20.8.2015 Antworten auf die Fragen der Initiative Willkommen in

20.8.2015
Antworten auf die Fragen der Initiative Willkommen in Falkensee
von Ursula Nonnemacher, MdL
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Wohnen: Flüchtlinge, wie auch schon ansässige Falkenseer, brauchen mehr einfachen und
preiswerten Wohnraum. In der jetzigen Notsituation gibt es zu zentralen Unterkünften für
Flüchtlinge nicht ausreichend Alternativen. Dabei ist unumstritten, dass privater
Wohnraum am besten wäre. Was lässt sich tun, damit das Angebot des Wohnungsmarktes
für diese Menschen erschlossen werden kann? Wo sind aus Ihrer Sicht gesetzliche
Änderungen notwendig, was sollte unterhalb dieser Schwelle gemacht werden?
Ich setze mich seit langer Zeit auch in meiner Funktion als Landtagsabgeordnete dafür ein, dass
Flüchtlinge und Asylsuchende nach der Zeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen in den Kommunen
prioritär in Wohnungen oder Wohnverbünden untergebracht werden. Dies gilt unverzüglich für
besonders schutzbedürftige Flüchtlinge nach der Definition der EU-Aufnahmerichtlinie 2013/33/EU.
Für diejenigen, die in einer kommunalen Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden, sollte
dieser Aufenthalt möglichst auf 6 Monate gegrenzt werden, in denen sie gezielt auf selbstständiges
Wohnen vorbereitet werden. Natürlich erfordert dezentrale Unterbringung eine dichtere soziale
Betreuung, weshalb u.a. der völlig unzureichende Betreuungsschlüssel von 1:120 endlich verbessert
werden muss. In Regionen mit hohem Wohnungsleerstand habe ich mich für ein Moratorium
entsprechender Stadtumbauprogramme ausgesprochen und fordere, leerstehende Wohnungen
nicht abzureißen, sondern für Flüchtlinge herzurichten. In einer Stadt mit stark angespanntem
Wohnungsmarkt spreche ich mich für mehrere Gemeinschaftsunterkünfte von überschaubarer
Größe und der Wiederaufnahme von sozialem Wohnungsbau für alle Menschen mit Bedarf aus. Ich
hoffe, dass die stadteigene Wohnungsgesellschaft GEGEFA GmbH nach einer Konsolidierungsphase
bald wieder in der Lage ist, dem Bau von sozialem Wohnraum nachzukommen.
Weiteren gesetzlichen Bedarf sehe ich bei der anstehenden Novelle des Landesaufnahmegesetzes.
Ich fordere, dass die Investitionspauschalen für die Errichtung von Gemeinschaftsunterkünften auch
für Bau und Sanierung von Wohnungen gezahlt werden und dass sie für Wohnungen höher ausfallen
als für Gemeinschaftsunterkünfte, um hier Anreize in Richtung Wohnungsunterbringung zu setzen.
Einen quantitativ sicher nur geringen, aber integrationspolitisch nicht unwichtigen Beitrag würde es
auch leisten, wenn die Aufnahme von Flüchtlingen in Privathaushalte bürokratisch vereinfacht
würde. Es gibt durchaus Menschen, die bereit sind, ein Zimmer in ihrer Wohnung/ihrem Haus zur
Verfügung zu stellen, was aber von den verantwortlichen Behörden wenig geschätzt wird.
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Schulen und Kindertagesstätten: Unter den Flüchtlingen sind Kinder. Sie bedürfen in
besonderer Weise unserer Aufmerksamkeit und Zuwendung. Schulen und
Kindertagesstätten sollten sich auf den Umgang mit traumatisierten Kindern vorbereiten
können. Diesen Einrichtungen sollte in einzelnen Fällen eine rasche Unterstützung durch
Dolmetscher und ggf. psychologisch geschultes Fachpersonal ermöglicht werden.
Ich finde es wichtig, dass Kitas und Schulen z.B. beim runden Tisch und über entsprechende
Informationen der Stadtverwaltung schon frühzeitig darauf eingestimmt werden, dass die Aufnahme
und Betreuung von Flüchtlingskindern ansteht. Auch für die Mitschüler und ihre Eltern ist eine solche
Phase der „Einstimmung“ wünschenswert. Für Erzieher und Erzieherinnen sowie Lehrer und
Lehrerinnen müssen Schulungsangebote zur Verfügung stehen (z.B. interkulturelle Kompetenz) und
Ansprechpartner für spezielle Probleme. Nicht alle Kinder sind traumatisiert, aber für die, die es sind,
muss fachkompetente Hilfe zügig abrufbar sein.
