Nr. 3 / 2015 Magazin für Eltern, Angehörige und Betroffene von Suchtkranken Arbeit iNHalt 4–5 10-13 18-19 trefpunkt azzurro behinderung und arbeit Das Azzurro, lebendiger Trefpunkt in Bern engagiert sich im Bereich Nachsorge und Integration. Wo standen wir gestern – und heute? Eine Standortbestimmung. Mein Kind sicher nicht – wenn alle stricke reissen. Probleme, Lehrabbruch: Der Verein URUPU hilt. Wir sprachen mit Ruedi Winkler, Projektbetreuer. 6-7 20-21 auf ein Wort die türen sind ofen Otilia Hänni und Viktor Gorgé engagieren sich für Angehörige im Raum Bern und berichten aus dem bewegten Leben ihrer Tochter. Ende RAV, Sozialhilfe? Paletino ist die Anlaufstelle. 8 13 Kampf gegen die Jugend Fachausdrücke Warum harzt es in der Schweiz noch mit der Cannabis-Regulierung? Kommentar zu einem Referat von Prof. Sandro Catacin. Wir recherchieren für Sie. 14-15 Was mach’sch nach äm Gymi? Diese und andere Fragen hört Aurelia Weber immer wieder und spricht über Zukunt, Bildung und Drogen. 22-23 Plötzlich macht das lernen spass In der staatlichen Schule kam keiner mit ihnen klar. Im tipiti schafen Jugendliche den Schulabschluss. 24–25 blick über die Grenzen Suchtherapie und Prävention in Baden-Würtemberg. 9 Gedopt, bekit, verkatert Andreas Spohn beantwortet aktuelle Fragen. 26 Neu in unserer bibliothek: 16-17 schau nach vorn und nicht zurück Der Quellenhof Winterthur bietet seit 1990 Ausbildungs- und Therapieplätze an. - Haben wollen! Sucht – Hintergründe und Heilung Das kleine Übungshet Nüchtern Wichtige termine Die nächsten Termine von ada-zh und VEVDAJ. 2 Editorial Was bist du? Unsere Person, unsere Persönlichkeit wird über die Arbeit deiniert. Zuerst wird nach dem Namen gefragt, dann nach dem Beruf. Auch in unseren Polizeirapporten wird ersichtlich, mit wem man es zu tun hat: «Ein 29-jähriger Gärtner erschoss…», «Ein 25-jähriger Koch erschlug…» Alles klar. Die Arbeit ist Mitelpunkt unseres Lebens. Sie deiniert das eigene Ich, das Selbstwertgefühl. «Seid Ihr jemand oder nehmt Ihr Geld?», soll die legendäre Louise-Elisabeth de Meuron jeweils gefragt haben. Jemand, der etwas ist, arbeitet nicht für Geld. Dabei soll sie erfolgreiche Schweinezüchterin gewesen sein. Und Schweinezucht generiert bekanntlich Geld. Aber bevor man das Kotelet bezahlen und geniessen kann, braucht es Arbeit. soll. Ein Umdenken ist wichtig. Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit. Ich zitiere aus der Europäischen Menschenrechtskonvention: Tatsache ist: für drei von zehn berufstätigen Deutschen gibt es gemäss einer Umfrage des Deutschen Handelsblates nichts Wichtigeres als den Beruf. Familie und Freizeit kommen erst an zweiter Stelle, er lässt ihnen sogar keine Zeit mehr für Familie oder Partner. «Jeder Mensch hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf angemessene und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz gegen Arbeitslosigkeit». Die einen klagen also über zuviel, andere haben keine Arbeit. Behinderte, Invalide, Menschen mit sozialer Benachteiligung. Wer bietet diesen Menschen einen Arbeitsplatz an? Eine Lehrstelle? Damit auch diese Menschen ihren Platz in der Gesellschat inden und «jemand sein» können? Über die Bücher gehen. Diesen Menschen Arbeit anzubieten und ihnen eine sinnvolle Tätigkeit zu ermöglichen, ist eine der vornehmsten und wichtigsten Aufgaben eines Gemeinwesens, wenn es nicht