geschäftsführer der Werkstatt.
Know-how oder auch die Kundenkontakte der Werkstatt nutzen wollen.
Und gleichzeitig verändert sich dieser Arbeitsmarkt,
weil immer mehr intelligente Maschinen zum Einsatz
kommen.
So ist es, vor allem in den Bereichen, wo wir als industrieller
Dienstleister tätig sind, zum Beispiel in der Verpackung. Hier
müssen wir bei der Digitalisierung der Produktions- und Logistikprozesse mitgehen, wenn wir Aufträge und Arbeitsplätze
nicht verlieren wollen.
Und was macht den Sprung zu 4.0 aus?
Es ist die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit
Behinderung, die Deutschland 2009 unterzeichnet hat. Sie
besagt, dass nicht die Menschen sich den vermeintlichen Systemzwängen des Arbeitsmarktes anpassen sollen, sondern das
System den Bedürfnissen und Fähigkeiten der Menschen. Dafür
müssen Werkstätten ihre Angebote mehr auf die Fähigkeiten
und Bedürfnisse der einzelnen Person ausrichten. Ziel ist die
Entwicklung hin zu einem inklusiven Arbeitsmarkt.
Und was erwarten Sie für die Bereiche, wo noch Handarbeit gefragt ist?
Das ist schwer zu sagen. Keiner weiß, wohin uns Industrie 4.0
führen wird. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass wir uns
als Werkstätten für Menschen mit Behinderung eines nicht
leisten können: am Rand stehen zu bleiben und die Entwicklung zu verschlafen.
Wie soll ein inklusiver Arbeitsmarkt erreicht werden?
Dazu gibt es ganz unterschiedliche Ansätze. Wir können versuchen, noch mehr betriebsintegrierte Arbeitsplätze zu schaffen.
Wir könnten darüber hinaus ganze Arbeitsbereiche aus dem
räumlichen Verbund der Werkstatt etwa in ein Gewerbegebiet
auslagern. Dadurch gäbe es mehr Kontakte zu anderen Betrieben. Und drittens könnten wir unsere Türen öffnen für Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes, die z. B. als Untermieter
und Kooperationspartner den modernen Maschinenpark, das
Imagefilm anschauen auf www.werkstatt-ac.de
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WERKSTATT 4.0: AUF DEM WEG ZUR INKLUSION
BIAP
BETRIEBSINTEGRIERTE
ARBEITSPLÄTZE
AUSGELAGERTE
ARBEITSPLÄTZE
AUSGELAGERTE
ARBEITSPLÄTZE
MENSCHEN
WERKSTÄTTEN
DER LEBENSHILFE AACHEN
1. ARBEITSMARKT
CATERING
RESTAURANT
BETRIEBSKANTINE
BIAP
BETRIEBSINTEGRIERTE
ARBEITSPLÄTZE
MIT BEHINDERUNG UNTER
DER SICHERHEIT DER WERKSTATT
1. ARBEITSCATERING
MARKT
RESTAURANT
BETRIEBSKANTINE
WERKSTÄTTEN
DER LEBENSHILFE
AACHEN
GEGENWART: WERKSTATT 3.0
ZUKUNFT: WERKSTATT 4.0
SEHR STARK INSTITUTIONSORIENTIERT
MEHR PERSONENORIENTIERT
WARUM HEISST ES EIGENTLICH INDUSTRIE 4.0?
Industrie 1.0
Industrie 2.0
Industrie 3.0
Industrie 4.0
Nutzung der Wasser- und Dampfkraft
Massenfertigung mit Hilfe von Fließbändern und elektrischer Energie
weitere Automatisierung durch den Einsatz von Elektronik und Informationstechnik
Digitalisierung und intelligente Vernetzung: Entwicklung, Einkauf, Produktion, Lagerung,
Logistik und Verkauf bis hin zu Recycling wachsen zusammen.
