1/2 AiR Aktiv im Ruhestand Januar/Februar 2016 – 67. Jahrgang Senioren-Lobbys: Auf gutem Weg? Seite 5 < BAGSO-Vorsitzender Franz Müntefering Seite 9 < Pflegeberufe: Qualität der Ausbildung bewahren mit dbb Seiten Aktiv im Ruhestand „Für die bestehenden Akteure in der Seniorenpolitik wird es darum gehen, die Kompetenz der ,jungen Alten‘ als Aktivposten durch attraktive Partizipati onsangebote zu gewinnen und zu binden (...). Dazu gehört auch die Schließung der Repräsentationslücke auf allen politischen Ebenen, einschließlich einer kritischen Überprüfung der bestehenden Alters höchstgrenzen, insbesondere bei kom munalen Wahlämtern. Hier wird sich die Frage entscheiden, ob es weiterhin gelin gen kann, Seniorenpolitik erfolgreich in nerhalb altersübergreifender Organisatio nen zu betreiben, oder ob sich eine neue Alten-Lobby (...) etablieren wird.“ Quelle: Bettina Munimus: Seniorenpolitik im Wandel – Interessenvertreter der älteren Generation, in: 23. Altenparlament am 23. September 2011, herausgegeben vom Landtag Schleswig-Holstein, Kiel 2011, Seite 29 f. << Schwerpunkt: Lobbyismus für Senioren Editorial << Nachgefragt << 5 Franz Müntefering, Vorsitzender der Senioren-Organisationen (BAGSO) 5 Standpunkt << Dialog der Generationen: Gemeinsam in die Zukunft 6 Kompakt 9 << dbb bundesseniorenvertretung und dbb jugend: Generationengerechtigkeit geht nur gemeinsam 8 << Pflegeberufe: Qualität der Ausbildung bewahren << dbb bundesseniorenvertretung: Seminar zur Alterssicherung 9 10 Aktuell 12 << Lobbyarbeit der dbb bundessenioren vertretung: Reden und Handeln 12 << Anpassung der Versorgungsbezüge: Sachstand zu Beginn des Jahres 2016 14 << Portoerhöhung 2016: Bitte frei machen ... 18 Medien << Mobilfunk: Durchblick im Tarifgewirr 16 Aus den Ländern 16 << << << Impressum: AiR – Aktiv im Ruhestand. Magazin des dbb für Ruhestandsbeamte, Rentner und Hinterbliebene. Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Telefon: 030.4081-40. Telefax: 030.4081-5599. Internet: www.dbb.de. E-Mail: [email protected]. Chefredakteur: Dr. Walter Schmitz (sm). Redaktion: Christine Bonath (cri), Jan Brenner (br) sowie Carl-Walter Bauer (cwb), Andreas Becker (ab) und Alexia Tepke (te). Redaktionsschluss: 10. jeden Monats. Beiträge, die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. „AiR – Aktiv im Ruhestand“ erscheint zehnmal im Jahr. Titelbild: © Klaus Eppele – Fotolia.com. Einsendungen zur Veröffent lichung: Manuskripte und Leserzuschriften müssen an die Redaktion geschickt werden mit dem Hinweis auf Veröffentlichung, andernfalls können die Beiträge nicht veröffentlicht werden. Bezugsbedingungen: Preis des Einzelheftes 3,90 Euro inkl. Versandkosten. Jahresabonnement für Nichtmitglieder 36,90 Euro inkl. Porto und Versand. Für Mitglieder der BRH-Landesorganisationen ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. 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Druckauflage AiR – Aktiv im Ruhestand 15.667 Exemplare (IVW 4/2015). Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinen. Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co. KG DruckMedien, Marktweg 42–50, 47608 Geldern. Gedruckt auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet. Sämtliche Personen- und Berufsbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für alle Geschlechter. ISSN 1438-4841 Preissteigerungen: Keine Kleinigkeiten 4 << 18 VBE-Bundesseniorenvertretung: Tagung in Königswinter 20 Thüringen: 25-jährige Jubiläen in Eisenach und Jena 20 BRH Sachsen: Seniorenpolitische Bilanz im SBB 2015 21 BRH Hamburg: Besuch im Generalkonsulat von Südkorea 22 Gewinnspiel 23 Satire 24 dbb < 2. Flüchtlings-Gipfel im Bundeskanzleramt: Staat muss handlungsfähig bleiben 25 < 57. dbb Jahrestagung in Köln: Herausforderung für die Demokratie – Politik contra Bürger? 30 < Branchentage zur Einkommensrunde 2016: Mitglieder diskutierten 38 < die andere meinung: Einkommensrunde 2016 – wessen Krise? 42 < Interview mit Klaus Dauderstädt, Willi Russ und Hans-Ulrich Benra 44 > AiR | Januar/Februar 2016| > brh 3 Inhalt Repräsentationslücke Aktiv im Ruhestand Preissteigerungen: Keine Kleinigkeiten Editorial 4 Mehr bezahlen müssen zahlreiche Verbraucher auch bei ihren Stromanbietern. Die höheren Kosten werden mit gestiegenen Umlagen und staatlichen Abgaben für die Ökostromförderung (EEG-Umlage) sowie mit Änderungen im Stromnetzmanagement begründet. Verbraucher haben in solchen Fällen ein Sonderkündigungsrecht auch während der Vertragslaufzeit und sollten sich über Vergleichsportale im Internet über preiswertere Anbieter informieren. > AiR | Januar/Februar 2016 © Coloures-pic - Fotolia.com Die paar Cent machen den Kohl auch nicht fett, heißt es bei Otto Normalverbraucher, wenn wieder einmal eine Preiserhöhung ansteht oder staatliche Leistungen teurer werden. Doch ein paar Cent hier, ein paar Cent dort machen sich in den Geldbeuteln von Rentnern und Pensionären in der Summe und übers Jahr betrachtet durchaus negativ bemerkbar. Und für die Nutznießer, beispielsweise die Gelbe Post, die Stromanbieter oder die gesetzlichen Krankenkassen, sieht das ganz anders aus. Die angeblich moderaten, aber notwendigen Beitragsanpassungen summieren sich zu Millionenbeträgen. Die Deutsche Post beispielsweise hat zum 1. Januar dieses Jahres die Portokosten für Standardbriefe und eine Fülle weiterer Leistungen um satte 13 Prozent angehoben, was künftig dem Konzern circa 200 Millionen Mehreinnahmen jährlich in die Kasse spült. (Siehe dazu den Bericht in dieser Ausgabe Seite 18 f.) ngebliche Finanzierungsa lücke zu schließen. Als Begründung dafür wurde vom GKV-Verband unter anderem auch die wachsende Zahl älterer Mitglieder genannt. Der Krankenkassenbeitrag für 2016 beträgt einheitlich 14,6 Prozent, der zur Hälfte vom Versicherten zu tragen ist, während der Zusatzbeitrag, der durchschnittlich bei 1,1 Prozent liegt, ausschließlich den Versicherten belastet. Der Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung, Wolfgang Speck, hat diese einseitige Ent lastung der Arbeitgeber durch den G esetzgeber bereits im Oktober 2015 als „Irrweg“ bezeichnet. Auch SPD, Grüne und Linke verlangen die Rückkehr zur hälftigen Beteiligung der Arbeitgeber am Zusatzbeitrag: Z u Recht, denn der bei 7,3 Prozent gedeckelte Arbeitgeberanteil an der Krankenkassenfinanzierung missachtet das Pa ritätsprinzip und damit eine Grundlage unseres Sozialstaats. Die höhere EEG-Umlage wird übrigens von den Stromversorgern sofort an die Verbraucher weitergegeben, sinkende Einkaufspreise für Strom häufig dagegen aber nicht. Dieses Prinzip erinnert stark an Entwicklungen im Gesundheitswesen. Auch zwei Drittel der knapp 90 für jedermann zugänglichen gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) sind zum 1. Januar 2016 für ihre Mitglieder deutlich teurer geworden – in der Summe für den Einzelnen bis zu 100 Euro im Jahr. Aufgrund des Ausgabenanstiegs im Vergleich zu 2014 um etwa 4,4 Prozent, musste der sogenannte Zusatzbeitrag erhöht werden, um die Zudem stehen Berechnungen des GKV-Verbandes zufolge weitere Erhöhungen ins Haus: Bis 2019 werde der Zusatzbeitrag auf 1,8 Prozent steigen. Diese Kosten ausschließlich auf die Schultern der Beitragszahler zu verteilen, ist schlicht nicht akzeptabel und sollte von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe rechtzeitig revidiert werden. Die nächste Bundestagswahl steht 2017 an! sm ? Aktiv im Ruhestand Eine Frage an Franz Müntefering, Vorsitzender der Senioren-Organisationen (BAGSO) Die Demokratie hat keinen Schaukelstuhl Wir fordern nicht bedingungslos etwas „für uns“, wir wollen nachhaltigen Wohlstand für unser Land und dabei den gerechten Anteil auch für die älteren Generationen. Bildung für unsere Enkel, gut bezahlte Arbeit für unsere Kinder und ein gerechter Staat sind die Bedingungen dafür, dass das genannte Ziel heute erreichbar und auch in Zukunft realistisch ist. Die demografische Entwicklung wird in wenigen Jahrzehnten zur „Altenrepublik Deutschland“ führen. Diese politische Kraft ist vielen Senioren entweder nicht bewusst oder gleichgültig: Fehlt den Senioren und ihren Lobbys der politische „Biss“, Herr Müntefering? < < Franz Müntefering Die Lebenschancen nicht weniger Kinder scheitern ohne ihre Schuld, manche Berufe und Arbeiten werden sittenwidrig niedrig bezahlt, andere sittenwi drig hoch, und die sozialstaatlichen Regulierungen sind nicht alle gerecht. Alles leider wahr. Und das sagen wir auch genau so; Arbeitnehmerorganisationen tun das in vergleichbarer Weise. Als BAGSO haben wir neben der sozialen Sicherheit auch die Bereiche der Daseinsvorsorge im Blick, die für die Älteren und die Alten besonders wichtig sind: Mobilität in der Wohnung und im Umfeld, medizinische Versorgung, niedrigschwellige Hilfen und qualifizierte ambulante und stationäre Dienste. Ganz besonders wichtig scheint es uns, die sozialen Kontakte lebenslang nicht abreißen zu lassen. Es müssen nicht so viele Menschen in Einsamkeit leben, wie es heute der Fall ist. Wir sind insgesamt zeitreich. Die Sorge und Aufforderung zur Tat richtet sich an uns selbst als Gesellschaft. Das Problem ist in einem großen Zusammenhang hochaktuell und wachsend: Wir leben länger als jemals Generationen vor uns. Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt über 80 Jahre. Die Baby-Boomer-Jahrgänge, geboren 1950 bis 1965, werden bis 2030 überwiegend nicht mehr im Beruf sein. Die Zahl derer über 65 Jahre steigt bis 2040/50 auf rund ein Drittel der Bevölkerung. Dabei bleiben wir im Älterwerden relativ gesund, es kommen gute Lebensjahre obendrauf. Das ist eine schöne Perspektive für diese und kommende Seniorengenerationen. Wir können unseren Teil dazu beitragen, dass diese Entwicklung für die Gesellschaft insgesamt rundum erfreulich wird. Unsere Erfahrungen, unser Wissen und Können geben uns viele Möglichkeiten zur aktiven Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, auch im Alter. Zu tun gibt es viel und viele von uns sind ja längst und engagiert dabei. In diesen Monaten zum Beispiel auch in der Betreuung von Flüchtlingen. Wir alle wissen: Die Demokratie hat keinen Schaukelstuhl. Solange die Gesundheit es zulässt, ist jeder Mensch mitverantwortlich für das, was geschieht – im Kleinen wie im Großen. „Nach uns die Sintflut“, das ist nicht unser Motto. Das Leben macht uns Spaß und den findet man bekanntlich nicht miesepetrig in der Schmollecke. Wir wollen mitgestalten. > AiR | Januar/Februar 2016 5 Nachgefragt Aber natürlich gehört es zur Demokratie dazu, Interessen einzubringen und für sie streiten zu können. Das tut die BAGSO auch. Nicht in Wandelhallen oder Hinterzimmern, sondern auf dem offenen Markt. Mit hoffentlich überzeugenden Worten, denn diese sind unser Ins trument der Aufklärung. Dabei sind wir uns bewusst: In den Interessenkonflikten stehen nicht Generationenkohorten gegeneinander. Die Wahrheit ist: Wir sind als Seniorinnen und Senioren Teil des Gesellschaftsvertrages, der alle Generationen gleicherweise umfasst. AiR: BAGSO/Greuner Die „Lobby“ ist eine Wandelhalle. Der Lobbyist ist ein Agent zur Beeinflussung von Abgeordneten, – so steht es im Mackensen, dem Neuen Deutschen Wörterbuch, das rund 50 Jahre alt sein mag. Das klingt alles nicht sonderlich sympathisch und meistens ist es ja auch nicht freundlich gemeint, wenn in Deutschland von „Lobby“ gesprochen wird. Aktiv im Ruhestand Dialog der Generationen: Gemeinsam in die Zukunft Die Gestaltung der Zukunft obliegt allen Generationen. Grundlage hierfür sind Solidarität, gegenseitiges Verständnis, Toleranz sowie die Bereitschaft, miteinander und füreinander Verantwortung zu übernehmen. Vielfach ist das gelebte Realität, vor allem in Familien und auch im freiwilligen Engagement. In Kommunen sind die verschiedensten Beispiele für generationsübergreifende Aktivitäten entstanden; zu nennen sind hier beispielsweise die Lern- und Ausbildungspatenschaften. Sie sind ein wichtiger Beitrag zur Förderung des Verständnisses zwischen Jüngeren und Älteren. Für die allermeisten erwachsenen Kinder ist es wohl selbstverständlich, sich um ihre Eltern zu kümmern, wenn diese einmal Hilfe oder Pflege benötigen. Viele ältere Menschen hingegen sagen, sie wollen ihren Angehörigen nicht zur Last fallen. Aber beides, helfen und sich helfen lassen, gehört zum Leben dazu. So sind alle Beteiligten zu ermutigen, sich damit auseinanderzusetzen, wie eine gute Versorgung gelingen kann, die die Bedürfnisse und Grenzen aller berücksichtigt. Politik und Unternehmen sind aufgefordert, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und bürgerschaftlichem Engagement stärker zu fördern. Zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie gehört auch das Schaffen betrieblich organisierter Entlastungsangebote für pflegende Angehörige. > AiR | Januar/Februar 2016 Dies kommt dem Wunsch der meisten älteren Menschen entgegen, so lange wie möglich in der eigenen Wohnung zu leben und noch eine Aufgabe zu übernehmen. So gewinnt das „Zu-Haus-Sein“ im Alter an Bedeutung. Jan Brenner Standpunkt 6 tungen und bezahlbaren haushaltsbezogenen Dienstleistungen, unterstützt von freiwilligem Engagement. < < Klaus-Dieter Schulze Der Dialog der Generationen sollte auch auf gesellschaftlicher Ebene stattfinden. Bildungsangebote müssen der Vielfalt der Generationen und Erfahrungen gerecht werden. Dabei darf Bildung nicht nur auf ihre Verwertbarkeit ausgerichtet sein, sondern muss auch der individuellen Entwicklung und sozialen Teilhabe dienen. Die Menschen müssen die Möglichkeit haben, auch im Alter ihr Leben selbstständig und selbstverantwortlich zu gestalten. Hierzu sollten Ladenlokale, Arztpraxen, Ämter, Beratungsstellen, Kirchen sowie Sportangebote für alle Menschen gut auffindbar und leicht zugänglich sein. Öffentliche Verkehrsmittel sollten einfach und barrie- refrei nutzbar sein. Insoweit sind die Kommunen und Verkehrsunternehmen gefordert. Die Kommune, das Wohnviertel, die Nachbarschaft sind Orte, an denen jede und jeder Einzelne als Teil der Gesellschaft Verantwortung wahrnehmen kann. Grundsätzlich sind die Kommunen zudem für die Schaffung und den Erhalt einer engagementfördernden Infrastruktur verantwortlich. Sie müssen aber auch in die Lage versetzt werden, die freiwillig Tätigen verlässlich und dauerhaft zu unterstützen. Wir brauchen Konzepte für die Unterstützung und Versorgung im Wohnumfeld, bestehend aus familiärer Betreuung, Sozialleis- Es sind verstärkte Anstrengungen bei der Schaffung von altersgerechtem Wohnraum, auch im Bestand, zu fordern. Förderungen für Neubauten sollten an die Bedingung geknüpft sein, dass barrierefrei gebaut wird. In Städten und Ballungsgebieten ist eine wirksame Begrenzung der Wohnkosten dringend erforderlich. Mobile beziehungsweise gut erreich bare Angebote zur Alltagsversorgung müssen aus gebaut und gesichert werden. Die demografischen Veränderungen und der so zialkulturelle Wandel treffen alle Generationen, alle Kommunen, jetzt und in den kommenden Jahrzehnten. Dies bringt auch Chancen mit sich für jeden Einzelnen und die Gesellschaft. Es kommt nur darauf an, dass Staat und Gesellschaft rechtzeitig und zum Nutzen aller Genera tionen handeln. Klaus-Dieter Schulze, stellvertretender Vorsit zender der dbb bundes seniorenvertretung Aktiv im Ruhestand dbb bundesseniorenvertretung und dbb jugend: Generationengerechtigkeit geht nur gemeinsam Kompakt 8 „Generationengerechtigkeit ist ein Querschnittsthema, das alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens betrifft“, sagt die Vorsitzende der dbb jugend Bund, Sandra Kothe. So dürfe es zum Beispiel für gesellschaftliche und politische Teilhabe keine Altergrenzen geben, weil sie allen Menschen zusteht. „Politik und Gesellschaft müssen klare Strategien entwickeln, um die Interessen aller gleichwertig zu berücksichtigen.“ Wolfgang Speck, Vorsitzender der dbb bundes seniorenvertretung, sieht ebenfalls dringenden Handlungsbedarf: „Das beginnt bei der Lasten verteilung zwischen Jung und Alt und setzt sich in Jan Brenner Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird im Jahr 2060 jeder Siebte 80 Jahre oder älter sein. Dadurch kommt es zu erheblichen Veränderungen in der Altersstruktur der Bevölkerung. Bereits heute sind 20 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter. In den kommenden beiden Jahrzehnten wird der Anteil älterer Menschen deutlich steigen. Das hat Auswirkungen auf das soziale Zusammenleben von Jung und Alt in Deutschland. Die dbb jugend und die dbb bundesseniorenvertretung entwickeln gemeinsame Positionen zum Thema Generationengerechtigkeit. ist auch Liv Grolik, die in der dbb bundesjugendleitung für Generationengerechtigkeit zuständig ist: „Künftige Generationen können ihre Interessen im politischen Entscheidungsprozess nicht geltend machen. Deswegen müssen wir heute dazu beitragen, dass eine ökologisch nachhaltige und generationengerechte Politik betrieben wird.“ Um die politische Diskus sion neu anzustoßen er arbeitet die dbb jugend ein Positionspapier, in dem alle Kernforderungen zu einer generationengerechten Politik zusammengefasst werden sollen. < < Wolfgang Speck und Sandra Kothe gaben dem gemeinsamen Flyer zur Generationengerechtigkeit in Berlin den letzten Schliff. Fragen des Arbeitsmarktes und der Alterssicherung fort.“ Senioren und Jugend sind sich einig, dass die Politik derzeit nicht zu- kunftsorientiert ausgerichtet ist und in erster Linie die Interessen der heutigen Generation wahrt. Dieser Auffassung Flankieren wollen die beiden dbb Organisationen ihr Engagement mit einem gemeinsamen Informationsflyer. „Nur wenn wir unsere Probleme heute gemeinsam lösen und nicht den künftigen Generationen überlassen, können wir zuversichtlich in die Zukunft blicken“, so Kothe und Speck. << BAGSO: Mitgliederversammlung und Jahrestagung Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) führte am 25. und 26. November 2015 in Berlin ihre Mitgliederversammlung sowie die Jahrestagung „Älterwerden in ländlichen Räumen“ durch. Im Zentrum der Mitgliederversammlung, an der für die dbb bundesseniorenvertretung ihr Vorsitzender Wolfgang Speck teilnahm, standen die Wahlen und der damit einhergehende Wechsel an der Spit- > AiR | Januar/Februar 2016 ze der BAGSO. Der ehemalige SPDVorsitzende und Bundesarbeitsminister Franz Müntefering wurde zum neuen Vorsitzenden gewählt (siehe dazu auch AiR 12-2015, Seite 20). In den Diskussionen auf der anschließenden Jahrestagung wurde deutlich, dass der demografische Wandel am stärksten in ländlichen Räumen spürbar ist: Aufgrund der anhaltend niedrigen Geburtenrate und einer gezielten Abwanderung junger Menschen bleiben nur die Älteren zurück. Um deren Versorgung aufrecht zu erhalten, sind innovative Lösungen gefragt. Hierzu bot die Arbeitstagung neben Impulsreferaten vier Arbeitsgruppen, die das Älterwerden in ländlichen Räumen unter den verschiedenen Teilaspekten beleuchteten, darunter Wohnen, Dienstleistungen, pflegerische Versorgung sowie Mobilität und soziale Teilhabe. Klaus-Dieter Schulze Aktiv im Ruhestand Erstmals präsentierte sich die dbb bundesseniorenvertretung (bsv) auf der vom 10. bis 12. Januar 2016 in Köln stattfindenden dbb Jahrestagung mit eigenem Infostand. Die bsv-Geschäftsführung unterstützte Willi Russ, den Zweiten Vorsitzenden des dbb beamtenbund und tarifunion, in seiner Forderung nach Übertragung der „Mütterrente“ auf die Beamtinnen und Beamten sowie Versorgungsempfängerinnen und -empfänger. „Willi Russ ist mit der Aussage, dass auch die dbb bundesseniorenvetretung weiter für die Marco Urban << Seniorenvertretung aktiv auf der dbb Jahrestagung Übertragung kämpfen und hierbei einen langen Atem haben wird, nur Recht zu geben“, so Wolfgang Speck. Der Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung und weitere Mitglieder der Geschäftsführung nahmen nicht nur an der Jahrestagung teil, sondern führten am bsv-Infostand zahlreiche Gespräche mit Mitgliedern nicht nur im Seniorenalter. Sie stellten neue Veröffentlichungen vor, wie den Selbstdarstellungsflyer und den gemeinsam mit der dbb jugend herausgegebenen Flyer zur Generationengerechtigkeit. Großes Interesse rief der „Dokumentenordner für jung und alt – Für den Notfall“ hervor. Pflegeberufe: Qualität der Ausbildung bewahren Mit dem Pflegeberufereformgesetz will der Gesetzgeber die Berufsausbildungen zur Kranken-, Altenund Kinderkrankenpflege zu einem Ausbildungsgang zusammenzufassen. Im Rahmen dieser einheitlichen Ausbildung könnten sicher Schnittstellen und gleiche Grundlagen in der theoretischen Ausbildung genutzt werden, erklärte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach vor der Anhörung. „Allerdings sehen wir die Gefahr, dass aufgrund der Fülle theoretischer und praktischer Lehrinhalte – unter Beibehaltung der dreijährigen Ausbildungszeit – nicht mehr genügend Raum für die derzeit in den © rico287 - Fotolia.com Einzelzweigen des Pflegeberufs vermittelten Spe zialkenntnisse bleibt.