zerbrechen die ada-zh im Video-Clip Auf unserer Website www.ada-zh.ch stellen wir uns, unsere Arbeit und unsere Räumlichkeiten nun auch in einem einfühlsamen Video-Clip vor. Wir freuen uns sehr, dass die Neugestaltung unserer Räume in der Seefeldstrasse so gut gelungen ist. In einer entspannten, heimeligen Atmosphäre heissen wir die Angehörigen von Suchterkrankten willkommen. Die ada-Fachleute beraten sie jederzeit kompetent und individuell. Der Video-Clip soll ihnen einen ersten Eindruck vermiteln. Neue serie: Wissenswertes, begrife und Fachausdrücke. Was ist was? Es kommen beinahe täglich neue Suchtstofe auf den Markt. Damit Sie Ihr Wissen à jour halten können, beginnen wir heute mit einer Serie über die wichtigsten Begrife. Dazu mehr auf Seite 13. Suchen Sie einen Begrif? Schreiben Sie an [email protected]. Wir recherchieren gerne für Sie. Papier, so sagt man, sei geduldig und man könne alles auf ihm schreiben. Doch mit der Umsetzung von hehren Zielen hapert es in unserer Gesellschat tagtäglich. Wir betreiben eine «Plästerlipolitik», die darauf abzielt, diese Menschen möglichst von unseren Strassen fernzuhalten, um damit das Erscheinungsbild unserer Städte zu «verschönern». Dass dies allein nicht reicht, sollte eigentlich allen klar sein. 8000 Lehrstellen unbesetzt. Unsere Wirtschat klagt zwischenzeitlich, dass zurzeit 8‘000 Lehrstellen nicht besetzt werden können. Wie wäre es, wenn einigen Jugendlichen, welche die jeweiligen Anforderungen nicht voll erfüllen, trotzdem eine Chance gegeben würde, das Experiment also wagen? Der Erfolg ist nicht garantiert, aber die Aussichten dafür. Lesen Sie dazu die beiden Beispiele in dieser Ausgabe. Erwin Sommer Redaktor 2016: 40 Jahre ada-zh ada-zh begeht am 21./ 22. oktober 2016 das 40-jährige bestehen: mit informativen Veranstaltungen, mit specials für Mitglieder. reservieren sie sich den 21. und 22.10.2016! 3 VEVdaJ trEFFPuNKt azzurro Perspektiven hat mit stefan leimgruber, sozialarbeiter FH und betriebsleiter des «trefpunkt azzurro», im länggass-Quartier in bern, gesprochen. PerSpektiven: Das Azzurro ist ein alkoholfreier Trefpunkt und engagiert sich im Bereich Nachsorge und Integration für Menschen mit Alkohol- und/oder anderen Suchtproblemen oder psychischen Problemen. Wie sieht diese Arbeit aus, wie begleiten Sie die Betrofenen auf ihrem Weg in ein geregeltes Leben?: Stefan Leimgruber: Der Trefpunkt Azzurro ist ein lebhater Begegnungsort, welcher allen Interessierten ofen steht. Insbesondere Betrofenen mit Sucht- oder psychischen Problemen bieten wir eine respektvolle und wertschätzende Umgebung. Die Begleitung der Betrofenen umfasst viele Schichten. Jede/r Mitarbeitende hat eine Bezugsperson, welche intern für die Begleitung zuständig ist (Gespräche, Koordination, Atemlutkontrollen). In den meisten Fällen sind noch weitere Stellen involviert wie beispielsweise der Sozialdienst, die Suchtberatung, ein Arzt, Wohnbegleitung und so weiter. Gemeinsam wird der/die Betrofene unterstützt und begleitet. In regelmässigen Bezugspersonengesprächen wie auch in vierteljährlichen Standortbestimmungen werden mit den Mitarbeitenden Ziele abgesprochen, weitere Schrite geplant und geschaut, wo es Unterstützung benötigt. Diese Massnahmen werden individuell angepasst. Wir arbeiten ressourcenorientiert und versuchen den systemischen Ansatz zu verfolgen. Möglich ist die Zusammenarbeit nur, wenn die Menschen, die zu uns kommen, auch eine gewisse Eigenmotivation zur Veränderung (Suchtmitelkonsum, Sozialkompetenzen) mitbringen. Ist diese vorhanden, kann gemeinsam mit der/ dem Betrofenen wieder eine Perspektive aufgebaut und der Grundstein für den ersten Schrit in ein neues Leben gelegt werden. P: Arbeiten Sie mit der «Eltern- und Angehörigenvereinigung Drogenabhängiger Bern» zusammen? 