Fotografieren leicht gemacht Lernheft 33 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi Inhaltsverzeichnis: 33.1 Einleitung ............................................................................................... 2 33.2 33.2.1 33.2.2 33.2.3 33.2.4 33.2.5 33.2.6 33.2.7 Die Vorteile als Foto-Profi...................................................................... Finanzen ................................................................................................ Befugnisse ............................................................................................. Aufgaben ............................................................................................... Ansehen................................................................................................. Selbstbewusstsein ................................................................................. Hobby zum Beruf ................................................................................... Berufsverband ....................................................................................... 2 3 3 3 4 5 5 5 33.3 33.3.1 33.3.2 33.3.3 33.3.4 33.3.5 33.3.6 33.3.7 33.3.8 Die Nachteile als Foto-Profi ................................................................... Permanente Kunden-Akquise................................................................ Gängelung beim Auftrag........................................................................ Monotonie .............................................................................................. Künstler?................................................................................................ Investitionen........................................................................................... Kenntniserweiterung .............................................................................. Beschränkung auf einen Bereich .......................................................... Panik! ..................................................................................................... 6 6 7 7 8 9 9 9 10 33.4 33.4.1 33.4.2 33.4.3 33.4.4 33.4.5 Die Vorteile als Amateur ........................................................................ Lust und Laune ...................................................................................... Themenvielfalt ....................................................................................... Anerkennung und Selbstbewusstsein ................................................... Investitionen........................................................................................... Fehler ..................................................................................................... 11 11 12 12 12 13 33.5 Selbstlernaufgabe .................................................................................. 13 33.6 Zusammenfassung ................................................................................ 13 33.7 Hausaufgabe ......................................................................................... 14 33.8 Lösung zu der Selbstlernaufgabe .......................................................... 14 © Copyright Laudius GmbH DE-1085-00-00 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.1 Lernheft 33 Einleitung Wie in vielen handwerklichen-gestalterischen Berufen ist es möglich sich auch als Amateur und interessierter Laie die Kenntnisse anzueignen, die ein professioneller Handwerker besitzt. Als Autodidakt, durch Bücher oder durch ein Fernstudium mit praktischen Aufgaben kann man die Grundbegriffe und Techniken erlernen. Gerade in der Fotografie ist die Möglichkeit professionell zu arbeiten jedem gegeben, der mit Fleiß und Interesse sich dem Medium und seinen Bedingungen widmen will. Wo liegen nun die Vorteile und wo die Nachteile, was