Militärhistorische Exkursion vom 12. September 2015 ins

Militärhistorische Exkursion vom 12. September 2015 ins
Zeughausmuseum Schaffhausen und in die Artillerie - Festung
Ebersberg
Zur traditionellen Herbstexkursion unseres Vereins trafen sich an diesem nebligen
Samstagmorgen wieder über 40 militärgeschichtlich Interessierte beim Gemeindehaus
Bottighofen. Gespannt was der Tag wohl wettermässig sowie geschichtlich bieten wird,
bestiegen wir um 07.30 Uhr den komfortablen Reisecar. Am idyllischen Untersee und Rhein
entlang führte uns die Fahrt zuerst zum Zeughausmuseum Schaffhausen. Dort
angekommen wurden wir bei mittlerweile herrlichem Sonnenschein und blauem Himmel von
Mitgliedern der "Stiftung Museum im Zeughaus" mit Kaffee und Gipfeli begrüsst.
Aufgeteilt in zwei Gruppen ging es anschliessend zu den angekündigten
Sonderausstellungen.
Zeughausmuseum Schaffhausen
Herr Jürg Zimmermann führte uns im Zeughaus zuerst durch die Ausstellung "Von der
pferdegezogenen zur mechanisierten Artillerie". Als ehemaliger Hauptmann der Artillerie
erklärte er uns kompetent das artilleristische Einmaleins. Über die vielen Exponate, zum
Beispiel den historischen Mörser, die Schaffhauser Kadettenkanone von 1864 oder die
schwere Feldhaubitze von 1916, gab es viel zu erzählen. Dank einer Szene aus dem
Schweizer Film „Gilberte de Courgenay“ konnte man eine pferdegezogene Artilleriebatterie
von 1915/16 sogar in voller Aktion sehen und gleich nebenan die passende statische
Darstellung mit voll ausgerüstetem Gespann bewundern. Weiter ging es dann zu den
motorgezogenen Geschützen, Minenwerfern bis zur mechanisierten Artillerie mit der 15,5
cm Panzerhaubitze M109 und dem Panzer Minenwerfer M113.
Im ersten Stock widmeten wir uns dann der Sonderausstellung "Mobilmachung: Die
Mobilisierungen der Schweizer Armee seit 1792". Vielen war nicht bewusst, dass sich das
Thema Mobilmachung nicht nur auf die beiden Weltkriege beschränkt. Denn seit 1792 bis
heute wurden eidgenössische Truppen über 130-mal zum Aktivdienst einberufen. Sei es zur
Verteidigung unserer Grenzen oder zur Unterstützung der zivilen Behörden bei der Abwehr
schwerwiegender Bedrohungen der inneren Sicherheit. Anschaulich und chronologisch
gegliedert ruft diese Ausstellung diese Einsätze in Erinnerung und stellt sie in einen
historischen Zusammenhang. Eindrücklich werden für den Ersten und den Zweiten Weltkrieg
auch die Auswirkungen der Mobilmachungen auf das tägliche Leben und die Wirtschaft
sowie die wichtige Rolle der Frauen gezeigt. Einzelne Themen werden herausgegriffen und
mit viel Liebe zum Detail dargestellt. Von den Exkursionsteilnehmern war niemand zu hören,
der nicht beeindruckt oder sogar begeistert aus dem Zeughaus herausgekommen ist.
Sicherlich hat speziell diese Ausstellung einige zum Nachdenken über den heutigen,
historischen Tiefpunkt der militärischen Bereitschaft angeregt. Zum Abschluss der Führung
öffnete Herr Zimmermann noch die Tür zu seiner Sammlung von über 160 BlechBlasinstrumenten der Armee. Die auf Hochglanz polierten Raritäten sind wunderschön
anzusehen. Dass sie auch noch glänzend tönen, bewies er mit einer kurzen musikalischen
Kostprobe. Leider viel zu schnell verging die Zeit und gerne hätte man noch länger den
Ausführungen von Herrn Zimmermann zugehört.
Fahrzeugausstellung in der ehemaligen Stahlgiesserei
Es wartete aber bereits der Car, der uns in die ehemalige Georg Fischer Stahlgiesserei im
Mühlental brachte. Dort begrüsste uns Martin Huber, um uns durch die Sonderausstellung
„Motorisierung der Schweizer Armee“ sowie die imposante Sammlung an Panzern,
Geschützen der Artillerie sowie der Panzer- und Fliegerabwehr zu führen. Die Ausstellung
dokumentiert ein wichtiges Kapitel schweizerischer Industrie- und Technikgeschichte: den
Aufstieg, die Innovationskraft und den Untergang der einheimischen Motorfahrzeugindustrie.
Äusserst besucherfreundlich ist der Rundgang mit vielen Informationstafeln ausgestattet, die
ausführlich über Beschaffung und Verwendung von Motorfahrzeugen in der Schweizer
Armee informieren. Die rund 40 Exponate stammen weitgehend aus den Beständen des
Museums im Zeughaus. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass sämtliche
Pneufahrzeuge vom Schaffhauser Strassenverkehrsamt, in einem Intervall von sechs
Jahren, geprüft werden und somit voll verkehrstauglich sind. Ein bewundernswerter Aufwand
der hier von den Mitgliedern der "Stiftung Museum im Zeughaus" geleistet wird.