„DIE WERKSTÄTTEN BRAUCHEN
KEINE ANGST ZU HABEN“
Seit 2013 sind wir Partner im
Cluster Smart Logistik auf dem
RWTH Aachen Campus. Am
dortigen Institut FIR arbeiten
Wissenschaftler und Praktiker
gemeinsam am Thema Digitalisierung, das unsere Lebensweise
Volker Stich
schon bald radikal verändern
wird. Davon jedenfalls ist Professor Dr. Volker Stich (Foto),
Geschäftsführer des FIR, fest überzeugt. Wer ein Smartphone hat, erlebt die Veränderung schon heute. Stichs Lieblingsbeispiel ist die App MyTaxi. „Früher habe ich die Taxizentrale
angerufen und am Straßenrand gewartet. Heute bediene ich
auf meinem Smartphone zwei Tasten, und schon sind der Taxifahrer, der 400 Meter weiter um die Ecke steht, und ich digital
miteinander verbunden. Auch bezahlt wird digital.“ Das sei erst
der Anfang: Im Jahr 2020, so Stich, wird es weltweit geschätzt
50 Milliarden vernetzte Geräte geben, deutlich mehr als Menschen auf der Erde. Die Digitalisierung verändere vor allem die
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Abläufe in Produktion und Logistik. Zum Beispiel kommen in
der Produktion zunehmend smarte („intelligente“) Technologien zum Einsatz. Werkstücke sind mit Chips oder Sensoren
bestückt. Sie transportieren Informationen etwa über stoffliche
Zusammensetzung, Zustand oder Lagerzeit. „Früher hat man im
Lager nach einem bestimmten Werkstück gesucht. Heute sehe
ich auf meinem Handcomputer nicht nur sofort, wo es liegt,
sondern auch, zu welchem Zweck es dort liegt und in welchem
Zustand es ist.“ Und welche Folgen hat die Digitalisierung für
die Zukunft der Arbeit? Das könne derzeit niemand sagen. Ja,
es gebe noch nicht einmal verlässliche Daten über den Qualifizierungsbedarf der heute Beschäftigten. Klar sei nur, dass es
in allen Bereichen grundlegende Änderungen geben wird. Für
Menschen mit Behinderung sieht Stich in der Digitalisierung
„eine Riesenchance, weil sie besser in Leistungsprozesse eingebunden werden können“. Zum Beispiel durch die Datenbrille,
die den Mitarbeiter mit Zusatzinformationen versorgt und
ihn unterstützt, noch genauer zu arbeiten. Die Werkstätten
bräuchten keine Angst zu haben und es gäbe neue Chancen für
Schwerpunktthema: Werkstatt 4.0
Inklusion. „Ich kann mir durchaus digitale Produktionsbereiche
mit gemischten Teams vorstellen, wo Menschen mit und ohne
Behinderung zusammenarbeiten“, sagt Stich. „Wichtig ist, dass
mehrwerk
die Digitalisierung, die unaufhaltsam ist, in jedem Unternehmen zur Chefsache gemacht wird.“
BESUCH IN DER IT-ABTEILUNG –
„SCHON HEUTE DIGITAL VERNETZT“
Die Süßwarenindustrie ist ein wichtiger Auftraggeber für uns.
Wir erfüllen dabei nicht nur die hygienischen Anforderungen,
sondern auch die vorgeschriebene Rückverfolgbarkeit von
Lebensmitteln. Jedes Lebensmittel muss in jeder Phase der
Produktion und Verteilung zurückverfolgt werden können. Nur
so ist die sofortige Rücknahme von unsicheren Lebensmitteln
möglich. Unsere IT-Ausstattung wird daher ständig auf den
neuesten Stand gebracht.
automatisch an den Kunden.“ So ist gewährleistet, dass es bei
Anlieferung, Produktion und Auslieferung möglichst wenig
Leerlauf gibt. Auch mit anderen Kunden gibt es bereits einen
solchen Datenaustausch, so Braun. Weitere Projekte zur Vernetzung seien in Arbeit. Darüber hinaus kümmern sich Braun
und seine Mitarbeiter um 160 PC-Arbeitsplätze. Zusätzlich gibt
es sechs Außenstellen und 20 mobile Endgeräte, die über ein
VPN-Netzwerk mit der Werkstatt verbunden sind. „Mit unserem heterogenen Netzwerk sind wir gut aufgestellt“, so Braun.
Die zunehmende Digitalisierung von Produktion und Logistik
sieht er gelassen. „Das ist weniger ein technisches Problem.
Die eigentliche Herausforderung ist, dabei auch zukünftig die
Datensicherheit zu gewährleisten.“
Dieter Braun (Mitte), René Mertens (rechts) und Markus
Decker bilden das IT-Team der Werkstatt.