macht den Unterschied zwischen einem engagierten Hobby-Fotografen und dem professionell arbeitenden Fotografen aus? Eine genauere Beschreibung des Berufsbildes Fotograf wurde schon in Lernheft 12 gegeben. Lernziele: – Was kann nur der Profi, was ist sein Vorteil? – Was kann nur der Amateur, wo liegen seine Vorteile? Erklärung der Symbole Selbstlernaufgaben Hausaufgabe Zusammenfassung Hinweise/Tipps Lösungen zu den Selbstlernaufgaben Notizen Anhang 33.2 Die Vorteile als Foto-Profi Der Berufs-Fotograf arbeitet meistens selbstständig für Verlage, Industrie oder auch private Personen. Festangestellte Fotografen in Verlagen oder Firmen sind sehr selten. Der Bereich der Fotografie umfasst jedoch sämtliche Bereiche des Lebens und der Wirtschaft, beispielsweise die Modefotografie, Werbefotografie, Porträtfotografie oder als Begleiter von Journalisten. Alle im Folgenden beschrieben Vor- und Nachteile gelten sicher nicht immer und überall für den ganzen Berufsstand, sind aber das Ergebnis der Erfahrungen einer langen Berufskarriere des Autors. In Einzelfällen oder unter bestimmten Berücksichtigungen kann man auch ganz andere Erlebnisse machen, ein Tierfotograf wird sein Berufsfeld anders wahrnehmen als ein Modefotograf, ein künstlerisch arbeitender Fotograf anders als ein Fotoreporter. 2 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.2.1 Lernheft 33 Finanzen Irgendwann wird aus dem Amateur allein schon durch das Bezahlen seiner Fotos ein kommerziell arbeitender Profi-Fotograf. Ein erster Auftrag, eine erste Rechnung und man erlebt Fotografie anders. Der Kunde ist zufrieden und vermittelt andere Kunden, eine Agentur schaltet sich dazwischen und man wird „gebucht“, für einen Tag, für mehrere Tage. Und man verdient in diesen Tagen viel Geld, so dass wenige gute Fototermine im Monat schon ausreichen, um die Wohnung, das Studio und sein Leben zu bezahlen. Die gelieferte Leistung wird angenehm bezahlt, und ein Aspekt zum Beispiel in der Mode- und Werbefotografiebranche ist der, dass, je höher das Honorar ist, desto toller und wichtiger wird man dort angesehen. Der Geldbetrag, der bezahlt wird, macht nicht nur den Fotografen glücklich, sondern auch den Auftraggeber, da er sich einen solchen Künstler leisten kann. Die Bezahlung in der Fotografie ist eine Mischung aus Entgelt für handwerkliche Arbeit, als Belohnung für kreative Leistung und als Gegenwert für gesellschaftliche Einschätzung. Dabei ist aber die Aufteilung in den meisten Fällen nicht gleichmäßig, sondern eher mit einer Gewichtung auf dem letzten Punkt. 33.2.2 Befugnisse Als Foto-Reporter/in und Journalist/in sollte man einen Presseausweis besitzen, das ermöglicht ihm/ihr, Veranstaltungen oder Messen zu besuchen. Den Ausweis kann man u. a. über die Gewerkschaft Ver.di oder über die Deutsche Journalisten Union beantragen, wenn man nachweisen kann, dass das Haupteinkommen über journalistische Aktivitäten erzielt wird. In den meisten Fällen muss man sich vor dem Besuch der gewünschten Veranstaltung akkreditieren und erklären, welchen Auftrag man hat oder was man fotografieren möchte. Es gibt aber auch Termine, die extra für die Presse gemacht werden, um es den Reportern zu ermöglichen, ungestört und frei zu arbeiten. Zusätzlich wird ein Platz oder Zutritt genehmigt, der dem „normalen“ Besucher verwehrt bleibt. Man erhält Einladungen und Vergünstigungen, Rabatte oder Extras, Pressevertreter werden manchmal hofiert, um ein Produkt oder eine Idee zu bewerben. Es ist angenehm, im Interesse zu stehen, man kann Wünsche äußern und ist bei den Ersten, die fotografieren oder über etwas berichten. 