Berliner Synchron Wenzel Lüdecke

REPORT
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BERLINER KURIER, Sonnabend, 23. Januar 2016
Berliner Synchron Wenzel Lüdecke
Hierredetmanden
StarsnachdemMund
Dr. Dre, F. Gary Gray, Ice Cube (v.l.)
sprechen in „Straight Outta Compton“
L. A.-Slang auf Deutsch. „Frühstück
bei Tiffany“ mit Audrey Hepburn kommt
etwas zarter daher, Tom Cruise bei
„Mission Impossible“ (unten) markiger.
In Lankwitz lernte schon Darth Vader Deutsch – künftig werden die Stars aber in Schöneberg synchronisiert
Berlin – Markige Heldensprüche, Liebesschwüre, Todesschreie oder Intrigengeflüster: Was aus Hollywood,
Rom, Paris oder „Bollywood“
in Deutschland auf die Leinwand oder ins Fernsehen
kommt, muss vielfach nach
Lankwitz, damit die Filmfiguren Deutsch sprechen.
Doch damit ist bald Schluss:
Die „Berliner Synchron Wenzel Lüdecke“ wechselt 67
Jahre nach ihrer Gründung
den Standort.
Künftig wird der Weg der Filme
über Schöneberg führen: Die
Firma zieht Ende des Jahres
auf das EUREF-Gelände am
Gasometer.
Marcus Dröscher, Geschäftsführer der Berliner Synchron
GmbH und Vorstand der Muttergesellschaft CINEMEDIA
AG, begründet das mit Kosten:
„Es ging der Gesellschaft nicht
gut, 2012 wurde deshalb der
Stammsitz an der Mühlenstraße verkauft.“ Er sei zu groß und
teuer, außerdem unpraktisch,
weil er auf zwei Alt- und einen
Neubau verteilt ist.
Die neuen Studios werden
komplett digitalisiert arbeiten –
für die alten Film-Schneidetische in Lankwitz sucht Dröscher noch Interessenten.
Er erwartet, dass der neue
Sitz mit seiner modernen Ausstattung auch der stärkeren
Nachfrage gerecht wird – gerade bei TV-Serien. „Die Produktionszeiten werden immer kürzer.“ Eine Welle von Serienfolgen will deshalb bewältigt sein.
Über 8000 Filme und TV-Stücke hat die Berliner Synchron
seit ihrer Gründung für deutsche Ohren verständlich gemacht – anfangs als Monopolist
im Westen Deutschlands, weil
Briten und Amerikaner ihre Filme nur von der Firma des Gründers Wenzel Lüdecke (1917-
Wenzel Lüdecke, Gründer
des Studios,
auf einem undatierten Bild
mit US-Star
Danny Kaye.
Tonmeister Philipp
Schneider (30) ist am
Mischpult für den guten
Ton zuständig.
Synchronsprecher Frank
Schatt (50) wartet auf den
Einsatz – der Film muss
leider geheim bleiben.
1989) synchronisieren ließen.
Und so kommt eine lange Latte
von Film-Hits zusammen.
Sei es das Western-Drama
„High Noon“, das zu „Zwölf
Uhr mittags“ wurde, sei es das
Mafia-Epos „Der Pate“. Hitchcocks „Vögel“ mussten zwar
ebenso wenig deutsch kräch-
zen wie zuletzt die Dinosaurier
in „Jurassic World“ brüllen,
aber die Schauspieler mussten
Deutsch sprechen. Darth Vaders „Ich bin dein Vater“
stammt aus Lankwitz wie die
deutsche Synchronisation der
gesamten Star-Wars-Reihe.
Dazu kommen viele TV-Seri-
en: „Breaking Bad“ und „Bettrer Call Saul“, „Daredevil“ und
„Masters of Sex.“
Mit dem Umzug wird die Firma räumlich kleiner: Statt acht
nicht voll ausgelasteter Studios
wird es im Neubau am Gasometer nur noch fünf geben. Dröscher sagt aber: Personell wird
nicht abgebaut.
Es bleibe bei gut 60 Mitarbeitern, vorwiegend Tonmeister,
Cutter und Aufnahmeleiter, die
im Erdgeschoss und der ersten
Etage des gerade im Werden
begriffenen Neubaus tätig sein
werden.
Bis zu 3000 Synchronsprecher werden regelmäßig bei der
Berliner Synchron beschäftigt,
die um die 200 Filme und Serienfolgen im Jahr bewältigen.
Viele Sprechernamen rauschen in den Abspannen der
Filme durch – aber manchmal
sind bekannte Künstler dabei:
So lieh Otto Waalkes dem ulkigen Faultier Sid in der Ice-AgeReihe die Stimme.
Ehe es soweit ist, muss viel erledigt werden. Die Firma erhält
zunächst die Originalbilder und
das Skript, ein Übersetzer liefert eine Roh-Übertragung ins
Deutsche.
Natürlich für die auf den ersten Blick einleuchtenden FilmSprachen Englisch, Franzö-
sisch oder Italienisch,
sondern
auch Hindi aus
Indiens Bollywood-Filmen
macht
keine
Sorgen, und kürzlich musste ein
Übersetzer
für
Estnisch gefunden werden.
Nach der Roh-Übersetzung kommt der Synchronbuchautor ins Spiel. Er
schreibt einen lippensynchronen Text. Der wird in kurzen
Schnipseln, den „Takes“, von
den Sprechern aufgenommen,
die dabei vor der Leinwand stehen.
Außerdem muss das gesprochene Wort mit den Geräuschen abgestimmt und abgemischt werden. Je nach
„Sprachlastigkeit“ eines Films
dauert es drei bis vier Wochen,
bis er synchronisiert ist und in
die Kinos oder Fernsehsender
ausgeliefert werden kann.
Eine Arbeit, die den ausgebildeten Betriebswirt Marcus
Dröscher fasziniert: „Es ist ein
spannendes Traditionsunternehmen, dessen Produkte leben. Ich kann mit kreativen
Menschen zusammenarbeiten,
und wir machen hier keine
08/15-Sachen.“
Foto:s: Lebie, Berliner Synchron, Fox, UIP, UA, Paramount, Lucasfilm, Universal
Von
GERHARD LEHRKE
„Rey“ Daisy Ridley
verständigt sich im neuen
„Star Wars“-Streifen
ebenso auf Deutsch mit
dem Roboterchen BB-8
wie weiland Gary Cooper
mit Grace Kelly (oben).
Otto Waalkes
und Sid, das Faultier, das er
wunderbar sprechen ließ. Auch in Lankwitz
synchronisiert: Jenseits von Afrika mit Meryl Streep (l.)