„Über eine separate und gesicherte Internetverbindung tauschen wir heute mit unserem Kunden laufend die Auftragsdaten aus“, erläutert IT-Chef Dieter Braun. „Dank unseres
Warenwirtschaftssystems Laysi wissen wir jederzeit, welche
Vorprodukte auf Lager sind. Wird neue Ware geliefert oder ist
eine Palette fertig gepackt, melden wir den aktuellen Bestand
Wareneingang, Bereitstellung der Ware für die Produktion,
Warenrückgabe aus der Produktion, Warenausgang: Alle
Abläufe werden von unseren Mitarbeitern im Lager schon
heute digital erfasst.
MIT DER WETTERVORHERSAGE ENERGIE SPAREN
Ein weiteres Beispiel für die Vernetzung von technischen Systemen in unserem Unternehmen ist das Meteoviva-Projekt. Dabei
werden Daten aus der Wettervorhersage und den Betriebszeiten unseres Maschinenparks so miteinander verbunden, dass
Raumtemperatur und Raumklima in unseren Gebäuden immer
optimal eingestellt sind. Denn das System sagt die Entwicklung des Wärme- und Kältebedarfs vor ihrem Eintreten voraus.
Dadurch senken wir den Energieverbrauch. Anfang Oktober
wird das System in Betrieb gehen.
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mehrwerk
Kunst am Campus
Foto: Andreas Steindl
am Campus
Für Professor Dr. Volker Stich (hinten links neben Norbert Zimmermann), Geschäftsführer des FIR, ist es „gelebte
Kooperation“. Die Zusammenarbeit der Lebenshilfe-Werkstatt mit dem Institut ist um eine Facette reicher. Anfang Juni
wurde auf dem Campus Melaten eine Dauerausstellung unserer
Künstlergruppe „willsosein“ eröffnet. Zu sehen sind Werke von
Thomas Hieber, Lars Otten, Sürejja Durovska, Jürgen Kirschbaum
und Natalie Nießen. Aus aller Welt kommen Wissenschaftler
zu Veranstaltungen hierher. Viele sind überrascht und erfreut,
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an diesem Ort auf Kunstwerke von Menschen mit Behinderung
zu stoßen. Einige Bilder waren bis Mitte September bereits
verkauft. Sie werden durch neue Kreationen ersetzt. Am Sonntag,
dem 15. November gibt es zudem eine Versteigerung. Die Rotary-Clubs aus der Region Aachen bringen von 18 Uhr bis 20
Uhr Bilder von „willsosein“ zugunsten der Flüchtlingshilfe unter
den Hammer. Auktionator ist Dr. Jürgen Linden. Dazu sind alle
Interessierten herzlich eingeladen ins Cluster Smart Logistik,
Campus-Boulevard 55, 52074 Aachen.
Kurz notiert
mehrwerk
FÜHRUNGSWECHSEL IM ELTERNBEIRAT
Bernd Knauf ist neuer Vorsitzender des Angehörigen-, Eltern- und Betreuerbeirats, kurz Elternbeirat. Nach
vier Jahren als Stellvertreter übernahm der 60-jährige Bezirkspolizist aus Haaren den Vorsitz jetzt von Helmut
Thyssen, der das Ehrenamt acht Jahre innehatte. Aktuelles Schwerpunktthema
des Elternbeirats ist laut Knauf die Diskussion um die Zukunft der Werkstätten. „Natürlich müssen
sich die Werkstätten weiter verändern, aber wir stellen uns deutlich gegen jede Forderung nach
ihrer Schließung“, sagt er. „Dabei würden viele Mitarbeiter mit Behinderung auf der Strecke bleiben.“ Bei diesem Einsatz für die Werkstätten arbeiten die Aachener eng mit dem Landesverband
der Elternbeiräte zusammen. Insgesamt sieht Knauf den Elternbeirat mit seinen 17 Mitgliedern
gut aufgestellt. Wichtig ist ihm weiterhin der enge Kontakt zwischen Beschäftigten, Gruppenleitungen und Angehörigen. So übernimmt jedes Mitglied des Beirates in ein bis zwei Gruppen in
den Produktions- und Servicebereichen sowie im Heilpädagogischen Arbeitsbereich die Rolle des
Ansprechpartners. Für die Zukunft wünscht sich Bernd Knauf, dass diese Möglichkeit zum direkten
Austausch stärker genutzt wird, „wenn irgendwo der Schuh drückt“.