“ Positiv bewerte der dbb die vorgesehene grundsätzliche Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung, so Silberbach. Beides könne zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs beitragen. Gesetzlich geregelt werden sollen auch die seit Langem geforderten Vorbehaltstätigkeiten. Allerdings müsse stärker als im vorliegenden Entwurf konkretisiert wer- den, um welche Tätigkeiten es sich dabei handelt. Auf Zustimmung des dbb stoße auch die akademische Öffnung des Pflegeberufs: Durchlässigkeit und berufliche Entwicklungsmöglichkeiten seien starke Argumente bei der Berufswahl und auch „eine richtige Antwort auf die demografischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte, die die Pflege in besonderem Maße betreffen“, so der dbb Vize. Allerdings müsse sowohl mit Blick auf die Eingruppierung von Beschäftigten mit Hochschulabschluss als auch auf ein ausreichendes Angebot entsprechender Studiengänge die Frage der Gegenfinanzierung geklärt werden. „Bei allen Fortschritten, die die Pflegewissenschaft in den letzten Jahrzehnten gebracht hat, dürfen Differenzierungen in der Ausbildung nicht zu einer Spaltung der Belegschaft führen“, mahnte Silberbach. > AiR | Januar/Februar 2016 9 Kompakt Die Qualität der Ausbildung in den Pflegeberufen darf nicht darunter leiden, dass künftig die Berufsausbildungen zur Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege zu einem generalistischen Ausbildungsgang gebündelt werden sollen. Das hat der dbb in einer Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (PflBRefG) unterstrichen und auch bei einer A nhörung auf Einladung des Bundesgesundheits- sowie des Bundesfamilienministeriums zu dem Entwurf am 11. Dezember 2015 in Berlin klargemacht. Aktiv im Ruhestand dbb bundesseniorenvertretung: Seminar zur Alterssicherung bsv Vom 19. bis 21. Oktober 2015 fand im dbb forum siebengebirge ein Seminar der dbb bundesseniorenvertretung (bsv) zur Alterssicherung statt. In Anwesenheit der bsv-Geschäftsführung wurden Grundzüge, Unterschiede und Entwicklungen von Versorgung, Rente und Zusatzversorgung behandelt. ten unter anderem auf folgende Fragen: Wie verändert sich das Ruhegehalt in Zukunft? Wann habe ich mit einem Versorgungsabschlag zu rechnen? Welche weiteren Einkünfte darf ich haben, und was passiert beim Zusammen treffen von Versorgungsbezügen und Rente? Uta Kramer-Schröder, Zweite Vorsitzende der bsv, erläuterte, wie sich die unterschiedlichen Lebensumstände auf die Rente auswirken können, sei es durch Krankheit oder Teilzeitarbeit. Die Absenkung des allgemeinen Renten niveaus trage weiter dazu bei, dass es in Zukunft viele Rentnerinnen und Rentner geben wird, die eine nur unwesentlich über der Grundsicherung liegende eigene Rente beziehen, auch wenn es im öffentlichen Dienst noch eine Zusatzversorgung gibt. Eine Einführung in das Recht der Rentenversicherung wurde allen Anwesenden anschaulich im zweiten Teil des Seminars von Reinhard Dienst, Deutsche Rentenversicherung Rheinland, geboten. Ein Kommentar spiegelte deutlich die Meinung der Kursteilnehmer wider: Ich habe gedacht, das Versorgungsrecht sei schwierig, doch nun stelle ich fest, das Recht der Rentenver sicherung ist noch viel komplizierter. Über die Zusatzversorgung (VBL) im öffentlichen Dienst gab Matthias Berends (dbb Bundesgeschäfsstelle) einen Überblick. Seit 2001, der Einführung des Punktemodells, ist die allgemeine Lebenserwartung weiter gestiegen. Da diese Tatsache auch Auswirkungen auf die Zusatzversorgung habe, müsse es eine Diskussion über die Folgen geben, damit das System für die Zukunft gesichert werden kann. Der Themenreigen spannte sich über die Anrechnung von Kindererzie- Uta Kramer-Schröder, Zweite Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung < < Das Versorgungs- und Rentenrecht erwies sich als überaus komplizierte Materie. Kompakt 10 Nach der Begrüßung durch Seminarleiter Klaus Dieter Schulze und einer Einführung durch den bsv-Vorsitzenden Wolfgang Speck zu den unterschiedlichen Alterssicherungssystemen erläuterte Stefan Czogalla, (dbb Bundesgeschäftsstelle) die Grundzüge der Beamtenversorgung und die Unterschiede zur Rentenversicherung. Nach einem Rückblick auf die Entstehung der Versorgungssysteme zeigte er anhand von Beispielen die Weiterentwicklungen und die Veränderungen auf, die zum Beispiel durch die Föderalismusreform oder durch andere politische Entscheidungen entstanden sind. In fast allen Fällen mussten die Systeme Kürzungen hinnehmen. Ein weiterer Punkt war die unterschiedliche Berücksichtigung von Zeiten der Erziehung von Kindern, die vor 1992 geboren worden sind, bei Rente und Versor> AiR | Januar/Februar 2016 gung. Um hier und in anderen Fällen eine gleichwertige Behandlung zu erreichen, wird die dbb bundesseniorenvertretung nichts unversucht lassen. Der Erste stellvertretende Vorsitzende der SBB Seniorenvertretung, Dr. Hans Peter Klotzsche, informierte über die Renten in den östlichen Bundesländern mit ihren Besonderheiten und den Problemen infolge der Rentenüberleitung. Ein großer Streitpunkt sei hierbei die immer noch nicht erfolgte Angleichung der Rentenwerte Ost an West. Klotzsche stellte dar, wie sich die Ungleichbehandlung auswirkt und was unternommen werden muss, um eine Gleichheit in der Rente zu erreichen. Matthias Warnking (dbb Bundesgeschäftsstelle) stellte die aktuelle Entwicklung im Versorgungsrecht dar und gab Antwor- hungszeiten, Erwerbs minderungsrente, Witwen- und Witwerrenten, Berufsunfähigkeitsrenten bis zur privaten Absicherung. Eine Erkenntnis hatten alle Teilnehmenden: Man muss schon in jungen Jahren über die Rente nachdenken, um im Alter nicht eine böse Überraschung zu erleben. Friedhelm Windmüller Aktiv im Ruhestand Lobbyarbeit der dbb bundesseniorenvertretung: Reden und Handeln Verglichen mit bundesfrauenvertretung und jugend ist die bundesseniorenvertretung das mit Abstand jüngste Mitglied der dbb Familie. Seit ihrer Gründung durch den ersten Bundesseniorenkongress im November 2013 sind gerade zwei Jahre vergangen. Aber trotz seiner Jugend steht das Nesthäkchen der dbb Untergliederungen den älteren Geschwistern in nichts nach, wenn es darum geht, die Interessen seiner Klienten gegenüber Politik und Gesellschaft sowie im eigenen Dachverband zu vertreten. Aktuell 12 „Die Zeit war einfach reif, schließlich wird auch im dbb die Zahl der Mitglieder, die sich im Ruhestand oder in Rente befinden, ständig größer“, begründet der Vorsitzende der bundesseniorenvertretung (bsv), Wolfgang Speck, die von Beginn an positive Entwicklung der dbb Seniorenlobby. „Wir können endlich mit einer Stimme sprechen und unsere Vorschläge und Forderungen mit größerem Selbstbewusstsein, aber auch größerer Lautstärke geltend machen“, ergänzt Speck. Die Themen, die der erste dbb Bundesseniorenkongress am 18. November 2013 aus den 65 Anträgen der 136 stimmberechtigten Delegierten filterte, programmatisch in einem Fünf-Jahres-Plan zusammenfasste und der frisch gewählten fünfköpfigen bsv als Arbeitsgrundlage überreichte, sind breit gestreut: Sie zeigen zugleich, in wie vielen Bereichen engagierte Lobbyarbeit im > AiR | Januar/Februar 2016 Interesse der älteren Generation wünschenswert und sogar notwendig ist. „Wir netzwerken, wie man neudeutsch heute sagt, in alle Richtungen“, erklärt Wolfgang Speck. „Wir suchen das direkte Gespräch mit Parlamentariern und Politikern auf Bundes- und Landesebene, haben über unsere Mitgliedschaft in der BAGSO, der Bundes arbeitsgemeinschaft für Seniorenorganisationen, gute Möglichkeiten, viele unserer Ziele im Schulterschluss und mit dem zusätzlichen Gewicht gleichgesinnter Seniorenvertretungen weiterzuverfolgen. Außerdem setzen wir auf den weiteren Auf- und Ausbau unserer eigenen Lobby. Meine Kolleginnen und Kollegen aus der bsv und ich stehen mit den Vertreterinnen und Vert retern aus den Senioren organisationen der dbb Landesbünde und Mitgliedsgewerkschaften in regem Austausch. Auch treffen wir uns regelmäßig zu gemeinsamen Veranstaltungen.“ In den gut zwei Jahren, seit die bsv ihre Arbeit aufgenommen hat, wurden zwei seniorenpolitische Fachtagungen mit jeweils um die 100 Teilnehmerinnen und -Teilnehmern durchgeführt: „Mobilität ist (k)eine Altersfrage?“ (2014) und „Pflegestärkungsgesetz II – Was lange währt, wird wirklich gut?“(2015). Die bsv hat einen Ratgeber „Erbrecht“ herausgegeben und einen Dokumentenordner „Für den Notfall“, weitere Infopublikationen sowie eine Fachtagung im Jahr 2016 sind in Vorbereitung. In den verbleibenden knapp drei Jahren bis zum nächsten Bundesseniorenkongress wollen sie die Seniorenarbeit des dbb noch ein gutes Stück voranbringen. Darin sind sich die fünf Mitglieder des bsvVorstandes einig, die durch das jahrzehntelange Engagement in ihren „Heimat gewerkschaften“ DPolG (Wolfgang Speck), BDZ (Uta Kramer-Schröder), DSTG (Anne Schauer), VBE (Max Schindlbeck) und komba gewerkschaft (Klaus-Dieter Schulze) gelernt haben, ihre Ziele mit Geduld und Beharr lichkeit zu verfolgen. Zu den „dicken Brettern“, die sie bis zum Ende ihrer Wahlperiode bohren wollen, zählen zum Beispiel die Angleichung der Rentenwerte in Ost und West, die 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht vollzogen ist, die Beseitigung der Ungerechtigkeiten für Rentnerinnen und Rentner in Ostdeutschland, die durch das Rentenüberleitungsgesetz verursacht wurden, und die wirkungsgleiche Übertragung der sogenannten Mütterrente auf die Beamtenversorgung, die bisher nur in Bayern umgesetzt wurde. „Und selbstverständlich werden wir dbb Senioren auch bei der in wenigen Wochen beginnenden Einkommensrunde für die Beschäftigten beim Bund und in den Kommunen wieder mitmischen, wenn es darum geht, Flagge zu zeigen für ein angemessenes Ergebnis“, sagt bsv-Chef Speck. „Ein guter Abschluss kommt letztlich auch uns Pensionären zugute.“ cri MEV Aktiv im Ruhestand Anpassung der Versorgungsbezüge: Sachstand zu Beginn des Jahres 2016 Aktuell 14 Rentenerhöhungen und Versorgungsanpassungen sind rechtlich und tatsächlich getrennte Vorgänge. Die Anpassung der gesetzlichen Rente erfolgt bundeseinheitlich jeweils zum 1. Juli. Die Rentenanpassung orientiert sich dabei insbesondere an der Entwicklung der Bruttolöhne. Sie wird von der Bundesregierung in einer Verordnung, die der Zustimmung des Bundesrates bedarf, geregelt. Die Renten sollen 2016 voraussichtlich um 4,35 Prozent im Westen und um 5,03 Prozent im Osten erhöht werden. Anders vollziehen sich die Erhöhungen der Versorgungsbezüge. Sie folgen den Besoldungsbezügen nach Maßgabe des über Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten Leistungsprinzips und des über Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Alimentationsprinzips. Beide Prinzipien sichern den Beamten eine lebenslange Alimentation im Dienst und im Ruhestand. Wann und in welcher Höhe die Anpassung der Versorgungsbezüge erfolgt, ist in Bund und Ländern unterschiedlich. Für die Kommunen gibt es keine eigenständigen Regelungen, da sie denen des jeweiligen Landes folgen. Die Anpassungen der Versorgungsbezüge folgen den Besoldungsanpassungen. Durchgängig werden deshalb von den zuständigen Gesetzgebern einheitliche Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetze verabschiedet. Die jährlichen Rentenanpassungen > AiR | Januar/Februar 2016 haben deshalb keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Anpassungen der Versorgungsbezüge der Versorgungsempfänger in Bund, Ländern und Kommunen. Mittelbar prägen sie jedoch die allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Entwicklungen mit und bilden das Umfeld für die jeweiligen Einkommensrunden. Ihre spätere Übertragung auf die Beamten durch entsprechende Besoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetze ist die einzig mögliche Form für die Anpassung der Versorgungsbezüge. Faktisch ist damit immer von einer Einkommensrunde für alle Beschäftigten, Beamten und Versorgungsempfänger des jeweiligen Dienstherrn auszugehen. Die Einkommensrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes des Bundes und der Kommunen 2016/2017 beginnt im Februar 2016 mit der Erhebung der Forderung seitens der Gewerkschaften. Mit einem Abschluss ist im Frühjahr/Sommer zu rechnen. Üblicherweise überträgt der Bund das Tarifergebnis auf seine Beamten und Versorgungsempfänger durch ein Bundesbesoldungs- und Versorgungsanpassungsgesetz, sodass ab Mitte 2016 mit einer Erhöhung der Versorgungsbezüge beziehungsweise Abschlagsauszahlungen zu rechnen ist. Die Einkommensrunde 2015/2016 mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) wurde Ende März 2015 abgeschlossen. Der Tarifvertrag sieht eine Erhöhung der Tabellenentgelte für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zum 1. März 2015 um 2,1 Prozent sowie ab 1. März 2016 um weitere 2,3 Prozent – mindestens aber um 75 Euro vor. Dieser Tarifabschluss hat (un)mit telbare Wirkung für die Versorgungsempfänger, da die meisten Landesregierungen diesen zum Maßstab für die Anpassung der Besoldungs- und Versorgungsbezüge nahm. << Zeit- und inhaltsgleich Sowohl Bayern, Hamburg, Rheinland-Pfalz als auch Sachsen gewähr(t)en ihren Versorgungsemfängern eine Linearanpassung von 2,1 Prozent rückwirkend zum 1. März 2015 sowie von 2,3 Prozent. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. Damit findet eine zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifabschlusses statt. << Inhaltsgleich, zeitlich verschoben Für Versorgungsempfänger der Besoldungsgruppen A 5 bis A 9 wurde in BadenWürttemberg ab 1. März 2015 eine Linearanpassung von 1,9 Prozent sowie ab 1. März 2016 von 2,1 Prozent vorgenommen. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. Versorgungsemp- fänger der Besoldungsgruppen A 10 und A 11 erhielten/erhalten diese Anpassungen ab 1. Juli 2015 beziehungsweise 1. Juli 2016 sowie Versorgungsempfänger der Besoldungsgruppen A 12 und höher erhielten/erhalten diese erst ab 1. November 2015 beziehungsweise ab 1. November 2016. In Brandenburg erhielten Versorgungsempfänger ab 1. Juni 2015 eine Linearanpassung von 1,9 Prozent und erhalten eine weitere ab 1. Juli 2016 von 2,1 Prozent. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. In Bremen wurde/wird eine Linearanpassung von 2,1 Prozent zum 1. Juli 2015 sowie zum 1. Juli 2016 von 2,3 Prozent vorgenommen. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. Auch in Nordrhein-Westfalen erhielten Versorgungsempfänger eine Linearanpassung ab 1. Juli 2015 von 1,9 Prozent und erhalten eine weitere ab 1. August 2016 in Höhe von 2,1 Prozent. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. Von der Landesregierung in Sachsen-Anhalt wurde im Oktober 2015 ein Gesetz verabschiedet, welches sowohl eine Linearanpassung ab 1. Juni 2015 von 2,1 Prozent als auch ab 1. Juni 2016 von Aktiv im Ruhestand Auch in Schleswig-Holstein wurde ein Gesetz verabschiedet, das eine Linear anpassung ab 1. März 2015 von 1,9 Prozent sowie ab 1. Mai 2016 von 2,1 Prozent beinhaltet. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. In Thüringen wurde gleichfalls ein Gesetz mit Linearanpassungen für Versorgungsempfänger ab 1. September 2015 um 1,9 Prozent und ab 1. September 2016 um 2,1 Prozent vorgenommen. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. << Inhaltsgleich, zeitlich verschoben, gestaffelt Im Saarland erhielten die Besoldungsgruppen bis A 9 ab 1. Mai 2015, die Besoldungsgruppen A 10 bis A 13 und C 1 ab 1. Juli 2015 sowie die Besoldungsgruppen ab A 14 ab 1. September 2015 eine Linearanpas- sung von 1,9 Prozent. Dies entspricht jeweils einer zeitlichen Verschiebung um zwei, vier beziehungsweise sechs Monate zum Tarifabschluss. 2016 erhalten alle Versorgungsempfänger zu den genannten Monaten eine jeweils um weitere zwei Monate verschobene Erhöhung von 2,1 Prozent. