Interprofessionelle Zusammenarbeit will gelernt sein

EDITORIAL
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Wir Hausärzte sind «an Bord», um Inputs, Erfahrungen und Bedenken einzubringen
Interprofessionelle Zusammen­
arbeit will gelernt sein
Brigitte Zirbs Savigny
Vorstand «Hausärzte Schweiz»
Brigitte Zirbs Savigny
Interprofessionelle Projekte sind unsere Zukunft – ob
ten sich zu spät oder zu wenig informiert. Das stimmt.
wir es wünschen oder nicht.
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass wir die interprofes-
Nur wenn wir als Haus- und Kinderärzte von Beginn an
sionelle Zusammenarbeit und die damit verbundene
selber aktiv diesen Prozess mitgestalten, können wir
notwendige Kommunikation verbessern müssen.
in Zukunft unsere Position als Grundversorger im
Nicht nur «der anderen» – auch von uns selber.
Gesundheitssystem stärken und sogar noch ausbauen.
Um gemeinsam ein langfristiges Projekt zu entwi-
Die Darmkrebskampagne von PharmaSuisse ist ein
ckeln, müssen Konflikte angesprochen und die Kräfte
aktuelles Beispiel dafür. «Hausärzte Schweiz» wurde
zum Wohl der Patienten gebündelt werden. Alle Betei-
eingeladen, sich an der Kampagne des Schweizer Apo-
ligten haben die Chance, aus Fehlern zu lernen und
thekerverbandes PharmaSuisse zu beteiligen. Aus zeit-
den Prozess zu verbessern. So hat auch diese Kampa-
lichen, personellen und finanziellen Gründen konnten
gne noch Verbesserungspotential.
wir uns nicht als offiziellen Partner einbringen. Uns
Genau dafür sind wir als Partner «an Bord». So können
war es trotzdem wichtig, bei der Kampagnenentwick-
wir Inputs, Bedenken und Erfahrungen von uns Haus-
lung und -umsetzung als beratender Partner dabei
ärzten aus dieser Pilotphase einbringen und so die ge-
zu sein. So konnten wir unsere Meinung im wissen-
plante, schweizweite Kampagne im März 2016 verbes-
schaftlichen Beirat der Kampagne aktiv einbringen,
sern und optimieren – im Sinne von uns Hausärzten.
hausarztspezifische Punkte in d
ie Kampagne
einfliessen lassen und unseren Willen zur interprofessionellen Zusammenarbeit bekräftigen.
Hauptziele der Kampagne sind die Prävention und
die Sensibilisierung der Patienten. Die Apotheker
informieren den Patienten in erster Linie und
Zusammenarbeiten bedeutet Wissen teilen,
gemeinsam Fehler verbessern, zuhören, sich
gegenseitig unterstützen und die Kompetenzen
aller Beteiligten optimal einsetzen
schlagen allenfalls einen Test vor. Risikopatienten
mit einem positiven Testergebnis werden umgehend
Ohne unserer aktiven Beteiligung an diesem Projekt
an einen Hausarzt überwiesen. Die Apotheker setzen
wäre dies nicht möglich, und wir Hausärzte würden
sich vorab mit den Hausärzten ihrer Region persönlich
eine wichtige Chance zur interprofessionellen Zusam-
in Verbindung, informieren sie und klären dabei ab, ob
menarbeit verpassen.
sie auch neue Patienten aufnehmen würden. Die
Wir sind überzeugt, dass diese Form der Zusammen-
lückenlose Betreuung von Personen mit erhöhtem Ri-
arbeit eine Chance für alle Beteiligten ist. Vielleicht
siko ist ein grosses Kampagnenanliegen. Während der
öffnen sich dadurch noch andere Türen für eine lokale
aktuellen Pilotkampagne werden deshalb sämtliche
oder regionale Zusammenarbeit. Zusammenarbeiten
Dr. med.
Abläufe sorgfältig geprüft, darunter auch der Rückfluss
bedeutet Wissen teilen, gemeinsam Fehler verbessern,
Brigitte Zirbs Savigny
der Meldeformulare, der Aussagen über die ausrei-
zuhören, sich gegenseitig unterstützen und d
ie
spéc. Méd. Int. Générale
chende Begleitung der Patienten ermöglichen soll.
Kompetenzen aller Beteiligten optimal einsetzen. Zu-
Membre du comité MFE
Die Pilotphase in zwei Kantonen startete harzig. Die
sammenarbeit bedeutet nicht, dass man dabei etwas
Kommunikation zwischen Apothekern und Hausärz-
verliert – im Gegenteil: Auf lange Sicht gewinnen
ten klappte nicht auf Anhieb, und viele Hausärzte fühl-
damit alle Beteiligten!
Korrespondenz:
Médecin de famille,
263, rte de St-Julien
1258 Perly – Genève
b.zirbs[at]swissonline.ch
PRIMARYCARE – DIE SCHWEIZERISCHE ZEITSCHRIFT FÜR HAUSARZTMEDIZIN
2015;15(17):293