TAUSEND EURO
FÜR EIN PFERD
Unsere Künstlergruppe „willsosein“ beteiligte sich jetzt an einer Benefizaktion zugunsten der Jürgen-Kutsch-Stiftung. Anfang September wurden in den Aachen Arkaden insgesamt 19 Kunstpferde versteigert. Unter dem Motto „Faszination Pferd“
waren sie von Künstlern, Schulen, Unternehmen und Kindergärten liebevoll und einzigartig gestaltet worden. Unsere Künstler hatten für ihre Skulptur das Thema „Ritt
durch den Zauberwald“ gewählt und einen märchenhaften Mikrokosmos erschaffen
(im Bild: Annika Sachtleben). Bei der Versteigerung durch Auktionator Volker Raulf
weckte es großes Interesse. Der Startpreis lag bei 500 Euro, in 50er Schritten ging es
weiter, bis schließlich bei 1.000 Euro der Hammer fiel. Für die Stiftung, die kulturund generationsübergreifende Projekte im Ostviertel unterstützt, kamen über 14.000
Euro zusammen. Unsere Künstler waren sehr stolz, dazu einen Beitrag geleistet zu
haben.
NEUE LEITUNG IM HPA
In unserem Heilpädagogischen Arbeitsbereich (HPA) im Werk Haaren beschäftigen
wir zurzeit 53 Menschen mit schweren Behinderungen. Viele sind Rollstuhlfahrer,
manche haben gleich mehrere Handicaps: Epilepsie, Spastik, geistige oder körperliche Behinderungen. Für die Beschäftigten und das 20-köpfige Betreuerteam ist
nun Claudia Vieten verantwortlich. Claudia Vieten bringt vielfältige berufliche
Erfahrungen mit. Unter anderem war die Diplom-Sozialarbeiterin bei den Gangelter
Einrichtungen im Bereich ambulant betreutes Wohnen tätig. Zuletzt hat sie beim
Integrationsfachdienst in Heinsberg Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes beraten, wenn es um die Sicherung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Schwerbehinderung ging. Für ihre neue Aufgabe wünscht sich Claudia Vieten, dass „einfach alle
immer gerne hierhin kommen“.
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„Ich hatte
Schiss
“
ERSTE SCHRITTE IN DIE BERUFSWELT
33 junge Frauen und Männer sind in diesem Herbst neu zu uns in die Werkstatt gekommen. Die meisten
kommen von der Kleebachschule, der Viktor-Frankl-Schule, der Schule am Rödgerbach oder der Parzivalschule. Wir stellen eine unserer neuen Nachwuchskräfte vor.
Sie ist neugierig, offen und schlagfertig. Und sie will unbedingt
in die Gastronomie. Nach einem Praktikum in unserem Betriebsrestaurant in der Borchersstraße im vergangenen Jahr war für
die 19-jährige Sabrina Loevenich klar: Das ist ihr Ding. In der
Küche mitarbeiten, Gemüse schneiden, Salat putzen und später
vielleicht auch im Service bedienen – es macht ihr einfach großen Spaß. Auch Jochen Rößeler, unser Küchenchef, war überzeugt: Sabrina passt gut ins Team und ist eine große Hilfe. So
unterstützt sie seit Anfang September das Küchenteam unseres
neuen Betriebsrestaurants bei der Arbeitsagentur Aachen in der
Roermonder Straße. In den ersten Tagen war es nicht einfach.