33.2.3 Aufgaben Ein unschlagbarer Vorteil als professioneller Fotograf ist der interessante Auftrag, die ungewöhnliche Arbeitssituation. Zum Beispiel: das Dokumentieren einer Baustelle im 20. Stock eines Wolkenkratzers, die Reportage über einen Bergmann unter Tage im Ruhrgebiet, die Portraitaufnahme einer bekannten Persönlichkeit, die Tieraufnahme im Zirkus. Als Fotograf kommt man auf diese Weise ganz exklusiv mit Situationen in Berührung, die allein schon ein eindrucksvolles Abenteuer sind, aber durch das Fotografieren zu einem unwiederbringlichen Erlebnis werden. 3 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi Lernheft 33 Im Zusammenspiel zwischen Szene und Fotograf ergeben sich Erfahrungen und Geschehnisse, die einmalig sein können. Abb. 1: Eine Fotografie von Igor Strawinsky, aufgenommen von Arnold Newman im Museum Louisiana in Kopenhagen, Dänemark Hier bestätigt sich der Begriff: Traumberuf, in einem Arbeitsfeld, das losgelöst vom typischen Alltag der „anderen“ zu jedem Fototermin immer etwas Neues, manchmal etwas Einmaliges und in Einzelfällen auch etwas Aufregendes bereithält. Man erweitert seinen Horizont, man sammelt Erfahrungen, die vielen verwehrt sind. 33.2.4 Ansehen Der Fotograf/die Fotografin wird inzwischen allgemein als künstlerisch tätiger Mensch angesehen und genießt daher ein positives Prestige. Durch Veröffentlichungen und Ausstellungen sind seine/ihre Arbeiten und damit auch sein/ihr Name einigen bekannt, es besteht Interesse an seiner/ihrer Arbeit. Man bewundert den Mut zur Selbständigkeit, die Vitalität der Kreativität und Ideenvielfalt und die Lust an der Rolle des öffentlichen Künstlers. In einer Art Stellvertreterfunktion übernimmt der Fotograf diese wichtige Position von öffentlich gemachtem Kulturschaffen und erfüllt damit eine entscheidende Aufgabe in einer Gesellschaft. Der Fotograf/Künstler ist ein unverzichtbares Mitglied unserer sozialen Gemeinschaft. 4 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.2.5 Lernheft 33 Selbstbewusstsein Daraus kann sich auch das passende Selbstbewusstsein entwickeln. Der Beruf birgt ein gewisses Risiko, was finanzielle und kreative Möglichkeiten angeht. Ist man erfolgreich, darf man sich auf die Schulter klopfen und Stolz empfinden. Oder die Arbeiten, die Fotografien, bleiben im Idealfall auch über den aktuellen Moment hinaus bekannt. Sie werden weiterhin veröffentlicht, in Magazinen gedruckt und es werden Bücher mit Ihren Arbeiten publiziert, Ihre Bilder bleiben auch über Ihren Tod hinaus bestehen. Das befriedigt die Seele und stärkt das Selbst. 33.2.6 Hobby zum Beruf Fotografie, und das ist nicht für alle handwerklichen Berufe zutreffend, kann von jedem ausgeübt werden. Man startet als neugieriger Anfänger, der seine einfache Kompaktkamera ausprobieren möchte. Man entwickelt sich weiter als engagierter Amateur (lat.: amare: lieben) und später verdient man sein Geld als versierter Berufsfotograf mit hochkompliziertem Handwerkszeug. Zur klassischen Laufbahn gehört die Lehre und die Berufsschule oder ein Studium der Fotografie an einer Hochschule. Doch auch für Neben-Einsteiger und Autodidakten ist das Arbeiten als Fotograf aussichtsreich (auch wenn man sich dann nicht Fotograf nennen darf, sondern Fotodesigner!). Und selbst in vielen weiteren Berufsfeldern ist Fotografie präsent: in der Medizin, in der Bautechnik, in der Archäologie und in einigen anderen Wissenschaften. Fotografie ist überall zu finden. So kann aus dem eigenen Berufsumfeld heraus und natürlich auch auf privater Ebene das Interesse zu Fotografie ausgebaut und gesteigert werden. So ist es möglich, dass über die „Liebe“ zum Fotografieren das Interesse am Medium so weit erfolgreich intensiviert wird, dass das Hobby zum Beruf wird. Das haben viele Fotografen so erlebt und auch gemacht. Die berufliche Tätigkeit wird hier eben nicht als Stress, Arbeit oder wesensfremde Last empfunden, sondern als Auseinandersetzung mit dem, was man leidenschaftlich betreiben möchte! Im Idealfall ist jeder Auftrag eine willkommene Abwechslung, eine spannende Vertiefung oder eine reizvolle Herausforderung. 