Medienpolitik »Es wird immer schwieriger, Repressalien unter dem Deckel zu halten« PRINT&more sprach mit Susanne Koelbl, Preisträgerin des Liberty Award 2014, über die Lage der Pressefreiheit und ihre Motivation als Journalistin PRINT&more | Was motiviert Sie zu Ihrer Arbeit, zu dieser besonders mutigen Form des Journalismus? SUSANNE KOELBL | Etwas Mut gehört dazu, viel wichtiger aber scheint mir, dass man selbst einen guten Grund hat, an bestimmte Orte zu reisen, um etwas zu erfahren, etwas herauszufinden. So bin ich in deutsche Provinz- und Vorstädte gekommen, auf den Balkan, nach Afghanistan und zu vielen anderen Plätzen. Ist es Beruf oder Berufung und wie war Ihr Weg dorthin? Ich war schon immer fasziniert von der Magie des geschriebenen Wortes und hatte Fragen, denen ich nachgehen wollte. Dieser Beruf ist das Ticket zu beidem. Welches Thema bewegt Sie zurzeit besonders? Welche Rolle wird Deutschland in der Zukunft spielen? Die Erwartungen an Berlin sind riesig, in Asien und in der arabischen Welt, in den USA, im Osten Europas. Umgekehrt ist der Appetit der Deutschen, immer mehr Führungsverantwortung zu übernehmen, eher gering. Wir werden aber nicht darum herumkommen, darüber zu reden, welche Rolle wir spielen wollen. Das finde ich spannend. Susanne Koelbl in der Berg- und Höhlenregion Tora Bora, Afghanistan 24 PRINT&more 2/2014 Die Lage der Pressefreiheit hat sich von 2013 auf 2014 (Reporter ohne Grenzen) verschlechtert. Empfinden Sie das ähnlich bzw. können Sie diese Entwicklung bestätigen? Diktatoren und Autokraten, die Journalisten verfolgen, hat es immer gegeben. Ich habe allergrößten Respekt für meine Kollegen, die trotz diesem Druck nicht aufgeben. Wir könnten übrigens unsere Berichte niemals schreiben, wenn diese gut informierten Journalisten uns nicht helfen würden. Es ist also eher umgekehrt, dass es für Diktatoren immer schwieriger wird, ihre Repressalien unter dem Deckel zu halten, Mächtigen oft versuchen, uns fernzuhalten, uns zu steuern etc. Das sollte man sportlich sehen. Die Herausforderung ist eher, mehr Gebrauch zu machen von unseren eigentlich doch fantastischen Möglichkeiten. Wir haben eher zu wenig investigativen Journalismus, zu wenig Streit, zu wenig Auseinandersetzung. Immer im Gespräch mit den Betroffenen – Tiflis, Georgien weil sich immer mehr Journalisten und sogar ganz gewöhnliche Bürger das Recht nehmen, international zu verbreiten, was in ihren Ländern passiert. Ein jüngeres Phänomen ist, dass internationale Reporter zur Zielscheibe von radikalen Kämpfern werden, weil sie für die Politik ihrer Länder verantwortlich gemacht werden. Im Jahr 2010 wurden Sie persönlich vom BND ein halbes Jahr lang ausgespäht: Wie steht es um die Pressefreiheit in Deutschland? Hat sich das seit 2010 verändert? Dienste werden die Regeln immer wieder mal brechen. Ansonsten haben wir in Deutschland Pressefreiheit und das ist viel wert, wenn auch die Was sind journalistische Kernwerte? Hebt er sich ab von anderen Formen der »Veröffentlichungen«? Journalismus ist der Wahrheit verpflichtet. Hört sich pathetisch an, ist aber so. Den Dingen nahekommen, aufdecken, tiefer graben und die Leser hineinziehen in ein Thema, das erst mal sperrig, unsexy ist, aber wert, sich damit zu beschäft igen und damit zu verteidigen, was uns wichtig ist – freies Denken, Gerechtigkeit, Chancengleichheit, sozialer Frieden und eine Wachheit für den Wandel in einer globalen Welt. Darum geht’s doch, oder? Was sind verlegerische Kernwerte? Verlegertum ist nicht mein Metier, ich bin Angestellte beim SPIEGEL, auch wenn den Angestellten dort 50 Prozent des Unternehmens gehören. Ein Vermächtnis des Verlegers Rudolf Augstein. Ich hoffe jedenfalls, dass Verlage ihre Unternehmen weniger als Kapitalanlagen betrachten, sondern als Einmischungsinstrument. Wohin entwickelt sich der Journalismus? Hat er eine Chance? Natürlich. Guten Journalismus wird es immer geben, auch wenn der CÔTE digitale Transformationsprozess für vieleD’IVOIRE schwierig wird. Tag der Pressefreiheit Pressefreiheit ist und bleibt leider keine Selbstverständlichkeit: Fast die Hälfte der Weltbevölkerung lebt unter Bedingungen, in denen Journalisten durch staatliche Repressionsmaßnahmen in ihrer Arbeit behindert werden und häufig Drohungen und Gewalt ausgesetzt sind. Welchen Rat geben Sie Nachwuchsjournalisten für ihren Berufsweg? In der neuen digitalen Welt wird alles neu gedacht werden. Junge Journalisten sollten sich deshalb auch selbst als Unternehmer betrachten. Auch sie sind eine Marke und sollten neue Finanzierungs- und die Distributionswege für ihr Produkt suchen. Das ist alles nicht ganz einfach, aber es stecken wirklich