In der riesigen Giessereihalle kommen die Pneu- und Raupenfahrzeuge sehr gut zur
Geltung. Das ist nämlich die Halle, in der früher die Panzerwannen, die Panzertürme und die
Getriebegehäuse der Schweizer Panzerfamilie 61 und 68 gegossen und bearbeitet wurden.
So sind einige der 18 ausgestellten und fahrbereiten Panzer wieder an ihren
„Geburtsort“ zurückgekehrt. Ein besonderes Schmuckstück ist aber der kleine aber feine und
komplett restaurierte Panzerwagen 39 (PRAGA). Mit der frischen Tarnlackierung versehen
könnte man meinen er sei gerade erst fabrikneu (mit einem Saurer Dieselmotor
ausgestattet) aus der Lizenzproduktion gerollt.
Gerne wäre man noch länger in der Ausstellung geblieben aber mittlerweile war es Zeit für
den Weg zurück ins Zeughausmuseum wo bereits das Mittagessen serviert wurde.
Bei einer zünftigen Suppe mit Spatz nach Art der Schweizer Armee und anschliessendem
Dessert wurde viel über den beeindruckenden und sehr interessanten ersten Teil der
Exkursion diskutiert. Nach einer herzlichen Verabschiedung durch die Mitglieder des
Zeughausmuseums ging es dann frisch gestärkt mit dem Car durch das schöne Zürcher
Weinland bis ins schmucke Dorf Berg am Irchel. Ohne Ortskenntnisse würde man die
Zufahrt zum Artilleriewerk am Dorfausgang glatt verpassen.
Artilleriefestung Ebersberg
Idyllisch in einem Rebberg gelegen steht ein harmloses Holzschöpfli in einem
Geländeeinschnitt. „Dieser Tarnbau wurde erst 1959 erstellt“ erzählten die Herren
Brandenberger und Egloff, beides Mitglieder der Militärhistorischen Stiftung des Kantons
Zürich. Sie erwarteten uns für die Führung durch die Artilleriefestung Ebersberg, dem
einzigen Festungswerk im Kanton Zürich. Ebersberg gehört mit der Festung Reuenthal (AG),
Festung Heldsberg (SG) und Geissberg (AG) zu den einzigen grenznahen Artilleriewerken.
Vorbei an der MG-Stellung im Eingangsbereich, an Wachtlokal und Werkstätten, an
Lüftungs- und Energiezentrale wurden wir in zwei Gruppen durch den etwa 300 Meter
langen Stollen in den Berg geführt. Mittendrinn befindet sich das Kantonnement, die
Unterkunft für die rund 70 Soldaten, die hier jeweils Dienst taten. Während des Aktivdienstes
wechselten die Mannschaften im Monatsturnus. Das Werk war für eine zehntägige
Autonomie ausgelegt; dementsprechend gibt es eine unabhängige Energie--, Wasser- und
Luftversorgung sowie einen Operationssaal samt Apotheke. Auch Küche, Ess- und
Aufenthaltsräume für Mannschaft und Offiziere sind natürlich vorhanden. Der
„Massenschlag“ der Soldaten strahlt dank der Holzkonstruktion etwas Wärme aus. Ganz im
Gegensatz zur betonierten „Einzelzelle“ des Kommandanten. Gleich nebenan befindet sich
das Kompaniebüro, in dem alte Telexgeräte und Schreibmaschinen, Bilder, Uniformteile und
alte Zeitungen Erinnerungen wecken. Weiter ging es dann zu den beiden Geschützständen.
Ursprünglich war die Festung mit zwei Bunkerkanonen des Kalibers 7,5 cm ausgerüstet.
Leider ist ein Kampfstand leer, da sich die original Lafette immer noch in der Festung
Magletsch befindet. Es ist zu hoffen, dass sich die beiden Vereine bald über eine
Rückführung einig werden. Herr Egloff wusste noch zwei andere Geschichten zu den
Kanonen: «Nachdem die Bunkerkanonen im scharfen Schuss eingeschossen wurden,
beklagte sich der Wirt der ‹Ziegelhütte›, durch die Erschütterungen werde der Wein in
seinem Keller schlecht», erzählte er lachend. Aber noch besser ist diese Anekdote: «Bei
einer Schiessübung am 8. Januar 1944 wurde ein Ziel im Flaacher Feld beschossen. Gleich
nach dem Abfeuern wurde es im Bunker dunkel: Man hatte getroffen – aber einen
Strommasten!» Während das Licht im Bunker dank der Notstromversorgung gleich wieder
anging, musste sich die Flaacher Bevölkerung etwas länger gedulden. Die beiden Sulzer
Zweitakt-Dieselmotoren für die Notstromaggregate laufen auch heute noch einwandfrei.