„Ich hatte Schiss“, sagt sie. Doch eine Kollegin habe ihr geholfen, und nach zwei Tagen „lief es von alleine“. Sabrinas Eltern
Petra und Bert Loevenich sind glücklich, dass ihre Tochter einen
Platz in diesem Arbeitsbereich gefunden hat. „Bisher hat alles
super geklappt“, sagt Bert Loevenich. „Wenn Sabrina von der
Arbeit nach Hause kommt, ist sie einfach gut drauf. Das Gefühl,
gebraucht zu werden, tut ihr unheimlich gut.“ In der Schule sei
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sie zuletzt doch unterfordert gewesen, erläutert Petra Loevenich. Auch in ihrer Freizeit sucht die junge Frau immer wieder
neue Herausforderungen. Seit vielen Jahren spielt Sabrina regelmäßig Tischtennis im Verein und fährt jedes Jahr nach Frankfurt
zum Deutschen Down-Sportlerfestival. Kinder und Jugendliche
mit Down-Syndrom messen sich hier im Wettkampf in vielen
Sportarten. Außerdem geht Sabrina jeden Dienstag zum HipHop-Tanzen. Fitness, Disziplin und Ehrgeiz – gewiss nicht die
schlechtesten Voraussetzungen für eine große Zukunft in der
Gastronomie.
Berufsbildungsbereich
mehrwerk
VIELE ARBEITSFELDER
Der Berufsbildungsbereich dauert bis zu zwei Jahre. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durchlaufen dabei möglichst viele Arbeitsbereiche der Werkstatt. Zusätzlich gibt es Praktika,
Kurse und Schulungen. So lernen sie ihre beruflichen Stärken
und Interessen kennen. Insgesamt befinden sich zurzeit 68 jun-
ge Menschen im Berufsbildungsbereich, davon rund die Hälfte
im Verpackungsbereich. Neun sind im Team Garten- und Landschaftsbau eingesetzt, acht haben einen Außenarbeitsplatz bei
Pro-Idee, Zentis, in unseren Betriebsrestaurants, in der Kita
Waldmeister und auf dem Lohner Hof.
Wo geht´s zum Bahnhof?
ORIENTIERUNG IN DER FREMDEN STADT
Während der Zeit im Berufsbildungsbereich (BBB) durchläuft
jeder Teilnehmer auch den Unterrichtsblock „Mobilität“. Dazu
gehört in diesem Jahr erstmals ein Ausflug nach Köln. Zwischen
Mai und August waren bereits fünf Gruppen dort. Kursleiterin
Cornelia Cordes aus unserem BBB-Team berichtet von einer
Fahrt mit Hindernissen.
Buslinie, die uns zum Bahnhof bringt, wann fährt der Zug nach
Köln und zu welchem Gleis müssen wir? In Köln dann mit dem
Bus oder der Straßenbahn weiter? Mit welchen Anbindungen
haben wir die kürzeste Wartezeit? Und ist die ganze Strecke
auch barrierefrei zu bewältigen? „Die fünfköpfige Gruppe hatte also im Vorfeld viele Fragen und Aufgaben zu lösen, bevor
sie die große Reise antreten konnte“, so Cordes. Als sich alle
bestens gerüstet fühlten und es dann endlich losging, wäre der
Ausflug beinahe schnell wieder zu Ende gewesen: Am Bahnhof Rothe Erde war der Aufzug defekt. „Doch uns konnte das
nicht aufhalten. Mit vereinten Kräften und Teamgeist haben wir
unseren Rollstuhlfahrer sicher zum Gleis gebracht.“ In Köln
verbrachte die Gruppe dann einen wunderschönen Tag. Dazu
gehörten natürlich eine Fahrt mit der Seilbahn über den Rhein
und ein Besuch im Schokoladenmuseum. „Die Fahrten haben allen
Teilnehmern sehr gefallen“, weiß Cordes, „und ihren ErfahrungsHorizont ein schönes Stück erweitert.“
„In jedem Block vermitteln wir zunächst theoretische Grundkenntnisse“, sagt die 36-jährige Sport- und Fitnesskauffrau. Sie
studiert derzeit Soziale Arbeit und ist seit einem Jahr für die
Werkstatt tätig. Als Fußgänger gehe es zum Beispiel um diese
Fragen: Wo darf ich mich aufhalten, wo ist ein Radweg, der nicht
zum Bürgersteig gehört, wie überquere ich sicher eine Straße
mit oder auch ohne Ampel und welche Verkehrsschilder sind
für mich relevant? Dann geht es um die praktische Anwendung.
