Bericht - Wilhelm-von-Oranien

Wer zu spät kommt … ertrinkt!
Witzige, aber tiefgründige Inszenierung des Schauspiel-Musicals „An der Arche um
Acht“ in der Wilhelm-von-Oranien-Schule
Viele begeistert singende Schüler, drei Pinguine, zwei Tickets für die Arche und eine burnout-gefährdete
Taube – so könnte man die Ausgangslage des Theaterstücks von Ulrich Hub beschreiben, welches die
Theater-AG und der Unterstufenchor des Dillenburger Gymnasiums unter Leitung von Harald Minde und
Ulrich Kögel vor gut gefülltem Haus auf die Bühne brachten.
Nach den erfolgreichen Kindermusicals „Der gestiefelte Kater“ und „Brundibar“ folgte mit „An der
Arche um Acht“ nun der dritte Streich. Das 2006 erstmals in Karlsruhe aufgeführte Stück von Ulrich
Hub besticht durch eine amüsante Handlung mit witzigen Dialogen, die eingängigen Songs, aber auch
durch unkonventionelle Perspektiven auf Werte wie Ehrlichkeit und Freundschaft sowie auf die Frage:
„Wer und wie ist eigentlich Gott?“
Zu Beginn langweilen sich die drei befreundeten Pinguine (stark gespielt von Carlotta Engelhardt,
Gibrael Kotwal und Roman Minde) durch die antarktische Ödnis und wissen sich die Zeit kaum besser
als durch kleinliche Zwistigkeiten zu vertreiben. Dies geht so weit, dass der eine aus Missmut einen
Schmetterling tötet, was zum vorläufigen Zerwürfnis mit den beiden Freunden führt, die darin ein
Sakrileg gegenüber dem Schöpfer sehen. Der Übeltäter flüchtet sich daraufhin in einen bockigen
Atheismus und zieht sich schmollend ins Eis zurück. Derweil machen die beiden „artigen“ Pinguine
Bekanntschaft mit der Taube, welche die Botschaft von der bevorstehenden Sintflut verkündet und
auch gleich zwei Tickets für die Arche überreicht. Die Taube – geplagt von einer Mischung aus Helfer syndrom, Organisationszwang und religiösem Sendungsbewusstein – mahnt zur Eile angesichts der
bevorstehenden Katastrophe. Gespielt wurde diese tragikomische Figur von Regisseur Harald Minde
höchstselbst, der akut für einen ausgefallenen Schauspieler einspringen musste. Dass nun ein Er wachsener im Schülerensemble mitspielte, wirkte nur auf den ersten Blick befremdlich: durch
hemmungslosen Spielwitz und beeindruckende Bühnenpräsenz verlieh der Lehrer für das Fach Darstellendes Spiel dem ganzen Stück eine besonders humoristische Note.
Die beiden Pinguine mit ihren zwei Tickets bekommen nun ein schlechtes Gewissen gegenüber ihrem
Freund, der nichts von der todbringenden Flutkatastrophe ahnt. Nachdem sie ihn gefunden haben,
schmuggeln sie ihn als blinden Passagier in einem Gepäckstück an der Taube vorbei auf die Arche. Es
entwickelt sich ein heiteres Versteckspiel an Bord, um zu vermeiden, dass der Schwindel auffliegt, obwohl die zunehmend an Burnout-Symptomen leidende Taube, welche sich um die gesamte Verpflegung
und Betreuung der Passagiere zu kümmern hat (der Chor singt: „Und Noah sagt: Tu dies, tu das!“)
allmählich skeptischer wird. Denn der dritte Pinguin muss ja ab und zu auch mal raus aus seinem
Koffer, bis er schließlich von der Taube erwischt wird. Diese ist angesichts des Betrugs völlig verzweifelt und fragt sich händeringend, wie das alles vor den strengen Augen Gottes bestehen möge.
Doch die Lösung ergibt sich nach dem Ende der Flut und der Landung der Arche aus der eigenen
Schusseligkeit der Taube: Sie hat nämlich über allem Kümmern vergessen, eine zweite Taube als
Partnerin mit aufs Schiff zu nehmen! Und so kann der dritte Pinguin – mit Brautschleier – neben der
Taube unter dem aufgespannten Regenbogen von Bord gehen, ebenso wie alle anderen glücklichen
Tiere, welche in bunten Kostümen vom Unterstufenchor gemimt wurden.
Der Chor unter musikalischer Gesamtleitung von Ulrich Kögel sorgte durch die eingebauten Lieder
mit Ohrwurmcharakter („Ich bin, was ich bin“) für eine besondere Akzentuierung an Gelenkstellen der
Handlung, reflektierte aber durch die Songtexte auch die immer wieder aufgeworfenen ethischen und
theologischen Fragen:
Witziger Weise ist im ganzen Stück zwar sehr häufig von Gott die Rede, er macht sich aber an keiner
Stelle eindeutig bemerkbar (auch bekommt das Publikum übrigens Noah nie zu Gesicht). Dies gibt den
Tierfiguren immer wieder die Gelegenheit, über das Wesen Gottes zu rätseln: Kann man an einen
Gott glauben, den man nicht sehen kann? Kann Gott Fehler machen und diese bedauern? Ist er nur ein
strafender Gott, der den Ungehorsam ausmerzen will, oder schenkt er – wie im alles überspannenden
Regenbogen der Schlussszene – Zeichen der Hoffnung und des Lebens? Oder ist Gott vielleicht einfach
ganz anders, als wir uns ihn vorstellen?
All diese Fragen werden im Theaterstück auf kindgemäße, aber auch für Erwachsene anregende Weise
aufgeworfen. Ulrich Hub vermeidet bewusst eindeutige, simple Antworten, auch wenn man die
Tendenz des Autors durchaus erahnen kann. „An der Arche um Acht“ wird durch diese offenen Fragen
so zu einem religionspädagogischen Denkanstoß, der dazu einlädt, über „Gott und die Welt“ im
eigentlichen Sinne ins Gespräch zu kommen.
EINE Gotteserkenntnis konnte man aber nach der kurzweiligen Besuch der WvO-Inszenierung mitnehmen: Gott wünscht sich vermutlich keinen Käsekuchen. (Denn an diesem abstrusen Wunsch erkennt die Taube, dass aus dem Koffer nicht Gott, sondern nur ein hungriger Pinguin spricht…)
Die letzte Aufführung des Stückes findet statt am Mittwoch, 10. Juni, um 19 Uhr im Forum der
Wilhelm-von-Oranien-Schule. Eintritt: EUR 5,- für Erwachsene, EUR 3,- für Kinder.
Reservierungen sind möglich unter [email protected]
©2015 Text und Fotos: Markus Hoffmann, WvO
Roman Minde, Carlotta Engelhardt und Gibrael Kotwal als Pinguine (v.l.)
Harald Minde als Taube
Sicherheitscheck vorm Betreten der Arche
Schlussszene unterm Regenbogen