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Spracherwerb: Die Kenntnis der deutschen Sprache ist eine zentrale Bedingung für
erfolgreiche Integration. Das durch die Bundesanstalt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
finanzierte Angebot von Sprachkursen hält sich in engen Grenzen. Wenn wir mehr tun,
kommen die Menschen besser hier an. Wie kann die Stadt beispielsweise durch
Bereitstellung von Unterrichtsräumen und Lehrmaterial den Spracherwerb von
Neubürgern fördern?
Der wichtigste Baustein für eine erfolgreiche Integration ist der Spracherwerb! Ich begrüße es sehr,
dass auf dem Flüchtlingsgipfel des Bundes im Juni dieses Jahres vereinbart wurde, Integrationskurse
für Asylsuchende und Geduldete mit guter Bleibeperspektive mit 300 Stunden Unterricht zu öffnen.
Eine Teilhabe am vollen Programm mit 600 Stunden wäre aber noch besser. Im Ehrenamtsbereich
(Willkommensinitiative, Kompetenzzentrum Havelland etc) gibt es viele Menschen mit der
Bereitschaft und Befähigung zu unterrichten. Über das Ehrenamtsportal der Staatskanzlei kann für
solche Aktivitäten auch finanzielle Unterstützung beantragt werden. Die Stadt könnte am Nachmittag
Räume in Schulen bereitstellen, als freiwillige soziale Leistung einige Sätze Lehrbücher anschaffen
oder einen Spendenaufruf für Unterrichtsmaterialien z.B. auf dem Stadtfest oder dem
Neujahrsempfang unterstützen. Für solche Vorschläge setze ich mich ein. Spracherwerb wird am
nachhaltigsten durch die Förderung von Kontakten zwischen Neu- und Altfalkenseern und –
falkenseerinnen gefördert! Auch hier können Repräsentanten der Stadt eine Vorbildfunktion
einnehmen: Vermittlung von Neufalkenseern an Sportvereine, gemeinsame Kurse im Haus am Anger,
Einladungen zu Kulturveranstaltungen etc.
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Arbeit und Ausbildung: In Falkensee suchen Firmen Aushilfen und
Nachwuchskräfte. Für Flüchtlinge sind Arbeit und Ausbildung der wichtigste Schritt
in finanzielle Unabhängigkeit. Wie können die NeufalkenseerInnen von den in der
Ausbildungsbörse angebotenen Ausbildungsmöglichkeiten partizipieren und wie
können Sie Ihre Möglichkeiten als kommunaler Arbeitgeber nutzen?
Seit Herbst 2014 wurde der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert; er ist jetzt nach 3 Monaten
möglich, allerdings weiterhin nach Vorrangprüfung. Den Jobcentern kommt hier bei der Beratung
und Bearbeitung eine besondere Verantwortung zu. Die Möglichkeiten von jugendlichen
Asylsuchenden, einen Aufenthaltstitel für die Dauer einer Ausbildung zu erhalten, wurden
verbessert. Hier setze ich mich politisch für weitere Verbesserungen des Zugangs zum Ausbildungsund Arbeitsmarkt ein. Als Bürgermeisterin würde ich den Informationsaustausch zwischen Jobcenter,
Neufalkenseern und interessierten Betrieben fördern. Natürlich muss auch die Stadt Falkensee für
Neufalkenseer als Arbeitgeberin oder Ausbilderin offen sein, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen
gegeben sind und die beruflichen Qualifikationen vorliegen.
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Hilfen zur Mobilität: Zur raschen Integration in die Gesellschaft gehört Mobilität. Fahrräder
bieten eine günstige und attraktive Möglichkeit. Die Initiative Willkommen in Falkensee
regt an, dass Bürger gebrauchte und nicht mehr genutzte Fahrräder an Menschen
weitergeben, die sich ein Fahrrad kaum leisten können. Eine solche Initiative braucht
logistische Unterstützung, einen Raum in dem Fahrräder repariert und ausgegeben
werden, sowie das notwendige Werkzeug dazu. Wie würde Ihre Partei ein solches Projekt
unterstützen?
