Der Rotstift wird regieren

Auszug
aus dem Hinterländer Anzeiger vom 13. Oktober 2015
Die Gemeindefusion ist gescheitert, die Bürger wollen den Zusammenschluss nicht. Nach der Kampagne kommt der Alltag, und das Wirtschaften in den beiden Mini-Gemeinden wird in den kommenden Jahren kein Zuckerschlecken. (Foto: Weigel/ dpa)
GEMEINDEFUSION
Bürgermeister gesucht
STEFFENBERG / ANGELBURG Am Tag nach dem Scheitern des Bürgerentscheids zur möglichen
Gemeindefusion kehrt wieder Routine ein. Für die Fraktionen in Steffenberg heißt es nun unter anderem Kandidaten für die Bürgermeisterwahl am 6. März suchen. SEITE 9
Hinterländer Anzeiger vom Dienstag, 13. Oktober 2015, Seite 1
Der Rotstift wird regieren
FUSION Nach dem Scheitern geht es den Bürgern in Angelburg und Steffenberg ans Geld
Von Birgit Heimrich
und Edgar Meistrell
ANGELBURG / STEFFENBERG Es sollte ein hessisches Vorzeigeprojekt werden, ist aber am Votum
der Bürger gescheitert: Aus dem freiwilligen Zusammenschluss von Angelburg und Steffenberg wird
nichts. Der Wunsch zweier Bürgermeister und der Parlamente bleibt unerfüllt.
Sehr schnell geht es nun weiter, teils gemeinsam, teils getrennt.
War das der richtige Zeitpunkt für die Gemeindefusion? Diese Frage beantwortet Steffenbergs Bürgermeister Peter Pfingst (parteilos) noch am Abend des Scheiterns mit Ja. Ob es je eine besseren
gegeben hätte, ist aus seiner Sicht zweifelhaft. Thomas Beck (SPD) aus Angelburg sieht das genauso. Das Land habe finanziell das Maximum geboten – einmalig und für die vereinbarte Zeitschiene.
Der Schuldenerlass war denn auch das stärkste Argument und stand immer im Mittelpunkt der Vorträge. Die Bürger hat es nicht überzeugt.
Gescheitert waren die beiden Bürgermeister schon im Sommer mit den Visionen für ihre eigenen beruflichen Werdegänge. Ihre Ideen sollten Geld sparen, dafür wären sie die Macher geblieben. Doch
der Arbeitskreis aus Mandatsträgern beider Gemeinden kippte leise und ohne öffentliche Debatten
das Vorhaben von Pfingst, über das Ende seiner Amtszeit im Mai 2016 bis zum Zusammenschluss
auf dem Chefsessel im Steffenberger Rathaus zu bleiben. Und damit auch Becks Plan, automatisch
Übergangsbürgermeister der Großkommune zu werden.
In den Bürgerversammlungen aber hatten beide die Einsparung einer Bürgermeisterstelle trotzdem
noch als Pluspunkt angeführt, Diskussionspunkt war das aber nicht.
Zeit für Katerstimmung und langatmiges Reflektieren bleibt nicht. Die Kommunalwahl steht vor der Tür
und damit für die Fraktionen jede Menge Arbeit und Entscheidungen. Knapp fünf Monate sind es
noch. Es müssen Kandidaten gefunden, Listen aufgestellt und Programme verabschiedet werden.
Das wird schwer, schließlich werden nicht zwei Übergangsparlamente gewählt, die die Großkommune
vorbereiten. Stattdessen müssen die neuen Gemeindevertreter dann das tun, was die alten für unmöglich erklärten: zwei kleine Kommunen am Laufen halten, die für sich genommen wenig Zukunft
haben. Das war der Tenor der Fusionskampagne.
Zurück zum Tagesgeschäft: Diese Woche steht die Entscheidung über den Windpark Stocksol
an
Und die Steffenberger müssen zusätzlich Kandidaten für das Bürgermeisteramt benennen. Am 6.
März ist die Wahl. Peter Pfingst tritt wenige Wochen später seinen Ruhestand an und will die Gemeinde auch recht bald verlassen.
Dann ist da noch das Tagesgeschäft. In Angelburg heißt das am Donnerstag: Bauen wir den Nachbarn aus Steinperf einen Windpark auf die Grenze? Seit Jahren wird die Entscheidung darüber verschoben, kurz vor dem Bürgerentscheid hätte sie fallen sollen, scheiterte aber an so einer profanen
Sache wie nicht gelieferte Eigentumsfragen von Grundstücken. Die deutliche Ablehnung der Fusion in
Steinperf aber darf durchaus als Signal gewertet werden. Schließlich sieht dort jeder, der das Dorf in
Richtung Süden verlässt, wie nah ein Windpark sein kann. Der Hilsberg auf der einen, demnächst
Stocksol auf der anderen Seite, das sind durchaus handfeste Argumente.
Und dann ist da ja auch noch bei den Lixfelder, die die Fusion ebenfalls mit großer Mehrheit ablehnten, der Unmut über den Steffenberger Windpark, der am Mattenberg gegen ihren Wunsch errichtet
wird.
Was bleibt, ist ein Ausbau der Zusammenarbeit der Verwaltungen beider Gemeinden. Auch hier wird
seit Jahren drüber geredet, für die Finanzen ist sie realisiert worden und sollte längst in der Bauverwaltung ihre Fortsetzung erlebt haben.
Beide Bürgermeister stellen nun Haushalte auf, Wiesbaden schlägt höhere Steuern und Gebühren vor
Da bewegt sich nun vielleicht etwas, schließlich ist in Steffenberg gerade die Führungsposition frei
geworden, während in Angelburg mit Stefan Gessner ein neuer Mann seinen Dienst angetreten hat.
Wirtschaften müssen die Bürgermeister und Parlamente nun wieder alleine. Und das heißt vor allem –
weniger ausgeben, mehr einnehmen. Die Vorgaben des Landes und der Kommunalaufsicht sind klar,
der Rotstift wird regieren und die Haushalte für 2016 bestimmen, die die Bürgermeister nun aufstellen.
Und dann gibt es da ja noch das 80-seitige Papier des Landesrechnungshofes, das sich Beck und
Pfingst im August in Wiesbaden abholten. Darin stehen Wege, wie die Gemeinden mehr Geld in ihre
klammen Kassen holen können. Unter anderem werden höhere Hundesteuern oder die Anhebung der
Gebühren für Feuerwehreinsätze vorgeschlagen. Umsetzen aber müssen es die Parlamentarier. Die
aber haben nun primär die Wahl im März 2016 im Sinn.
Hinterländer Anzeiger vom Dienstag, 13. Oktober 2015, Seite 9
Schnell noch ein Handyfoto, dann ist in Steffenberg der Bürgerentscheid schon fast wieder Geschichte. Nur 90 „Ja“-Stimmen fehlten dort zur Fusion mit Angelburg. (Foto: Meistrell)