Bildbewertungen... subjektiv betrachtet Kamera und Computer spielen ja, nach den hitzigen Diskussionen der letzten Jahre, allmählich wieder die Rolle, die ihnen auf der Suche nach guter Fotografie ohnehin nur zusteht. Die der zweiten Geige. Statt dessen sollten wir uns wieder den mächtigen intellektuellen Waffen des Fotografen, bei der Jagd nach guten Bildern, zuwenden. Diese Waffen brauchen wir nicht für jeden Fototrip in die Tasche packen. Wir tragen sie stets in unseren Köpfen - unsere Fantasie. Ein oft gehörter Ruf vor und nach Bildbewertungen ist der nach Objektivität. Nun, was steckt eigentlich dahinter? Eine objektive Bildbewertung ist eine für die meisten nachvollziehbare Bewertung, die sich an den gesicherten Erkenntnissen und Werten aus der uralten Lehre von der Ästhetik orientiert. Diese Lehre enthält Grundlagen und Gesetze des Schönen und der sinnlichen Erkenntnis. Ihr ist der Goldene Schnitt als harmonisierendes Gestaltungsmittel zuzuordnen sowie dehnbare Begriffe wie ausgewogen, ansprechend und ansehnlich. Im Kampf um Aufmerksamkeit verhelfen diese historischen Gestaltungshilfen den meisten visuell Schaffenden zu guten Ergebnissen. Auch können viele einer Bildbewertung bis hierher folgen, ja sie anhand der bekannten Regeln gewissermaßen kontrollieren. Aber für viele endet hier auch das Machbare in der Fotografie. Den Pfad der sicheren Erkenntnis zu verlassen bedeutet für Fotografen und Juroren ein Risiko, schafft Unsicherheit und Unbehagen. Und trotzdem, einige wollen mehr. Sind gelangweilt vom Alltäglichen und stets auf der Suche nach der größten Wirksamkeit in der kreativen Kommunikation. Einen visuellen Genuss kann man erleben wenn große emotionale Wirkung, mit Hilfe der historischen Gestaltungsregeln, in Bildern erzeugt wurde. Sollte dies aber sogar einmal unter Auslassung oder gar Missachtung dieser bekannten gestalterischen Grundsätze gelingen, so kommt es einer Offenbarung gleich. Stets würde ich unter zwei emotional wirklich gleich starken Bildern jenes bevorzugen, welches gegen die Regeln nach eigenen subjektiven Ideen gestaltet wurde. Eine eindringliche Subjektivität, bei der visuellen Vermittlung einer starken künstlerischen Aussage, ist fotografisch schwer zu erreichen und bei einer Bildbewertung nicht von jedermann zu erkennen. Für neue Sehweisen gibt es eben keine Vorbilder! So bleibt der Wert ungewöhnlicher künstlerischer Leistungen leider oft unentdeckt. Nun ja, was wir nicht wissen kann uns auch nicht schmerzen... Und so wurde aus Angst vor einer Fehlinterpretation bei Bildbewertungen manchmal schon allzu stürmischer künstlerischer Vorwärtsdrang den Prinzipien aus der Vergangenheit geopfert. Darum haben es subjektiv umgesetzte Bildideen in Wettbewerben schwer und manchem Fotografen fehlt der Mut, bei dem zu erwartenden Misserfolg seiner Linie treu zu bleiben. Die Folge ist ein Wandel von anfänglich mutiger hin zu erfolgsorientierter Fotografie, was leider zu Lasten derselben geht. Aber immerwährende Objektivität verengt den Blick und hemmt das künstlerische Vorankommen. Etwas Mut ist bei der Suche neuer fotografischer Sehweisen schon nötig. Auch die klassischen Gestaltungsregeln mussten sich anfangs als subjektive Empfindungen sicher mühsam gegen breiten Widerstand durchsetzen, ehe sie zu den objektiven Grundsätzen von heute wurden. Mit neuen Sehweisen und eindringlicher Subjektivität meine ich eher nicht das während vier Stunden Photoshop entstandene surrealistische Meisterwerk ohne erkennbare Aussage bzw. mit ahnungsvoller Holzhammer-Aussage. Eher das gut gesehene, sparsam und elegant fotografierte Motiv mit subtiler Aussage. Ja - auch das geht mit Photoshop! So wird es immer schwierig bleiben, wahren fotografischen Fortschritt zu erkennen. Aber nicht mehr danach zu suchen oder nicht für seine eigenen Erkenntnisse einzutreten hieße ja, die Fotografie endgültig und objektiv zur subjektivitätsfreien Zone zu erklären. Ein schrecklicher Gedanke! Joachim W. Dettmer, MFIAP DGPh FPSA MPSA
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