Sonntag , den 14.02.2016 Neuendettelsau – St. Laurentius, Sonntag Invokavit Pfarrerin Karin Lefèvre Liebe Gemeinde, heute am Sonntag Invokavit, dem kleinen Bußtag, werden wir an den großen Bußtag im Leben frommer Juden, an den Jom Kippur, erinnert. Im Brief an die Hebräer wird er auf einzigartige Art und Weise mit Jesus in Verbindung gebracht. Hören wir aus diesem Brief Worte, die uns ermutigen wollen mit allem, was uns belastet, frei von Angst, vor Gott zu treten: Hebr.4:14f Wir wollen an der Wahrheit festhalten, zu der wir uns bekennen. Denn wir haben einen Obersten Priester, der in die unmittelbare Nähe Gottes gelangt ist, das ist Jesus, der Sohn Gottes. Er gehört nicht zu denen, die kein Verständnis für unsere Schwächen haben. Im Gegenteil, unser Oberster Priester wurde genau wie wir auf die Probe gestellt, und blieb doch ohne Sünde. Darum wollen wir mit Zuversicht vor den Thron treten, auf dem die Gnade regiert. Dort werden wir immer, wenn wir Hilfe brauchen, Liebe und Erbarmen finden. Fangen wir mit der letzten Aussage an: Dort werden wir immer, wenn wir Hilfe brauchen, Liebe und Erbarmen finden. Das entspricht einer der größten Sehnsüchte, die wir Menschen haben: Eine Ort zu haben, wo wir immer hin können, egal, was wir getan haben, egal wie sehr wir versagt haben und schuldig geworden sind. Nicht Vorwürfe warten da auf uns und die so gefürchteten Vorhaltungen: Das hab ich dir doch gleich gesagt, o.ä. sondern Liebe und Erbarmen. Und das ist für uns auch deshalb so unglaublich, weil wir das unter uns Menschen nur ganz ansatzweise kennen. Z.B. wenn Kinder etwas angestellt haben und sich vor den Eltern verantworten müssen: dann erleben die allermeisten erst einmal, dass ordentlich geschimpft wird und später dann, wenn sie liebevolle Eltern haben, deren erster Ärger verraucht ist, wird überlegt, wie das in Ordnung zu bringen ist. Doch was ist los, wenn Schaden passiert ist, den wir nicht wieder gut machen können? Wenn Vertrauen erst einmal durch unsere Unachtsamkeit zerstört wurde oder wenn ein Mensch durch uns zu Schaden oder gar zum Tode gekommen ist? Ein Kollege hat von einem Mann berichtet, dem ein Kind ins Auto gelaufen ist. Den Fahrer traf keine Schuld und trotzdem wurde er damit nicht fertig. Er hat sich das Leben genommen. Wo können wir uns noch hinwenden, wenn unsere Mitmenschen oder unser eigenes Gewissen uns nicht länger akzeptieren? Was bleibt uns, wenn die alltäglichen Mittel, um mit unseren Misserfolgen fertig zu werden, nicht länger ausreichen? Genau hier setzt der Schreiber des Hebräerbriefes an. Er empfiehlt uns, zu Jesus, dem Hohenpriester zu gehen. Das klingt fremd für unsere Ohren; denn wir leben nicht im Umfeld des jüdischen Kultes, wie Jesus es getan hat und wie es auch für den Schreiber und die ersten Leser des Hebr. selbstverständlich gewesen ist. Und so müssen wir heute den für uns schwierigen Umweg gehen und zu verstehen suchen, was es mit dem Hohenpriester auf sich hat. Was bedeutet es, wenn wir hören: Wir haben in Jesus einen Hohenpriester, der in die unmittelbare Nähe Gottes gelangt ist? Der wichtigste Tag im jüdischen Kalender ist der große Versöhnungstag. Jesus selbst hat ihn als Kind so erlebt: An einem Tag im Jahr, dem großen Versöhnungstag, haben die Menschen sich ihrer Schuld gestellt, die sich im Lauf der vergangenen Monate auf sich geladen haben: den vielen kleinen, oft unbemerkt gebliebenen Dummheiten und den großen Fehlern, die ihnen unterlaufen sind. Alles sollte vor Gott gebracht und bereinigt werden. Natürlich war dies auch ein Tag, am dem gefastet wurde. Der erste Gang des Tages führte zum Friedhof - denn auch die Schuld an den Verstorbenen sollte mit einbezogen werden. Dann folgte der Gang zu den Nachbarn und besonders zu den Menschen, mit denen man im Streit lebte, um sich zu versöhnen: Friede sei mit dir - das war der Wunsch, der diesen Tag erfüllte und bestimmte. Später gehörte dann selbstverständlich der Gang zum Gottesdienst dazu; war dieser Tag doch auch ein Höhepunkt im gottesdienstlichen Leben: Dieser Tag war der einzige Tag, an dem der Hohepriester den verschlossenen Innenraum des Tempels betreten durfte: Das Allerheiligste! Das Allerheiligste gilt als der Ort, an dem Gott immer ist; als der Ort, der deshalb mit Gottes Heiligkeit angefüllt ist. Hier nun musste der Hohepriester vor Gott sozusagen entsühnt, geläutert werden, damit er im Anschluss daran vor die Menschen treten kann, um ihnen im Auftrag Gottes die Last ihrer Schuld abzunehmen. Diese Last der Schuld wurde