Service Profi-Ti pp S für die o ptimale Aufbe r e it u n g So bringen Sie Ihren Wir dachten eigentlich, der 280 SE sei ein Fall für den Lackierer, jahrelange Vernachläs- Klassiker zum Glänzen Text Alf Cremers // Fotos Karl-Heinz Augustin sigung setzte dem Lack übel zu. Aber da ging noch jede Menge mit simplen Bordmitteln. Nach einem Arbeitstag erzielt der Profi eine Glanzleistung. Das können Sie auch Die S-Klasse ist nur noch matt. Auch nach penibler Handwäsche keine Spur von Glanz S o ein hoffnungsloser Fall steht sicher nicht bei Ihnen in der Garage, aber vielleicht haben Sie kürzlich einen kerngesunden Scheunenfund gekauft, der nur frisches Öl und etwas Kosmetik benötigt. Oder Sie ziehen gerade enttäuscht Ihren US-Import aus dem Container, der das optimistische Prädikat „immaculate“ (makellos) nicht ganz verdient. Die 126er-S-Klasse auf diesen Fotos stand zwei Jahre bei einem Fähnchenhändler unter einem Baum. Das Einzige, was an ihr gut aussah, waren die Aluräder, jeder andere hätte den Wagen mattschwarz zur Ratte gerollt. Eine Neulackierung wäre zu teuer. Ich wollte es wissen, fuhr mit dem im seltenen Farbton Braun 427 lackierten Mercedes zu einen Profi-Aufbereiter. Prämisse: Nur mit simplen Mitteln Roberto Mercuri lebt seinen Beruf mit Leidenschaft, er betreibt in der Nähe von Hei- delberg sein Quality CarCare und arbeitet auch ambulant mit einem bestens ausgestatteten Service-Mobil. Roberto lächelt wissend, als ich ängstlich mit dem 280 SE vorfahre: „Geht da noch was?“, frage ich ihn vorsichtig. „Der ist ja eine echte Herausforderung“, grinst er vielsagend. „Bitte keine teuren Wundermittel, nur Handelsübliches, das sich jeder kaufen kann oder in der Garage hat“, schränke ich ein. „Innen ist er ja erstaunlich gut, auch die Aluräder sind nicht korrodiert, wir müssen uns also vor allem auf den Lack konzentrieren“, stellt Mercuri fest. Von ihm erfahre ich, dass Uni-Lacke mit hohem Rotanteil, also auch mein Rubellanbraun, wie Code 427 seltsamerweise in manchen Mercedes-Farbkarten auch noch heißt, auskreiden und einen Grauschleier bilden. Natürlich ist auch UV-bedingte Verwitterung im Spiel, Baumharz und Vogelkot tun ein Übriges. Chemisch betrachtet ist die obere hauchdünne Lackschicht oxidiert. Es kam In der Politur sind feine Schleifpartikel. Sie entfernen die tote, verwitterte Lackschicht bei dem 126er über die Jahre zu einer intensiven Reaktion mit Sauerstoff, die ein schützender Klarlack, wie er bei Zweischicht-Metallic verwendet wird, verhindert hätte. „Ich kann diese Erosion spüren und auch hören, wenn ich mit den Händen drüberstreiche“, sagt Roberto. „Der Lack fühlt sich an wie Schleifpapier – und er klingt auch so.“ Der Benz ist Baujahr 1981, damals hat man noch robusten Acryllack in einer Stärke von etwa 120 Tausendstel Millimetern aufgetra- Mit Reinigungsgummi abziehen Mit grober Politur toten Lack entfernen Mit feiner Politur nacharbeiten Polierreste mit weichem Tuch entfernen Nach der Wäsche ist der Wagen wieder so matt wie vorher. Um den Restschmutz aus den Poren zu ziehen, sprüht man ein Lösungsmittel auf (Cleaner Fluid) und massiert den Lack mit mineralischer Knetmasse Erst auf einer kleinen Fläche ausprobieren und den Effekt kontrollieren. Ist die grobe Politur nötig, oder reicht Stufe 2 mit feinerer Körnung? Hier müssen wir grob ran, um alles aus dem stumpfen