4 Stefan Leimgruber und Stéphanie Meier SL: Nein, leider besteht bis jetzt noch keine Zusammenarbeit. Eine Vertretung des VEVDAJ hat jedoch schon an unserem Info-Lunch teilgenommen, welchen wir jährlich zweimal organisieren. Dieser Austausch könnte intensiviert werden und wir würden es sehr begrüssen, diese Basis zu einer weiteren Zusammenarbeit zu schafen. P: Sie bieten im Azzurro suchtspeziische Assessmentplätze an. Wie funktioniert ein solches Assessment und wie lange dauert es? SL: Die suchtspeziischen Assessmentplätze werden in Zusammenarbeit mit der blauzone (Nachsorge und Integration im Arbeitsprozess) angeboten. Das Assessment dient der Abklärung und Einschätzung der Suchtstabilität, der Leistungsfähigkeit in der Arbeitswelt sowie als Überprüfungswerkzeug der vorhandenen Selbst- und Sozialkompetenzen. Ein suchtspeziisches Assessement ist dann angezeigt, wenn Distanz zur Arbeitswelt und dem damit einhergehenden Einhalten von Werten und Normen der Arbeitswelt, sowie mangelnder Leistungsfähigkeit und -bereitschat der/des Bewerbenden bestehen. Das suchtspeziische Assessment richtet sich hauptsächlich an Menschen, welche sozial wenig integriert und schon lange Zeit ohne Arbeit oder Beschätigung sind. Im Rahmen des suchtspeziischen Assessment werden verschiedene Fragestellungen bearbeitet und beantwortet, wie zum Beispiel, ob der/die Teilnehmende aufgrund von Alkoholkonsum Absenzen vorweist oder wie sich der/die Teilnehmende in der Teamarbeit zurechtindet etc. Die Fragestellungen werden individuell angepasst, mit der zuweisenden Stelle formuliert und bringen einen verbindlichen Klärungsautrag mit sich. Das suchtspeziische Assessment dauert in der Regel zwölf Wochen. Der Beschätigungsgrad liegt bei 50 Prozent. Die Arbeitszeiten und Tage werden mit den Betrofenen festgelegt. VEVdaJ auF EiN Wort Perspektiven hat mit ottilia Hänni und ihrem lebenspartner Viktor Gorgé gesprochen. beide engagierten sich in der Eltern- und angehörigenvereinigung drogenabhängiger in bern. PerSpektiven: Vor 35 Jahren wurden Sie als Paar mit dem Suchtproblem von Viktor Gorgés damals 16-jähriger Tochter konfrontiert. Welche Drogen hat sie konsumiert, wie hat sie sich diese beschat und wie haben Sie es erfahren? Otilia Hänni + Viktor Gorgé: Sie fand plötzlich einen neuen Freundeskreis, wo nicht mehr mit Tieren gespielt, sondern Joints geraucht wurden. Mich als Vater hat das zuerst nicht sonderlich beunruhigt, hate ich doch selbst früher schon mal Erfahrungen damit gemacht. Dass dann dort aber auch Heroin gespritzt wurde, hat sie uns etwas später mal recht beiläuig berichtet, als ob das etwas ganz Normales wäre, in einem etwas weniger spiessigen Milieu als dem unseren. Da ielen wir aus allen Wolken: Heroin, intravenös injiziert, das war für uns eine andere Welt, eben das nur aus Romanen und Filmen bekannte Drogenmilieu. P: Otmals glauben Eltern, es handelt sich nur um eine Phase, in der zwar mit allen möglichen Substanzen