symbolisch einem Sündenbock auferlegt. Danach wurde dieser Sündenbock mit den Sünden des Volkes beladen in die Wüste gejagt. Was bedeutet das allen nun für uns hier und heute? Zum1) Jesus gilt als der Hohepriester. D.h. Jesus hat ungehindert Zugang zur Heiligkeit Gottes; und das nicht nur an einem besonderen Tag im Jahr, sondern immer! Und wenn Jesus sich uns zuwendet, dann bringt er Gottes ganze Heiligkeit mit, damit wir ohne jede Angst und Vorbehalte zu Gott kommen können. Zum 2) Von Jesus heißt es weiter: Alle Versuchungen, denen wir immer wieder ausgesetzt sind und die uns immer wieder scheitern lassen, die kennt Jesus auch. Sei es die Versuchung, unser Können und Wissen zu missbrauchen; Jesus hat das auch erlebt, jedoch widerstanden. Sei es die Versuchung, eine günstige Gelegenheit zu nutzen, in der wir uns von anderen unbemerkt einen Vorteil verschaffen oder bereichern können; Jesus hat auch das erlebt und widerstanden. Oder sei es die Versuchung, andere mit blendenden Taten und Tricks zu manipulieren und zu willenlosen Anhängern zu machen - auch das hat Jesus erlebt und hat dem widerstanden. Was oder wer auch immer an uns herantritt und uns in Versuchung führt und scheitern lässt, Jesus versteht uns; Jesus hat Verständnis für uns. Er kennt unsere Schwächen und er weiß, dass es uns mit menschlicher Kraft allein nicht gelingen kann, zu widerstehen und zu siegen. Und darum wird uns zugesagt, dass wir mit Zuversicht vor den Thron treten sollen, auf dem die Gnade regiert. Dort werden wir immer, wenn wir Hilfe brauchen, Liebe und Erbarmen finden. Also, unsere Alltagserfahrungen, die uns so misstrauisch haben werden lassen, die sollen wir überwinden. Das sind all die traurigen Erfahrungen der Misserfolge, die wir machen mussten, wenn wir uns entschuldigen wollten und nicht gehört, sondern abgewiesen wurden. Jesus steht dafür ein: Wenn wir zu Gott kommen, dann werden wir weder Abwertung noch Ablehnung oder gar Rache oder Hass erfahren, sondern Liebe und Erbarmen wird uns entgegen gebracht werden. Der Schreiber unseres Hebräerbriefes nennt dies eine Anfangslektion für Christinnen und Christen. Das soll also die einfachste Grundlage unseres Glaubens sein. Als nächstes wird – kurz und knapp gesagt, warum wir uns darauf verlassen können, dass Jesus sich da auf keinen Fall irrt: Er war in allem wie wir, doch ohne Sünde. Und das ist ja eine der Grundaussagen, die wir Christinnen und Christen über Jesus machen. Auch wenn wir sie am allgemeinen nur schwer erklären können. In der Sprache Jesu heißt Sünde: chata’a und bedeutet: sein Ziel verfehlen; nämlich Gott und den Willen Gottes. Wer sein Ziel verfehlt, landet wo anders als er hin möchte und geht im schlimmsten Fall verloren. Jesu Ziel ist es gewesen, alle, die sich verirrt haben oder verloren sind, zu Gott zurück zu bringen und so zu retten. Und nichts und niemand hat Jesus davon abbringen können. Nicht mächtige und einflussreiche Menschen, noch irgendwelche überirdischen Mächte. Unbeirrbar ist Jesus seinem Ziel treu geblieben; auch angesichts von Verrat, Gewalt und qualvollem Tod. Und es ist ja nicht so, dass Jesus dies nichts ausgemacht hätte. Wenn wir uns an die Berichte aus dem Garten Gethsemane erinnern, wird das sehr deutlich, wie sehr Jesus einer schier unendlich großen Angst ausgesetzt gewesen ist. Darum sind auch später als er von den Toten auferstanden ist, noch die Foltermale der Kreuzigung an seinen Händen und Füßen und seiner Seite zu sehen. Mit diesen Malen gezeichnet tritt er vor Gott für uns ein, so dass wir ohne Angst und Bangen vor Gott treten können. Im Angesicht Gottes sind Worte wie Liebe und Barmherzigkeit keine hohlen Phrase, sondern sind mit Leben und Bedeutung erfüllt. Gott wirbt um uns: „Du, Mensch, komm zu mir. Hier ist Leben, wie du es sonst vergeblich suchst.“ Versuchung ist vergebliche Suche. Gott aber sucht nicht vergeblich. Denn er hat uns gefunden, bevor wir uns aufmachen konnten, nach ihm zu fragen. Uns zugute hat er seinen Sohn Mensch werden lassen, bis zum Tode am Kreuz. Und dort hält Jesus bezeichnenderweise seine Arme nicht unbeteiligt über Kreuz verschränkt, sondern weit offen: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will ich neue frische Kraft geben. Darum wollen wir an der Wahrheit festhalten, zu der wir uns bekennen: das ist Jesus, der Sohn Gottes. Bei ihm werden wir immer, wenn wir Hilfe brauchen, Liebe und Erbarmen finden. AMEN Sonntag Invokavit (14.02.16) Pfarrerin Karin Lefèvre
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