“Wie ein Mönch dem IS zuvorkam”, Kurier, Nov. 27, 2015

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Wie ein Mönch dem IS zuvorkam
VON S. MAUTHNER-WEBER
„Vielleicht handelte es sich ja
um göttliche Eingebung“,
scherzt Pater Michaeel Najeeb. Ende Juli 2014 schwante dem irakischen Dominikanermönch Böses. Bereits sieben Jahre zuvor war er aus
seinem Kloster in Mossul
nach Karakosh geflohen,
nachdem Fundamentalisten
fünf Priester und den Bischof getötet hatten. Im Gepäck hatte er damals alle Dokumente, Bücher und ManuskripteausderKloster-Bibliothek, der größten des Irak –
„mehr als 55.000 Bücher“.
In diesen Sommer-Tagen
sagte ihm die Eingebung von
oben, dass es viel zu gefährlich wäre, die Sammlung in
der Region zu lassen. „Ich
packte also die Bücher – jedes bestimmt 50 Kilo schwer
– abermals in Schachteln
und brachte sie nach Kurdistan, nach Erbil.“
Und dann holte ihn der
Terrortatsächlichwiederein:
„Zehn Tage später ging es los
–inderNachtvon6.auf7.August 2014 besetzte der IS Karakosh. Um drei Uhr Früh sahenwirsiekommen–Tausende Autos, schwarze Flaggen,
sie attackierten uns. Ich sah
viele Menschen fliehen,
sprach ein letztes Gebet und
dachte, wir sterben“, erzählt
P.MichaeelimKURIER-Interview. „Ich begann also, mein
Auto mit den letzten hier verbliebenen Manuskripten zu
füllen,batsogarFremde:,Bitte helft mir, ich kann nicht alles alleine tragen.‘ Und so
schleppten auch kleine Mädchen Manuskripte aus dem
13. Jahrhundert.“
Der Schatz
Pater Michaeel ist der Hüter
Tausender Manuskripte –
Handschriften über Geschichte, Archäologie, Philosophie, christlichen Mystizismus, den Islam, Literatur,
Musik, Medizin und Astronomie, verfasst in sieben Sprachen, darunter Aramäisch,
Altsyrisch, Arabisch, ArmenischundLatein.Siegehenzurück ins 11. Jahrhundert,
sind Schätze der Buchmalerei
und Kalligrafie und Zeugnis
der christlichen Kultur zwischen Euphrat und Tigris.
Dank des Dominikaners
sind sie vorerst in Sicherheit.
Angekommen in Erbil, setzte
der Pater das Digitalisieren
seinerSchriftenfort.Mehrals
8000 Manuskripte sind bereits gesichert. Das dickste
hat 1000 Seiten.
Den Schatz, wie er die
Schriften nennt, will er nicht
für sich behalten: „Er gehört
uns nicht. Er gehört der ganzen Welt und soll Studenten
zugänglich gemacht werden. Wenn man ein Buch versteckt, ist es tot. Wenn man
es digitalisiert, haucht man
ihm neues Leben ein.“
An dieser Stelle kommt
nun das Internationale Zentrum für Archivforschung
Vor der Flucht vor dem IS im Sommer 2014: Najeeb packte seine
Bücher ins Auto und brachte sie in Kurdistan in Sicherheit
(Icarus)insSpiel,dasdenirakischen Mönch zu seinem internationalen
Workshop
(„The cultural heritage of the Middle
East: Current threats and scenarios for protection in the future“) eingeladenhatte,derdieserTage
inSt.Pöltenstattfand.„Icarus
besteht aus 170 Institutionen auf der Welt, darunter
Staatsarchive und Universitäten“, sagt Thomas Aigner
vom Icarus-Netzwerk. „Die
haben die Möglichkeit, Material, Wissen und Arbeitszeit
zur Verfügung zu stellen.“
Was sie auch tun werden.
Hilfe zur Selbsthilfe
ManhateineKooperationbeschlossen und will Vater Michaeel helfen, die Manuskripte in Archiv-Schachteln
professionell zu verwahren.
IneinemnächstenSchrittgeht
man daran, die Dokumente
zu restaurieren. Hilfe zur
Selbsthilfe lautet die Devise:
„Wir werden die jungen Mitarbeiter des Paters ausbilden.
Die Donauuniversität Krems
und das kroatische Nationalarchivhabensichbereitsangeboten“, sagt Aigner.
Auchbeiderdauerhaften,
digitalen Sicherung will
man behilflich sein, weiters
bereits digitalisierte Dokumente auf einer Plattform
sammeln und sie so der gesamten Menschheit zugänglich machen. „Bisher konnte
ich nur geschätzte fünf Prozent des vorhandenen Materials im Irak digitalisieren“,
sagtNajeeb.ErwillinZukunft
auch Bestände aus anderen
Städten wie Bagdad oder
Kirkuk sichern.
Aigner hält die Situation
auch für eine Chance, AllianzenzuschmiedenundKooperationen zu gründen, um die
Wichtigkeit des kulturellen
Erbes dieser Region ins Bewusstsein zu rücken. „Das,
was dort passiert, betrifft
auch uns. Denn die Manuskripte–vorallemdiearamäischen – sind das Fundament
der christlichen Kultur: Das
war die Muttersprache von
Jesus. Diese Dokumente gehen deshalb uns ALLE an.“
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Zur Person
Najeeb Michaeel
wurde 1955 in Mossul geboren und entstammt
einer aramäisch-sprachigen, chaldäischkatholischen Familie. (Anmerkung: Etwa1,5
Millionen Christen lebten 2003 im Irak – fünf
Prozent der Gesamtbevölkerung). Der nordirakische Dominikanerpater arbeitet seit 1990 an
der Sicherung, Restaurierung und Digitalisierung
alter Handschriften, die das parallele Dasein
verschiedenster Religionen im Mittleren Osten
belegen. Najeeb digitalisierte erst den Bestand
seines Heimatklosters in Karakosh, danach
Sammlungen anderer Klöster sowie den Bestand
des Patriarchen von Bagdad – einmalige Zeugnisse aus einer Zeit und einer Region, die droht,
von Terroristen zerstört zu werden, die nicht nur
Menschenleben, sondern jegliches kulturelles
Erbe auslöschen wollen. Der KURIER traf den
mutigen Mönch anlässlich seines Besuches beim
Internationale Zentrum für Archivforschung.
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MICHAEEL NAJEEB, CENTRE NUMÉRIQUE DES MANUSCRITS ORIENTAUX EN IRAK (2)
Interview. Unter Einsatz seines Lebens hat ein irakischer Mönch uralte Manuskripte
vor Terroristen gerettet. Jetzt werden sie mit österreichischer Hilfe digitalisiert
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