Gesundheitspolitik Menschen auf der Flucht Weltweit gibt es über 51 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Folter und Vertreibung (Uno-Flüchtlingshilfe). Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat die erwarteten Zahlen für Zuwanderer nach Deutschland für dieses Jahr auf 800.000 korrigiert. Bevor die Zahlen des BAMF nach oben angepasst wurden, rechnete das DRK Sachsen mit 30.000 Zuwanderern im Freistaat. Aktuelle Prognosen gehen inzwischen von 40.700 Flüchtlingen nur in diesem Jahr aus. Es wird von der größten humanitären Herausforderung seit den Balkankriegen in den 90er-Jahren gesprochen. Bisher wurde im Freistaat Sachsen die Erstaufnahme der Flüchtlinge durch die Landesdirektion Sachsen in Chemnitz organisiert. Dort war die Aufnahmekapazität zunehmend er schöpft, sodass sich die Landesdirektion Sachsen kurzfristig entschied, Asylsuchende nach Dresden zu verlegen. Damit sollte vermieden werden, dass Hunderte Menschen in Chemnitz aufgrund fehlender Unterkünfte die Nächte im Freien verbringen müssen. Das Deutsche Rote Kreuz in Sachsen erhielt dabei von der Landesdirektion Sachsen den Auftrag, gemeinsam mit dem Technischen Hilfswerk ein provisorisches Camp für diese Asylsuchenden zu errichten, was durch die hohe Einsatzbereitschaft zahlreicher ehrenamtlicher Helfer innerhalb von 48 Stunden verwirklicht werden konnte. Erik Bodendieck informiert sich bei Frau Dr. Taché über die medizinische Versorgung der Flüchtlinge in Dresden. © DRK LV Sachsen e.V. kanstaaten. Darunter zahlreiche Familien mit Kindern ebenso wie allein geflüchtete Personen. Die medizinische Versorgung einer so großen Zahl an Flüchtlingen war jedoch ungeklärt. Vermutlich hatte weder die Landesdirektion Dresden noch das zuständige Ministerium eine Planung dafür vorgesehen. Nur die schnelle Reaktion vieler Freiwilliger hat hier bei Temperaturen von über 30 Grad im Dresdner Camp Schlimmeres verhindert. Inzwischen sichern rund 200 freiwillige Pflegekräfte, Hebammen, Medizinstudenten und Ärzte aus allen Dresdner Krankenhäusern sowie niedergelassene Ärzte die medizinische Versorgung ab. Täglich werden in der Sprechstunde ca. 60 – 90 Patienten jeden Alters behandelt. Für die Versorgung von Kindern stehen Pädiater und Kinderkrankenschwestern bereit, für Pro bleme während der Schwangerschaft Hebammen. Patienten in kritischem Zustand und solche, die erweiterter Diagnostik bedürfen (wie Blutentnahmen, Bildgebung), werden zu umliegenden Arztpraxen überwiesen oder in Krankenhäuser eingewiesen. Sprachliche Barrieren werden durch den koordinierten Einsatz von ehren- und hauptamtlichen Dolmetschern verringert. Die Patienten weisen eine Bandbreite an verschiedenen akuten Problemen auf. Dazu gehören diverse akute Gelenkbeschwerden aufgrund monatelangen Durchmarschierens auf der Flucht, Kriegsverletzungen, Traumata sowie Infektionen jeder Art (obere Atemwege, HNO-Bereich, Haut, Blasenentzündungen etc.) und Bereits am 24. Juli 2015 erreichten die ersten Flüchtlinge Dresden. Zwei Tage später war das Camp auf der Bremer Straße mit über 800 Personen gefüllt. Innerhalb kurzer Zeit war auch die Kapazität dieses Camps erschöpft, sodass am 6. August eine weitere Unterkunft für 600 Asylsuchende in den Sportstätten der TU Dresden eröffnet werde musste. In den beiden Dresdner Flüchtlingsunterkünften befinden sich hauptsächlich Asylsuchende aus Syrien, Afghanistan, Pakistan sowie aus den BalÄrzteblatt Sachsen 9 / 2015 365 Gesundheitspolitik akute Verschlechterungen chronischer Erkrankungen. Es traten auch Fälle von Scabies („Krätze“) auf. Hier wurde in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt ein Hygieneplan aufgestellt. Die Fallzahlen sind stabil und erfüllen nicht die Kriterien einer Epidemie. Es gab bisher keinen Fall einer offenen Tuberkulose-Erkrankung. Grundsätzlich besteht derzeit keine Ansteckungsgefahr für Dresdner Bürger! Das Genfer Ärztegelöbnis ist nach dem Hippokratischen Eid das neuver- Asylsuchende in der Erstaufnahmeeinrichtung in Dresden fasste Gelöbnis für die ärztliche Ethik. Es wurde vom Weltärztebund ver- Für die medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Sachsen besteht fasst und lautet unter anderem wie folgt (Auszug): „Bei meiner Auf- weiter dringender Handlungsbedarf: nahme in den ärztlichen Berufsstand 1. Vordringlich ist der Aufbau einer gelobe ich feierlich mein Leben in koordinierten, zentralisierten und den Dienst der Menschlichkeit zu langfristig etablierten Struktur, stellen. Die Gesundheit meines Patium eine Sicherstellung der medienten soll oberstes Gebot meines zinischen Versorgung der täglich Handelns sein. Ich werde mich in eintreffenden Flüchtlinge nicht meinen ärztlichen Pflichten meinem nur in Dresden zu gewährleisten. Patienten gegenüber nicht beeinflus- 2.Damit eine strukturierte und effiziente Kommunikation und Koorsen lassen durch Alter, Krankheit dination möglich wird, muss ein oder Behinderung, Konfession, ethSteuerungsgremium mit Vertrenische Herkunft, Geschlecht, Staatstern des Landes, der Stadt, der angehörigkeit, politische ZugehörigKassenärztlichen Vereinigung, der keit, Rasse, sexuelle Orientierung Krankenkassen, der Sächsischen oder soziale Stellung. Ich werde Landesärztekammer, des DRK und jedem Menschenleben von seinem ungebundenen Helfern impleBeginn an Ehrfurcht entgegenbrinmentiert werden. gen und selbst unter Bedrohung meine ärztliche Kunst nicht in Wider- 3.Und es muss grundsätzlich eine Klärung der langfristigen medizispruch zu den Geboten der Menschnischen Versorgung von Flüchtlinlichkeit anwenden. Dies alles vergen und Asylbewerbern in Sachspreche ich feierlich und frei auf sen erfolgen. meine Ehre. (…)“ Nach diesem Gelöbnis sollte die ärztUmfangreiche Informationen zur liche Hilfe für Flüchtlinge gerade in Deutschland eine Selbstverständlich- „Medizinischen Versorgung von Asylkeit sein. Ein Urteil über die Recht- suchenden“ finden Sie unter www. slaek.de mäßigkeit seines Aufenthaltes kann und sollte dabei nicht von Ärzten Uta Katharina Schmidt-Göhrich getroffen werden. Dies obliegt den Allgemeinmedizinerin und Vorsitzende der zuständigen Behörden. Kreisärztekammer Dresden Kollegen aus dem niedergelassenen Bereich, die Englisch, Arabisch, etc. sprechen und Flüchtlinge daher besonders gut behandeln können, möchten sich unter der E-Mail: [email protected] mit ihren jeweiligen Sprachkenntnissen melden. Die Sächsische Landesärtzekammer wird die Kontaktdaten weitergeben. 366 © DRK LV Sachsen e.V. Ärzteblatt Sachsen 9 / 2015
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