Sprachförderung für erwachsene Flüchtlinge und Zuwander_final

Sprachförderung für erwachsene Flüchtlinge und
Zuwander*innen im Bundesland Bremen stagniert
Derzeit verlängern sich die Wartezeiten für Integrationssprachkurse DaZ1 für Flüchtlinge und
Zuwanderer*innen dramatisch, weil Kapazitäten und Ausstattungen der anerkannten
Integrationskursanbieter nicht den aktuellen Gegebenheiten angepasst sind. Wenn keine Änderung
herbeigeführt werden kann, ist für Ende 2015 absehbar, dass für erwachsene Flüchtlinge und
Zuwander*innen mit Wartezeiten von bis zu 1 Jahr zu rechnen ist.
Demographische Verteilung
Schnell übersehen wird derzeit, dass die Mehrzahl der ankommenden Flüchtlinge und der
Zuwander*innen aus EU-Staaten vor allem arbeitssuchende Erwachsene sind, die auf eine
Sprachförderung angewiesen sind:
Flüchtlinge: 32% Minderjährige, 68% Erwachsene (18 bis 34 Jahre 48%, 35 bis 64 Jahre 19%,
über 65 1%)2
Zuwanderer EU Staaten (EU-8- und EU-2- Staaten): 25% Minderjährige, 75% Erwachsene
(61,7% 18 bis 40 Jahre, 1,6% über 65 Jahre)3. 2014 erfolgte die meiste Zuwanderung aus den
EU-Staaten.
'Schnell Deutsch lernen und Arbeit finden' ...
… in diesem drängenden Wunsch sind sich neu ankommende Flüchtlinge und Aufnahmegesellschaft
einig.
Grundsätzlich ist bisher folgendes geregelt:
1. Das Land Bremen hat als eines von wenigen Bundesländer sehr früh erste Mittel zum
Spracherwerb für Flüchtlinge bereitgestellt.
2. Für das Jahresende 2015 hat der Bund die Öffnung der Integrationssprachkurse für Flüchtlinge
mit guter Bleibeprognose angekündigt.
3. Flüchtlinge mit Bleibeperspektive können an berufsbezogenen Deutschkursen im ESF-BAMFProgramm des Bundes teilnehmen – allerdings stehen aufgrund der Budgetierung und Kürzung
seit 2014 nur de facto eine Handvoll Plätze pro Jahr zur Verfügung.
Allerdings: Das System der sprachlichen und beruflichen Qualifizierung von Zugewanderten weist
bereits vor der Flüchtlingskrise Defizite auf. Denn ohne Erreichung des Sprachniveaus B2 kann der
Übergang in Ausbildung/Umschulung oder Beschäftigung nicht gelingen. Hierfür braucht es mehr
Sprachlernangebote, die systematisch zum Level B2 führen, damit der Prozess der Erwerbsintegration
nicht ins Stocken gerät oder gar gänzlich verhindert wird.
Mit den steigenden Zuwanderungszahlen wächst in Bremen die Dringlichkeit, der Sprachförderung
von Erwachsenen eine angemessene und klare Rolle bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise
zuzuweisen. Darauf haben sowohl die AG3 ‚Berufliche Qualifizierung und Arbeitsmarkt‘ beim Bremer
Rat für Integration als auch die Arbeitsgruppe ‚Flüchtlinge‘ des Landesausschusses für Weiterbildung
LAWB zeitnah hingewiesen.
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DaZ – Deutsch als Zweitsprache
Quelle: Eurostat, 2014
Quelle: Migrationsbericht BAMF, 2014
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Sprachförderung für Erwachsene fällt aus dem System
Die Sprachförderung Erwachsener scheint derzeit noch nicht im Fokus der politisch Verantwortlichen
zu stehen. Diesee ist jedoch dringend in den Blick zu nehmen, da sich bereits jetzt steigende
Wartezeiten für erwachsene Flüchtlinge und Zuwander*innen beim Zugang in Deutsch-als
Zweitsprache-Kurse abzeichnen.
Die Situation stellt sich derzeit wie folgt dar:
Das System der Integrationssprachkurse des Bundes setzt bisher auf den Markt. Das führt in der
derzeitigen akuten Flüchtlingskrise zu einer folgenschweren Dynamik. Durch den Bedarf an DaZUnterricht in den Schulen und die folgerichtige Schaffung von Stellen kommt es beispielsweise dazu,
dass bewährte Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache (DaZ) aus der Erwachsenenbildung in die
Schulen abgeworben werden, weil sie dort prekärer Beschäftigung entgehen und im
Angestelltenverhältnis arbeiten können.
Die Bremer Integrationskursträger, allen voran die Volkshochschule Bremen und das Paritätische
Bildungswerk wie auch die Integrationskursträger in Bremerhaven, verlieren daher die zur
Sprachintegration Erwachsener nötigen qualifizierten Kursleiter*innen, die sie über Jahre
kontinuierlich professionalisiert haben. Das hat zur Folge, dass Deutschkurse für Erwachsene (und
damit potentielle Arbeitskräfte) abgesagt werden müssen - in einer Situation, in der vielmehr ein
Ausbau der DaZ-Förderung für Erwachsene angezeigt wäre.
Wir erleben das als unzumutbar. Unzumutbar für die Menschen, die vorankommen wollen und
unzumutbar für die Aufnahmegesellschaft und die lokale Wirtschaft, die ebenfalls auf eine schnelle
Erwerbsintegration drängen.
Empfehlung
Wir raten zu einer Bildungsoffensive für erwachsene Flüchtlinge und Zuwander*innen, damit ein
qualitativ gutes, bedarfsgerechtes und abgestimmtes System der Sprachförderung im Land Bremen
entstehen kann. Ein Sprachförderungssystem, das den erwachsenen Flüchtlingen und
Zuwander*innen bietet, was sie individuell für ihren Spracherwerb und die erfolgreiche
Erwerbsintegration brauchen.
Die Bildungsoffensive für erwachsene Flüchtlinge und Zuwander*innen bedarf einer Bündelung und
abgestimmten Steuerung in Hinblick auf die Zahl von qualifizierten Lehrkräften, Unterrichtsräumen
und übergreifender Zusammenarbeit.
Wir empfehlen daher …
1. einen 'Bremer Sprach-Gipfel' als Bildungsoffensive für erwachsene Zugewanderte, um
konkrete Bedarfe vor Ort zu erheben und zu planen
2. einen darauf beruhenden Masterplan für den DaZ-Spracherwerb von Erwachsenen
3. Sicherstellung eines verlässlichen, lückenlosen und bedarfsgerechten Systems der DaZFörderung für zugewanderte Erwachsene von den ersten Schritten bis zur B2-Prüfung.
Bremen, den 30.09.2015
Dr. Sabina Schoefer, Direktorin der Bremer Volkshochschule
Ulrike Brunken, Geschäftsführerin im Paritätischen Bildungswerk LV Bremen e.V.
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