33.2.7 Berufsverband Als Fotograf kann man Mitglied in verschiedenen Verbänden werden, die Weiterbildung anbieten, Kontakte vermitteln und die Interessen des Einzelnen vertreten. Hier ist man als selbständiger, allein „kämpfender“ Fotograf in einer großen Gemeinschaft aufgehoben. Man unterstützt sich in rechtlichen Fragen, man informiert sich über technische und künstlerische Entwicklungen und man tauscht sich über die neuesten Fakten aus. Beim BFF (Bund freischaffender Fotodesigner), in der Gewerkschaft Ver.di und anderen Journalisten-Vereinigungen kann man einfach Mitglied werden. Bei der DFA (Deutsche fotografische Akademie) und bei der DGPh (Deutsche Gesellschaft für Photographie) muss man berufen werden und ein gesichertes Werk präsentieren können oder sonstige Erfolge mit Fotografie. 5 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi Abb. 2: 33.3 Lernheft 33 Unblutiger Stierkampf, Fotografien als Dekoration in einer Stierkampf-Arena in Alcudia auf Mallorca, Spanien Die Nachteile als Foto-Profi Doch leider sieht die Foto-Welt nicht immer so rosig aus, der Alltag und die Problemstellungen können einen zweifeln lassen. 33.3.1 Permanente Kunden-Akquise Mal läuft es prima, man hat genug zu tun, Kunden vergeben Auftrag nach Auftrag, doch dann hat der Sachbearbeiter gewechselt und schon ist man einen guten Kunden los. Oder die Agentur hat zu hoch gepokert und ist nun pleite, die bisher vermittelten Aufträge gehen jetzt woandershin. Die Redaktion einer Zeitschrift verlegt ihr Büro in eine andere Stadt, nun wird dort ein Kollege beauftragt. Das Gros der Fotografen steht nicht im Rampenlicht und muss Tag für Tag seine Dienste immer wieder neu anbieten: in Fotoadressenlisten, mit Werbeaktionen und dem Schalten von Anzeigen, durch persönliches Vorstellen bei Redaktionen oder Werbeagenturen versucht der Fotograf sein Glück. Dabei muss er immer bereit sein, immer eine gut fotografierte Mappe präsentieren können und professionell auf die Aufträge, so ungewöhnlich sie auch sein mögen, reagieren. Natürlich kann man sich mit genauer, spannender und guter Fotografie einen Namen machen, der Ruhm ist aber vergänglich. Das Konto muss immer neu gefüllt werden und Fehler sind nicht erlaubt. Denn, auch wenn Sie die Arbeit verbessern, das Vertrauen in Ihre Qualitäten kann getrübt sein. Mal investiert Ihr Kunde in neue Werbemaßnahmen, dann werden Sie in Zeiten der Rezession gut verdienen. Mal kürzt Ihr Kunde genau deshalb seine Ausgaben und Sie sitzen auf dem Trockenen. Ein Sich-Verlassen auf Umsatz und Gewinn ist nur schwer möglich, das Leben als Selbständiger ist mühsam, hart und nicht immer trotz erheblicher Anstrengungen erfolgreich. Und das alles hat mit Ihrer Fähigkeiten als Fotograf nichts zu tun! 6 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.3.2 Lernheft 33 Gängelung beim Auftrag Das Telefon hat nach einer langen Durststrecke mal wieder geklingelt, Sie sollen alle Mitarbeiter eines Verwaltungsbetriebes einmal porträtieren. Sie machen ein Angebot und stellen Ihre Bedingungen. Doch dieser neue Kunde will aber einen um 25 % geringeren Preis pro Foto zahlen und dazu noch alle Rechte am Bild erwerben. Er berichtet von einem Bekannten, der würde „hobbymäßig“ fotografieren und der fände den angebotenen Preis auch zu hoch. Der „Bekannte“ verdient sein Geld mit einer Festanstellung als Chemielaborant und wäre natürlich mit einer geringeren Bezahlung zufrieden. Und seine Beurteilung, was teuer und was preiswürdig ist, fußt auf seinen geringen Kenntnissen der Fotoszene. Jetzt muss man entscheiden, ob man den Auftrag annimmt, damit aber für die Zukunft sein Preisniveau senkt oder ob man ablehnt und einen eventuellen Kunden nie wieder sieht? Eine Möglichkeit, ohne das Gesicht zu verlieren, mit dem Kunden zu