Höhepunkt ist immer ein gemeinsamer Ausflug. Die Fahrt nach
Köln erforderte natürlich eine besonders gute Vorbereitung: Wie
kommen wir von der Werkstatt in Aachen zu unserem Ziel in
Köln? Wo ist die nächste Bushaltestelle, welches die richtige
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mehrwerk
Kundenportrait
„EIN ZUVERLÄSSIGER
PARTNER“
Für Ethen Rohre produziert unsere Holzwerkstatt seit über
drei Jahren Transportkisten. Wir haben Geschäftsführer
Tobias Kirch am Firmensitz am Grünen Weg in Aachen besucht.
Herr Kirch, was produziert Ihr Unternehmen?
Kirch: Wir stellen seit fast achtzig Jahren sogenannte Kapillarrohre her, das sind Rohre mit einem Außendurchmesser von 0,7
bis 18 Millimeter. Sie werden zum Beispiel für die Mess- und
Regeltechnik, in der Medizintechnik und im Maschinenbau gebraucht. Die Rohre sind aus unterschiedlichem Material und haben unterschiedliche Längen, aber in der Herstellung kommt es
immer auf höchste Genauigkeit an.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der
Lebenshilfe-Werkstatt?
Wir liefern unsere Rohre an Kunden in aller Welt. Damit die
Rohre sich beim Transport nicht verbiegen, brauchen wir eine
extrem robuste Verpackung. Bis vor einigen Jahren haben wir
die Transportkisten selbst gefertigt, aber das hat letztlich zu viel
Zeit gekostet. Deswegen haben wir einen Lieferanten gesucht.
Aus welchem Grund haben Sie sich dann für uns entschieden?
Es passte einfach alles: Ihre Schreinerei war damals sehr flexibel
und hat sich hervorragend auf unsere Anforderungen eingestellt.
Bis heute sind wir sehr zufrieden: Die Qualität der Kisten ist
gleichbleibend hoch. Und der Preis stimmt auch.
Tobias Kirch ist 30 Jahre alt, verheiratet und Vater eines
zweijährigen Sohnes. Seit 2008 ist er Geschäftsführer und
Gesellschafter der Ethen Rohre GmbH.
Welchen Umfang hat der Auftrag?
Pro Jahr bestellen wir zwischen 600 und 800 Transportkisten
mit 6,20 Meter Länge. Sie werden in der Werkstatt gelagert und
auf Abruf in Teilmengen geliefert. Kleine Kistenmaße, die wir
in geringen Mengen brauchen, produzieren wir noch selbst. Vor
kurzem haben wir die Werkstatt aber mit der Produktion eines
weiteren Kistenmaßes beauftragt.
Es gab noch einen ganz anderen Auftrag.
Ja, die Regale in unserem Lager hat Ihre Metallwerkstatt mit Belägen aus Hartkunststoff ausgestattet. Das schützt unsere Rohre
besser gegen Verwitterung. Auch diese Aktion hat den Sinn der
Werkstatt für praktische Lösungen und die Kundennähe gezeigt.
Das ist eine wunderbar zuverlässige Partnerschaft.
Die Werkstatt ist ein Geschäftspartner wie jeder andere?
Wenn wir etwas brauchen, fragen wir auch die Werkstatt an.
Das ist normaler Wettbewerb. Es gibt keinen Bonus. In Ihrem
Haus weiß man, dass wir nicht auf die Lebenshilfe gewartet haben. Aber wie gesagt, was bisher gelaufen ist, ist super.
Herr Kirch, vielen Dank für das Gespräch.
Für den Transport von Ethen Rohren liefern
wir robuste Transportkisten aus Holz.
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Mobil.Pro.Fit
mehrwerk
DEMNÄCHST ÖFTER MIT DEM RAD?
Im Frühjahr gestartet, hat unsere Beteiligung am Projekt „Mobil.Pro.Fit.“ bereits ein erstes Ergebnis:
Ein Dienstwagen wurde abgeschafft.
Die Auswertung des Fahrtenbuchs hatte gezeigt, dass der Betrieb des Pkw mangels Auslastung nicht lohnt. Genau darum
geht es bei dem Projekt: den in unserem Unternehmen anfallenden Verkehr umweltfreundlicher und wirtschaftlicher zu gestalten. „Mobil.Pro.Fit.“ wird gefördert durch den Bundesdeutschen
Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management e. V. und die
Städteregion Aachen als eine von zehn Modellkommunen. Nach
dem Start des Projekts konnten einige Mitarbeiter zunächst
sechs Pedelecs für Fahrten zwischen Neuenhofstraße und Haaren und für die Strecke zwischen Wohn- und Arbeitsort testen.