herumexperimentiert wird, die aber auch schnell vorüber geht. Dies ist leider ein Trugschluss. Wie haben Sie damals reagiert und was haben Sie unternommen? OH+VG: Ja, das ist so: Die Droge Cannabis spielte dann für sie bald keine Rolle mehr (bis heute nicht!). Das Heroin führte ziemlich schnell zu Beschaf ungsproblemen, die aus einem eher schüchternen Mädchen eine robuste Drogendealerin machten, für die auch Diebstahl und Prostitution zum Alltag gehörten. Das Heroin war gewissermassen das Medikament, das ihre natürliche Schüchternheit und Verletzlichkeit dämpte und das beginnende Magersuchtproblem lösen half. Wir waren total hillos: Wir suchten das Mädchen in der Drogenszene, wollten sie dort rausholen, brachten sie zur Fachstelle für 6 Otilia Hänni Drogenberatung, suchten Hilfe beim Jugendpsychiater, versuchten es mit Ferien und Ortsveränderung und vielem anderen mehr. Aber alle unsere gut gemeinten Versuche halfen nichts. Jede Hilfe von uns – ausser Geld – wurde ausgeschlagen. In unserer Ohnmacht wendeten wir uns schliesslich an die Elternvereinigung DAJ. Wir lernten hier nach und nach mit dem Problem eines drogenabhängigen Kindes zu leben und das Problem auch in seinem grösseren gesellschat lichen Kontext zu sehen: als Problem der Drogenprohibition. P: Trotz der ständigen Sorge um die Tochter haben Sie sie einst schweren Herzens vor die Tür gestellt, um nicht Fotos: Erwin Sommer selbst kaput zu gehen. Wo und wie hat sie dann gelebt? Haten Sie Kontakt zu ihr? OH+VG: Wenn sich alles nur noch um die Drogen und deren Beschaf ung dreht, wird das Zusammenleben mit einem Drogensüchtigen einfach unerträglich. Wir haten dann eine gewisse Zeit kaum mehr direkten Kontakt zu ihr, wussten nicht, wo sie sich auhielt; das war schlimm, aber immer noch besser, als diese ständigen Lügengeschichten und Querelen wegen des Geldes, bei denen sie uns gegeneinander austrickste. Im Übrigen wussten wir von anderen Eltern, dass es auch beim Leben auf der Gasse immer wieder Leute gibt, bei denen man Unterschlupf indet. dEr PsYCHoloGE Gibt ausKuNFt GEdoPt, bEKiFFt, VErKatErt – uNd das aM arbEitsPlatz? andreas spohn, M.a. phil., Psychologe HPG–berater bei ada-zh. Frage: Mein Partner nimmt am Arbeitsplatz Drogen. Ich weiss das, weil mir seine Kollegin erzählt hat, dass sie eindeutige Spuren gesehen hat. Ich selbst habe mitbekommen, dass er öters mit einem Hangover zur Arbeit geht. Sein Vorgesetzter hat viele Geschätsreisen und sieht nicht alles. Was passiert aber, wenn er erwischt wird und wie kann ich dem vorbeugen? Zunächst ein paar Worte zum Graubereich «Drogen im Arbeitsleben». Da es zur Deinition der Abhängigkeit gehört, dass einem akuten Konsumwunsch zumeist nachgegeben wird und sich dieser Wunsch natürlich nicht an Uhrzeiten und Wochentage hält, sind alle gängigen Konsummitel (inkl. harter Drogen) und Konsumformen auch am Arbeitsplatz anzutrefen. Die Motive für den Exzess auch während der Zeit vertraglich festgelegter Plichten sind unterschiedlich: dem Suchtdruck nachgeben (bei Abhängigkeit), sich aus Leistungstiefs herausholen oder sich zu besonderen Leistungen aufputschen. All dies geschieht allerdings weitgehend unbemerkt: So selten wie ein volltrunken ins Büro torkelnder Kollege vorkommt, so alltäglich sind hingegen die nach aussen kaum aufallenden «Räuschchen» bzw. ihre Nachwirkungen. Weil am Arbeitsplatz der Konsum