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. << Eigene Regelungen In Berlin findet keine Übertragung des Länder-Tarifabschlusses statt. Der Senat hatte im Juli 2014 mit dem Gesetz zur Anpassung der Besoldung und Versorgung 2014/2015 für 2015 eine Linearanpassung von 3,2 Prozent zum 1. August 2015 festgelegt. Niedersachsen hatte wiederum mit Gesetz von Dezember 2014 eine Linear anpassung in Höhe von 2,5 Prozent ab 1. Juni 2015 und von 2 Prozent ab 1. Juni 2016 beschlossen. Mit Blick auf die Schuldenbremse enthält die Koalitionsvereinbarung in Hessen von Dezember 2013 eine „Regelung“, wonach Versorgungsempfänger in den Jahren 2016 und 2017 jeweils nur Linearanpassungen von 1 Prozent erhalten sollen. Bislang hat die Landesregierung 2015 noch nicht einmal diese Vereinbarung umgesetzt. Weder aktive Beamte noch Versorgungsempfänger erhielten 2015 eine Anpassung ihrer Bezüge entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse. << Auch Mecklenburg-Vorpommern hatte schon mit dem im November 2013 verabschiedeten Gesetz zur Anpassung von Besoldungs-, Beamtenversorgungs- und Amtsbezügen für die Jahre 2013, 2014 und 2015 für 2015 eine Linearanpassung zum 1. Januar von 2 Prozent verabschiedet. Fazit Das System zur Rentenanpassung ist mit dem zur Versorgung dem Grunde nach, aber auch im Hinblick auf die Erhöhung nicht gleichartig. Es handelt sich um bewährte Systeme, die in ihrer Eigenständigkeit zu bewahren und entsprechend den veränderten Rahmenbedin- gungen anzupassen sind. Zu den Rahmenbedingungen zählen insbesondere die Veränderungen der allgemeinen und wirtschaftlichen Entwicklung, die jeweils in der Versorgung durch entsprechende Erhöhungen abzubilden sind. Maßstab dafür waren seit Jahrzehnten im Wesentlichen die Tarifabschlüsse, sodass für die Versorgungsempfänger die Einkommensrunden mit Bund und Kommunen beziehungsweise den Ländern von essenzieller Bedeutung sind. Damit sind Tarifrunden Einkommensrunden für alle Beschäftigten, Beamten und Versorgungsempfänger des betroffenen Rechtskreises (Bund/ Kommunen oder der Länder). Diese gilt es, aktiv und breit zu unterstützen. Nur dann wird es gelingen, dem berechtigten Interesse aller Personengruppen gerecht zu werden und alle an der finanziellen und wirtschaftlichen Entwicklung durch Vereinbarung entsprechender Tarifabschlüsse und anschließender Übertragung auf die Beamten und Versorgungsempfänger teilhaben zu lassen. te/ab > AiR | Januar/Februar 2016 15 Aktuell 2,3 Prozent vornimmt. Der Mindestbetrag von 75 Euro wird in Höhe des entsprechenden Versorgungssatzes zum 1. März 2016 gewährt. Aktiv im Ruhestand Mobilfunk: Durchblick im Tarifgewirr © Scott Griessel - Fotolia.com Handys und Smartphones sind für viele Seniorinnen und Senioren ein fester Bestandteil des täglichen Lebens. Sind die Geräte aber erst einmal in die Jahre gekommen, lohnt es sich, nicht nur über ein neues Telefon, sondern auch über einen neuen Mobilfunkvertrag nachzudenken. AiR gibt Tipps für den Durchblick im Tarifdschungel. Medien 16 Oft wurden Mobilfunkverträge bereits vor vielen Jahren abgeschlossen und aus Bequemlichkeit nie gekündigt. Dabei ändern sich die Tarifkonditionen jedes Jahr – meist zugunsten der Verbraucher. Preisvorteile werden allerdings nicht automatisch an die Nutzer weitergegeben. So kann es sein, dass Menschen mit Altverträgen heute zu viel Geld für zu wenig Leistung bezahlen. Weiter reicht vielen Senioren heute immer noch ein „normales“ Handy ohne Internetfunktion, mit dem sie nur telefonieren und die Kurznachrichten SMS verschicken und empfangen können. Diese Kundengruppe hat es immer schwerer, güns tige Neuverträge abzuschließen, weil fast alle neuen Tarife auf Smartphones zugeschnitten > AiR | Januar/Februar 2016 sind. Je nach Tarifmodell lohnt es sich, auf ein ein faches Smartphone zu wechseln. << Tarife mit Smartphone teurer Der Illusion, die Mobilfunkanbieter hätten etwas zu verschenken, sollten sich selbst wohlwollende Betrachter der bunten Werbeanzeigen nicht hingeben. Im Gegenteil verkaufen die Anbieter Tarife mit Smartphones oft teurer. Besonders bei Premiummodellen von Samsung und Apple sollten Kunden genauer hinsehen, denn hier ist es meist billiger, Gerät und Tarif getrennt zu erwerben: Ein Unternehmen wirbt aktuell zum Beispiel mit einem scheinbar unschlagbaren Angebot. Für 400 Euro Zuzah- lung gibt es das iPhone 6s mit 64 GB (Gigabyte) Speicher im Tarif X mit freier Telefonie in alle Netze (Allnet-Flat) und zwei GB superschnellem Internetvolumen (150 Megabit pro Sekunde), ebenfalls als Flatrate. Der Tarif kostet 60 Euro pro Monat im ersten und 70 Euro pro Monat im zweiten Vertragsjahr. Das macht insgesamt 1 960 Euro in zwei Jahren. Rechnet man den Gerätepreis nach der unverbindlichen Preisempfehlung von rund 850 Euro aus dem Angebot heraus, ergeben sich 46,25 Euro pro Monat, den Kunden hier für das reine Tarifangebot bezahlen. Eine Allnet-Flatrate mit vergleichbaren Leistungen gibt es bei anderen Anbietern – wenn auch in einem anderen Mobilfunknetz – aber schon für 25 Euro pro Monat und weniger. Da sich die Netzqualitäten der Betreiber mittlerweile technisch stark angeglichen haben, ist der „Vorteil“ eines vermeintlich besseren Netzes kein echtes Kaufkriterium mehr. Ebenso sind die angebo tenen 150 Mbit pro Sekunde Internetgeschwindigkeit für fast alle Smart phone-Aktivitäten viel „zu schnell“: Selbst bei 25 Mbit pro Sekunde würden Nutzer beim Surfen, Mailen und Spielen keinen Unterschied merken. Die Gegenrechnung: iPhone neu gekauft und einen separaten Vertrag zu 25 Euro Monatskosten abgeschlossen, schlägt auf zwei Jahre mit insgesamt 1 450 Euro zu Buche. Ersparnis: 510 Euro. << Es geht auch günstiger Aktuell sind Allnet-Flat- Tarife bereits für unter 20 Euro monatlich im ersten Vertragsjahr zu haben. Achten sollten Kunden allerdings neben den Kosten für das zweite Vertragsjahr auf genügend Internetvolumen. Denn selbst wenn die Internetfunktionen eines Smartphones nicht aktiv genutzt werden, greifen die Geräte im Hintergrund auf Internetdienste zu. Tarife mit unter 250 Megabyte (MB) schnellem Datenvolumen pro Monat machen daher kaum Sinn. Und wer erst einmal ein Smartphone hat, schaut dann ab und zu doch ganz gerne auf eine Nachrich- Aktiv im Ruhestand << Achtung Datenautomatik Damit der Flatrate-Vertrag nicht zur Kostenfalle wird, gilt es, das Kleingedruckte zu lesen und bei Vertragsabschluss, der meist ohne Filiale im Internet stattfindet, die richtigen Häkchen zu setzen. Eine Falle ist die sogenannte Datenautomatik: Wenn das schnelle Internetvolumen verbraucht ist, bucht der Netzbetreiber automatisch neues Volumen gegen Entgelt hinzu. Das können bis zu neun Euro für vergleichsweise lächerliche 250 oder 500 Megabyte sein, was bis zu dreimal pro Monat passieren kann. Nutzt jemand das Handy also sehr aktiv, kostet der 20-Euro-Vertrag mit nicht abgeschalteter Datenautomatik plötzlich bis zu 47 Euro pro Monat. Darüber hinaus gab es bereits Beschwerden von Kunden, die von einem Anbieter ungefragt in den nächst teureren Datentarif eingestuft wurden, nachdem die Datenautomatik drei Monate hintereinander automatisch gegriffen hatte. Lässt sich die Datenautomatik nicht direkt bei Vertragsabschluss deaktivieren, reicht ein schriftlicher Widerspruch beim Netzbetreiber, um dem Nepp einen Riegel vorzuschieben. Denn nach dem Verbrauch des schnellen Datenvolu mens kappt der Mobilfunk anbieter nicht etwa die Internetverbindung. Sie wird bis zum Monatsende lediglich langsamer, reicht immer noch für den alltäglichen Gebrauch und bleibt dafür aufpreisfrei. In vielen Verträgen kosten auch SMS-Kurznachrichten ex tra. Ein Dienst, der sich für viele Smartphonebesitzer überholt hat, denn eine SMS-Flatrate für rund fünf Euro pro Monat braucht in Zeiten von kostenlosen Kurznachrichtendiensten wie WhatsApp und Co eigentlich kein Mensch mehr. Besser zahlt man im Notfall neun Cent für eine einzelne SMS. << Einfacher ist besser Es gibt unzählige Mobilfunkanbieter. Neben den Netzbetreibern T-Mobile, Vodafone und O2/E-Plus buhlen sogenannte Reseller von Aldi-Talk bis Yourfone um die Gunst der Kunden. Sie stellen kein eigenes Netz zur Verfügung, sondern kaufen die benötigten Netzkapazitäten einfach bei den drei Großen ein. Für welchen letztlich die Entscheidung fällt, sollte nicht nur vom Preis abhängen. Ein Blick auf die Internetseiten der Anbieter verrät viel über die Geschäftstaktik, denn je unübersichtlicher das Gewirr von Tarifoptionen und Auswahlmöglichkeiten ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass darin Fallen versteckt sind. Im Zweifel ist der Anbieter mit der klarsten Tarifstruktur und dem kürzesten Kleingedruckten der Beste – auch wenn er ein paar Euro teurer ist als die Konkurrenz. Die großen Vergleichsportale im Internet bieten eine gute Orientierung über den Markt und liefern erste Anhaltspunkte, welcher Vertrag infrage kommt. Nutzer, die flexibel bleiben wollen, wählen nicht den Laufzeitvertrag, sondern ein Vertragsmo- dell mit monatlicher Kündbarkeit. Die Rufnummernübernahme zum neuen Anbieter kostet in der Regel rund 30 Euro. Ist eine Übernahme gewünscht, macht es Sinn, einen Anbieter zu wählen, der diese Summe in Form einer Gutschrift ausgleicht. Wer trotz aller Vorzüge des Smartphones lieber bei seinem Urzeit-Handy bleiben will, findet heute kaum noch akzeptable Tarife für „Nur-Telefonierer“. Eingependelt haben sich die Preise für sogenannte Prepaid-Karten, die mit Guthaben aufgeladen werden, bei rund neun Cent pro Minute in alle Netze. Minutenpakete gibt es für rund zehn Euro für 200 Gesprächsminuten pro Monat. Im Vergleich zum Komfort eines Smart phones mit günstigem Allround-Tarif ist das realtiv teuer. << Das Smartphone muss nicht teuer sein Nicht jeder braucht ein Top-Smartphone der neusten Generation. Gebrauchte Vorjahresmodelle erfüllen ihren Zweck genauso gut und kosten deutlich weniger. Wer sich vor unliebsamen Überraschungen aus dem Internetauktionshaus schützen will, kann bei verschiedenen Händlern im Internet ein gebrauchtes, gewartetes Gerät mit Händlergarantie erstehen. Ebenso lohnt es sich, günstige Smartphones ab 100 Euro zu beschnuppern. Sie bieten von E-Mail bis Internet alles, was ein Smartphone können muss und verzichten auf teure Attribute wie höchste Bildschirmauflösung, Topkamera und maximale Rechengeschwindigkeit, bleiben aber voll alltagstauglich. br > AiR | Januar/Februar 2016 17 Medien ten-App oder nutzt vielleicht die Navigations funktion. Aktiv im Ruhestand Portoerhöhung 2016: Bitte frei machen ... Erinnern Sie sich noch? Nach 15 Jahren Preisstabi lität erhöhte die Deutsche Post 2013 das Porto für einen Standardbrief von 55 auf 58 Cent. Auch andere Leistungen wurden teurer. Dann ging es Schlag auf Schlag: Der Preis kletterte von 58 auf 60 und 2015 auf 62 Cent. Seit dem 1. Januar 2016 muss der Postkunde 70 Cent für einen Standardbrief zahlen – das sind 13 Prozent mehr als im vergangenen Jahr. AiR ist der Frage nachgegangen, ob das heftige Drehen an der Preisschraube tatsächlich notwendig ist. Immerhin spült das höhere Porto dem Konzern künftig jährlich etwa 200 Millionen Euro zusätzlich in die Kasse. Begründet wurde die von der Bundesnetzagentur genehmigte Erhöhung von 55 auf 57 Cent mit der notwendigen Anpassung an die allgemeine Kostenentwicklung und die sich stark verändernden Rahmenbedingungen durch sinkendes Briefaufkommen und dem nach wie vor zu erfüllenden Infrastrukturauftrag. Die Kunden sollen im Umkreis von zwei Kilometern eine Poststelle erreichen können. Dabei handelt es sich durch Per> AiR | Januar/Februar 2016 sonalabbau und Rationa lisierungsmaßnahmen keineswegs um die guten alten Postämter mit vollem Service von der Brief annahme bis zur Postbank, sondern vorwiegend um Partnerbetriebe und Verkaufspunkte in Super märkten und Schreibwarengeschäften. War vor 15 Jahren das Briefgeschäft noch die wichtigste Einnahmequelle der Post, so änderte sich dies mit dem Siegeszug der IT-Kommunikation. Besonders die Jüngeren versenden E-Mails und SMS statt Briefe, bestellen im Internet, erhalten aber ihre Päckchen und Pakete vorwiegend von der Post, die auch die Retourenfracht übernimmt: Das Kerngeschäft des „Gelben Riesen“ hat sich vom Brief zum Paket verschoben. Durch den boomenden Onlinehandel kletterten in der Paketsparte die Um- sätze im dritten Quartal 2015 um knapp zehn Prozent nach oben, während sie im Briefbereich kontinuierlich sinken. << Spielräume schaffen Weil die Post als einziger Anbieter eine flächendeckende Zustellung im gesamten Bundesgebiet von der Hallig bis zur Alm gewährleisten muss, führt der Rückgang des Briefaufkommens nicht parallel zu Jan Brenner (2) Aktuell 18 1997 genehmigte der Regulierungsrat von Bundestag und Bundesrat der Post AG die Erhöhung des Briefportos ab dem 1. September auf 1,10 DM. Auch das Porto für Postkarten wurde um 20 Pfennig auf 1,00 DM angehoben. Im Jahresdurchschnitt mussten die Bundesbürger für die Frankierung ihrer Briefe und Postkarten 2,63 DM mehr ausgeben als zuvor. Nachdem 2003 sogar eine leichte Preissenkung – von 56 auf 55 Cent – erfolgt war, zogen die Preise erst 2013 wieder an. < < Mit 70 Cent liegt der Preis für eine n Stan in Deutschland im europäischen Verg dardbrief bis 20 Gramm leich im Mittelfeld. < < Die alten 62-Cent-Marken behalten wie alle anderen Postwertzeichen auch ihre Gültigkeit. Mit AchtCent-Ergänzungsmarken kann aufgestockt werden. Aktiv im Ruhestand einem Rückgang des Lo gistik- und Personalaufwands. Deshalb holt sich die Post über die kräftigen Portoerhöhungen der letzten Jahre das Geld von den Kunden zurück und verschafft sich Spielraum in einer schrumpfenden Geschäftsparte. Deshalb wird nicht nur der Standardbrief mit 70 Cent erheblich teurer, sondern auch für internationale Briefe, Postkarten ins Ausland, Großbriefe und Einschreiben sind die Preise ab dem 1. Januar 2016 angehoben worden. Der Versand eines Maxibriefes kostete zum Beispiel bis zum 31. Dezember 2015 2,40 Euro, ab dem 1. Januar sind dafür 2,60 Euro fällig. Einwurfeinschreiben kosten 2,15 beziehungsweise 2,50 Euro, selbstverständlich zuzüglich zum – ebenfalls höheren – Beförderungsentgelt der Basissendung. Die neuen Briefmarken – angeblich schon vor der Zustimmung der Bundesnetzagentur zur Preiserhöhung gedruckt – wurden bereits ab dem 3. Dezember 2015 in den Postfilialen und im Internet (www. efiliale.e) verkauft, um den Kunden eine ausreichende Vorlaufzeit zum Erwerb neuer Marken zu geben. << 70 Cent für eine Alge Da die bisherigen Briefmarken gültig bleiben, hält die Post zusätzlich Ergänzungsmarken im Wert von acht Cent vor. Zurzeit gibt es vier Motive der neuen 70-Cent Marken: Schoko laden-Kosmee, Blüte Odermennig, Kieselalge und 250 Jahre Technische Universität Bergakademie Freiberg. Selbst nach der geplanten Anpassung auf 70 Cent liege der Preis für den Standardbrief in Deutschland immer noch im Mittelfeld, verglichen mit dem Briefpreisniveau in anderen europäischen Ländern, heißt es in einer Presseerklärung der Deutsche Post DHL Group. Durch die Preisfestschreibung für drei Jahre und weiterhin zu erwartende Preiserhöhungen in anderen Ländern werde sich diese Position weiter verbessern. Ein schwacher Trost, besonders für viele Senioren, die nicht das Internet nutzen, sondern nach wie vor Briefe schreiben und Postkarten verschicken. sm << Die Porto-Änderungen im Überblick > Standardbriefe (bis 20 Gramm) von 62 auf 70 Cent > Standardbrief- und Postkarten für Europa und Welt bis 20 Gramm von 80 auf 90 Cent > Maxibriefe (bis 1 000 Gramm) von 2,40 Euro auf 2,60 Euro > Erhöhung aller Einschreiben-Varianten auf 2,15 Euro beziehungsweise 2,50 Euro > Päckchenmarkenwert XS bis ein Kilogramm von 3,95 Euro auf 4,00 Euro > Päckchenmarkenwert S bis zwei Kilogramm von 4,40 Euro auf 4,50 Euro > AiR | Januar/Februar 2016 Aktiv im Ruhestand VBE-Bundesseniorenvertretung: Tagung in Königswinter Zum Jahresende 2015 tagte die Bundesseniorenvertretung des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) in Königswinter. Max Schindlbeck, Sprecher der VBE-Seniorenvertretung und stellvertretender Vorsitzender der dbb bundesseniorenvertretung, hatte ein anspruchsvolles Programm zusammengestellt und interessante Dozenten gewonnen. Marina Fischbach, dbb akademie < < Max Schindlbeck (Zweiter von links) konnte beim Treffen der VBB-Seniorenvertreter in Königswinter auch den VBE-Bundes vorsitzenden Udo Beckmann (Bildmitte) begrüßen. sicherung für Rentner, die vor allem tarifbeschäftigte Ehefrauen und Witwen von Beamten treffen, wenn sie in der zweiten Lebenshälfte wegen Ausfallzeiten durch Erziehungs- oder Pflegezeiten weniger als 9/10 der Zeitspanne sozialversiche- Die VBE-Referenten Helge Dietrich und Gerd Kurze (stellvertretender Bundessprecher) hatten sich reinen Sachthemen gewidmet: Dietrich befasste sich mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zur Verfassungsmäßigkeit der Besoldung von Richtern in drei Bundesländern. Kurze stellte das Rentensystem der Niederlande vor, das nicht nur durch die obligatorische Betriebsrente für Deutschland wegweisend sein könnte. Schindlbeck zeigte sich zufrieden, dass inzwischen alle VBE-Seniorenvertretungen statusmäßig tätig sind und auch zum Teil bereits in den dbb Gliederungen mitarbeiten. Gerhard Kurze Thüringen: 25-jährige Jubiläen in Eisenach und Jena Im Sommer 1990, einige Monate vor der Konstituierung des Thüringer BRHLandesverbandes, gründeten 19 engagierte Senioren den BRH-Ortsverband Eisenach. Wenig später wurde das Gründungsmitglied Günther Nickol Vorsitzender des Thüringer BRH-Landesverbandes. Am 20. Oktober 2015 fand eine Jubiläumsveranstaltung statt, zu der die Vorsitzende des > AiR | Januar/Februar 2016 Ortsverbandes, Karin Dell, als Ehrengast unter anderem die Eisenacher Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Die Linke) begrüßen konnte. ln ihrem Grußwort dankte sie für das Engagement des BRH Eisenach für Rentengerechtigkeit, für den Kampf um Anerkennung der Lebensleistung der Mitglieder und für die vielfältige Hilfe bei der Bewältigung des gesell- Peter Rossbach/TLZ Aus den Ländern 20 Schindlbeck eröffnete die Tagung mit einem Bericht über die im abgelaufenen Jahr erfolgten Veranstaltungen und Aktivitäten des Vorstands. Oliver Niebes, Vertreter der COMPASS Private Pflegeversicherung, referierte über den Leistungsumfang der Pflegeversicherung und zeigte anhand von Fallbeispielen auf, wie seine Organisation Mitgliedern der Privaten Krankenkassen bundesweit kostenfreie Beratung anbietet. Stefan Czogalla, Leiter des Geschäftsbereichs Arbeit, Wirtschaft, Soziales, Steuern und Senioren im dbb, informierte über Probleme bei der Krankenver- rungspflichtig beschäftigt und gesetzlich krankenversichert waren. < < Auszeichnung für verdiente Mitglieder bei der Jubiläumsveranstaltung des BRH in Eisenach. Im Bild von links: Günter Nickol, Karin Dell, Jochen Weber, Brigitte Ruppert, Oberbürgermeisterin Katja Wolf, Maria Klein und Brigitte Wittich Aktiv im Ruhestand schaftlichen Wandels. In ihrem anschließenden Vortrag über die 25-jährige Verbandsarbeit mahnte Karin Dell, dass zwar alle Parteien Rentenangleichung fordern, der vorgeschlagene Weg jedoch für viele nicht mehr erlebbar sein werde. Der stellvertretende BRHLandesvorsitzende Jürgen Pfeffer überbrachte die Grüße des Landesvorstandes und betonte die Notwendigkeit eines Seniorenmitbestimmungsgesetzes. Das Seniorenmitwirkungsgesetz reiche nicht aus, um die Rechte der Rentner und Ruheständler zu garantieren. Er versicherte, dass der BRH Thüringen seine Forderungen im Thüringer Beamtenbund und in der Landesseniorenvertretung auch weiterhin einbringen werde. Auch der mit 171 Mitgliedern größte Thüringer BRH-Ortsverband Jena feierte im Dezember 2015 im Plenarsaal des Rathauses sein 25-jähriges Bestehen. Die Veranstaltung wude umrahmt von Mu sikern der Jenaer Philhar- monie. Auch dort bestimmt der Kampf um die Rentengerechtigkeit nach wie vor das Verbandsleben, sagte Vorsitzender Karl-Heinz Rönitz in seiner Ansprache. Doch auch das Motto „Gemeinsam statt einsam“ werde in vielen Veranstaltungen gepflegt. An den monatlichen Zusammenkünften im Rathaus seien stets 50 bis 60 Seniorinnen und Senioren beteiligt. Karin Dell (Eisenach) Ingrid Feist (Jena) BRH Sachsen: Seniorenpolitische Bilanz im SBB 2015 Im Dezember 2015 wurde im SBB Bilanz gezogen über die ehrenamtliche Seniorenarbeit. Der BRH Sachsen wurde durch die Vorsitzende Rita KiriasisKluxen und den Landesgeschäftsführer Dr. h.c. Oliver Kluxen vertreten, die vom SLV als Teilnehmer an der Hauptversammlung der SBB-Seniorenver tretung delegiert worden waren. Zahlreiche Vertreter aus circa 20 Gewerkschaften hatten sich zur Beratung eingefunden. Der SBB-Vorsitzende Gerhard Pöschmann äußerte sich zu aktuellen Aufgaben im SBB und sprach besonders zu Belangen der Beamten und Pensionäre. Wolfgang Speck, Vorsitzender der dbb bundesseniorenvertretung, gab einen Kurzbericht über zwei Jahre Verantwortlichkeit bei Seniorenanliegen auf der Bundesebene. Er wies darauf hin, dass der dbb dabei mehr als 400 000 Ruheständler betreue. Dr. Hans Peter Klotzsche, BRH Sachsen, referierte, wie sich die Renten bis 2020 entwickeln, und erläuterte, was die zukünftige Besteuerung bringt oder nimmt. Er erklärte sich bereit, Vor- träge für interessierte Gruppen zu halten. << Was wurde erreicht? Rita Müller, Vorsitzende der SBB-Seniorenvertretung, legte in ihrem Bericht die Kontakte dar, die sie zu verschiedenen Senioren themen geknüpft hat, und kündigte an, die 2014 festgelegten drei Schwerpunkte weiterzuverfolgen: Das Seniorenmitwirkungsgesetz in Sachsen voranzubringen, die gesellschaftliche Teilhabe älterer Menschen besonders im ländlichen Raum zu fördern und die rentenpolitischen Forderungen der Mitglieder zu unterstützen. Der BRH Sachsen stellte den Antrag auf Unterstüt- zung einer Veranstaltung zum Thema „Rente und deren Besteuerung“. Der Antrag wurde mehrheitlich angenommen. Die erste Veranstaltung wird in Dresden stattfinden und bei Interesse dann jeweils in