Die Erfahrungen waren positiv, sodass die Anschaffung von vier
Dienst-Pedelecs Anfang 2016 bereits beschlossen ist. Eine Mitarbeiterbefragung wurde ebenfalls durchgeführt. Danach wohnt
jeder vierte Mitarbeiter nicht weiter als zehn Kilometer vom
Arbeitsort entfernt, sieben von zehn kommen alleine im Pkw.
38 Prozent würden bei besseren Bedingungen auf Bus oder Rad
umsteigen. Welche Maßnahmen die Werkstatt ergreifen kann,
um das Umsteigen zu fördern, wird nun diskutiert. Die Ideen
reichen vom Jobticket in Zusammenarbeit mit Nachbarbetrieben über die Förderung von Fahrgemeinschaften durch feste
Stellplätze bis hin zur Schaffung eines Beratungsangebots zur
Nutzung mobiler Hilfssysteme für Menschen mit Behinderung.
Klar ist: Es kann einiges getan werden, um unsere Öko-Bilanz
zu verbessern. Das gilt auch für die anderen sieben am Projekt
beteiligten Unternehmen, die sich im August in unseren Räumen
in Haaren zu einer Zwischenauswertung trafen. Anfang 2016
sollen die endgültigen Ergebnisse vorliegen.
Für so manchen Weg ist das Auto
nicht immer das beste Fortbewegungsmittel.
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mehrwerk
Kurz notiert
VORBILDLICH BEI BRANDSTIFTUNG REAGIERT:
SCHLIMMERES VERHINDERT
Anfang August haben Unbekannte in der Nacht an unserem
Gebäude am Hergelsmühlenweg gelagerte Kartons angezündet. Durch das Feuer entstand Sachschaden am Mauerwerk.
Aufgrund der starken Hitzeentwicklung stand ein Übergreifen
des Brandes in das Innere der Werkstatthalle unmittelbar bevor.
Die Feuerwehr konnte ein Ausbreiten der Flammen jedoch verhindern. Die Kriminalpolizei ermittelt. Dank unserer Brandmeldeanlage wurde Schlimmeres verhindert. Auch das besonnene
Verhalten von Fachpersonal und Beschäftigten am Folgetag war
vorbildlich, betont Geschäftsführer Norbert Zimmermann.
MIT ROTARY AM RURSEE
Gemeinsam mit Mitgliedern des Rotary Club
Aachen-Land haben wir Ende September
einen Ausflug zum Rursee gemacht. Mit dabei
waren 37 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
der Werkstatt, die direkt in den Betrieben von
Partnerunternehmen eingesetzt sind. Schon
während der Busfahrt nach Rurberg kam
es zu ersten Begegnungen und Gesprächen
zwischen den Rotarieren und den Menschen
mit Behinderung, die sehr offen und auch
mit einem gewissen Stolz über ihr Leben und
insbesondere über ihre Arbeit berichteten.
Nach der Besichtigung der Staumauer und
den Erläuterungen zum Unter- und Obersee
ging es von Rurberg aus mit dem Ausflugsschiff zum abschließenden Mittagessen nach Schwammenauel. Für unsere Beschäftigten
und die Freunde des Clubs war der Tag ein besonderes Erlebnis.
MIT DER AUTOBRANCHE GUT VERNETZT
Seit fast zwei Jahren sind wir Mitglied, seit Januar durch Norbert Zimmermann auch im Vorstand vertreten. Die Rede ist vom
car e. V. Das „competence center automotive region aachen /
euregio maas-rhein“ ist ein Netzwerk von Akteuren im Bereich
der Automobilbranche. Als Dienstleister unter anderem für die
Kohl-Gruppe bietet uns der Verein interessante Möglichkeiten,
weitere Kontakte mit Unternehmen und Forschungseinrichtungen in diesem Bereich zu knüpfen. Der Dialog mit der regionalen
und überregionalen Wirtschaft und den Hochschulinstituten der
RWTH und der FH Aachen, mit Studenten, mit Nachwuchs- und
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Fachkräften, aber auch mit der internationalen Fachwelt spielt
also eine große Rolle. Für Michael Preising, Geschäftsführung
des car e. V., ist die Mitgliedschaft der Werkstatt eine willkommene Erweiterung des Mitgliederkreises. Für ihn liegt der Reiz in
dem breiten Spektrum der car-Mitglieder. Es erstreckt sich vom
Hightech-Forscher über RWTH-Institute und Ingenieurbüros bis
zu Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation. Treffen sich die
Mitglieder untereinander, ist ein reger Interessensaustausch gewährleistet. Und ein Ziel des Vereins erreicht: aus der Region für
die Region aktiv sein.