von Drogen bzw. ihr «Ausschwitzen» noch heimlicher als ohnehin schon geschieht, ist es schwierig, genaue Zahlen zur Grössendimension zu nennen. Allein in der Schweiz dürte jedoch der inanzielle Schaden, der jährlich durch die Arbeitsunfähigkeit Suchtkranker entsteht, einer dreistelligen Millionensumme entsprechen. So weit, so erwartungsgemäss. Überraschend mag sein, dass der Arbeitgeber weiterhin fürsorgerische Plichten hat. So muss er etwa bei aufälligen, leistungsbeeinträchtigenden Gedächtnisproblemen eines Mitarbeiters in jedem Falle dezent reagieren, unabhängig davon, was die Ursache dafür ist. Ein ofensichtlicher Drogenhintergrund wird hier nicht anders behandelt als eine Depression oder eine Entzündung als ursächlichen Moment. Der Arbeitgeber muss den beeinträchtigten Arbeitnehmer gegebenenfalls an einen sicheren Ort bringen, muss später wie bei jeder anderen krankheitsbedingten Abwesenheit den Lohn weiter zahlen, darf aber andererseits ohne besonderen Grund keine Drogentests durchführen. Nur bei signiikanten nachweisbaren Auswirkungen auf die Arbeitsleistung kann – nach erfolglos verlaufenen vermitelnden Gesprächen und wenn nicht wiederum das Ausmass der Krankheit für rechtlichen Schutz sorgt – eine Kündigung ausgesprochen werden. Gerade die vermitelnden Gespräche sind heikel, geht es doch für den Arbeitgeber häuig darum, die Bedingungen für eine Andreas Spohn Foto: zvg Weiterbeschätigung zu klären. Und damit eben auch die Bedingungen dafür, wann, d.h. nach welchen weiteren Verstössen, die Kündigung erfolgt. Ein solches Krisengespräch beinhaltet, dass man etwas anspricht, was der Verdächtigte sich selbst womöglich nicht rundum eingesteht. Auch wird man autoritärer als im gewohnten Kontakt autreten müssen. Mit einer sofortigen Kündigung nach der «Entdeckung» ist also nicht zu rechnen, aber es empiehlt sich für Angehörige, das Gespräch zu suchen, stat so zu tun, als herrsche stillschweigendes Einvernehmen. Hierbei sollte man sich um Sachlichkeit bemühen und zurückhaltend die Gelegenheit nutzen, etwas über die Dimensionen und Motive zu erfahren. Bei allem Respekt für die Freiheit des Individuums läut es für den Arbeitgeber eventuell darauf hinaus, eine Entscheidung zur Veränderung nahezulegen. Werden Veränderungsschrite verabredet, ist es auch für das Umfeld des Konsumierenden sinnvoll, verschiedene unterstützende Massnahmen in Anspruch zu nehmen – wozu immer auch ein Gespräch in der spezialisierten Beratungsstelle ada-zh gehören sollte. Weitere Informationen für Arbeitgeber und Umfeld: - Zur rechtlichen Grundlage: www.suva.ch –> Prävention –> Arbeit –> Gefahren –> Schützen Sie sich vor: Psychischen Belastungen –> Suchtmitel am Arbeitsplatz - Youtube-Clips zur Prävention und Frühintervention: www.youtube.com; Suche nach: Suchtprävention und Frühintervention in der Arbeitswelt - Individuelle Beratung inden Sie bei der spezialisierten Beratungsstelle, der ada-zh.ch 9 ARBEIT BEHINDERUNG UND ARBEIT Wo standen wir gestern – und heute? Behinderte Menschen werden heute immer noch als ein marginales Bevölkerungssegment wahrgenommen, obwohl davon ausgegangen werden kann, dass etwa 10% der Schweizer Bevölkerung im weiteren Sinne körperlich, geistig oder psychisch behindert ist. Deshalb kann die Forderung nach gesellschatlicher und berulicher Integration von Behinderten kaum als ein Problem abgetan