den einzelnen Orts- und Kreisverbänden wiederholt. << Bitte melden! Achtsam müssen wir alle sein, wenn es um Verkehrsanbindungen oder gegebenenfalls um deren Einschränkungen im länd lichen Raum geht. Bitte teilen Sie dem BRH-Sachsen entsprechende Vorhaben mit, damit wir uns bei den zuständigen Politikern für oder gegen die Projekte einsetzen können. > AiR | Januar/Februar 2016 Aktiv im Ruhestand BRH Hamburg: Besuch im Generalkonsulat von Südkorea < < Der stellvertretende BRH-Landesvorsitzende Adje Eggerts hatte im Vorfeld erfahren, dass Generalkonsul Seejeong Chang Briefmarkensammler insbesondere der Regionen ist, in denen er gearbeitet hat oder noch arbeitet. So überreichte er dem Diplomaten zum Dank für den Besuch im Generalkonsulat eine Briefmarkenkollektion mit Motiven der vier von ihm betreuten Bundesländer. Mit Blick auf den Ham burger Hafen unterstrich Seejeong Chang die Wirtschaftskraft seiner Heimat. So sei Korea die zweitgrößte Schiffbaunation der Erde. << Hauptversammlung der SBB-Seniorenvertretung Am 3. Dezember 2015 fand die Hauptversammlung der SBB-Seniorenvertretung in Dresden statt. Als Gäste konnte Vorsitzende Rita Müller SBB-Chef Gerhard Pöschmann sowie den Vorsitzenden der dbb bundesseniorenvertretung (bsv) Wolfgang Speck begrüßen. Speck führte aus, dass die bsv darauf hinwirke, dass Senioren in der Kfz-Versicherung wegen ihres Alters nicht weiterhin stärker zur Kasse gebeten werden als jüngere Verkehrsteilnehmer. Ferner sprach Speck das Thema Rechtschutz für Senioren auch bei Streitigkeiten im Pflegefall an und informierte über die Vorbereitung eines Notfallordners, der in diesem Jahr erscheinen soll. Rita Müller ging in ihrem Rechenschaftsbericht unter anderem auf die Jahrestagung der BAGSO vom 25. bis 26. November 2015 in Berlin ein. Sie nutzte die Gelegenheit, dem neuen Vorsitzenden Franz Müntefering im Namen der SBB-Senioren zu seiner Wahl zu gratulieren. > AiR | Januar/Februar 2016 Weitere wirtschaftliche Standbeine seien Bau und Export von Kraftfahrzeugen, Elektronik und Haushaltsgeräten. Besonders wichtig, betonte der Generalkonsul, seien ihm aber auch die menschlichen Beziehungen zwischen Korea und Deutschland. Diesen Worten ließ er T aten folgen und lud die Hamburger BRH-Senioren zum Abschluss ihres Besuches zum Abendessen in ein koreanisches Restaurant ein. Hermann-J. Friederich, Landesgeschäftsführer des BRH Hamburg Picasa Aus den Ländern 22 Das Generalkonsulat ist zuständig für die Länder Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Vertiefung der wirtschaftlichen Be ziehungen dieser Bundesländer zur Republik Korea bildet seine Hauptaufgabe. Gesprächspartner der Hamburger BRH-Senioren war Generalkonsul See jeong Chang. Vor seinen Einsätzen in verschiedenen Städten und Ländern in mehreren Erdteilen der Welt hat er sein Studium an der National-Universi tät in Seoul mit dem Hochexamen für den Diploma tischen Dienst abgeschlossen. Diese Qualifikation und Erfahrung unterstreicht die Bedeutung, die die Republik K orea den norddeutschen Bundesländern und der Hafenstadt Hamburg beimisst. GK Korea Hamburg Auf Einladung des Generalkonsuls Seejeong Chang besuchten Seniorinnen und Senioren des BRH Hamburg wenige Tage vor Weihnachten die in der Hansestadt ansässige Vertretung der Republik Korea (Südkorea) und erhielten einen Einblick in die Aufgabenfülle des Generalkonsulats. < < Ein starkes Team des BRH NRW traf sich mit dem dbb Ehrenvorsitzenden Werner Hagedorn (4. von rechts) am 10. Januar 2016 auf der dbb Jahrestagung in Köln: Carl Schlesinger, Günter Büchler, Ewald Prinz, Klaus Reimer, Udo Kock, Martin Endeler, Gert Schott und Hans Burggraf (von links). Aktiv im Ruhestand Gewinnen Sie einen Einkaufstrolly! Senden Sie einfach das Lösungswort bis zum 17. Februar 2016 per E-Mail an [email protected], per Fax an 030.40815599 oder per Post an dbb beamtenbund und tarifunion, Redaktion AiR, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Gewinner aus AiR magazin 12/2015 sind Ingeborg Böttger, Rudolstadt, und Wolfgang Matzen, Heidgraben. Herzlichen Glückwunsch! Das Lösungswort lautete „Aktentasche“. Gewinnspiel 23 > AiR | Januar/Februar 2016 Satire 24 ORR i.R. Dr. Korbinian Zauderstein Erster Vorsitzender des Vereins Perfekte Pensionäre e.V. , Fliederweg 17 a, 50555 Hoppenstädt Lieber Harry, es tut mir sehr leid, erfahren zu müssen, dass du gewissermaßen „ausgebrannt“ bist. Auf Neudeutsch „Burn out“. Und das in deinem Alter. Oder gerade deswegen? Was war der Auslöser? Oder wer? Etwa ich, dein alter Freund und Kupferstecher? Das kann ich mir eigentlich nicht denken. Aber eines Tages wirst du es mich mit Sicherheit wissen lassen. Bis dahin aber möchte ich dir von dem erzählen, was mich beschäftigt. Vielleicht lenkt es ja ein wenig von deinem Problem ab – auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, wie und warum es sich entwickelt hat. Nun denn. Lass mich mit Oscar Wilde beginnen, dem ich so einiges zu verdanken habe, vor allem seinen Rat, dass man das Leben als buntes Ganzes nehmen, aber sich nie an Einzelheiten erinnern sollte, weil Einzelheiten immer vulgär seien. Damit hat der Oscar zwar Recht, aber die Realität sieht leider ganz anders aus. Nimm zum Beispiel die „Einzelheit“ Alzheimer. Wer hat nicht schon mal gedacht, er habe Alzheimer, nur weil er die Autoschlüssel nicht findet? Und das ist nicht nur ein Problem des Alters. Je mehr man sich merken muss, desto mehr vergisst man. Wichtiges und Unwichtiges. Das hält sich die Waage. Aber das sind Kleinigkeiten. Freilich nicht für Außenstehende. Die von der Krankheit Betroffenen empfinden das ganz anders. Dein Ausgebranntsein, lieber Harry, ist für dich schlimmer als für mich. Denn ich gebe dir die Kohle, damit dein Ofen wieder wärmt und deine Gedanken zum Glühen gebracht werden. In der Zwischenzeit, also bis ich den Koks beschafft habe, rate ich dir zum Buch. Denn Bücher können bekanntlich den Geist davon abhalten, sich wund zu kratzen. Glaube nun ja nicht, dass ich mich hinter Büchern verschanze, um dem Leben aus dem Weg zu gehen. Aber sie sind für mich Oasen, wo ich wirklich abschalten kann. Auch auf die Gefahr hin, Mark Twain in die Hände beziehungsweise in die Seiten zu fallen, wenn er so Weisheiten wie die folgende von sich gibt: „Das Geld kann dir ausgehen, Freunde lassen dich im Stich, Feinden wirst du gleichgültig, aber deine Krankheit bleibt dir immer treu.“ Und jetzt komm du mir nicht mit Burnout! Wichtig ist doch, sich wegen seines Alters nicht verrückt zu machen, nicht in eine Midlife-Crisis zu stürzen – dafür hat man später noch Zeit. So sieht es jedenfalls Max Raabe. Und recht hat er damit. Ich vermute ohnehin, dass dein erkalteter Ofen was mit deinem Nichtmehrjungsein zu tun hat. Aber schämst du dich denn nicht? Ich bin um etliches älter als du und weit davon entfernt, das Feuer ausgehen zu lassen. Was ist bloß in dich gefahren? In letzter Zeit bist du immer mehr am Jammern und Klagen, dir fällt nichts mehr ein, das meiste schiebst du auf mich ab, was eigentlich deine Aufgabe wäre. Du gibst den Reichsbedenkenträger und > AiR | Januar/Februar 2016 sonnst dich auch noch in dieser selbst gewählten Position. Kürzlich sollst du in kleiner Runde geklagt haben, dass die Kalendersprüche immer wahrer werden, wenn man älter wird. Ja und? Was ist denn daran so schlimm? Reiß dich zusammen! Du hast doch Witz! Halte dich an Theo Lingen, einen meiner Lieblingsschauspieler aus längst vergangenen Zeiten: „Ich bin falsch, ich kann mit jedem.“ Oder betrachte heiter deinen Geburtsjahrgang und verblüffe deine Um gebung mit einem Kalenderspruch (sic!) von Bernd Zeller: „Ich führe ein Leben auf der Überholspur. Nur eben sehr langsam. Und hinter mir hupen alle.“ Lass sie hupen. An dir kommt außer mir eh niemand vorbei. Und das ist auch gut so. Aber ich brauche dich, Harry. Ob du es nun glaubst oder nicht. Wenn es dich nicht gäbe, hätte ich so gut wie nichts, worüber ich mich aufregen könnte. Und Aufregung ist ein Lebenselexier für mich. Also vermassel mir nicht die Tour, schipp die Kohle in deinen Ofen und mach dir und mir Feuer unterm ... Na, du weißt schon wo! In diesem Sinne. Mach et jut Korbi cwb © Cello Armstrong – Fotolia.com RÜCKSPIEGEL Aktiv im Ruhestand dbb 2. Flüchtlings-Gipfel im Bundeskanzleramt: Staat muss handlungsfähig bleiben „Der Staat muss in Gestalt des öffentlichen Dienstes selbst handeln und darf seine Verpflichtungen nicht dauerhaft ehrenamtlichen Helfern überlassen. Dazu bedarf es vor allem einer entsprechenden Personalstärke. Aktuell fehlen uns allein in Sachen Flüchtlingsmanagement fast 180 000 Beschäftigte“, erläuterte Russ. Hinzu komme, dass reguläre Verwaltungsaufgaben im Dienste der Bürger auch weiterhin kontinuierlich erfüllt werden müssen, so der dbb Vize. Die Gebietskörperschaf- ten müssten zudem die notwendigen Finanzmittel zur Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erhalten. „In diesen nicht ganz einfachen Zeiten ist es wichtiger, in die Zukunft zu schauen als in der Vergangenheit zu verharren“, mahnte Russ. Gleichwohl betonte er, dass die jüngste von Vorwürfen gezeichnete Debatte zwischen Kommunen und Ländern einerseits und dem Bund andererseits infolge der letzten Innenministerkonferenz in Koblenz grenzwertig gewesen seien: „Einfach den Schuldigen bei den Beschäftigten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu suchen, ist nicht nur unzulässig, sondern stößt die Kolleginnen und Kollegen auch vor den Kopf, die in Anbetracht der von der Politik zu spät erkannten Versäumnisse einen großartigen Job machen. Sie leisten schon seit vielen Monaten Überstunden in erheblichem Maße. Und sie sind weiterhin bereit, hohe Leistung zu bringen – weit über das normale Maß hinaus. Es geht jeweils um ein komplexes rechtsstaatliches Verfahren, das später justitiabel ist; solche Fälle erfordern grundsätzlich große Sorgfalt und schlicht Zeit, und zwar nicht zum Selbstzweck, sondern im Interesse unseres Gemeinwesens.“ Russ begrüßte ausdrücklich die „rückenstärkenden Worte“ von Mitgliedern der Bundesregie- rung, die die BAMF-Beschäftigten vor der unberechtigten Kritik in Schutz genommen hatten. Mit „Schwarze-PeterSpielen“ komme man nicht weiter, so der dbb Vize. Gegenüber dem WDR (Funkhaus Europa) wies der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und komba-Chef Ulrich Silberbach am 10. Dezember zudem darauf hin, dass man für die nicht nur im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise dringend benötigte Personalaufstockung im öffentlichen Dienst jetzt aber auch einen langen Atem brauche, sofortige Entlastung lasse sich dadurch nicht erreichen: „Ausgebildete Fachleute wachsen auch in Deutschland nicht auf den Bäumen, die müssen gründlich, zum Teil sogar über mehrere Jahre ausgebildet werden.“ Öffentliche Arbeitgeber: Arbeitgeber: Öffentliche ©Gajus – Fotolia.com Klare Aufstiegsperspektiven Aufstiegsperspektiven schaffen Klare schaffen Die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Astrid Hollmann hat vor einer sinkenden Attraktivität des Die stellvertretende dbb Astrid öffentlichen Dienstes alsBundesvorsitzende Arbeitgeber gewarnt. „Die freie Wirtschaft holt auf“, sagte sie im Interview mit Hollmann hat vor(Ausgabe einer sinkenden der „Rheinpfalz“ vom 8. Attraktivität Januar 2016).des Dies gelte sowohl bei der finanziellen Sicherheit und der öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber gewarnt. „Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, als auch bei der Gleichberechtigung von und Männern.andererDiese Ein Teil des Problems sei die zu-Frauen Aufstiegsperspektiven nehmend Zahlbesonders an befris gefordert seits dürften kein Gegensatz freie Wirtschaft auf“, sagte imöffentliche Interview mit Entwicklung sei holt verheerend, weilsieder Dienst geradehohe jetzt werde. sein. Die Position von Frauen im der „Rheinpfalz“ (Ausgabe vom 8. Januar 2016). Dies teten Arbeitsverhältnissen im öffentlichen Dienst müsse ebenöffentlichen Dienst, gerade bei Die sinkende Wettbewerbsfägelte sowohl bei der finanziellen Sicherheit und der falls verbessert werden, etwa Nachwuchskräften. „Junge higkeit beim Werben um NachVereinbarkeit von Familie und Beruf, als auch bei der bei der Bezahlung. „Da gibt es L eute, die etwa eine Familie wuchs treffe den öffentlichen nach wie vor geschlechtsspe gründen wollen, brauchen fiDienst angesichts der ohnehin Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Diese nanzielle und damit berufliche zifische Unterschiede“, bemänenormen Arbeitsverdichtung Entwicklung sei verheerend, weil der öffentliche gelte Hollmann. Zwar sei die Sicherheit“, sagte die stellverschwer. Wenn man sich vergeDienst gerade jetzt besonders gefordert werde. tretende dbb BundesvorsitzenDifferenz in der Privatwirtschaft genwärtige, „was an Mehrbesituation hinzukommt, dann werden noch mehr Beschäftigte fehlen“, warnte Hollmann. Und zwar für einen Staat, der „schon heute nur noch auf Sparflamme funktioniert, der Ein Teil des Problems sei die zudem Bürger nur ein Mindestnehmend hohe Zahl an befrismaß an Leistungen bietet“.im teten Arbeitsverhältnissen de. Wenn sie diese mittlerweile eher in der Privatwirtschaft bekämen, „dürfen wir uns nicht wundern, wenn die jungen Menschen nicht mehr zu uns kommen“. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit öffentlichen Dienst, geradeeibei nerseits sowie die berufliche Nachwuchskräften. „Junge Entfaltung inklusive Leute, die etwa eineklarer Familie derzeit noch höher, liege aber auch im öffentlichen Dienst „immer noch bei acht Prozent“. Nachholbedarf gebe es bei spielsweise bei der Bewertung von Berufen, in denen überdurchschnittlich Frauen gründen wollen,viele brauchen fiarbeiten, etwa im s ozialen nanzielle und damit berufliche Bereich. Sicherheit“, sagte die stellver- ©Gajus – Fotolia.com lastung durch die FlüchtlingsDie sinkende Wettbewerbsfäsituation hinzukommt, dann higkeit beim um Nachwerden nochWerben mehr Beschäftigwuchs treffe den öffentlichen te fehlen“, warnte Hollmann. Dienst angesichts ohnehin Und zwar für einender Staat, der enormen Arbeitsverdichtung „schon heute nur noch auf schwer. Wenn man sich vergeSparflamme funktioniert, der genwärtige, „was anMindestMehrbedem Bürger nur ein lastung die Flüchtlings maß an durch Leistungen bietet“. > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 25 aktuell Die Handlungsfähigkeit des Staates muss sichergestellt bleiben. Das hat dbb Vize Willi Russ am 10. Dezember 2015 anlässlich des 2. FlüchtlingsGipfels im Bundeskanzleramt mit Blick auf die nachhaltige Bewältigung des Flüchtlingszustroms in Deutschland klargestellt. Pflegeberufe: Krisenmanagement: Politik hat Warnungen Qualität der Ausbildung muss bewahrt werden jahrelang ignoriert Die Qualität der Ausbildung in die Berufsausbildungen zur kenntnisse bleibt.“ Positiv beauch „eine richtige Antwort werte der dbb die vorgesehene grundsätzliche Schulgeldfreiheit und Ausbildungsvergütung, so Silberbach. Beides könne zur Steigerung der Atment: Es gebe neuen traktivität des keine Pflegeberufs Stellen, derGesetzlich öffentlichegeregelt Dienst beitragen. müsse „Wir brauchen werdensparen. sollen auch die seit im gesamten öffentlichen Langem geforderten VorbeDienst mehr als 180 000 neue haltstätigkeiten. Allerdings Kolleginnen und vermüsse stärker alsKollegen“, im vorliegenlangte der dbb Vize. den Entwurf konkretisiert werden, um welche Tätigkeiten es Um beihandelt. den Behörden in den sich die dabei Auf Zustimvergangenen Monaten entstanmung des dbb stoße auch die denen „Millionen Überstunden“ akademische Öffnung des Pfleabzubauen, schlug Russ einen geberufs: Durchlässigkeit und finanziellen Ausgleich vor. „Wir berufliche Entwicklungsmögfordern deshalb öffentlichen lichkeiten seien die starke Argumente bei der Berufswahl und 26 Jahreswirtschaftsbericht: aktuell Kranken-, Alten- und Kinderden Pflegeberufen darf nicht krankenpflege zu einem Ausdarunter leiden, dass künftig Der dbb hat der Politik in Bund und Ländern vorgebildungsgang zusammenfasdie Berufsausbildungen zur worfen, zu spät auf die sich abzeichnende Flüchtsen. Im Rahmen dieser einheitKranken-, Alten- und Kinderlichen Ausbildung könnten lingskrise reagiert haben. „Die Flüchtlingskrise krankenpflege zu einemzu genesicher Schnittstellen und gleiralistischen Ausbildungsgang ist keine Verwaltungskrise, sondern eine Krise der che Grundlagen in der theoregebündelt werden sollen. Das politischen Führung“, sagtetischen der Zweite VorsitzenAusbildung genutzt hat der dbb in einer Stellungde Willi Russ den Zeitungen der FUNKE werden, erklärte Mediender stellvernahme zum Entwurf eines Gedbb Bundesvorsitzengruppe vom 28.tretende Dezember 2015). setzes zur (Ausgaben Reform der Pflegebede Ulrich Silberbach vor der Anrufe (PflBRefG) unterstrichen hörung. „Allerdings sehen wir und auch bei einer Anhörung Der dbb habe schon vor Jahren hörden säßen deshalb nicht in die Gefahr, dass aufgrund der auf Einladung des Bundesgedavor gewarnt, dass es an Perden Amtszimmern, sondern in Fülle theoretischer und praktisundheits- sowie des Bundes sonal und technischer AusstatRegierungen und Parlamenten. scher Lehrinhalte – unter Beifamilienministeriums zu dem tung fehle: „Die Politik hat die- Gerade Haushaltspolitiker behaltung der dreijährigenhätEntwurf am 11. Dezember se Warnungen ignoriert.“ Die ten Wünsche nach mehrmehr PersoAusbildungszeit – nicht 2015 in Berlin klargemacht. Verantwortlichen für die ange- nal immer Raum wiederfür abgeblockt, genügend die derzeit spannte in den Beberichtete Russ. Das Arguin den Einzelzweigen des PfleMit dem Situation Pflegeberufereformgeberufs vermittelten Spezialgesetz will der Gesetzgeber Leiharbeit befristen und begrenzen Der Zweite Vorsitzende und Fachvorstand Tarifpolitik des dbb, Willi Russ, machte deutlich, dass der öffentliche Dienst nach einer Studie des IAB bei der Befristung von Arbeitsverträgen eine größere Rolle spiele als die Privatwirtschaft. Ausdrücklich unterstützte er die Pläne des Arbeitsministeriums, die Voraussetzungen für Leihund Zeitarbeit zu begrenzen. Darüber hinaus betonte er, dass die Integration der Flüchtlinge nicht auf dem Rücken des durch Einsparungen geschrumpften öffentlichen Dienstes durchgeführt werden dürfe. In seinem Statement hatte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Rainer Sontowski, darauf hingewie- Jan Brenner Die Spitze des dbb ist am 5. Januar 2016 in Berlin mit führenden Vertretern der Bundesministerien für Wirtschaft und Energie, für Arbeit und Soziales und dem der Finanzen zusammengetroffen, um sich unter anderem über die wirtschaftliche Entwicklung dieses Jahres auszutauschen. < Im Bild von links: Thomas Eigenthaler (dbb/DSTG), Thorben Albrecht (BMWi), Willi Russ (dbb), Dr. Rainer Sontowski (BMWi) und Hans-Ulrich Benra (dbb) sen, dass Investitionen einen Schwerpunkt im Jahreswirtschaftsbericht bildeten. Zusätzlich betonte er die Investitionserfordernisse aufgrund der Flüchtlingslage. Sontowski > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 äußerte zudem, dass das Sparvolumen im öffentlichen Dienst mehr als ausgeschöpft sei. Der stellvertretende Bundesvorsitzende und Fachvorstand auf die demografischen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte, die die Pflege in besonderem Maße betreffen“, so der dbb Vize. Allerdings Arbeitgeber auf,mit Möglichkeiten müsse sowohl Blick auf die zu schaffen, wie von Überstunden Eingruppierung Beschäfim Einzelfall und ausschließlich tigten mit Hochschulabschluss auf freiwilliger finanziell als auch auf einBasis ausreichendes kompensiert werden können.