verhandeln, ist, ihm einen Rabatt für diesen ersten Auftrag als Kennenlern-Angebot einzuräumen und dann, wenn er zufrieden einen neuen Auftrag starten will, den vollen Preis zu veranschlagen. Sollte der Auftrag ohne Probleme gestartet sein, erfährt man zwischendurch, dass das männliche Modell doch weiblich sein soll, oder dass als Dekoration kein Rotwein, sondern Sekt gewünscht ist. Später schaut man in den Firmen-Prospekt, für den die Fotografien waren, und entdeckt, dass der Sekt raus retuschiert wurde und ein Glas Rotwein im Bild steht. Man hatte gehofft, mit dem gut arrangierten Foto die eigene Mappe zu bestücken (der Name des Fotografen, also Ihr Name, steht unter dem Bild), doch die Künste des Retuscheurs waren nicht so toll und das Bild wirkt stümperhaft. 33.3.3 Monotonie Eine Firma ruft an und möchte Autoanlasser fotografieren lassen, 1000 verschiedene Exemplare, vor Ort und auf weißem Untergrund. Ihre Vorstellung von Fotografie hat etwas zu tun mit: Gestaltung, Bildidee und Konzepten. Nimmt man einen Auftrag an, der einschläfernd, langweilig und absolut gleichförmig ist? Ist das Honorar ein Schmerzensgeld? Trotzdem darf man nicht die Konzentration verlieren und immer die richtige Seite des Anlassers in die Kamera drehen und die Bezeichnung exakt in einer Fotoliste notieren. Der Erfahrungswert meines Alltags als kommerziell arbeitender Fotograf sind: 10 % reizvolle und interessante Aufträge, 80 % reizlose und monotone Routine und 10 % stressige und nervende Ärgernisse. Lohnt sich ein Arbeitsleben mit 90 % unbefriedigenden Arbeiten? (Mein Kommentar: JA!) 7 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi Abb. 3: 33.3.4 Lernheft 33 Gruppenaufnahme (um 1920) einer Dorfgemeinschaft in einer Gaststätte in S´Arracó auf Mallorca, Spanien Künstler? Auf einer Party stehen Sie mit anderen zusammen und unterhalten sich. Es geht ums Aufstehen, und man fragt Sie nach Ihrem Beruf. Ja, stöhnen die anderen, die „Künstler“ schlafen bis mittags und drücken ein paar Mal auf den Auslöser und schon ist das Geld im Kasten. Sie versuchen von Ihrem letzten Auftrag zu erzählen, als Sie für das örtliche Krankenhaus morgens um fünf die Frühschicht der Krankenschwestern begleitet haben. Ach so, Krankenschwestern?, fragt einer in der Runde, hatten die den noch was an? Jeder Versuch seriös zu argumentieren wird müde belächelt. Sie gelten hier als der lustige Künstler, eher ein lustiger Clown als ein ernsthafter Handwerker. Und natürlich fällt auch noch das Argument, dass schließlich jeder fotografieren könne und letztendlich der Preis der Kamera doch das Bild ausmacht. Im Grunde hat keiner eine Ahnung vom Beruf des Fotografen und nach einer gewissen Zeit kennen Sie alle Vorurteile und Fehleinschätzungen. 8 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.3.5 Lernheft 33 Investitionen Für einen Porträttermin haben Sie Hintergrundkarton, Stative, Lampen und Ihre Kamera in den vierten Stock eines Unternehmens getragen. Hier sollen die Mitarbeiter für eine Firmenzeitung nacheinander fotografiert werden. Alles klappt, bis der Abteilungsleiter, ein „Fotofreund“, Sie nach Ihrer Kamera befragt. Er hätte ja eine „hyper-super-teure Cakon“ mit einem „notwendigen-tollen-dreifach-vergüteten Objektiv von 18 bis 200 mm“ und eine „8 Gigabyte-Speicherkarte aus Japan“. Und warum Sie diese Kamera, die ja ein „extra-wichtiges-Profi-Modell“ ist, nicht haben? Das wurmt, denn Ihre Investitionen in neue Software, in Equipment und neue Blitzlampen ist eine dauernde Aufgabe und wegen der ständigen Weiterentwicklungen auf diesem Feld ein Sie immer begleitender Kostenfaktor. Und der muss getätigt werden, ob Sie nun gut verdienen oder nicht. Der Kunde erwartet immer die bestmöglichen Ergebnisse, technisch wie gestalterisch. Und der „Fotofreund“ hat seine Kamera nicht zum Fotografieren sondern zum Angeben. 