werden, das nur eine Randgruppe betrit. In einer Arbeitswelt, die sich im stetigen Wandel befindet, stellt die Eingliederung in die Berufswelt sowie die Behauptung auf dem Arbeitsmarkt bereits an Nichtbehinderte hohe Anforderungen. Wieviel schwieriger gestaltet sich dies für jemanden, der als eingeschränkt leistungsfähig gilt. Ein Teil der Behinderten kann nur in geschützten Werkstäten oder Beschätigungsstäten einer angemessenen Tätigkeit nachgehen. Doch die Bestrebungen von institutioneller wie auch von Seiten der Behinderten gehen dahin, dass bei Eignung und entsprechenden Fähigkeiten leistungsverminderte oder behinderte Menschen in den ofenen Arbeitsmarkt eingegliedert werden sollen. Was ist Invalidität? Invalidität wird gemäss IV folgendermassen deiniert: «Als Invalidität im Sinne des Gesetzes gilt die durch einen körperlichen oder geistigen Gesundheitsschaden als Folge von Geburtsgebrechen, Krankheit oder Unfall verursachte, voraussichtlich bleibende oder längere Zeit dauernde Erwerbsunfähigkeit» (SAEB 1996, S. 66). Ein Gesundheitsschaden, ob körperlicher, geistiger oder psychischer Art ist für die IV erst dann ausschlaggebend, wenn er die Erwerbsfähigkeit einschränkt. Bei nichterwerbsfähigen Personen liegt nur dann eine Invalidität vor, wenn ihre Arbeitsfähigkeit innerhalb ihres Tätigkeitsbereiches, z.B. Haushalt und Familienaufgaben, eingeschränkt ist. Invalidenrenten werden erst dann ausgerichtet, wenn der Verdienstausfall einer Person mindestens 40% beträgt, wobei je nach Invaliditätsgrad Viertelsrenten, halbe oder ganze Renten ausgezahlt werden. Ziel der IV ist es jedoch, die wirtschatliche Integration der betrofenen Personen zu fördern. Um ihr Leitmotiv «beruliche Eingliederung vor Rente» in die Tat umzusetzen, bietet die IV einerseits Dienste wie Berufsberatung und Arbeitsvermitlung an, andererseits trägt sie einen Teil der Kosten bei erstmaliger berulicher Ausbildung, Umschulung und berulicher Weiterbildung. Eine weitere Massnahme besteht in der Finanzierung von Hilfsmitel zur Berufsausübung. Sozialgeschichtlicher Rückblick. Die Einstellung gegenüber Behinderten und deren Situation in der Gesellschat ist stark von den jeweiligen Normen des Zeitgeistes geprägt und unterliegt dementsprechend auch einem sozialen Wandel. In den vergangenen Jahrhunderten reichte die Haltung gegenüber behinderten Menschen von Gleichgültigkeit bis zur Forderung nach Ausmerzung von «unzulänglichem» Leben bei den Eugenikern und deren Anhängern (Davis 1995, S. 25f). Im Folgenden soll in einer kurzen Übersicht auf die veränderte Situation von Behinderten eingegangen werden, wie sie sich durch die Verlagerung der Produktion seit der Industriellen Revolution manifestiert hat. Vom Mitelalter bis ins 18. Jahrhundert hinein wurden Behinderte als in der Gesellschat geduldete Personen betrachtet. Je nach familiärer Situation und den inanziellen Möglichkeiten der Familie überliess man sie entweder sich selbst, so dass sie mehr oder weniger vor sich hin vegetierten und vom Beteln bzw. von Almosen leben mussten, oder sie wurden innerhalb der Familie versorgt (Kaschade 1993, S. 12). Sofern die Arbeitskrat von Behinderten verwertbar war, wie zum Beispiel in der Landwirtschat oder bei Heimarbeit, waren sie nicht vom Produktionsprozess ausgeschlossen, sondern trugen nach ihren Möglichkeiten und Fähigkeiten zu ihrem eigenen und zum