“ Angebot entsprechender StuAllerdings müssten dieder Mitardiengängen die Frage Gebeiter zunächst die Chance begenfinanzierung geklärt werkommen, Freizeitausgleich nehden. „Bei allen Fortschritten, men zuPflegewissenschaft können. „Viele Kollegen die die in müssen einfach mal raus aus den letzten Jahrzehnten gedem Job, weil sie schlicht überbracht hat, dürfen Differenzielastet sind. Diese Überlastung rungen in der Ausbildung nicht kann man mit Geldder nicht abbauzu einer Spaltung Belegen“, sagte Russ. mahnte Silberschaft führen“, bach. Beamtenpolitik des dbb, HansUlrich Benra, betonte die Wichtigkeit des vom Arbeitsministerium angestoßenen Dialogprozess zum Arbeiten 4.0, an dem auch der dbb maßgeblich beteiligt ist. Der stellvertretende Bundesvorsitzende des dbb und Vorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG), Thomas Eigenthaler, forderte die rasche Umsetzung des sogenannten „BEPS-Aktionsplanes“ der G20-Industriestaaten, um Steuerflucht über die Grenzen hinweg einzudämmen. Er begrüßte grundsätzlich eine weitere „Digitalisierung“ des Besteuerungsverfahrens, zeigte sich jedoch skeptisch hinsichtlich des Ziels der Bundesregierung, zukünftig rund die Hälfte der Steuererklärungen vollautomatisch zu bearbeiten. Dies sei ohne eine Steuervereinfachung nicht machbar. Eigenthaler äußerte die Er wartung, dass der öffentliche Dienst nicht mehr als „Steinbruch“ für Einsparungen herhalten dürfe. ©Kenishirotie – Fotolia.com ©rico287 – Fotolia.com dbb dbb Zahlen Daten Fakten 2016: Dringender Personalbedarf Die Informationsbroschüre „Zahlen Daten Fakten“, die der dbb jährlich aktualisiert herausgibt, erlaubt eine vorurteilsfreie Orientierung über die wichtigsten Eckdaten des öffentlichen Dienstes. Aufbauend auf den jeweils neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes und der Statistischen Landesämter, auf Informationen der Bundesministerien und auf eigenen Berechnungen liefert „Zahlen Daten Fakten“ fundiertes Basiswissen und eignet sich als schnelles Nachschlagewerk, das bewusst auf eine Kommentierung verzichtet. Die Zahlen sprechen für sich und weisen auf Probleme hin, die gelöst werden müssen, um den öffentlichen Dienst auch künftig funktionsfähig zu halten. Die Ausgabe 2016 zeigt deutlich, dass Deutschland nicht mehr ausreichend für die Bewältigung besonderer Situationen gerüstet ist. Nach ak tuellen Schätzungen des dbb fehlen dem Staat mehr als 180 000 Beschäftigte, besonders in den Kommunalverwaltungen. Derzeit wird fieberhaft neues Personal gesucht. So ist zum Beispiel der Anteil der Bundesbeamten im Alter von 45 bis 54 Jahren vom Jahr 2000 bis 2014 um 14,4 Prozent von 22,1 Prozent auf 36,5 Prozent gestiegen. Der Anteil der Beamtinnen und Beamten im Alter von 55 bis 59 Jahren stieg im gleichen Betrachtungszeit- raum um 3,3 Prozent von 10,6 auf 13,9 Prozent. In den kommenden Jahren wird eine Pensionierungswelle auf den öffentlichen Dienst zukommen, die Lücken im Personalbestand schaffen wird. Der Arbeitsmarkt kann den Bedarf kaum decken, weil qualifiziertes Personal zunächst ausgebildet werden muss. Die Gewinnung motivierten Nachwuchses für den öffentlichen Dienst wird daher eine der dringlichsten Aufgaben für die kommenden Jahre bleiben. Dabei spricht wenig gegen und vieles für Neueinstellungen, denn im europäischen Vergleich steht Deutschland schlank da, was sowohl die Arbeitnehmerentgelte in Prozent des Bruttoinlandsproduktes als auch die Personalausgaben in Prozent des deutschen Gesamthaushaltes betrifft: Zahlen Daten Fak ten Die Personalausgaben sind von 1997 bis 2014 von 11,9 Prozent beinahe stetig auf 9,9 Prozent gesunken und werden bis 2019 voraussichtlich weiter sinken – ein Zeichen für die restriktive PersonalpolitikZahle im nDatenFakten_2016 .indd 1 öffentlichen Dienst. Im Europavergleich gibt die Bundesrepublik mit Abstand am wenigsten für das Personal im öffentlichen Sektor aus: Unter den Entgeltausgaben von 7,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts stehen lediglich die Tschechische Republik mit 7,4 Prozent und die Slowakei mit 7,1 Prozent. Zum Vergleich geben Spitzenreiter Dänemark 18,3 Prozent und Finnland 14,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Arbeitnehmerentgelte aus. 2016 27 Daraus ergeben sich im di- 16.12.15 rekten Vergleich finanzielle Spielräume, die genutzt werden sollten, wenn Deutschland auch in Zukunft einen reaktionsfähigen öffentlichen Dienst bereithalten will, auf den sich Bürgerinnen, Bürger und Wirtschaft verlassen können. Zahlen Daten Fakten 2016 kann über die Homepage des dbb unter www.dbb.de als PDF heruntergeladen werden. Altersstruktur der Beamtinnen und Beamten des Bundes (inklusive Richterinnen und Richter) im Vergleich der Jahre 2000 und 2014 2000 Altersgruppe Anzahl 2014 Prozent Anzahl Prozent unter 25 Jahre 8 965 6,8 2 580 2,0 25 bis 34 Jahre 31 405 23,7 16 355 12,9 35 bis 44 Jahre 41 078 31,0 33 175 26,3 45 bis 54 Jahre 29 353 22,1 46 055 36,5 55 bis 59 Jahre 14 038 10,6 17 515 13,9 7 745 5,8 10 620 8,4 132 584 100 126 300 100 ab 60 Jahre Summe Quelle: destatis, 2015 > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 13:34 spezial Der öffentliche Dienst in Deutschland hat ein Personalproblem: Während die zu bewältigenden Aufgaben nicht zuletzt mit Blick auf die Flüchtlingssituation stetig anwachsen, ist der Personalbestand seit 1991 fast kontinuierlich geschrumpft. Zusammen mit fehlendem Nachwuchs bringt sich der öffentliche Sektor in Deutschland immer weiter an den Rand des Funktionsversagens. Das lässt sich nicht nur an der wachsenden Zahl an Klagen aus der Praxis ablesen, sondern auch an statistischem Zahlenmaterial. ©Ezio Gutzemberg – Fotolia.com dbb Die Briten und Europa: Droht 2016 der „Brexit“? spezial 28 Großbritanniens Drohung mit dem EU-Austritt ist fast so alt wie die britische EU-Mitgliedschaft selbst. Wer auch immer in Downing Street No. 10 zu Hause war, immer wurde eine Sonderrolle für Großbritannien in der Europäischen Union eingefordert. Doch nun wird es ernst: Premierminister David Cameron hatte vor den letzten Unterhauswahlen ein Referendum angekündigt, schon in diesem Jahr könnten die Briten tatsächlich an die Wahlurnen gerufen werden. Zuvor will Cameron die europäischen Partner zu weitgehenden Zugeständnissen bewegen. Auch wenn das Datum für das Referendum noch nicht endgültig feststeht, die genaue Fragestellung ist bereits bekannt: „Sollte das Vereinigte Königreich ein Mitglied der Europäischen Union bleiben oder die Europäische Union verlassen?“ Selbst über diese simple Formulierung hatte es lange innenpolitische Debatten gegeben. Ursprünglich hätten die Europabefürworter mit einem einfachen „Ja“ antworten können. Deutlich komplizierter dürfte die europäische Debatte über die britischen Forderungen werden, die Cameron den Europäern vorgelegt hat. Diese sollen die britischen Bedenken gegenüber einer EU-Mitgliedschaft entschärfen. Unter vier großen Schlagworten hat Cameron Vorschläge vorgelegt: wirtschaftspolitische Steuerung, Wettbewerbsfähigkeit, Souveränität und Immigration. < Wirtschaftspolitische Steuerung Hinter dem Begriff wirtschaftspolitische Steuerung verbirgt sich das britische Interesse, auch künftig nicht an der gemeinsamen Währung beteiligt zu sein und auch keine negativen Auswirkungen jedweder Art im Zusammenhang mit dem Euro befürchten zu müssen. So soll unter anderem sichergestellt werden, dass kein Land ohne den Euro für Rettungsmaßnahmen mit Bezug auf die Gemeinschaftswährung in Haftung genommen werden kann. Zudem dürfe kein Land zur Teilnahme an einer europäischen Bankenunion verpflichtet werden. In diesem Bereich dürfte der Europäischen Union eine Einigung besonders leichtfallen, da die Forderungen weitestgehend dem Status quo entsprechen. > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 < Wettbewerbsfähigkeit Ähnlich offene Türen rennen die Briten auch in der Frage der Wettbewerbsfähigkeit ein. Im Kern fordern sie die Europäische Kommission auf, ihren eingeschlagenen Weg fortzuführen. Dazu gehören der Abbau von überflüssigen bürokratischen Hürden und die Schaffung eines echten digitalen Binnenmarkts. Bei dieser Forderung weiß Cameron einen Großteil der europäischen Regierungen hinter sich. < Souveränität Deutlich problematischer werden die Gespräche hingegen beim Thema Souveränität. Schon in den Verträgen von Rom hatten die Unterzeichner ihren „festen Willen, die Grundlagen für einen immer engeren Zusammenschluss der europäi- schen Völker zu schaffen“ erklärt. Großbritannien will künftig nicht mehr an diese Verpflichtung gebunden sein. Zudem soll die Rolle der Parlamente der Mitgliedstaaten gestärkt werden, die künftig von sich aus europäische Gesetzgebung stoppen können sollen. Auch in Fragen von Justiz und Innerem will sich Großbritannien, trotz immer größerer gemeinsamer europäischer Sicherheitsherausforderungen, seine Souveränität garantieren lassen. Bis auf den letzten Punkt ist eine uneingeschränkte europäische Zustimmung zu diesen Forderungen kaum denkbar. < Immigration Die kontroversesten Diskussionen wird es aber vermutlich über Camerons Vorschläge bezüglich der Rechte von EU-Arbeitnehmern geben. Er schlägt vor, dass jeder EU-Bürger mindestens vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben muss, bevor er Sozialleistungen in Anspruch nehmen kann. Zudem soll es auch nicht mehr möglich sein, Kindergeld für Kinder außerhalb des Landes, in dem jemand erwerbstätig ist, zu beziehen. Vereinzelt hat Cameron für diese Vorschläge Unterstützung erhalten, gleichzeitig gibt es aber große Zweifel, ob diese Vorschläge europarechtskonform sind. Große, bislang undenkbare Vertragsänderungen wären vermutlich notwendig. Der ambitionierte Zeitplan der Briten sieht eine europäische Einigung zu diesen Fragen bereits in diesem Februar vor. Cameron scheint zuversichtlich, mit seinen Positionen eine schweigende Mehrheit der europäischen Regierungen auf seiner Seite zu haben. Doch selbst wenn Europa zu diesen historischen Zugeständnissen bereit sein sollte: Das letzte Wort werden so oder so die britischen Wähler haben. Schon im Sommer könnte es soweit sein. sy In eigener Sache: Signalwirkung … Die Gewerkschaften werden bereits am 18. Februar mit ihrer Forderung an die Öffentlichkeit gehen, nachdem die Kolleginnen und Kollegen in den Fachgewerkschaften des dbb auf einer Vielzahl von Branchentagen die Gelegenheit hatten, die besonderen Probleme ihrer Berufsgruppen zu diskutieren und die Forderungsfindung durch ihre Argumente mitzugestalten. Neben einer spürbaren Lohnerhöhung will der dbb auch eine unbefristete Übernahme aller Auszubildenden erreichen, weil die Befristung von Stellen im öffentlichen Dienst inzwischen ein Ausmaß erreicht hat, das die Kontinuität des Verwaltungshandelns gefährdet. Alles das ist den Verhandlungsführern von Bund und Kommunen bekannt, sodass sie am 21. März in Potsdam weder überrascht noch überfordert sein können. Sie wären gut beraten, angesichts der weiterhin großen Herausforderungen ebenso wie die Gewerkschaften einen zügigen Abschluss mit einem für beide Seiten guten Ergebnis anzu- streben. Die erste Runde ohne Arbeitgeberangebot verstreichen zu lassen, würde dem entgegenlaufen und weder bei den Beschäftigten noch bei den B ürgerinnen und Bürgern auf Verständnis stoßen, die sich darauf verlassen, dass der öffentliche Dienst seine Aufgaben effektiv, kontinu ierlich und rund um die Uhr erbringt. sm > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 aktuell © stockasso - Fotolia.com … wird der Einkommensrunde 2016 für die Beschäftigten von Bund und Kommunen zukommen, die am 21. März in Potsdam beginnt. Ihr Ablauf und vor allem ihr Ergebnis werden erweisen, ob die Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahren in allen Verwaltungsbereichen aufgrund kurzsichtiger Sparpolitik Überlast fahren, von den öffentlichen Arbeitgebern die Wertschätzung erhalten werden, die ihnen zukommt. In besonderer Weise trifft dies auch auf diejenigen Tarifbeschäftigten und Beamten zu, die seit Monaten an Behörden, Schulen und Ämtern mit der Bewältigung des Flüchtlingszustroms beschäftigt sind und dort über alle Belastungsgrenzen hinaus arbeiten. 29 dbb 57. dbb Jahrestagung in Köln: fokus 30 Ganz im Zeichen der enormen Anstrengungen des öffentlichen Dienstes, die Aufgaben im Zusammenhang mit dem anhaltenden Strom von Schutz, Sicherheit und ein besseres Leben suchenden Menschen nach Deutschland zu meistern, stand die 57. Jahrestagung des dbb vom 10. bis 12. Januar 2016 in Köln. Mehr als 700 Teilnehmer aus den Reihen des dbb und Gäste aus Deutschland und Europa sowie zahlreiche Medienvertreter waren der Einladung gefolgt. Zum Auftakt der Jahrestagung begrüßte der Zweite Vorsitzende des dbb, Willi Russ, in Vertretung des erkrankten Bundesvorsitzenden Klaus Dauderstädt die Teilnehmer. Solidarität mit Schutzbedürftigen habe in Deutschland zu Recht Verfassungsrang und sei „immer auch ein Grundgedanke allen gewerkschaftlichen Handelns“, betonte Russ. < Russ: Handlungsfähige Verwaltung unerlässlich Zugleich mahnte er angesichts der riesigen Herausforderungen an den öffentlichen Dienst im Zusammenhang mit der Flüchtlingsbewegung: „Wer eine politische Entscheidung trifft, muss in der Verwaltung auch die Voraussetzungen für die Umsetzungen schaffen.“ Ohne das besondere Engagement der Kolleginnen und Kollegen beispielsweise im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), bei der Polizei in Bund und Ländern, in den Kommunen, Kitas und < Willi Russ Schulen, im öffentlichen Gesundheitsdienst oder der Justiz wäre die Situation nicht zu bewältigen, sagte der dbb Vize und verwies auf die Dauerbelastung der Mitarbeiter bis an die Grenze physischer und psychischer Leistungsfähigkeit. Hinzu komme, dass immer häufiger Entscheidungen herbeigeführt würden, die mit rechtsstaatlichen Verfahren nur schwer vereinbar seien. „Aus der Sicht einer gewerkschaftlichen Spitzenorganisation des > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 öffentlichen Dienstes möchte ich klarstellen, dass verbindliche Regeln nicht der Beschleunigung von Verfahren zum Opfer fallen dürfen“, so Russ. Um für personelle Entlastung zu sorgen, seien Verwaltungsverfahren zu straffen, Schnittstellen für den Datenaustausch zu definieren und Zuständigkeiten zu bündeln, „zum Beispiel mit einer einheitlichen Flüchtlings- und Integrationsverwaltung, die für Unter- bringung, Versorgung und Integration zuständig ist“. Die gesamtgesellschaftliche „Herkulesaufgabe“ mache auch deutlich, „wie sich der seit Jahren von der Politik herbeigeführte Personalmangel in einer aktuellen Krisensituation auswirkt“. Es gebe in der Verwaltung keine Reserven und die Altersstruktur biete für die Zukunft keine Perspektive. „Die Politik ist nun gefordert, Prioritäten zu setzen und wieder stärker für eine aufgabengerechte Personalausstattung zu sorgen“, sagte Russ. Die bislang bewilligten neuen Stellen seien zu begrüßen, aber die Beschäftigten müssen erst einmal gefunden, ausgewählt, ausgebildet oder in die konkrete Aufgabe eingearbeitet werden. „Das löst nicht die aktuelle Herausforderung“, machte Russ klar und kritisierte zudem den großen Anteil befristeter Stellen. Wenig hilfreich sei auch, Schuldige für organisatorische Missstände vorrangig bei den Beschäftigten zu suchen. Die Gebietskörperschaften müssten langfristig die notwendi- Marco Urban (8) Herausforderung für die Demokratie – Politik contra Bürger? dbb Zur bevorstehenden Einkommensrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen verwies Russ, der Verhandlungsführer des dbb sein wird, auf die anhaltende konjunkturelle Erholung, den Anstieg der Inflationsrate und die stabile Arbeitsmarktlage in Deutschland. Der dbb werde in den nächsten Wochen auf „Branchentagen“ an der Basis mit den Mitgliedern über ihre Vorstellungen diskutieren, bevor am 18. Februar die Gesamtforderungen für alle Statusgruppen präsentiert werden. Dabei werde es auch um strukturelle Forderungen – etwa die Absenkung des viel zu hohen Anteils befristeter Arbeitsverhältnisse von über 15 Prozent im öffentlichen Sektor – gehen, von dem vor allem Arbeitnehmer unter 35 Jahren betroffen seien. „Der öffentliche Dienst macht im Rahmen seiner ihm gegebenen Möglichkeiten einen verdammt guten Job“, so Russ’ Fazit. „Den wollen wir auch im Rahmen der diesjährigen Einkommensrunde entsprechend gewürdigt sehen.“ < de Maizière: Auf öffentlichen Dienst ist Verlass Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière brachte in seiner Rede auf der Tagung Dank für die Menschen innerhalb und außerhalb des öffentlichen Dienstes dafür zum Ausdruck, dass sie im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise „solidarisch und beherzt Verantwortung übernommen haben und manches Mal über sich hinausgewachsen sind“. Die aktuelle Lage beweise: „Auf den öffentlichen Dienst ist Verlass. Dafür gibt es hunderte gute Beispiele in ganz Deutschland.“ Die Flüchtlingskrise habe gezeigt, wie notwendig ein guter öffentlicher Dienst ist. Mit Blick auf die sexuellen Übergriffe und Straftaten der < Thomas de Maizière Silvesternacht in Köln sagte de Maizière, derartige Exzesse habe es in dieser Dimension und möglicherweise auch in der Organisiertheit in Deutschland bisher nicht gegeben. Sie seien inakzeptabel und müssten konsequent mit den Mitteln des Rechtsstaates verfolgt werden. De Maizière vertrat die Auffassung, dass neben der Anwendung des geltenden Rechts auch gesetzliche Verschärfungen notwendig seien. Die Geschehnisse müssten konsequent aufgeklärt, „nichts darf unter den Teppich gekehrt werden“. Es sei auch im Interesse der Flüchtlinge, aufzuklären, wer kriminell ist und wer nicht, sagte der Minister. Als wichtigen Schritt bezeichnete de Maizière das auf den Weg gebrachte Digitalisierungsprojekt samt Gesetzentwurf, das die Verfahrensdauer verkürzt und klar regelt. Die gleichfalls notwendige Sicherung der europäischen Außengrenzen und eine faire Verteilung der Schutzbedürftigen könnten nur in europäischer Solidarität und Verantwortung gelingen. Zur Wahrheit gehöre auch: „Ohne erhebliche Anstrengungen aller Beteiligten, auch und insbesondere der Flüchtlinge, ohne beträchtliche Mehrausgaben wird es nicht gehen. Diese bewegen sich im zweistelligen Milliardenbereich. Aber den Anspruch an die schwarze Null sollten wir halten.“ Erforderlich seien „Flexibilität und Pragmatismus“. So könne es für eine begrenzte Zeit nötig sein, Anforderungen an die berufliche Qualifikation – etwa bei Lehrkräften – abzusenken. Berufliche Fertigkeiten der ins Land Kommenden sollten am besten direkt im Betrieb oder in der Ausbildungsstätte „im Echtbetrieb“ überprüft werden. Es sei Zeit und Gelegenheit, die Lage als Chance zu Modernisierung und Flexibilisierung zu begreifen. Ausdrücklich dankte de Maizière den Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden und Polizeien von Bund und Ländern für ihre „hervorragende Arbeit“. Bei dieser Belastung sei es wichtig, die Sicherheitsbehörden „deutlich zu stärken. Durch gute Gesetze, durch gute Ausstattung und mit mehr Personal.“ „Wenn man will, dass der Staat seine Aufgabe ordentlich erledigt, dann braucht er Personal und Ausstattung“, betonte der Minister und verwies auf den Zuwachs von 1,5 Milliarden Euro im Etat des Bundesinnenministeriums. Damit seien aber die Probleme nicht vom Tisch. „Viele Beschäftigte arbeiten bereits heute mehr als in der Dienstvorschrift steht. Auf Dauer können wir nicht auf den hohen Einsatz mit zig Überstunden und unter hohem Druck bauen.