Tipps und Termine
mehrwerk
TIPPS UND
Termine
LEBENSHILFE-TERMINE
Nov
30
Dez
5/6
CAFÉ LIFE
Einstimmung in den Advent
Nov
Kursangebot des Lebenshilfe FeD in der Adenauerallee
38 mit Annerose Frey, Gemeindereferentin, und Gabi
Laumen, Diözesanbeauftragte, 17 bis 18.30 Uhr
www.fed-aachen.de
15
Großer Flohmarkt
Nov
20
der Lebenshilfe in der Aula Carolina, Samstag von 9
bis 19 Uhr, Sonntag von 11 bis 18 Uhr
www.lebenshilfe-aachen.de
Nov
15
Sonntag, 15. November, 18 Uhr bis 20 Uhr
Versteigerung der Rotary-Clubs aus der Region
Aachen zugunsten der Flüchtlingshilfe
(Auktionator: Dr. Jürgen Linden) im FIR,
Cluster Smart Logistik,
Campus-Boulevard 55
Lese-Frühstück
„Camino Campino“. Mit dem Fahrrad
auf dem Jakobsweg. Live-Hörspiel mit
Heinz-Georg Schenke und dem Bühnenhörspieler, 10 Uhr
Themenabend
„Primeur Abend“ (AUSVERKAUFT)
Für die Themenabende ist eine Reservierung
erforderlich. www.cafelife-ac.com
UNTERNEHMER BEST PRACTICE
ARBEITGEBER SEIN FÜR MENSCHEN MIT BEHINDERUNG
Auf dem Portal REHADAT-Gute Praxis finden Arbeitgeber gelungene Beispiele aus Unternehmen, wie sie
Menschen mit Behinderung erfolgreich beschäftigen und wie sie dadurch beispielsweise Potentiale an
Arbeits- und Fachkräften erhalten können. Über
900 Praxisbeispiele machen auch deutlich, welche
Institution dabei beraten und finanziell gefördert hat.
www.rehadat-gutepraxis.de
Impressum
Herausgeber: Lebenshilfe Aachen Werkstätten & Service GmbH, Neuenhofstr. 170, 52078 Aachen
Tel. 02 41 / 92 81 10, [email protected], www.werkstatt-ac.de
V.i.S.d.P.: Norbert Zimmermann, Geschäftsführer
Konzeption, Text, Redaktion: gossen-kommunikation.de
Gestaltung: POWER+RADACH werbeagentur, power-radach.de
Fotos: Werkstätten & Service GmbH, Christian Charlier, Siegbert Gossen, Andreas Steindl
Druck: mtb, Maastricht, Auflage: 2.000
19
mehrwerk
Sommerfeste
Sommer
Bilderalbum
feste
20
21
mehrwerk
Special Olympics 2016 – Bilderalbum
Special
Olympics 2016
Auf dem Weg zu den Special Olympics 2016:
Bei den Landesmeisterschaften NRW im Juni in
Paderborn waren wir mit 10 Sportlern und einem
dreiköpfigen Betreuerteam dabei.
22
23
Großer
Tannenbaum–
verkauf
IN DER
NEUENHOFSTRASSE 170
Dez
12
Dez
19
t
Weihnach18ts:30mUharrk
von 10:00 Uhr r üblichen
und während de
r Werkstatt
de
Öffnungszeiten
Besuchen Sie unseren Lebenshilfe-Weihnachtsmarkt und unterstützen Sie uns durch den Kauf
von Tannenbäumen, handgemachtem Schmuck
und unseren K-Lumets.
Wir freuen uns auf Ihren Besuch!
Ansprechpartnerin: Petra Bremen, Tel: 0241/92811-84, [email protected]