familiären Unterhalt bei. arbEit Leider sind viele Jungs noch etwas gehemmt, dann kommt Alkohol ins Spiel, es wird auch gekit – und weiteres. Sogar Dinge aus Hippie-Zeiten gibt es noch. P: Was «bringen» Drogen und Alkohol? A: Sie bauen vor allem Hemmungen ab, es geht einem gut, man lacht mehr, man kann «sich gehen lassen». Wichtig ist dabei, dass das Verhältnis zu den Eltern vertrauensvoll ist. Reden ist wichtig! Auch, nicht zu lügen. «Alle reden davon, dass man diesen Menschen helfen soll, aber keiner will sie bei sich haben». Hier senden die Schweizer unmenschliche, asoziale Informationen aus. Wichtig ist, dass das politische Interesse am Familientisch beginnt! Es ist eben einfacher, gegen etwas zu sein als dafür. Wir sprechen anschliessend noch über Lebensziele, Ängste und weitere Themen. Der Leistungsdruck, was will ich in 30 Jahren machen, Familie. Dieser Leistungsdruck äussert sich P: Wann kommen Alkohol und Drogen ins Spiel? A: Es ist Neugier, die Reize sind da. Auch sind die Reize grösser, weil das Angebot zum Teil illegal ist. Aber man kommt immer dazu. Die Verkaufsrestriktionen ab 18 Jahren machen überhaupt keinen Sinn. Besser wäre es, das Bier ab 16 Jahren freizugeben. «Sonst schickt man einfach ältere Kollegen zum Einkauf. Aber dann wird meistens kein Bier gekaut…» P: Die Gefahr, dass man «gefilzt» wird? A: diese Gefahr ist sehr klein, ausser bei Menschen mit Migrationshintergrund, die werden bei jeder Gelegenheit von der Polizei geilzt. Ein Kollege ist Kubaner, der wird ständig kontrolliert und geilzt. zum Beispiel in folgender Szene, bei einem Besuch, wo ot eine «DUMME» Standardfrage gestellt wird: «Was mach’sch nach äm Gymi?» Sie verspürt hier einen Druck. Dabei möchte sie zuerst einmal leben, viel Neues ausprobieren und nicht an ein Burnout in einigen Jahren denken. Sie hat ja noch Zeit. Gönnen wir ihr diese. aNzEiGE P: Die Rolle der Werbung? A: Die Werbung spielt für den Einstieg kaum eine Rolle. Die Jugendlichen wachsen ja mit den Süchten auf: Ihre Eltern rauchen und trinken, das gleiche kommt «automatisch». Verbote haben absolut keine Wirkung, das Umfeld ist wichtig. Auch das Markenbewusstsein entwickelt sich eher später. (Dabei erwähnt sie die Marke «Quöllfrisch»…) P: Junge und Politik? A: Viele Junge sind zu passiv, gehen nicht abstimmen, wo doch jede Stimme zählt. Ich inde es super, dass es einige politisch Interessierte aus meiner Generation für eine politische Meinungsbildung gibt. Es gibt viel anzupacken und es verändert sich vieles, auch zum vielleicht Guten: Oekologie, Immigration: >ES Wir bilden aus: Junge Menschen mit einer Beeinträchtigung (mit IV-Berechtigung) • Kaufmännische Ausbildung (Büroassistent/-in INSOS PrA; Büroassistent-/in EBA; Kaufmann/Kauffrau EFZ) • Logistiklehre (Logistiker/-in INSOS PrA; EBA) www.brunau.ch Brunau-Stiftung – Ausbildung – Arbeit – Integration Edenstrasse 20 | Postfach | 8027 Zürich T 044 285 10 50 | [email protected] 15 arbEit diE tÜrEN siNd oFFEN. NiEdErsCHWElliGE aNGEbotE iN zÜriCH. Wie sieht es mit den Menschen aus, die keinen Anschluss inden, deren Bezugsdauer beim RAV beendet ist, Sozialhilfe beziehen müssen? Bei der Stadt Zürich inden sie eine ganze Palete von Arbeitsintegrationsprogrammen. PerSpektiven hat sich bei Paletino, einem Angebot der Stadt Zürich umgeschaut und sich mit Frau Tamara Schmid, Teamleiterin, und Betina