Ich begrüße solche Aktionen sehr und habe z.B. bei meinem Besuch des Heimes in Friesack zwei
funktionstüchtige Fahrräder mit neuen Schlössern gespendet. Jedes Mal, wenn ich an der
Kremmener Straße vorbeiradele, freue ich mich über den anwachsenden „Fuhrpark“ nebst
Fahrradständern und Überdachung. Meine Partei hat zum Weltflüchtlingstag 2015 die
Spendenkampagne „Radgeber“ initiiert und gemeinsam mit den Flüchtlingen die gespendeten
Fahrräder instand gesetzt. Initiativen wie „Rückenwind – Fahrräder für Flüchtlinge“ aus Berlin Moabit
mit Verbindungen nach Falkensee finde ich ausgesprochen verdienstvoll. Auch dabei steht neben der
Idee, Fahrräder zu beschaffen der integrative Aspekt des gemeinsamen Reparierens und Herrichtens
im Vordergrund. Ich unterstütze es, wenn die Stadt auf ihrer Homepage oder im redaktionellen Teil
des Amtsblattes auf Fahrradspenden für Flüchtlinge hinweist und bei der Beschaffung von
Werkstatträumen behilflich ist. Wir Grünen in Falkensee möchten zudem, dass von den zu
versteigernden Fundfahrrädern im Rathaus ein gewisser Anteil den Flüchtlingen zur Verfügung
gestellt wird.
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Gesundheit/Medizinische Versorgung: Flüchtlinge haben mitunter einen langen,
entbehrungsreichen Weg und zum Teil traumatisierende Erlebnisse hinter sich. Die
staatliche Gesundheitsversorgung für diese Menschen ist auf das Notwendigste begrenzt.
Die Initiative Willkommen in Falkensee entwickelt Überlegungen, wie den spezifischen
gesundheitlichen Belangen von Flüchtlingen besser Rechnung getragen werden kann. Sieht
Ihre Partei hier ein Feld für kommunale Initiativen?
Gesundheitspolitik ist vorwiegend bundespolitisch normiert, das erlebe ich als die
gesundheitspolitische Sprecherin unserer Landtagsfraktion. Man stößt bereits auf Landesebene auf
zahlreiche Hindernisse, z.B. bei der Einführung einer Chipkarte für AsylbewerberInnen, die ich sehr
unterstütze. Wir Grünen sehen die auf Notfall- und Schmerzbehandlung eingeschränkte medizinische
Versorgung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz als ausgesprochen kritisch an und setzen uns für
die Integration der Asylsuchenden und Geduldeten in die Regelversorgung nach den Standards der
gesetzlichen Krankenversicherung ein. Eine Chipkarte nach dem Bremer Modell halte ich für
dringend erforderlich, um Stigmatisierung und bürokratische Hürden abzubauen, auch wenn das
dahinterstehende medizinische Angebot noch nicht angeglichen ist. Mit meiner Landtagsfraktion
habe ich im Juli einen Antrag zur verbesserten psychosozialen Versorgung vorgelegt, da die
psychotherapeutischen Angebote gerade für schwertraumatisierte Flüchtlinge absolut unzureichend
sind.
Auf kommunaler Ebene halte ich Aktivitäten -wie sie auch die Willkommensinitiative betreibt -für
sinnvoll: Freiwillige mit speziellen Sprachkenntnissen erfassen, die bei medizinischen Problemen als
Sprachmittler zur Verfügung stehen, sowie bei Ärzten, Psychologen und medizinischen Fachberufen
vor Ort nachfragen, wer bei Bedarf Flüchtlinge ohne große bürokratische Hürden behandeln würde.
Das ändert nicht das unzureichende System, kann aber individuell sehr hilfreich sein.
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Uns interessiert auch, was Sie als offizielle Repräsentantin Ihrer Partei und gegebenenfalls
als Vertreterin unserer Stadt persönlich zu einer Atmosphäre des Willkommens in
Falkensee beitragen wollen? Wie werden Sie initiativ?
Ich war im Dezember 2013 maßgeblich daran beteiligt, dass die Stadtverordnetenversammlung
einstimmig einen Beschluss zur Aufnahme von Flüchtlingen und zur Förderung der
Willkommenskultur gefasst hat. Das klare Eintreten für Flüchtlinge und Schutzsuchende durch die
Vertreter der Kommunalpolitik und die Verwaltungsspitze ist unerlässlich für den Umgang mit
Protesten und für eine gelingende Integration. In meinem Wahlprogramm findet sich ein Kapitel
„weltoffene und soziale Stadt“, wo ich mich klar für eine Willkommenskultur ausspreche. Der
Willkommensinitiative bin ich frühzeitig beigetreten. Als innen- und sozialpolitische Sprecherin
meiner Partei im Landtag nehme ich immer wieder an Kundgebungen gegen rechtsextremistische
und rassistische Initiativen teil, stehe im Austausch mit den Kooperationspartnern des „Toleranten
Brandenburg“ und verantworte viele Anträge und politische Aktivitäten, die die Verbesserung der
Lage von Flüchtlingen zum Inhalt haben.