33.3.6 Kenntniserweiterung Und nicht nur in Ausrüstungen müssen Sie investieren, neue Motivideen, neue Fototechniken und neue Bilder wollen Sie bei den Kunden zur Akquise präsentieren. Mit einem Einsatz von Zeit, Energien und Aufwand entwickeln Sie Ihre frischen Fotografien. Sie sollten Ausstellungen besuchen, Kollegen treffen und in Seminaren neue Moden von unnötigem Firlefanz unterscheiden lernen. Fotografie bedeutet permanente Bewegung, kein Stillstand, kein Ausruhen auf den alten Bildern. Gerade Fotografie baut nicht auf Erfahrung und Wissen, sondern auf immer neuen zeitaktuellen Ideen und Visionen. Und die müssen erforscht, erarbeitet und umgesetzt werden können. Dieser Zwang, immer technisch und gestalterisch auf der Höhe zu sein, zermürbt und unterstützt in den seltensten Fällen Ihre Energien und Kreativität. 33.3.7 Beschränkung auf einen Bereich Die meisten Fotografen haben sich einen Bereich der Fotografie als Schwerpunkt ausgesucht. Architektur, Theaterfotografie, Mode oder Werbung, Reportage, Hochzeit und Gesellschaftsfotografie, Kunst oder Dokumentation und Reproduktion, alle Gebiete verlangen eine eigene Auseinandersetzung mit dem Medium. Durch diese Spezialisierung garantiert man dem Kunden besondere Kenntnisse und erfolgreiche Umsetzung des Auftrags. Denn das ist das Wichtigste, die Bilder müssen termingerecht in einem akzeptablen Qualitätsmaßstab fertig sein. Ein besseres Bild zum einem späteren Termin ist „verlorene Liebesmüh“! Daraus ergibt sich eine gewisse Enge der Auftragslage, der Werbefotograf wird immer im übertrieben beschönigenden Stil Produkte fotografieren, der Reprofotograf immer wieder Gemälde und Grafiken dokumentieren. Ein Tausch der Bereiche, ein Überschreiten der abgesteckten Grenzen macht für beide Seiten keinen Sinn, der mögliche Gewinn könnte eher in einer inhaltlichen Auseinandersetzung liegen (daran ist keiner interessiert) und sicher nicht in Präzision und Abwicklung des Auftrags. Also arbeitet jeder auf seinem Gebiet und erweitert kaum den eigenen Horizont. 9 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.3.8 Lernheft 33 Panik! Heute besitzt der Ablauf eines Fototermins eine beruhigende Komponente. Mittels der digitalen Technik ist ein Ergebnis sofort nach der Aufnahme zu erkennen. Diese Kontrolle gibt dem Kunden und dem Fotografen die Sicherheit und er kann ohne weitere Maßnahmen seine Arbeit fortsetzen. Doch trotzdem können sich bis zur Abgabe der Bilder Fehler und Defekte einstellen. Der Akku in der Kamera macht ausgerechnet jetzt schlapp, der Chip kann später nicht gelesen werden, der Autofokus war falsch eingestellt, die Daten gingen bei der Übertragung verloren, der Computer ist zum falschen Moment abgestürzt und die Vergrößerungen haben einen Farbstich. Der Abgabetermin wurde vorverlegt, der Kunde will noch eine Bildmontage und erwartet von Ihnen alle Bilder auf einem anderen neuen Datenträger, die von Ihnen gelieferte CD kann nicht gelesen werden. Die Rechnung wird erst nach zwei Wochen reklamiert, weil die Anschrift Ihnen falsch übermittelt wurde, der Kunde möchte in zwei Raten zahlen und überweist dann erst an einen Kollegen mit dem gleichen Nachnamen wie Sie im Nachbarort. Entspannen werden Sie sich erst können, wenn das Geld der Rechnung tatsächlich auf Ihrem Konto gelandet ist. Alle die hier beschriebenen Beispiele sind nicht Märchen oder Horrorszenarien, nein, der Autor hat alle selbst erlebt! Abb. 4: Vervielfältigte Sehenswürdigkeit, „Kleine Meerjungfrau“ in Kopenhagen, Dänemark 10 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.4 Lernheft 33 Die Vorteile als Amateur Alle in diesem Lernheft eingefügten Abbildungen sind aus Lust und Laune, aus Begeisterung für die Fotografie entstanden. Als Liebhaber-Fotograf entdeckt man lustige, ungewöhnliche oder „schräge“ Verwendungen von Fotografie, und dann spürt man den Drang, genau dieses Bild festzuhalten. Dieser nur vom sinnlichen, visuellen und spontanen Eindruck getragener Impuls ist typisch für den wahren Amateur. 