“ Um dringend benötigte Ressourcen zu erschließen, müsse auch Personal umgeschichtet werden. De Maizière versicherte, er werde in nächster Zeit mit den gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen zu einem Spitzengespräch über die Probleme in den Verwaltungen und für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst zusammenkommen. < Patzelt: Offenen Meinungsstreit dulden Eine große Diskrepanz zwischen den Erwartungen vieler Bürgerinnen und Bürger und der politisch Verantwortlichen konstatierte Prof. Dr. Werner Patzelt von der TU Dresden in seinem Vortrag. Der Politikwissenschaftler, der zuletzt wegen seiner in den Medien verbreiteten politischen Bewertung der Pegida-Demonstrationen bekannt geworden war, referierte < Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte in ihrem Grußwort auf dem Begrüßungsabend mit Blick auf das Tagungsmotto: „Wir müssen von der Zuständigkeitskultur zur Lösungskultur wechseln. Dann werden wir auch wieder mehr Interesse der Bürger an der Demokratie bekommen.“ > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 31 fokus gen Finanzmittel für die Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erhalten. dbb zum Titelthema der Tagung. Ein nennenswerter Teil der Bürger sympathisiere damit, was Parteien wie die AfD und die Anhänger von Pegida zum Ausdruck bringen. Dies sei, so Patzelt, unter anderem auf eine „Repräsentationslücke“ im rechten Parteienspektrum zurückzuführen. Patzelt sprach von einer „Sozialdemokratisierung“ der Union, die sehr zum Vorteil der Mitte der CDU sei. „Von vielen, die bislang in der CDU ihre politische Heimat finden, wird dies aber bedauert“, sagte der Experte. Er sehe einen Konflikt zwischen dem, was die Bundesregierung sagt, und den Sichtweisen eines Teils der Bevölkerung, der doch eine Obergrenze der Flüchtlingszahlen will. fokus 32 Statt hinzublicken, wer bei den Demos von Pegida und AfD auf die Straße geht und was diese Menschen bewegt, „war man sich schnell einig: ausgrenzen, als dumm und ignorant bezeichnen“. Dies werde sich auch in den Stimmergebnissen bei den anstehenden Wahlen bemerkbar machen und die Regierungsbildung erschweren, zeigte sich Patzelt überzeugt. In der Flüchtlingskrise übernehme die Zivilgesellschaft eine Rolle, die nicht hoch genug zu würdigen sei, aber die Frage nach der staatlichen Verantwortung müsse auch gestellt werden. Eine „unzulängliche Rolle“ spielen laut Patzelts Einschätzung die Massenmedien mit ihrem „anwaltschaftlichen Journalismus“. So habe es das Bemühen gegeben, die AfD „zunächst in die rechte Ecke und dann in die Bedeutungslosigkeit abzuschieben“. Der Staat müsse Anwalt eines offenen Meinungsstreits sein, nicht Anwalt einer bestimmten politischen Ausrichtung. „Öffentliche Zustimmung lässt sich nicht erzwingen – redliche, pluralistische, breit aufgestellte Diskussion“ sei erforderlich und ein legitimes Mittel dafür wäre der Wahlkampf. „Wenn dabei genug, um zwischen Ganoven und Rechtschaffenden zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang kritisierte Bosbach auch die selektive Wahrnehmung der Medien, die zum Protestverhalten vieler Menschen beigetragen habe: „Die Wahrheit ist politisch korrekt“, sagte er und wandte sich gegen die Tabuisierung von Problemen. Daher müssten auch innerhalb der Parteien unterschiedliche Meinungen offen und nach außen diskutiert werden. < Norbert Walter-Borjans heikle Themen herausgehalten werden, entzieht man dem Bürger ein wirkungsvolles Mittel der Meinungsäußerung.“ Das führe zur Gründung von Protest-Parteien und „die Nebenwirkungen können schädlich sein“, sagte Patzelt. < Diskussion: Wähler abholen, nicht abstempeln In einer Diskussionsrunde unter der Leitung von ZDF-Moderatorin Dunja Hayali analysierten im Anschluss Wolfgang Bosbach (CDU), Mitglied des Innenausschusses des Deutschen Bundestages, und Prof. Patzelt insbesondere die Rolle von Politik und Medien in der Flüchtlingskrise. Das im Impulsvortrag von Patzelt geforderte plebiszitäre Element in der Gesetzgebung lehnte Bosbach ab: „Der Wunsch nach Volksbegehren ist so alt wie die Bundesrepublik selbst“, sagte er. Das Problem daran sei die Redukti- on der Antwort auf „Ja“ oder „Nein“, die Abwägungsprozesse vermissen lasse. Weiter sei direkte Demokratie kein Rezept gegen Politikverdrossenheit, „weil die Menschen nicht politikverdrossen, sondern parteiund politikerverdrossen sind. Die Diskrepanz zwischen Wählern und Gewählten wird immer größer.“ Mit Blick auf die Flüchtlingsproblematik hänge damit zusammen, dass sowohl in den Parlamenten als auch in den Medien die Tatsache zu kurz gekommen sei, dass Deutschland eben nicht über unbegrenzte Integrationskraft verfüge. Zur AfD als Protestpartei stellte Bosbach klar: „Die Wähler denken nicht, dass die AfD die Probleme löst, sondern dass sie den etablierten Parteien Feuer unter dem Hintern macht.“ Es sei falsch, die Bevölkerung unter den Generalverdacht zu stellen, sie sei nicht klug < Prof. Dr. Werner Patzelt, Wolfgang Bosbach und Dunja Hayali (von links) > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 Im Zusammenhang mit der Bewältigung des Flüchtlingszustroms lobte Bosbach das über jedes normale Maß hinausgehende Engagement des öffentlichen Dienstes und seiner Beschäftigten: „Wenn die Probleme am größten werden, werden die schönsten Eigenschaften von uns Menschen sichtbar.“ Für Patzelt verlangt ein gangbarer Mittelweg in der politischen und medialen Diskussion „intellektuelle Wachheit und politischen Mut“. Die Medien müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, Beihilfe zur Verschleierungstaktik vieler Politiker geleistet zu haben. Jeder sei bemüht gewesen, kein Öl ins Feuer zu gießen, um nicht in eine politische Ecke gestellt zu werden. Die Ereignisse der Silvesternacht in Köln und anderen Städten seien damit sogar eine Chance für die Meinungsbildung, ohne politischen Scharfmachern das Wort reden zu müssen. „Wenn wir dbb In Ostdeutschland, insbesondere in Dresden, polarisiere das Thema allerdings so stark, „dass kein objektiver Diskurs möglich ist. Gerade in diesem Umfeld löst das Verscheuchen der Wähler keine Probleme.“ Vielmehr treibe der „Ausgrenzungs- und Beschimpfungsmodus“ immer mehr Menschen in die innere Kündigung gegenüber der Politik. Wirklich ausgegrenzt gehörten aber keine Bürgerinnen und Bürger, sondern Rassisten und Scharfmacher. < Güllner: Diktatur der Minoritäten Den programmatischen Schlusspunkt des ersten Tages setzte Forsa-Chef Prof. Manfred Güllner, der vor einer zunehmenden Entfremdung zwischen Politik und Bürgern warnte. Die „Partei der Nichtwähler“ sei weitaus größer als die allenthalben thematisierte Abwanderung insbesondere von den Unionsparteien in Richtung der Rechten, sagte Güllner in seinem Vortrag. Man könne anhand der vorliegenden Daten nicht davon ausgehen, dass die „neue Rechte“, vertreten von Parteien wie AfD, NPD und Republikanern, eine größere Anziehungskraft als je zuvor auf die Wählerinnen und Wähler ausübe, führte Güllner aus. Hätten die Rechten etwa Ende der 1960eroder der 1980er-Jahre zwischen 6 und 5,4 Prozent der Wählerstimmen erhalten, erreichten AfD, NPD und Republikaner bei der letzten Bundes- tagswahl insgesamt „nur“ 3,9 Prozent, bei der vergangenen Europawahl „nur“ 3,7 Prozent. Sehe man sich die Wählerbewegungen genauer an, könne kein Vakuum am rechten Rand der Unionsparteien belegt werden: „Von den UnionsAbwanderern würden einige wenige andere Parteien, mehrheitlich im Übrigen die SPD, wählen, die ganz deutliche Überzahl jedoch gibt an, ihr Wahlrecht gar nicht mehr wahrnehmen zu wollen“, so der Forsa-Geschäftsführer. Einer Million weniger Stimmen für die Unionsparteien standen bei den vergangenen Landtagswahlen in Summe 48 000 mehr Stimmen für die AfD gegenüber – „der rechnerische Rest ist aller Wahrscheinlichkeit gar nicht wählen gegangen“, so Güllners Schlussfolgerung. „Das Potenzial der AfD ist weitgehend ausgeschöpft.“ Problematisch sieht der ForsaChef vor diesem Hintergrund kein etwaiges „Vakuum rechts der Union“, sondern vielmehr die „deutlich nachlassende Bindekraft der Volksparteien“, die ihren Ausdruck in erheblich schwächeren Wahlergebnissen und Vertrauenswerten für CDU und SPD, für die große Koalition fänden. Auch die schlechten Wahlbeteiligungswerte auf regionaler und kommunaler Ebene wie etwa bei Bürgermeisterdirektwahlen seien Ausweis für einen nachlassenden Glauben der Wähler an die Sinnhaftigkeit des Wahlrechts. „Die Konzentration auf die reinen Wahlergebnisse verstellt die Sicht auf die Tatsache, dass immer mehr Menschen nicht zur Wahl gehen. Das aber ist mittlerweile ein handfestes Legitimationsproblem: Wenn jemand sagt, ich bin euer Oberbürgermeister, dann stimmt das bei einer Wahlbeteiligung von 20 Prozent faktisch nicht mehr“, machte Güllner deutlich. Bedenklich sei zudem, dass die Wahlbeteiligung insbesondere in sozial schwachen Räumen noch schlechter sei als andernorts. „Experimente mit dem Wahlrecht“ lehnte der Forsa-Chef mit Blick auf wenig erfolgreiche Reformen in Bremen, Hamburg und Hessen zur Verbesserung der Wahlbeteiligung ab. Vielmehr, so Güllners Plädoyer, müssten die Ursachen der Frustration bei der großen Zahl von Nichtwählern erkannt und behoben werden. „Das ist keine Apathie aus Zufriedenheit. Die Menschen empfinden, dass die großen Parteien kein Ohr mehr für sie haben bei all dem lauten Streit untereinander“, zudem orientiere sich Politik zu sehr an den auch von den Medien häufig und pointiert transportieren Meinungen von Minoritäten – diese „Diktatur der Minoritäten“ sei es, die die Menschen in die Aufkündigung ihrer Beteiligung am politischen Prozess treibe. „Sie fühlen sich unverstanden.“ können diesen Ton nicht mehr ertragen. Sie schalten ab.“ < Friedrich: Vertrauensvorschuss wird erwidert Über erfolgreiche Anstrengungen Baden-Württembergs bei der Aufnahme, Unterbringung und Integration informierte der Minister für Bundesrat, Europa und internationale Angelegenheiten des Landes, Peter Friedrich, zum Auftakt des zweiten Konferenztages. „Das Recht auf Asyl ist Grundrecht und nicht verhandelbar“, sagte Friedrich eingangs. Baden-Württemberg habe in mehrfacher Weise auf die vielfältigen Herausforderungen reagiert. „Wir haben in den zurückliegenden Monaten bis zu 1 500 Menschen täglich aufnehmen und unterbringen müssen. Ein schnelles Reagieren war mit üblichen Strukturen 33 fokus Menschen abholen wollen, denen eine politische Plattform fehlt, brauchen wir eine Politik, die vermeintliche Tabuthemen besetzt, um kommunikative Nischen zu vermeiden, in denen sich extreme Positionen bilden können.“ Defizite attestierte Patzelt gerade der Opposition, die die Regierung und ihre Politik vor sich hergetrieben und dabei Fehler übersehen habe, die sie eigentlich aufdecken sollte. < Prof. Manfred Güllner Lohnend sei ein Blick nach Skandinavien, wo die Wahlbeteiligung konstant bei über 80 Prozent liege, empfahl Güllner: „Grund dafür ist wahrscheinlich die stärkere Konsensorientierung des politischen Systems und auch der Medien dort. Auch die deutschen Wählerinnen und Wähler sind für Kontroverse und kritische Diskussion – aber sie wollen am Ende einen Konsens sehen.“ Die politische Diskussion und Berichterstattung hierzulande werde zudem zu sehr von „Häme“ dominiert, so Güllner. „Aber die meisten Menschen nicht möglich.“ Deshalb seien diese verändert und alle staatlichen Ebenen in eine Lenkungsgruppe eingebunden worden – unter anderem Ministerien, Bundeswehr, Feuerwehr. Heute stünden rund 40 000 Plätze zur Erstaufnahme in Baden-Württemberg zur Verfügung. „Wir haben die Bearbeitungszeiten stark verkürzt und versuchen, Abläufe optimal abzustimmen. Zu den Zielen – etwa eines entsprechenden Pilotprojektes in Heidelberg – gehört, Kommunen und Landkreisen nur Flüchtlinge mit > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 dbb Bleibeperspektive zuzuweisen. Auch die Information über Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise sei verbessert wor den. 5 300 Menschen hätten zwischen Januar und Novem ber des vergangenen Jahres davon Gebrauch gemacht. fokus 34 „Der öffentliche Dienst hat be wiesen, dass er effizient und effektiv reagieren kann. Aber die große Herausforderung liegt eigentlich noch vor uns: Wie werden die Menschen, die dauerhaft bei uns bleiben, in tegriert? Das bedarf gemein samer Anstrengungen der ge samten Gesellschaft“, sagte Friedrich. Dies betreffe nicht nur den Arbeitsmarkt, wo er für berufsbegleitende „duale Integration“ plädiere. In Ba denWürttemberg sei ein An erkennungsgesetz für Berufs abschlüsse geschaffen worden, Praktika seien ein gangbarer Weg, Menschen ohne Ausbil dung müssten schnellstmög lich qualifiziert werden. In über 2 000 Vorbereitungsklas sen würden Kinder auf den Schulbesuch vorbereitet, auch bei der Ganztagsbetreuung und im Bereich der sozialen Arbeit unternehme man in Ba denWürttemberg große An strengungen. Allerdings fehle, um etwa Stellen beim Kita Ausbau zu besetzen, schlicht weg das geeignete Personal. Schwierigkeiten gebe es auch dabei, genug bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen. „Wir wollen aber keine Ghet toisierung“, machte der Minis ter deutlich. „Der Vertrauensvorschuss durch Willkommenskultur wird von den ins Land Kommenden vielfach erwidert“, stellte Fried rich fest. „Aber wie eine Gesell schaft funktioniert, lernt man nicht abstrakt, sondern durch das Miteinander im Alltag.“ Deshalb plädiere er dafür, „wei terhin den Mut aufzubringen, offen miteinander umzugehen und damit einen Beitrag zur Integration zu leisten“. < Diskussion: Von Regis trierung zu Integration Die konkreten Herausforderun gen für die öffentliche Verwal tung beim Umgang mit der Flüchtlingssituation waren auch das Thema der abschlie ßenden Diskussionsrunde. Auf dem Podium: Dr. Eva Lohse, Präsidentin des Deutschen Städtetages, Detlef Scheele, Vorstand der Bundesagentur für Arbeit, Peter Friedrich, ba denwürttembergischer Euro paMinister und der dbb Vize Ulrich Silberbach. Die Modera tion hatte erneut Dunja Hayali übernommen. Im Fokus der De batte standen insbesondere die Kommunen, die durch die Be treuung der Flüchtlinge vor Ort besonders gefordert sind. Loh se warnte, dass die Belastungs grenze vieler Städte und Ge meinden bereits überschritten sei. Sie betonte in diesem Zu sammenhang die Verantwor tungsgemeinschaft mit den Ländern und dem Bund, von denen sie ein auch finanziell stärkeres Engagement erwarte. „Wir geben gerade Geld aus, < dbb Vize Ulrich Silberbach, Peter Friedrich, Detlef Scheele, Dr. Eva Lohse und Moderatorin Dunja Hayali (von links) > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 das wir nicht haben“, sagte Lohse mit Blick auf die Kosten etwa durch die Unterbringung. Auch Silberbach sieht die Hauptlast bei den Kommunen. „Von den 200 000 fehlenden Stellen im öffentlichen Dienst entfallen mindestens 120 000 auf den kommunalen Bereich“, so der dbb Vize. Für die erfor derliche Personalgewinnung sei eine größere Wertschätzung der Beschäftigten erforderlich. Diese gelte für die Bezahlung, „aber auch für die öffentliche Anerkennung. Wenn sich nach den furchtbaren Vorkommnis sen der Silvesternacht nun die Politik hinstellt und die Kol leginnen und Kollegen im öf fentlichen Dienst mit Schelte überzieht, dann finde ich das absolut unangebracht. Die Poli tik hat den Stellenabbau im öf fentlichen Dienst über Jahre vo rangetrieben und wundert sich nun, dass in diesen Zeiten be sonderer Belastung nicht mehr alles reibungslos funktioniert.“ Zweifel an der Tauglichkeit der derzeit diskutierten politischen Maßnahmen meldete der ba denwürttembergische Euro paMinister Friedrich an. Als Beispiel nannte er die Diskus sion über die Ausweitung der Wohnortauflagen. Eine Ein schränkung der Freizügigkeit sei sicher kaum das geeignete Mittel, zumal „wir andererseits ja auch Mobilität bei der Inte gration erwarten“, so Friedrich. „Generell habe ich die Sorge, dass wir derzeit schneller neue Gesetze produzieren, als die Verwaltung in der Lage ist, die se umzusetzen. So lösen wir keine Missstände – schon gar nicht von heute auf morgen.“ Bezüglich der Integration der Flüchtlinge in den Arbeits markt betonte Scheele, dass die Bundesagentur für Arbeit (BA) erst nach Abschluss der Asylverfahren tätig werden könne. Daher erwarte er eine stärkere Belastung der BA ab dem zweiten Quartal 2016. Die erfolgreiche Integration sei „ein langer Weg“, grund sätzlich sei er aber optimis tisch. Zwar fehle etwa 80 Pro zent der Flüchtlinge vorerst die formale Qualifikation für den deutschen Arbeitsmarkt. Ge linge aber der Dreiklang aus paralleler Kompetenzfeststel lung, Spracherwerb und beruf licher Eingliederung, sei zu künftig die Integration von 450 000 zusätzlichen Kräften in den Arbeitsmarkt aus seiner Sicht realistisch. Willi Russ würdigte in seinem Schlusswort den Beitrag, den die dbb Jahrestagung 2016 zur vielschichtigen Debatte um die Rolle von Politik und Bür gern, insbesondere bei der Bewältigung der Flüchtlings krise, leisten konnte. „Wir ha ben dazu zahlreiche Ein und Überblicke aus Bund, Ländern, Kommunen, aber auch aus der Wissenschaft bekommen und ein Forum für den Dialog gebo ten“, so Russ. Er lud Teilnehmer und Gäste für Januar 2017 zur 58. dbb Jahrestagung nach Köln ein. dbb Friedhelm Windmüller Branchentage zur Einkommensrunde 2016: Mitglieder diskutierten fokus 38 „Die Kolleginnen und Kollegen beim Bund und in den Kommunen haben eine spürbare Verbesserung ihrer Arbeits- und Einkommenssituation mehr als verdient“, stellte Willi Russ, Zweiter Vorsitzender und Verhandlungsführer des dbb in der bevorstehenden Einkommensrunde, zum Start der bundesweiten Branchentage klar. „Das gilt für die mit der Bewältigung des Flüchtlingszustroms beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Behörden, Schulen und Ämtern. Dort wird seit Monaten über alle Belastungsgrenzen hinaus gearbeitet. Das gilt aber auch für die Kolleginnen und Kollegen aller anderen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes. Denn die Personaleinsparungen der vergangenen 20 Jahre haben die Arbeitsbelastung überall schmerzlich erhöht.“ << Straßenwärter: Sicherheit und Anerkennung Zum ersten Branchentag versammelte sich die Belegschaft der Straßenmeisterei von Deizisau (Baden-Württemberg) am 14. Januar 2016. Mit dem Bundesvorsitzenden der Fachgewerkschaft der Straßenund Verkehrsbeschäftigten (VDStra.), Siegfried Damm, der auch stellvertretender Vorsitzender der dbb Bundestarifkommission ist, und dem VDStra.-Landesvorsitzenden in Baden-Württemberg, Robert Wendling, diskutierten die Be- schäftigten berufsspezifische Inhalte, die in die Forderungsfindung des dbb einfließen sollen. Damm stellte sich der Diskussion, nachdem er die tarifpolitischen Rahmenbedingungen vorgestellt hatte. Die Beschäftigten der Straßenmeisterei nahmen anschließend kein Blatt vor den Mund. Neben der Forderung nach einer spürbaren linearen Erhöhung sind die Arbeitsverdich tung und die Unfallgefährdung vor Ort ein ganz großes Thema. Damm zeigte Verständnis für die Klagen der Beschäftigten, „denn schließlich veraltet unser Straßennetz, einschließlich der Autobahnen und wird aktuell von der Politik mit der Ausnahme einiger Prestigeobjekte auf Verschleiß gefahren. Damit die gewohnte Mobilität erhalten bleibt, muss deutlich mehr geflickt und kontrolliert werden als früher, zumal aufgrund des erheblichen Personalabbaus wichtige Aufgaben zur Verkehrssicherheit auf der Strecke geblieben sind. Die Arbeitsverdichtung ist also vorprogrammiert.