Hamilton-Irvine, Kommunikationsbeautragte, unterhalten. Visionärer Ursprung. Der Ursprung des Paletino geht auf einen Gemeinderatsbeschluss vom Juli 1990 zurück. Die 34-seitige Weisung bezieht sich auf das Konzept «Sozialhilfe an Suchtmittelabhängige, psychisch Behinderte und sozial Aufällige in Not». Der Titel mag heute etwas veraltet wirken, war aber zu jener Zeit, nach Schliessung von Platzspitz und Leten, geradezu visionär und einzigartig. Darin wurden folgende Projekte aufgrund des kantonalen Sozialhilfegesetzes skizziert: - Kontakt- und Anlaufstellen - Arbeitsintegrationsprojekte - Notschlafstellen - Begleitetes Wohnen für Benachteiligte Die vier Projekte wurzeln im Verständnis, dass Suchtmitelabhängige, psychisch Behinderte und sozial Aufällige zu unserer Gesellschat gehören und als Betrofene ernst genommen werden wollen. Das Sprungbret/Paletino bietet Erwachsenen aus der Stadt Zürich mit Suchtproblemen, psychischen oder sozialen Problemen Beschätigungsmöglichkeiten in Werkstäten, Küche, Hausdienst, Wäscherei und Landschatsplege. Den Grundstein für die Einrichtung legte das 1995 eröfnete «Aktivierungszentrum Paletino», in dem sich Drogensüchtige von Platzspitz und Leten kreativ betätigen konnten und so eine Tagesstruktur erhielten. Vier Jahre 20 tamara schmid (re) und betina Hamilton-irvine empingen Perspektiven zum Gespräch. später entstand das Programm «Paletino» – der Name stammt vom Ausdruck «alles paleti» – wo Suchtkranke alte Spielsachen restaurierten. 2005 wurden die beiden städtischen Programme und deren Namen zusammengelegt. Jobkarte – niederschwelliges Angebot. Alle Erwachsenen, die von der Stadt Zürich inanziell unterstützt werden, haben Anrecht auf die Jobkarte. Sie ermöglicht eine sinnvolle Arbeit und auch einen inanziellen Anreiz. Im Sprungbret/Paletino wird mit der Jobkarte gearbeitet. Sie bietet Menschen, die Sozialhilfe oder IV mit Zusatzleistung beziehen und zu weniger als 50 Prozent arbeitsfähig sind, die Möglichkeit, sich bis zu maximal 50 Stunden pro Monat in einem Bereich ihrer Wahl sinnvoll zu betätigen. Pro geleistete Stunde werden vier Franken ausbezahlt, bei Einsätzen ab vier Stunden ist ein warmes Mitagessen inbegrifen. Pro Monat ist so ein Zusatzverdienst von bis zu zweihundert Franken möglich, der als sogenannte «Integrationszulage» gilt Foto: Erwin Sommer und nicht an die Sozialhilfe angerechnet wird. Ein willkommener Zustupf also. Rund 700 bis 800 Personen arbeiten jedes Jahr in einem der Jobkartenbetriebe der Stadt Zürich. Der grösste Teil davon wird von den Sozialen Diensten zugewiesen. Bei einem kleineren Teil wurde vorgängig versuchsweise abgeklärt, ob sie in ein Arbeitsintegrationsprogramm passen, bevor klar wurde, dass sie damit überfordert wären. Die meisten der Teilnehmenden in den Jobkartenbetrieben haben ein Suchtproblem oder eine psychische Beeinträchtigung – viele auch beides. Bei ihnen ist das Ziel denn auch nicht mehr die beruliche Integration, sondern die soziale. Die Jobkarte vermitelt aber auch Vertrauen. Vertrauen in sich. Dass man es schafen wird und kann. Die Jobkarte ist denn auch kein «Abstellgleis». Sie soll zur Stabilisierung der Lebenssituation führen. Ein beträchtlicher Teil der Teilnehmenden kommt dank ihr einen Schrit weiter. Denn das System ist durchlässig und immerhin rund zehn Prozent der
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