33.4.1 Lust und Laune Die Sonne scheint, das Wetter ist angenehm, man hat Zeit für einen kleinen Spaziergang um den Block. Eine Kamera ist griffbereit umgehangen. Nun entscheidet das Auge, wann und wo fotografiert wird. Wenn das Licht nicht stimmt, wenn eine neue Baustelle die Szene beeinträchtigt, dann läßt man die Kamera weiter hängen und geht seiner Wege. Kein fest definierter und terminierter Auftrag fordert Sie auf, zu fotografieren, kein Geschäfts-Druck bedrängt Sie, mit neuen Bildern zu glänzen. Sie allein bestimmen und haben die Freiheit, dann zu gestalten, das Gesehene festzuhalten oder einfach etwas auszuprobieren, wenn Sie es wollen. Von dem bekannten Fotografen Robert Häusser ist eine kleine Geschichte aus dem Jahre 1970 bekannt. Häusser hatte den Auftrag auf dem Hockenheimring zu fotografieren. Ein Formel-Eins-Rennen sollte stattfinden und ein Verlag plante, mit diesem seltenen Ereignis einen Fotokalender zu gestalten. Robert Häusser reiste an, ging herum und entdeckte einen Rennwagen, der noch komplett verpackt unter einer Plane abseits stand. Der nur in Konturen angedeutete Rennwagen bildete mit der gepflasterten großen Fläche um ihn herum eine skurrile Szene. Er machte eine Aufnahme und stellte dann überrascht fest, dass ihm jegliche Lust auf quirlige Rennatmosphäre, röhrende Motoren, hektische Mechaniker und konzentrierte Rennfahrer abhanden gekommen war. Er konnte und wollte einfach nicht weiter fotografieren. Er verließ die Rennstrecke und war mit seinem einen Foto glücklich und zufrieden. Diese Verwegenheit, sich vor Ort anders zu entscheiden – er hatte den Auftrag ja angenommen – ist sicher nur einem renommierten und angesehenen Fotografen möglich, ein ganz normaler Berufsfotograf hätte sich das nicht erlauben können. Die Haltung von Robert Häusser entspricht genau der Haltung eines Amateurs, jemand, der dem Medium Fotografie emotional verbunden ist. Er hat die einmalige und unwiederbringliche Chance genutzt und das Foto gemacht, welches alle seine Ideen, Visionen und Gefühle perfekt vereint. 11 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.4.2 Lernheft 33 Themenvielfalt Die Motivvielfalt der Fotografie ist grenzenlos, die Möglichkeit einer Spezialisierung auf einen einzelnen Bereich scheint erst einmal sinnvoll. Dennoch steht es Ihnen frei, Ihr Lieblingsthema zu wechseln. Gerade wenn Sie in einem Gebiet sich sicher und gefestigt fühlen, macht es Spaß, einmal andere Themen zu fotografieren. Ein professioneller Fotograf wird oft nur für eine Anwendung gebucht, ein ArchitekturFotograf bleibt bei diesem Thema, einen Gesellschaftsreporter würde man nicht für einen Architektur-Auftrag fragen. Dieser Eingrenzung müssen Sie nicht folgen, Ihr Variieren aber sollte bewusst und konzentriert sein. 33.4.3 Anerkennung und Selbstbewusstsein In Ihrem Bekanntenkreis sind Sie als Hobby-Fotograf bekannt, man kennt Ihre engagierte Leidenschaft, weiß um Ihre Kenntnisse und fragt Sie bei Kamerakäufen oder anderen Fotofragen. Doch die Wertschätzung, die Sie erfahren, wenn einmal ein Bild in der Tagespresse veröffentlicht wird, wenn Sie eine Ausstellung machen oder wenn Sie sogar einen kleinen Katalog herausgeben können, die ist ungleich größer. Anderen zu beweisen, dass man nicht nur seine tägliche Arbeit ordnungsgemäß macht, sondern auch noch andere Qualitäten besitzt, macht Spaß. Mit fotografischen Kenntnissen glänzen, mit neuen Fähigkeiten überraschen und mit interessanten Bildern überzeugen ist ein leicht zu genießender Aspekt als Foto-Amateurs. Gerade im Austausch mit anderen können Sie Ihre Qualitäten beweisen und sich selbstbewusst zurücklehnen. 