“ Gut begründete Argumente und konstruktive Forderungen nach Verbesserungen ihrer Arbeits- und Einkommenssituation hatten auch die Teilnehmer des zweiten Branchentages der Straßenwärter am 19. Januar in die Straßenmeisterei im sächsischen Freiberg mitgebracht. Auch hier standen die Auswirkungen zunehmender Arbeits- > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 < Kolleginnen und Kollegen aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes nutzten die dbb Branchentage zum offenen Gedankenaustausch, wie hier mit VDStra.-Chef Siegfried Damm in Freiberg ... verdichtung bei geringer Personalausstattung ganz oben auf der Liste der Probleme. Die Straßenwärter aus Sachsen zeigten sich zugleich unzufrieden und enttäuscht, dass die Gleichstellung Ihrer Arbeits bedingungen an den Westen auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht umgesetzt ist. Britta Ibald Im Vorfeld der Forderungsfindung zur Einkommensrunde 2016 für die Beschäftigten von Bund und Kommunen haben die in den dbb Fachgewerkschaften organisierten Kolleginnen und Kollegen das Wort. In einer Vielzahl von Branchentagen erhalten sie Gelegenheit, die besonderen Probleme ihrer Berufsgruppen zu diskutieren und das Forderungspaket durch ihre Argumente mitzugestalten. < ... mit dbb Vize Willi Russ in Dresden ... „Ihr habt heute mit euren Vorschlägen und Anregungen gezeigt, dass wir auch in der Einkommensrunde 2016 auf eine engagierte Basis vertrauen können“, fasste Damm die Ergebnisse des Freiberger Branchentages zusammen. „Ich werde mich dafür einsetzen, dass eure Anliegen im dbb Forderungspaket Berücksich tigung finden.“ << Bundeswehr: starke Truppe für die Truppe „Die Truppe braucht eine starke Truppe im Hintergrund, die ihr als leistungsfähiger ziviler Partner zur Seite steht“, betonte Herbert Schug, Bundesvorsitzender des Verbands der Arbeitnehmer der Bundeswehr (VAB), auf dem Branchentag der Bundeswehrbeschäftigten am 18. Januar in Dresden. Die rund 75 000 zivilen Fachkräfte – davon rund 25 000 Beamte und 50 000 Arbeitnehmer – spielten als Dienstleister in den Bereichen Personal, Ausrüstung, Informationstechnologie und Nutzung, Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen sowie Rechtspflege und Militärseelsorge eine wesentliche Rolle für die Armee. „Tagtäglich sorgen Kollegen dafür, dass die Soldaten sich voll und ganz auf ihren Dienst konzentrieren können.“ Insbesondere in den vergangenen Monaten habe die Bundeswehrverwaltung zahlreiche Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewältigung der Flüchtlingssituation geschultert: „Zusätzliche Transport-, Verpflegungs- und Unterbringungsherausforderungen wurden ebenso wie Unterstützungsabordnungen zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit großer Hilfs bereitschaft und Motivation angenommen – obwohl wir wegen des stetigen Personal abbaus im Zuge der Umstrukturierung schon zu wenige sind, um allein unseren originären Auftrag zu erfüllen“, machte der VAB-Chef deutlich. Die Beschäftigten erwarteten zumindest einen spürbaren Einkommenszuwachs als Zeichen der Wertschätzung, sagte Schug. „Auch die Ost-West-Angleichung der Jahressonderzahlung ist nach mehr als einem Vierteljahrhundert deutscher Einheit jetzt endlich einmal fällig.“ Willi Russ betonte in Dresden, dass sich die deutlich gestiegene Arbeitsbelastung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst „im Gehalt widerspie- Anne Oschatz << Sozialversicherung: Mammutaufgabe In Hamburg trafen sich am 18. Januar Beschäftigte aus dem Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung. „Eine solidarische Gesellschaft braucht < ... und der Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS), Siglinde Hasse (dritte von links), in Hamburg. eine starke Sozialversicherung“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der dbb Bundestarifkommission, Siglinde Hasse. „Deshalb werden wir in der Einkommensrunde für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen, um auch in Zukunft genügend qualifiziertes Personal für diesen Bereich werben zu können.“ Als Beispiel für notwendige Verbesserungen nannte Hasse die Bundesagentur für Arbeit (BA): „In den vergangenen Jahren wurde das ehemalige Ar- beitsamt immer wieder umorganisiert, was die eigentliche Sacharbeit erschwert hat. Gleichzeitig hat sich der ge sellschaftliche Umgang verschlechtert, sodass es immer häufiger sogar zu körperlichen Übergriffen auf die Beschäftigten gekommen ist – teilweise mit tödlichen Folgen. Und ganz aktuell erwartet uns mit der Integration der vielen Flüchtlinge und Einwanderer eine weitere Mammutaufgabe. Da ist es doch das Mindeste, die Leistung der Beschäftigten wertzuschätzen, auch in Form von Teilhabe an der guten wirtschaftlichen Entwicklung. Außerdem muss die unsägliche Befristungspraxis endlich ein Ende haben. Mit 14,2 Prozent liegt der Anteil der befristet Beschäftigten bei der BA viel zu hoch, sogar über der Quote im gesamten öffentlichen Dienst. Das zu ändern sollte auch im Interesse der Arbeitgeber sein, denn nur so werden wir dauerhaft ausreichend Personal gewinnen können.“ Der Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung umfasst etwa die Unfall-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Zu den Trägern gehört neben der BA beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung. Zwar gelten bei den Trägern oft eigene Tarifverträge, diese sind aber in der Regel eng an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für Bund und Kommunen angelehnt. 39 fokus geln“ müsse. „Wir werden verhindern, dass der öffentliche Dienst von der Lohnentwicklung in der Privatwirtschaft abgekoppelt wird.“ Neben einer spürbaren Lohnerhöhung will der dbb den Arbeitgeber Staat attraktiver für den Berufsnachwuchs machen und eine unbefristete Übernahme aller Auszubildenden durchsetzen. „Die Befristung von Stellen im öffentlichen Dienst hat ein unerträgliches Ausmaß erreicht“, sagte Russ, damit müsse Schluss sein, wenn der öffent liche Dienst qualifizierte und motivierte junge Menschen für sich gewinnen wolle. dbb > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 dbb Digitale Stadtentwicklung: Lebensader Internet Das Netz gewinnt zunehmend Bedeutung als wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Motor. Wie gut eine Stadt oder Kommune dasteht, hängt immer stärker mit dem Stand des Netzausbaus zusammen. In Deutschland haben bisher nur wenige Städte die Nase vorn, was Bürgerfreundlichkeit und politische Partizipationsmöglichkeiten betrifft. finale 40 Köln, Hamburg und München sind die hervorstechendsten digitalen Hauptstädte Deutschlands. Zu diesem Ergebnis ist eine Untersuchung gekommen, die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zusammen mit dem Geographischen Institut der Universität Bonn im Jahr 2015 durchgeführt hat. Die Ergebnisse: Digitale Angebote sind schon heute wichtiger Standortfaktor, unzureichender oder fehlender Breitbandausbau hemmt die Entwicklung der Kommunen und digitale Städte sind wirtschaftlich besser aufgestellt als Städte mit schlechter Netzanbindung. Anhand von 20 Kriterien, die die Bereiche Verwaltung und Politik, Kommunikation, Infrastruktur und Energie abdeckten, wurde untersucht, wie digital die 25 bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands sind. Alfred Höhn, Leiter des Bereichs Öffentlicher Sektor in Deutschland bei PwC, fasst das so zusammen: „Eine entwickelte digitale Infrastruktur ist für die Kommunen schon heute ein zentraler Standortfaktor. Ihre Attraktivität für Bewohner, Arbeitnehmer und Unternehmen hängt entscheidend von ihrem Digitalisierungsfortschritt ab.“ Die besten zehn Städte wiesen durchschnittlich deutlich bes- sere Kennzahlen auf als die Städte auf den übrigen Plätzen. Das gelte beispielsweise für das Gewerbesteueraufkommen, das von 2009 bis 2013 in gut vernetzten Städten um 30 Prozent gestiegen sei, in schlechter vernetzten dagegen nur um 21 Prozent. Ebenso lasse sich das an den Beschäftigtenzahlen und dem Anteil an Hochqualifizierten ablesen, der in der Spitzengruppe mit 20,2 Prozent deutlich höher sei als in anderen Städten mit durchschnittlich 14,7 Prozent. Die Bevölkerung der Städte auf den Plätzen eins bis zehn sei durchschnittlich um 3,9 Prozent und damit fast doppelt so stark gewachsen wie in den anderen Städten. < Keine klaren Konzepte Insgesamt wurden im Rahmen der Untersuchung mehr als 200 Städte und Landkreise zur Bedeutung und zum Stand der Digitalisierung befragt. Dabei gaben 70 Prozent an, die Digitalisierung spiele eine große oder sehr große Rolle in der Entwicklungsstrategie ihrer Kommune. „Obwohl Städte und Gemeinden die Digitalisierung als wichtige Zukunftsaufgabe erkannt haben, werden heute vor allem solche Onlinedienste angeboten, die vergleichsweise leicht zu etablieren sind“, sagt Felix Hasse, > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 PwC-Experte für die Digitalisierung von Kommunen. An vielen Orten in Deutschland sei es zum Beispiel möglich, online einen Termin für das Bürgeramt zu vereinbaren oder per Handy ein Busticket zu kaufen. Auch eine Präsenz in den sozialen Medien sei inzwischen bei den großen Städten weitgehend Standard. Seltener zu haben seien dagegen komplexere Serviceleistungen: „Nur in neun der 25 untersuchten Städte können Bürger zum Beispiel einen Anwohnerparkausweis online beantragen. Onlinegewerbeanmeldungen, die etwa in den Vereinigten Staaten seit Jahren zum Standard zählen, bietet nur Bremen an“, so Hasse. „Vor allem die Chance, Bürger online an kommunalen Entscheidungen teilhaben zu lassen, bleibt vielfach ungenutzt.“ Für 64 Prozent der befragten Kommunen ist die angespannte Haushaltslage ein wesentlicher Hemmschuh für die Digitalisierung. Ohne dass heute zusätzliches und qualifiziertes Personal eingestellt wird, kann die Digitalisierung in den Kommunen kaum vorangetrieben werden – auch wenn auf lange Sicht Einsparungen zu erwarten sind. Weil die notwendigen finanziellen Mittel fehlen, kommt auch der Ausbau der technischen Infrastruktur nicht voran. Als Hindernis für eine erfolgreiche Digitalisierung der Kommunen geben die Befragten außerdem unklare rechtliche Rahmenbedingungen an. Nur unzureichend sind etwa die Folgen vollkommen neuer Prozessabläufe berücksichtigt, die sich durch eine Digitalisierung der Verwaltung ergeben. Auch wichtige Fragen des Datenschutzes sind ungeklärt. In der digitalen Agenda der Bundesregierung ist allerdings eine Verbesserung in Aussicht gestellt. Besonders der Ausbau des Breitbandnetzes ist ein zentrales Problem – ein Punkt, in dem Deutschland im europäischen Vergleich seit Jahren zurückliegt. Besonders die baltischen und skandinavischen Länder sind in Sachen Netzausbau und Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen viel weiter. Lediglich Köln und Bonn halten zum Beispiel für 95 Prozent der Haushalte ein Breitbandnetz mit einer Geschwindigkeit von mindestens 50 Mbit/s vor und setzen sich damit schon jetzt vom sogenannten Ausbaukorridor der Bundesregierung ab, an dem sich zwar viele Städte orientieren, den Experten aber als nicht ausreichende Zielvorgabe gilt. Einen großen Anteil daran hat der regionale Telekommunikationsdienstleister NetCologne mit dem konsequenten Ausbau der Infrastruktur. Das Unternehmen wurde am 31. Oktober 1994 von der Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG (GEW, heute Rheinenergie), der ©rcfotostock – Fotolia.com dbb < Verwaltungsvorgänge neu denken „Es besteht die Gefahr, dass sich der digitale Graben zwischen den fortschrittlichen Kommunen und denjenigen weiter vertieft, die die Digitalisierung nicht systematisch in Angriff nehmen“, warnt Prof. Claus Wiegandt vom Geographischen Institut der Universität Bonn, der Co-Autor der Studie ist. Noch fehle den meisten Kommunen ein klares Konzept, um das Thema Digitalisierung anzugehen. Meist werde Digitalisierung als Querschnittthema, nicht aber als eigenständi- ger Sachbereich verstanden. 20 der 25 im Detail untersuchten Städte verfügten weder über einen Digitalisierungsbeauftragten noch über eine entsprechende Strategie. „Um bestehende Verwaltungsvorgänge effizienter zu machen, genügt es nicht, dass man einen Termin im Bürgeramt online vereinbaren kann. Digitalisierung muss als Organisationsaufgabe verstanden und Verwaltungsvorgänge aus Sicht des Bürgers völlig neu gedacht werden. Ziel sollte es dabei sei, den Gang zur Behörde vollständig digital zu ersetzen“, sagt Felix Hasse. < Köln ist Spitzenreiter Dass Köln heute als Medienmetropole die digitalste unter den deutschen Städten ist, hängt mit dem konsequenten Ausbau der digitalen Infrastruktur und deren ebenso konsequenter Nutzung zusammen. Nicht nur Medienunternehmen profitieren von der guten Anbindung, sondern auch Bürgerinnen und Bürger. Beispiel digitales Rathaus: Die „Digitale Willkommenskultur“ zeigt zum Beispiel die Auskunftsbereitschaft der Kommune. Im Idealfall müssen Bürger zur Klärung von Fragen nicht mehr selbst ins Bürgerbüro kommen, sondern erhalten online eine Rückmeldung. Zur Ermittlung der digitalen Willkommenskultur hat PwC eine identische Informationsanfrage per E-Mail an die untersuchten Städte gestellt. Dabei wurden die bürokratische Abwicklung sowie die Angebo- te bei einem Neuzuzug in die jeweilige Stadt erfragt. Die gesandte E-Mail wurde von der Stadt Köln mit 14 Minuten Reaktionszeit als erste und damit schnellste Stadt der 25 untersuchten Städte ausführlich beantwortet. Darüber hinaus genießen die Bewohner der Domstadt ein hohes Maß an digitaler Partizipation. Das Onlineratsinformationssystem der Stadt bildet demokratische Strukturen und Entscheidungen der Kommune durch ein EDV-gestütztes Informations- und Dokumentenmanagementsystem ab und stellt diese online zur Verfügung. Es bietet zum Beispiel die Möglichkeit, den Sitzungskalender einzusehen und für die jeweilige Sitzung die Punkte Einladung, Tagesordnung und das Beschlussprotokoll als PDF herunterzuladen oder den Sitzungskalender nach Monat und Jahr zu durchsuchen. Unter einem für jede Sitzung angelegten separaten Reiter mit dem Namen „Anwesenheit“ ist es den Bürgerinnen und Bürgern zudem möglich, die Anwesenheit der stimmberechtigten Mitglieder sowie die Parteizugehörigkeit einzusehen. Ebenso können Bürgerinnen und Bürger Informationen über das Gremium des entsprechenden Ausschusses, die bereits in diesem Zusam- menhang stattgefundenen Sitzungen sowie die Niederschriften der Sitzungen abrufen. Mit dem Onlinebürgerhaushalt bietet die Stadt ein Instrument der kommunalen Bürgerbeteiligung und ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern eine teilweise Mitbestimmung über die Verwendung der Haushaltsmittel. Das entsprechende Beteiligungsportal ist nutzerfreundlich und bezirksübergreifend gestaltet. Nutzer können dort nicht nur Vorschläge zur Verwenung von Mitteln machen, sondern ebenso andere Vorschläge bewerten. Im Anschluss wird eine Bestenliste erstellt. Nach Prüfung und Stellungnahme durch die Verwaltung werden die besten Vorschläge den politischen Gremien zum Beschluss vorgelegt. Der Rat entscheidet durch den Beschluss des Haushaltsplans, welche der Vorschläge letztlich umgesetzt werden – ein Prozess, bei dem er sich wiederum über das Ratsinformationssystem auf die Finger schauen lässt. Wer in Köln also Transparenz statt Klüngel leben möchte, kann das jederzeit tun. So kann Köln für den Bürgerhaushalt 2015 (Abstimmungsrunde vom 17. November bis 7. Dezember 2014) 3 958 Teilnehmer, 664 Vorschläge 1 940 Kommentare der Vorschläge sowie 19 888 Bewerbr tungen vorweisen. < Digitale Partizipation in Köln Ratsinformationssystem: https://ratsinformation.stadt-koeln.de/infobi.asp Bürgerhaushalt: https://buergerhaushalt.stadt-koeln.de/2015/ > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 41 finale Stadtsparkasse Köln (heute Sparkasse KölnBonn) und den Kölner Verkehrs-Betrieben in Köln gegründet. Seit 2004 ist die Holdinggesellschaft GEW Köln zu 100 Prozent Gesellschafter des Unternehmens. Zusätzlich zum Eigenausbau führt NetCologne auch eine Reihe von Kooperationsausbauprojekten in der Region durch. Durch Partnerschaften mit Städten, Kommunen und Energieversorgern wird das Glasfasernetz ständig erweitert. Dabei übernehmen die Kooperationspartner den Ausbau der Infrastruktur, NetCologne installiert im Anschluss die aktive Technik. Zu den Ausbaugebieten gehören Windeck, Siegburg, Burscheid, Betzdorf und Niederkassel. Zudem wurden Projekte in Wesseling, Frechen, Pulheim, Kerpen und Hürth gestartet. Insgesamt umfassen die Projekte ein Potenzial von knapp 75 000 Haushalten und Gewerbebetrieben. dbb die andere meinung: Einkommensrunde 2016 – wessen Krise? Jüngst kündigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in seiner Rede bei der 57. Jahrestagung des dbb ein Plus von 1,5 Milliarden Euro in seinem Etat an. Was zunächst für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gut klingt, ist es bei genauem Hinsehen nicht: Ausbau von Sicherheitsbehörden, erhöhte Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten, ein Stellenpool für besondere Lagen, Zuverdienstgrenzen für Ruheständler, die weiter arbeiten wollen, werden an- oder gar aufgehoben ... Das sind die falschen Instrumente. fokus 42 Auf der anderen Seite sagte de Maizière, man müsse an Befristungen festhalten, und er hoffe überdies, die im Februar kommende Einkommensrunde werde ohne Erzwingungsstreiks und Schlichtung zügig über die Bühne gehen. Wenn der Innenminister betont, niemand hätte die derzeitige Situation bezüglich anhaltend hoher Flüchtlingszahlen voraussehen können, kann man ihm bestenfalls mit einem Kopfschütteln zustimmen. Trotzdem ist an der Stelle auch lauter Widerspruch angebracht. Zurecht sagte Willi Russ bei der Jahrestagung, die Verwaltung sei auf Kante genäht und: „Es gibt keine Reserven, und die Altersstruktur bietet für die Zukunft keine Perspektive.