Lack zu holen Für die großen Flächen matten Lacks brauchen wir eine Poliermaschine. Sie wird je nach Arbeitsgang mit Polierscheiben verschiedener Härtegrade bestückt. Wolle ist am härtesten und holt den toten Lack runter Politurreste erzeugen Schlieren und bilden unschöne Hologramme, die in Regenbogenfarben schillern. Nach jedem Polier- und Wachsgang ist gründliches Nachpolieren mit einem weichen Frotteetuch unerlässlich 32 Motor Klassik 9/2015 Motor Klassik 9/2015 33 Service Profi- tipps für die o ptimale Aufbe r e it u n g Gönnen Sie Ihrem Klassiker einmal etwas Besonderes Wachs als schützende Versiegelung Eine Exzenter-Poliermaschine ist hilfreich Scheibenreinigung innen und außen Poliermittel auf Tuch oder Scheibe auftragen, nie auf den Lack. Es gibt zwei Arten von Wachs: Die eine sorgt mit speziellen Ölen für Tiefenglanz und versiegelt, die andere (billigere) baut nur einen Schutzfilm auf Egal ob Bosch, Fein, Metabo oder Festool: Für Leute, die Spaß daran haben, ihren Klassiker öfter auf Hochglanz zu bringen, lohnt sich eine Exzenter-Poliermaschine, die obendrein effektiver ist als Handarbeit Vergessen Sie Zeitungspapier, das schmiert. Nur Mikrofasertücher zaubern in Verbindung mit dem Scheibenreiniger höchste Transparenz. Klare Scheiben sind die Visitenkarte eines gepflegten Autos gen, der verträgt es, wenn man ihn mit gröberen Schleifmitteln in der Politur abrasiv behandelt, um die verschmutzte Oxidschicht abzutragen. Nach Handwäsche und Trocknung sprüht Roberto Karosseriepartien mit einem handelsüblichen Cleaner Fluid ein und zieht eine reinigende mineralische Knetmasse über den Lack, die den Schmutz aus den Poren bindet. Verwitterter Lack ist unter dem Mikroskop porös wie Lava. Die einst glatte Oberfläche ist durch unvermeidbare Wäscheriefen und Außeneinflüsse so rau wie Schleifpapier geworden. Sechs goldene Regeln Um den Glanz zurückzuholen, hilft auch nur Abschleifen, aber nicht mit 1000er-Sandpapier wie beim Lackierer, sondern zuerst mit einer Politur, die grobe Schleifkörper enthält. Weil man mit Handarbeit der rund 14 Quadratmeter Lackoberfläche der 126er-S-Klasse nicht Herr wird, testen Roberto und ich nur die Wirkung des Mittels per Hand auf kleiner Fläche. Man muss schon viel schweißtreibenden Druck ausüben, um mit dem getränkten Mikrofasertuch die etwa 6 bis 8 Mikrometer dünne Oxidschicht abzutragen. „Ich liebe Härtefälle. Das Ergebnis macht mich am Ende glücklich“ Roberto Mercuri, Aufbereiter Das geht mit der Exzenter-Poliermaschine natürlich viel schneller. Aber ob per Hand oder maschinell, immer gelten Roberto Mercuris „Sechs goldene Regeln“. Erstens: Das Mittel immer aufs Tuch oder auf die Polierscheibe, niemals auf den Lack auftragen. Zweitens: Sauber arbeiten – jedes Mittel bekommt sein eigenes Tuch oder seine eigene Polierscheibe. Drittens: Niemals kreisförmig arbeiten, sondern immer rechteckig im Kreuzgang, sonst entstehen Hologrammmuster, die sich nicht mehr wegpolieren lassen. Viertens: Kleine Flächen in Tuchgöße bearbeiten. Fünftens: Mittel sparsam auftragen – das Motto „Viel hilft viel“ gilt nicht für die Lackaufbereitung. Sechstens: Die Poliermaschine ist nichts für Anfänger. Der Umgang mit ihr will gekonnt sein, man muss ihn sich von einem Profi zeigen lassen. Zu viel Druck auf einer Stelle erhitzt den Lack zu stark, bei Karosseriesicken muss der