33.4.4 Investitionen Ihr Budget erlaubt Ihnen, einen gewissen Betrag zur freien Verfügung zu nutzen. Entweder kaufen Sie dann das neue Objektiv, das Sie ins Auge gefasst hatten, oder Sie sind mit dem bisherigen zufrieden und machen stattdessen eine kleine Reise. Sie sind interessiert an Makrofotografie und benötigen nun eine bestimmte Lampe, die der Berufsfotograf dringend empfiehlt? Es besteht keine Pflicht, kein Druck, keine Aufforderung, diese Lampe tatsächlich zu kaufen, vielleicht erreichen Sie ja nach einigen Versuchen sogar bessere Ergebnisse als mit einer professionellen Lampe. Ihre Konstruktion mag provisorisch oder amateurhaft aussehen, aber auch hier zählt nur das Bildergebnis. 12 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.4.5 Lernheft 33 Fehler Und zu guter Letzt: Ein Fehler ruiniert nicht die Karriere, ein Fehler macht sich nicht finanziell bemerkbar, ein Fehler muss nicht unbedingt vermieden werden. Nein, ganz im Gegenteil. Sie können den Fehler provozieren, Sie können experimentieren und ganz bewusst einmal alles falsch machen, um dann zu entdecken, wie sich das auf das Bild, die Gestaltung auswirkt. Der amerikanische Managementberater Laurence Johnston Peter (1919 – 1990) befand: „Fehler vermeidet man, indem man Erfahrung sammelt. Erfahrung sammelt man, indem man Fehler macht.” Und Ulrich Tukur (*1957), ein Bühnen- u. Filmschauspieler sagt: „Man kann nicht aus den Fehlern lernen, die andere begangen haben.” In diesem Sinne lassen Sie sich treiben, probieren Sie Ihre Kamera und Ihre Visionen aus, ohne Rücksicht auf Verluste. Sichern Sie sich den unschätzbaren Vorteil, völlig frei und ungezwungen fotografieren zu können. 33.5 Selbstlernaufgabe Öffnen Sie eine Schublade in einer Kommode oder eines Schrankes in Ihrer Wohnung und machen Sie ein Foto vom Inhalt, akzeptieren Sie die vorhandene Unordnung. Das Motiv hat sich selbst gestaltet und Sie dokumentieren. 33.6 Zusammenfassung Wenn Sie die Fotografie zu Ihrem Beruf machen möchten, müssen Sie sich auf Bedingungen einlassen, die oft schwierig und mühsam sind. Ungenau formulierte Aufträge, ungeduldige und unzufriedene Kunden, behindernde Arbeitsbedingungen und schlechte Zahlungsmoral begleiten das Fotografieren. Doch manchmal wird man mit ungewöhnlichen Erlebnissen und unglaublichen Abenteuern überrascht. Und dafür lohnt es sich, die Fotografie zum Beruf gemacht zu haben. Doch wenn Ihnen das Risiko zu groß ist, wenn Ihnen der Spaß wichtiger ist und die absolute Unbedingtheit fehlt, dann haben Sie das schönste Hobby der Welt! Der Profi-Kommentar: In Deutschland verlassen jedes Jahr an ungefähr 30 Hochschulen jeweils 10 bis 20 Studenten die Studiengänge Kommunikationsdesign, Gestaltung und Fotografie und drängen auf den Arbeitsmarkt. Es gibt über 2000 Ausbildungsplätze für Fotografie-Lehrlinge, dazu bilden sich ungezählte engagierte Amateure autodidaktisch in Fotografie aus. Sie sehen, es wird immer schon einer da sein, der auch fotografieren kann. Dennoch besteht die große Chance, mit Fotografie glücklich zu werden, entweder als ehrgeiziger Berufsfotograf oder als fleißiger Amateur-Fotograf. 13 Meine Vorteile als Amateur – meine Vorteile als Profi 33.7 Lernheft 33 Hausaufgabe Versuchen Sie einmal ein Bild zu machen, das nach den herkömmlichen Regeln der Fotografie falsch und unpassend wäre, mit einer nicht passenden Einstellung für das Motiv: Innenraum. Stellen Sie mit der Einstellung: manuell ein lange Belichtungszeit und eine kleine Blendenöffnung ein. Dann halten Sie die Kamera abends auf eine Lampe in Ihrer Wohnung und bewegen die Kamera auf und ab, schwenken oder drehen Sie sie. Das Ergebnis ist ein so genanntes: Luminogramm, eine Lichtspur der Leuchte vor dunklem Grund. Viel Erfolg! 33.8 Lösung zu der Selbstlernaufgabe Abb. 5: Schublade mit Weihnachtskugeln 14
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