“ normalen Zeiten kaum noch gewährleistet ist, darf man sich nicht wundern, wenn einem der Laden in einer Ausnahmesituation wie der derzeitigen bald um die Ohren fliegt. Wer in Berlin sich ummelden möchte, wartet Monate auf einen Termin. Schlanker Staat at its best ... Die Überlastung der Beschäftigten beim BAMF oder auch die Überlastung der Polizeien sind Teile des Gesamtbildes. Verweise auf Überalterung und marode Infrastruktur komplettieren diese Aufzählung nicht. Was hat das mit der kommenden Tarifrunde für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen zu tun? Das liegt auf der Hand. Nötig sind: Erstens eine deutliche Einkommenserhöhung, zweitens ein Ende der Befristungen für Ausgelernte und drittens ein Beschäftigungsaufbauprogramm, das seinen Namen verdient. Da liegt auch der Widerspruch. Wenn Bundesregierung nach Bundesregierung den öffentli- Erstens: Auf der einen Seite steht die zeitliche Mehrbelastung, die Beamte und Beschäf- chen Dienst auf ein Maß zusammenstreicht, mit dem die Arbeitsfähigkeit mancher Dienststellen und Behörden schon in tigte mitbekommen. Es gibt Arbeitsschutzgesetze, geregelte Arbeits- und Ruhezeiten, Überstundenregelungen. Der Arbeitstag hat nur soundso viele Stunden. Auf der ©XtravaganT – Fotolia.com > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 anderen Seite steht die persönliche, die psychische Überlastung, und die hat mit der empfundenen Wertschätzung für die geleistete Arbeit zu tun. Nach Jahren des Verzichts und der Arbeitsverdichtung sollte sich diese Wertschätzung auch spürbar im Geldbeutel niederschlagen und nicht im Appell an eine „friedliche“ Tarifrunde, wenn der oberste Dienstherr schon im Vorfeld durch die Blume ankündigt, dass viel aber nicht zu holen sein wird. Das ist ein falsches Zeichen. Der zweite Punkt hat damit zu tun. Ein Ende der Befristungen muss her. Wer gute Personalpolitik machen will, der muss auch eine Perspektive für den Einstieg ins Berufsleben bieten und sich als guter Arbeitgeber darstellen. Befristungen nach Ausbildungsende helfen da nicht weiter. In der Wirtschaft mag es schwankende Auftragslagen oder Ähnliches geben, dass Befristungen rechtfertigt, aber im öffentlichen Dienst gibt es keine Auftragslage, sondern einen Katalog klar definierter Aufgaben, die nicht weniger, sondern eher noch mehr werden. Der öffentliche Dienst braucht drittens mehr Beschäftigte. Das zeigt die aktuelle Situation. Und die findet man nur, wenn man sich als attraktiver Arbeitgeber darstellt, der nach einer guten Ausbildung einen sicheren Einstieg ins Berufsleben zu einer vernünftigen Bezahlung bietet. Es wäre schön, würde angesichts des Lamentierens über die Arbeitsbelastung wegen der hohen Flüchtlingszahlen einmal das Pferd vom Kopf her aufgezäumt, denn eine „Flüchtlingskrise“ ist das in dem Sinne nicht, sondern unter anderem die Krise eines öffentlichen Dienstes, der über Jahre systematisch demontiert wurde. Jörg Meyer < Der Autor ... ... Jahrgang 1972, ist Redakteur bei der in Berlin erscheinenden Tageszeitung „neues deutschland“. Sein Fachgebiet sind Gewerkschaftsthemen. Er betreut und erstellt die freitags im „nd“ erscheinende Seite „Betrieb und Gewerkschaft“. Folgen Sie Jörg Meyer auf Twitter: @doogle13 dbb Wir machen das! Der dbb hat bei seiner Jahrestagung 2016 sehr konkrete Forderungen aufgestellt, um die Arbeit mit Flüchtlingen zu verbessern. Darüber, und welche Themen 2016 noch wichtig werden, sprach das dbb magazin mit der dbb Führungsspitze: Klaus Dauderstädt, Willi Russ und Hans-Ulrich Benra. < dbb magazin Herr Dauderstädt, es gab große Schwierigkeiten mit der Registrierung, Versorgung und Integration von Asylsuchenden – und teilweise gibt es sie immer noch. Ist es falsch, so viele Flüchtlinge aufzunehmen? < dbb magazin Haben Sie konkrete Beispiele? < Dauderstädt Seit einer gefühlten Ewigkeit warnen wir davor, dass der öffentliche Gesundheitsdienst dem Anstieg der Flüchtlingszahlen. Rechtsanspruch auf Kita-Platz, aber keine zusätzlichen Erzieher. Kontrolle des Mindestlohns, aber keine zusätzlichen Zöllner ... wenn ich alle betroffenen Bereiche nennen würde, säßen wir morgen noch hier. drei Jahre. Muss ich noch mehr sagen? < Schon verstanden. Sie haben gerade noch die fehlende Rechtssicherheit erwähnt. Was meinen Sie damit? < < Das ist primär eine politische Entscheidung, die der dbb zur Kenntnis zu nehmen hat. Das Recht auf Asyl ist in der Verfassung verankert. Außerdem ist Solidarität mit Schutzbedürftigen immer auch ein Grundgedanke allen gewerkschaftlichen Handelns. Fakt ist aber: Wer eine politische Entscheidung trifft, der muss auch in der Verwaltung die Voraussetzungen für deren Umsetzung schaffen. Und da ist in den vergangenen Monaten einiges schiefgelaufen. Auf diese Herausforderungen war der öffentliche Dienst schlecht vorbereitet. < dbb magazin Was meinen Sie genau? < Klaus Dombrowsky (3) aktuell 44 Dauderstädt Dauderstädt Es fehlt oft schlicht an Ressourcen und daraus resultierend an Rechtssicherheit. Und mit den Ressourcen meine ich nicht nur Immobilien oder Geld. Damit meine ich in erster Linie geeignetes Personal. Leider ist das eingetreten, was in den letzten Jahren schon so oft passiert ist: Erst werden neue Aufgaben beschlossen und erst dann macht man sich Gedanken, wer die überhaupt schultern soll. < Bundesvorsitzender Klaus Dauderstädt total unterbesetzt ist. Die Stellen reichen nicht und selbst die vorhandenen bekommen wir kaum besetzt, weil die Ärzte bei fast jedem anderen Arbeitgeber besser verdienen. Die Aufgaben dort waren vorher schon kaum zu schaffen, und jetzt muss noch eine Million Flüchtlinge versorgt werden. Wie soll das funktionieren? Genauso beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder bei der Bundespolizei. Aber wie gesagt, das ist keine neue Entwicklung, das gab es schon vor > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 < dbb magazin Aber es wurden doch neue Stellen geschaffen. Insbesondere in den von Ihnen genannten Bereichen, etwa beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und der Bundespolizei. < Dauderstädt Zu wenige und zu spät, ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Ausbildung eines Bundespolizisten dauert dbb magazin Dauderstädt Durch die fehlenden Ressourcen sind die Beschäftigten total überlastet. Das bleibt übrigens auf Dauer auch gesundheitlich nicht ohne Folgen. Hinzu kommt das Risiko, dass rechtsstaatliche Standards nicht eingehalten werden. Der Wunsch nach schneller und unkomplizierter Hilfe ist natürlich nachvollziehbar. Die vielen freiwilligen Helfer, deren Einsatz ich bewundernswert finde, können da zum Beispiel auch relativ frei agieren. Ein Beschäftigter im öffentlichen Dienst kann das nicht. Der macht sich im Zweifel strafbar, wenn er seinem gesetzlichen Auftrag nicht korrekt nachkommt. Dabei möchte er genauso gerne schnell helfen. Da kann man sich noch so oft über die angebliche Schwerfälligkeit der Behörden echauffieren: Wir brauchen geordnete und transparente Verfahren, die im Fall der Fälle einer gerichtlichen Überprüfung standhalten. Alles andere ist einfach unfair den Beteiligten gegenüber, Flüchtlingen und Beschäftigten gleichermaßen. < dbb magazin Sie zeichnen ein düsteres Bild. Ist die Lage so dramatisch? dbb < aktuell 46 Dauderstädt Die wahre Größe der Herausforderungen wird sich sogar erst in Zukunft zeigen. Denn es wird eine langfristige Aufgabe. Auch wenn die Fernsehkameras eines Tages wieder weg sind und die Aufmerksamkeit sich auf andere Dinge richtet, wird der öffentliche Dienst noch lange mit der Aufarbeitung beschäftigt sein. Aber es gibt tatsächlich keinen Grund, schwarz zu malen. Es gehört zu unseren Aufgaben als dbb, den Finger in die Wunde zu legen. Es erfüllt mich aber auch mit unglaublichem Stolz zu sehen, wie die Kolleginnen und Kollegen sich in den vergangenen Monaten ins Zeug gelegt haben. Da wurde bis zum Umfallen gearbeitet, um Menschen in Not zu helfen. Das war ganz, ganz stark. Und da wir im öffentlichen Dienst ja daran gewöhnt sind, auch mit schwierigen Rahmenbedingungen umzugehen, traue ich mich, zuversichtlich zu sagen: Wir machen das. < < dbb magazin Oft wird über die sogenannten „Tarif-Rituale“ geschimpft. Das hört sich dann in etwa so an: „Die Gewerkschaften fordern X, die Arbeitgeber bieten nix und am Ende trifft man sich in der Mitte. Der Dumme ist der Bürger, der unter den Streiks leidet. Das muss doch anders gehen.“ < Russ < Da spielen viele Faktoren mit rein. Wirtschaftswachstum, Steuereinnahmen, allgemeine Lohnentwicklung, Inflationsrate und viele mehr. Am Ende steht ein Ideal als Forderung. < dbb magazin Wir leben aber nicht in einer idealen Welt. < Wer so redet, macht es sich aber auch sehr, sehr einfach. Zunächst sollte man festhalten, dass das keine „Tarif-Ritua- Russ Russ Deshalb steht am Ende von Verhandlungen immer ein Kompromiss. Dabei kommen 17,49 Prozent. < dbb magazin Bitte? < Russ Nein, das ist natürlich Quatsch. Die Forderung wird vor allen Einkommensrunden von unseren Gremien beschlossen, so auch dieses Mal. Jetzt schon über Prozentzahlen zu spekulieren, verbietet sich einfach. dbb magazin Bei den Einkommensrunden kämpft der dbb gemeinsam mit ver.di. Wie läuft die Kooperation denn so? Und vor allem: Wie lange wird sie noch Bestand haben? Stichwort „Tarifeinheitsgesetz“. < dbb magazin Russ Russ Ja, das hört man immer wieder mal. Ist aber totaler Unsinn, das ärgert mich wirklich. Glauben Sie mir: Alle Politiker – besonders die, mit denen wir verhandeln – sind bestens informiert, was in den Medien berichtet wird. Und da macht es sehr wohl einen Unterschied, ob wir an einem Tag 3 000 oder 30 000 auf die Straße bringen. Da haben unsere Verhandlungspartner ein sehr feines Gespür. Für die Auswirkungen unserer Streiks auf das öffentliche Leben ebenso. < Sie haben bereits angesprochen, dass die Bezahlung bei der Personalgewinnung eine große Hürde ist. Im Frühjahr steht eine Einkommensrunde für Bund und Kommunen an. Herr Russ, mit welcher Forderung werden Sie in die Gespräche gehen? < < < Zweiter Vorsitzender Willi Russ le“ sind. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass in der freien Wirtschaft jede Verhandlung nach dem gleichen Muster geführt wird. So laufen Verteilungskämpfe nun mal. Und was unsere Forderung angeht: Glauben Sie wirklich, wir überlegen uns ein gutes Ergebnis und nehmen es dann einfach mal zwei, um auf unsere Forderung zu kommen? weitere Faktoren zum Tragen. Welche Laufzeit hat der Tarifvertrag? Gibt es eine soziale Komponente? Wurden zusätzlich nicht-monetäre Aspekte wie die Arbeitszeit verhandelt, die aber eingepreist werden müssen? Und ganz wichtig: Wie viel Druck konnten wir als Gewerkschaft auf der Straße erzeugen? < < dbb magazin Wie funktioniert es denn? > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 dbb magazin Streiks werden aber gerne als Folklore von gestern abgetan. Russ Das Gesetz wird derzeit vom Bundesverfassungsgericht geprüft. Und wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es diese Prüfung nicht bestehen wird. Ich hoffe, dass wir in diesem Punkt bald Klarheit haben. Die laufenden Kooperationen mit anderen Gewerkschaften sind davon meiner Meinung nach aber ohnehin nicht betroffen. Das funktioniert sehr ordentlich, auch wenn es natürlich hier und da immer mal wieder kleinere Unstimmigkeiten gibt. Das ist aber bei eigenständigen Organisationen vollkommen normal. < dbb magazin Nochmal zurück zur Einkommensrunde: Die wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen und Beamten ist eine immer wiederkehrende dbb Forderung in allen Einkommensrunden. Im kommenden Jahr doch sicherlich auch, Herr Benra? dbb < Benra Benra Selbstverständlich. Selbstverständlich. < < dbb magazin dbb magazin Haben Sie die Befürchtung, Haben Sie die Befürchtung, dass es Probleme bei der Umdass es Probleme bei der Umsetzung geben könnte? Immersetzung geben könnte? Immerhin wurde die Besoldung der hin wurde die Besoldung der Bundesbeamten erst im NoBundesbeamten erst im November 2015 in einigen Punkvember 2015 in einigen Punkten verbessert. ten verbessert. < < Benra Benra Moment. Die Verbesserungen, Moment. Die Verbesserungen, die Sie mit dem 7. Besoldungsdie Sie mit dem 7. Besoldungsänderungsgesetz ansprechen, änderungsgesetz ansprechen, waren eine Reaktion auf die waren eine Reaktion auf die besonderen Herausforderunbesonderen Herausforderungen durch die gestiegenen gen durch die gestiegenen Flüchtlingszahlen. BeispielsFlüchtlingszahlen. Beispielsweise eine Erhöhung der Zulaweise eine Erhöhung der Zulage für Dienst zu ungünstigen ge für Dienst zu ungünstigen Zeiten, also an Feiertagen, Zeiten, also an Feiertagen, während der Nacht und an während der Nacht und an Wochenenden. Oder die ErhöWochenenden. Oder die Erhöhung der Reisebeihilfen an abhung der Reisebeihilfen an abgeordnete Beschäftigte, um geordnete Beschäftigte, um wenigstens eine wöchentliche wenigstens eine wöchentliche Heimfahrt zur Familie zu erHeimfahrt zur Familie zu ermöglichen. BAMF-Beschäftigte möglichen. BAMF-Beschäftigte erhalten für die nächsten drei erhalten für die nächsten drei Jahre eine Stellenzulage. Wer Jahre eine Stellenzulage. Wer seinen Ruhestandseintritt hinseinen Ruhestandseintritt hinausschiebt, erhält bei Weiterausschiebt, erhält bei Weiterbeschäftigung ebenfalls einen beschäftigung ebenfalls einen Zuschlag. Für diese VerbesseZuschlag. Für diese Verbesserungen haben wir gekämpft, rungen haben wir gekämpft, damit die außergewöhnliche damit die außergewöhnliche Leistung der Kolleginnen und Leistung der Kolleginnen und Kollegen wenigstens ansatzKollegen wenigstens ansatzweise gewürdigt wird. Mit der weise gewürdigt wird. Mit der „normalen“ Besoldungserhö„normalen“ Besoldungserhöhung hatte das nichts zu tun. hung hatte das nichts zu tun. Und wir werden nicht zulassen, Und wir werden nicht zulassen, dass hier aufgerechnet wird. dass hier aufgerechnet wird. < < dbb magazin dbb magazin Neben der Einkommensrunde Neben der Einkommensrunde erwartet uns 2016 noch ein, erwartet uns 2016 noch ein, wenn man so will, doppeltes wenn man so will, doppeltes Superwahljahr. Neben LandSuperwahljahr. Neben Landtagswahlen in fünf Ländern tagswahlen in fünf Ländern finden beim Bund sowie in siefinden beim Bund sowie in sieben Ländern – nämlich Bayern, ben Ländern – nämlich Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, NieBerlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westdersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen – Personalfalen und Sachsen – Personalratswahlen statt. Sie waren ratswahlen statt. Sie waren selbst lange Zeit Personalratsselbst lange Zeit Personalrats- vorsitzender im Bundesinnenvorsitzender im Bundesinnenministerium, Herr Benra. Welministerium, Herr Benra. Welche Bedeutung für den dbb che Bedeutung für den dbb messen Sie den anstehenden messen Sie den anstehenden Wahlen zu? Wahlen zu? < < Benra Benra Das ist gewerkschaftliches Das ist gewerkschaftliches Kerngeschäft, gar keine Frage. Kerngeschäft, gar keine Frage. Für den dbb ist es essenziell, Für den dbb ist es essenziell, dass die Kandidatinnen und dass die Kandidatinnen und Kandidaten aus unseren MitKandidaten aus unseren Mitgliedsgewerkschaften wieder gliedsgewerkschaften wieder ein gutes Ergebnis erzielen, ein gutes Ergebnis erzielen, wenn möglich sogar gestärkt wenn möglich sogar gestärkt aus den Wahlen hervorgehen. aus den Wahlen hervorgehen. Wie könnten wir unsere Arbeit Wie könnten wir unsere Arbeit < < Benra Benra Zum einen gibt es natürlich Zum einen gibt es natürlich logistische und materielle logistische und materielle Unterstützung während des Unterstützung während des Wahlkampfes. Dazu haben wir Wahlkampfes. Dazu haben wir beispielsweise eine Sonderseibeispielsweise eine Sonderseite auf dbb.de eingerichtet, wo te auf dbb.de eingerichtet, wo alle relevanten Infos gebündelt alle relevanten Infos gebündelt sind. Darüber hinaus gibt es sind. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Hilfestellungen zwizahlreiche Hilfestellungen zwischen den Wahlen. Seien es schen den Wahlen. Seien es Veranstaltungen und SchulunVeranstaltungen und Schulungen zum Personalvertretungsgen zum Personalvertretungsrecht, unser Onlineforum für recht, unser Onlineforum für den Austausch zwischen den den Austausch zwischen den Praktikern oder etwa unsere Praktikern oder etwa unsere Initiative zur Bündelung der Initiative zur Bündelung der gung 2015 gesprochen haben: gung 2015 gesprochen haben: Sie haben für eine Rückkehr zu Sie haben für eine Rückkehr zu einer bundesweit einheitlichen einer bundesweit einheitlichen Besoldung geworben, Herr Besoldung geworben, Herr Dauderstädt. Wie ist der Stand Dauderstädt. Wie ist der Stand der Dinge? der Dinge? < < Dauderstädt Dauderstädt Leider hat sich meine Prognose Leider hat sich meine Prognose bestätigt: Das ist ein dickes bestätigt: Das ist ein dickes Brett, das da zu bohren ist. Brett, das da zu bohren ist. 2016 jährt sich die Verabschie2016 jährt sich die Verabschiedung der Föderalismusreform I dung der Föderalismusreform I zum zehnten Mal. Nach feiern zum zehnten Mal. Nach feiern ist bei uns aber niemandem ist bei uns aber niemandem zumute. Vielmehr werden wir zumute. Vielmehr werden wir dieses Jubiläum zum Anlass dieses Jubiläum zum Anlass nehmen, um eine kritische Binehmen, um eine kritische Bilanz zu ziehen. Und ich kann lanz zu ziehen. Und ich kann schon jetzt sagen: Im Beamschon jetzt sagen: Im Beamtenrecht wird sie größtenteils tenrecht wird sie größtenteils verheerend ausfallen. Die Beverheerend ausfallen. Die Besoldung driftet immer weiter soldung driftet immer weiter auseinander. Langsam aber auseinander. Langsam aber sicher hat auch das Bild des sicher hat auch das Bild des Flickenteppichs dafür ausgeFlickenteppichs dafür ausgedient, denn selbst die Flicken dient, denn selbst die Flicken fallen auseinander. fallen auseinander. < < dbb magazin dbb magazin Also keine Hoffnung auf Also keine Hoffnung auf Besserung in Sicht? Besserung in Sicht? < < < Stellvertretender Bundesvorsitzender Hans-Ulrich Benra < Stellvertretender Bundesvorsitzender Hans-Ulrich Benra als Dachverband im Berliner als Dachverband im Berliner Politikbetrieb erledigen, wenn Politikbetrieb erledigen, wenn sich die Kolleginnen und Kollesich die Kolleginnen und Kollegen mit ihrer praktischen Argen mit ihrer praktischen Arbeit vor Ort überall in Deutschbeit vor Ort überall in Deutschland nicht um die alltäglichen land nicht um die alltäglichen Sorgen und Nöte kümmern Sorgen und Nöte kümmern würden? Das garantiert einen würden? Das garantiert einen direkten Draht zwischen den direkten Draht zwischen den Beschäftigten, den MitgliedsBeschäftigten, den Mitgliedsgewerkschaften und dem dbb. gewerkschaften und dem dbb. < < dbb magazin dbb magazin Was tut der dbb denn genau, Was tut der dbb denn genau, um die Mitgliedsgewerkschafum die Mitgliedsgewerkschaften zu unterstützen? ten zu unterstützen? gewerkschaftsübergreifenden gewerkschaftsübergreifenden Interessen bei den Job-CenterInteressen bei den Job-CenterPersonalräten. Aber ich sage Personalräten. Aber ich sage auch: Obwohl wir schon viel auch: Obwohl wir schon viel tun, können und wollen wir tun, können und wollen wir diese Angebote weiter ausdiese Angebote weiter ausbauen. bauen. < < dbb magazin dbb magazin Das andere Superwahljahr, Das andere Superwahljahr, mit Wahlen in Baden-Würtmit Wahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und temberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz, MecklenburgRheinland-Pfalz, MecklenburgVorpommern und Berlin, erinVorpommern und Berlin, erinnert an ein Thema, über das nert an ein Thema, über das wir schon nach der Jahrestawir schon nach der Jahresta- Dauderstädt Dauderstädt Das habe ich nicht gesagt. Das habe ich nicht gesagt. Schauen Sie, die FöderalismusSchauen Sie, die Föderalismusreform 2006 hatte eine Vorreform 2006 hatte eine Vorlaufzeit von vielen Jahren. laufzeit von vielen Jahren. Und es ist ja nicht nur das BeUnd es ist ja nicht nur das Beamtenrecht betroffen, sondern amtenrecht betroffen, sondern viele weitere Bereiche. Aber viele weitere Bereiche. Aber 2019 müssen die Finanzbezie2019 müssen die Finanzbeziehungen zwischen Bund und hungen zwischen Bund und den Ländern ohnehin erneut den Ländern ohnehin erneut überarbeitet werden, denn der überarbeitet werden, denn der Länderfinanzausgleich läuft Länderfinanzausgleich läuft ebenso aus wie der Solidarpakt ebenso aus wie der Solidarpakt II. Da wird viel in Bewegung II. Da wird viel in Bewegung geraten, besonders unter dem geraten, besonders unter dem Druck der Schuldenbremse. Druck der Schuldenbremse. Daher gilt es für uns als dbb, Daher gilt es für uns als dbb, bereits jetzt in die Gespräche bereits jetzt in die Gespräche einzusteigen und uns klar zu einzusteigen und uns klar zu positionieren. Und genau das positionieren. Und genau das tun wir. Denn meine feste tun wir. Denn meine feste Überzeugung ist: Ein einheitÜberzeugung ist: Ein einheitlich geregeltes Beamtentum lich geregeltes Beamtentum ist nicht nur gut für unsere ist nicht nur gut für unsere Mitglieder, es ist auch gut für Mitglieder, es ist auch gut für Deutschland. Deutschland. Die Fragen stellte Michael Eufinger. Die Fragen stellte Michael Eufinger. > AiR | dbb seiten | Januar/Februar 2016 47 aktuell <
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