Sogar die Ersatzteilversorgung wurde von Sulzer für hundert Jahre garantiert und wird bis
heute durch eine Nachfolgefirma gewährleistet.
Damit auch noch die wieder neu angebrachte Aussentarnung der Geschützbunker besichtigt
werden konnte verliessen wir die kühle Festung. Bei jetzt sommerlichen Temperaturen
öffnete Herr Egloff die Schartentarnung elegant per Knopfdruck.
Auch bei diesem Verein ist man beeindruckt mit welchem Herzblut und Liebe zum Detail die
weitläufigen Anlagen unterhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Referat von Brigadier Peter Arbenz im KP der ehemaligen Grenzbrigade 6
Nach dieser interessanten und kurzweiligen Führung stieg die Spannung unter den
Exkursionsteilnehmern nun nochmals enorm an. Ausser Programm konnte Urs Ehrbar doch
tatsächlich noch die Besichtigung des KP der Grenzbrigade 6 (bekannt auch als „Villa
Arbenz“) organisieren. Nach einer kurzen Fahrt erreichten wir den Rütihof. Südlich der
Ortschaft Dorf gelegen und ebenfalls durch einen Holzschopf getarnt befindet sich der KPEingang. Doch wo war der letzte Kommandant der Grenzbrigade, Brigadier Peter Arbenz?
Felix Köfer, Mitarbeiter der LBA ( früher beim FWK ), der uns die Anlage öffnete, wusste es
auch nicht. Da wurde die „Zwangspause“ kurzerhand für eine kleine Zwischenverpflegung
genutzt. Da die meisten den Betrag für die Exkursion beim Bezahlen aufrundeten, konnten
damit die feinen Sandwichs finanziert werden.
Kurz darauf traf dann auch Peter Arbenz ein und die Besichtigung der sogar jetzt noch mehr
oder weniger „streng geheimen“ Anlage konnte beginnen. Zügigen Schrittes ging es durch
den 300 Meter langen Stollen 50 Meter unter die Erde. Die Erklärungen zu den einzelnen
Bereichen und Einrichtungen gab, akustisch sehr gut verständlich, Felix Köfer. Die Anlage
stammt aus den Jahren 1961/62. Im Kanton Zürich gehört dieser Kommandoposten zu den
grössten und am besten unterhaltenen unterirdischen Anlagen aus dieser Zeit. Sie verfügt
über eine eigene Stromerzeugung, ist an die Kanalisation angeschlossen und war punkto
Lüftung, Entfeuchtung und Kommunikationstechnik für damalige Verhältnisse auf dem
neuesten Stand. Der Führungsbunker bietet Platz für 100 Mann und wurde derart massiv
gebaut, dass er einer Fünf-Megatonnen-Atombombe sowie Chemiewaffenangriffen
standhalten sollte. Vieles im Kommandobunker ist noch im Originalzustand der 60er- und
70er- Jahre erhalten: von den Maschinen, Telefon- und Elektroanlagen über Möbel bis zur
Kücheneinrichtung. Alles ist bestens im Schuss und könnte eigentlich sofort wieder durch
die Truppe bezogen werden.
Nachdem sich die Teilnehmer in den Kartenraum des KP begeben hatten, eröffnete Peter
Arbenz, früher Delegierter für das Flüchtlingswesen und Winterthurer FDP-Stadtrat, sein
Referat. Arbenz war von 1989-94 der letzte Kommandant der Grenzbrigade 6. Die 1938
gebildete Grenzbrigade 6 hatte den Abschnitt Eschenz bis Kaiserstuhl zu halten – und zwar
inklusive der Schweizer Gebiete auf dem nördlichen Ufer des Rheins. Für diese Aufgabe
mussten 8300 Mann reichen. Drei Bataillone standen im Kanton Schaffhausen, sechs hinter
dem Rhein. Es war ein Genuss und äusserst interessant, seinen Ausführungen über
Organisation und Aufgaben der inzwischen aufgelösten Grenzbrigade 6 zu folgen. Mit vielen
Anekdoten ausgeschmückt, erzählte er vom damaligen Dienstbetrieb.
Wie die Zukunft des Kommandopostens ausschaut ist immer noch ungewiss. Seit Mitte der
90er-Jahre wird die Anlage nicht mehr benötigt. Die militärhistorische Stiftung möchte das
Relikt aus dem Kalten Krieg gerne erhalten und das wichtige Baudenkmal der Öffentlichkeit
zugänglich machen. Es ist zu hoffe, dass das VBS sich diesbezüglich auch Gedanken macht
und mit der Stiftung kooperieren wird.
Um 17.30 Uhr galt es dann den Heimweg anzutreten. Auf schnellstem Weg über die
Autobahn erreichten wir Bottighofen wohlbehalten um 18.15 Uhr. Alle waren sich einig, auch
diese perfekt organisierte Exkursion hat sich wieder vollauf gelohnt. Ein grosses Kompliment
und herzlichen Dank an die Organisatoren der Reise!
Stefan Freund, Berlingen