Neuling aufpassen, dass er den Lack nicht bis zur Grundierung abschleift. Mercuri zieht drei Arbeitsgänge hintereinander mit der Maschine durch: Die Grobpolitur mit Wollscheibe, die Feinpoli- tur mit der Mikrofaserscheibe „mittel“ und die Wachspolitur mit der sanften „Samtscheibe“. Schon nach der Grobpolitur ist der Effekt erstaunlich. Die S-Klasse kommt so glänzend wie sonst nur im Regen. Nach stundenlanger Intensivbehandlung verwandelt sich das einstige Mattbraun, das so schlampig und stumpf aussah wie mit der Walze aufgetragen, in einen spiegelblanken Klavierlack. Dessen Tiefenglanz begeistert und könnte bei Damen ohne Weiteres zur Kontrolle von Frisur und Make-up dienen. Zum Schluss betrommelt und massiert Roberto das nun unwiderstehlich schokoladig wirkende Rubellanbraun mit gehaltvollem Carnauba-Wachs und feudelt euphorisch mit dem langflorigen Tuch nach, wie jemand, der den 280 SE zum Concours-Winner schminken will. Das teure Edelwachs ist das einzige Luxuspräparat, das wir uns bei der Aufbereitung leisten. Unter den gnadenlosen Studiolampen kommen jetzt jeder Kratzer und jeder Farbunterschied am Mercedes zum Vorschein, aber bei normalem Betrachtungsabstand wirkt er wie ein Jahreswagen. Zweimal jährlich Wachsen reicht, um diese Glanzleistung zu konservieren. ◾ Fazit Vorher lag die Reflexion des toten Lacks bei null. Jetzt kann ich mich darin spiegeln. Was für ein Unterschied! Fünf langwierige, anstrengende Arbeitsschritte haben den Uni-Lack wieder zum Leben erweckt. Aber es hat sich gelohnt. Jetzt weiß ich erst, wie schokoladig das DBBraun 427 wirklich ist. Kunststoffteile porentief reinigen Chrompolitur mit Schleifpaste Teures Edelwachs für finalen Tiefenglanz Kunststoffreiniger gibt es von allen Autopflegemarken von Sonax über Nigrin bis Armor All. Um genarbte Kunststoffe porentief rein zu kriegen, muss man den Reiniger nach Aufsprühen mit einer Bürste einmassieren Produkte wie Wenol oder Autosol enthalten grobe Schleifkörper in zäher Pastenform. Die sind bei Chromteilen besonders wirksam. Hartgesottene verwenden sie als letztes Mittel bei extrem mattem Lack Fast alle Autopolitur-Hersteller haben ein Edelwachs mit besonders hohem Carnauba-Anteil im Programm. Mit der Hand sorgsam aufgetragen, wirkt dieses Glanz-Finale wie ein sinnliches Erlebnis 34 Motor Klassik 9/2015 ■ Der Newcomer bei der exklusiven Autopflege heißt Herrenfahrt. Der Name ist Programm, Gran- Turismo-Piloten dürften sich von den Produkten aus natürlichen Rohstoffen angesprochen fühlen. Das Set gibt es für 340 Euro. www.herrenfahrt.com ■ Ohne die renommierte Autokosmetik Meguiar’s wäre der Concours in Pebble Beach undenkbar. High-End-Sammler wie Ralph Lauren oder Jay Leno schwören auf die edlen Tinkturen. Das Basis-Set kostet 180 Euro. www.meguiars.de ■ Christian Petzoldt aus Hamburg ist der Aufbereitungs-Guru in Deutschland mit über 30 Jahren Praxis. Petzoldt’s PremiumKollektion ist die komprimierte Summe seiner Erfahrung, die Preise sind moderat. Das Starter-Kit kostet 80 Euro. www. petzoldts.de ■ Die Mutter aller kostbaren Pflegeprodukte für klassische Automobile: Swizöl heißt jetzt Swissvax, aber geblieben ist der hohe Anspruch an Rezeptur und Rohstoffe. Das große Set mit allem und für alles kostet 760 Euro. www.swissvax.de Motor Klassik 9/2015 35
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