große Chancen und neue Freiheiten darin. Um die Bedeutung freier, pluralistischer und unabhängiger Medien für das Funktionieren von Demokratien zu verdeutlichen, wurde auf den 3. Mai jeden Jahres von der UNESCO der »World Press Freedom Day« festgelegt. Richard von Fritsch PRINT&more sprach anlässlich des Welttags der Pressefreiheit mit zwei mutigen Journalistinnen. Freier Autor PRINT&more www.vdz.de 25 Medienpolitik »Mexiko braucht Journalisten, die moralischen Werte hochhalten« Pressefreiheit ist für Ana Lilia Pérez ein hart erkämpftes Gut D ank einer Einladung der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte konnte die mexikanische Journalistin Ana Lilia Pérez ihr Land 2012 verlassen und seitdem als Stipendiatin der Stift ung ihre Arbeit in Deutschland fortsetzen (PRINT&more berichtete). In wenigen Wochen geht Pérez’ Zeit in Deutschland zu Ende. Während dieser Zeit hat der VDZ sie kontinuierlich begleitet. Sie wird nach Mexiko zurückkehren und weiter als Journalistin arbeiten. In PRINT&more spricht sie über ihre Erwartungen. CÔTE D’IVOIRE CÔTE D’IVOIRE Landkarte der Pressefreiheit 26 FREEDOM OF THE PRESS WORLDWIDE IN 2014 PRINT&more 2/2014 Impressum großer Bedeutung ist. Meine Rückkehr gibt mir die Chance, dies in einem Land wie Mexiko zu tun, das engagierte Journalisten braucht, die die moralischen Werte dieses Berufs für das Gemeinwohl der Gesellschaft hochhalten. Ana Lilia Pérez sprach beim VDZ Publishers‘ Summit 2013 über ihre Arbeit in Mexiko PRINT&more | Welchen Wert hat für Sie die Zeit in Deutschland bei der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte gehabt? ANA LILIA PÉREZ | Die Stift ung hat mir die Möglichkeit gegeben, zu überleben, die Möglichkeit, ausreichend Freiheit, Ruhe, Gelassenheit und Sicherheit zu erfahren, um mein berufliches und persönliches Leben neu zu überdenken, um meine Zukunft neu zu entwerfen. Die Stiftung hat mir eine neue Chance für mein Leben ermöglicht. Was hat Sie vor allem bewegt und beschäftigt? Ich hatte die Möglichkeit, an einem neuen Entwurf für einen Artikel zu arbeiten. Das war möglich, weil ich in Sicherheit gelebt habe und nicht zu äußersten Schutzmaßnahmen greifen musste, wie es in meinem Land der Fall war. Während dieser Zeit, und dank dieser sicheren Umgebung, konnte ich mich mit meinem Beruf aussöhnen und dadurch sind in mir der Wunsch und der Antrieb wieder aufgelebt, meine Arbeit als Schriftstellerin und Journalistin fortzusetzen. Was bedeutet die Rückkehr für Sie? Sie bedeutet die Rückkehr nach Hause, zu meinen Ursprüngen, das Zusammensein mit meiner Familie. Sie bedeutet die Möglichkeit, mich wieder ganz meinem Beruf zuzuwenden. Durch meine Rückkehr kann ich als Journalistin wieder einer Tätigkeit nachgehen, von der ich glaube, dass sie für die gesamte Gesellschaft von Hat sich Ihr Blickwinkel auf Mexiko im Allgemeinen und die Lage der Pressefreiheit dort nach Ihrem Aufenthalt in Deutschland verändert? Es hat sich bestätigt, dass sich Journalisten in Deutschland und der Mehrheit der europäischen Länder glücklicherweise nicht Situationen extremer Gewalt gegenübersehen, wie wir Journalisten ihnen in Ländern wie Mexiko entgegentreten müssen. Eine meiner unmittelbar positivsten Erfahrungen war, die Arbeit und Organisationen, die wie die Hamburger Stiftung Außergewöhnliches leisten, von Nahem kennenzulernen. Sie sind in ihrer Arbeit, Journalisten zu schützen, einzigartig und tragen auch etwas zur Verteidigung der Meinungsfreiheit bei. Sehen Sie internationale Fortschritte im Kampf um die Pressefreiheit und die Sicherheit von Journalisten, speziell auch in Mexiko? Ja, ich glaube, dass die Blicke vieler wichtiger Organisationen und Verbände mit Bezug zu Kommunikationsmedien sowie die Blicke vieler internationaler Organisationen, die sich der Verteidigung der Meinungsfreiheit verschrieben haben, zurzeit auf Mexiko gerichtet sind – insbesondere im Hinblick darauf, dass dieses Land derjenige Staat mit den meisten Morden und Körperverletzungen an Journalisten ist und von »Reporter ohne Grenzen« als einer der »tödlichsten Staaten für die Presse« bezeichnet wird. Die Aufmerksamkeit hat sich auch ab dem Zeitpunkt auf Mexiko fi xiert, als wir mexikanischen Journalisten die Möglichkeit bekommen haben, vor internationalem Publikum über die Bedingungen zu sprechen, unter denen wir in meinem Land arbeiten müssen. Das Mitteilen unserer Erfahrungen bewirkt zudem, dass das Ausland Informationen aus erster Hand über die Wirklichkeit und die Schlachten erhält, die sich die Journalisten in Mexiko liefern. Einem Land, in dem die Arbeit als Journalist bisweilen bedeutet, »auf Selbstmordmission zu gehen«. RvF Herausgeber Stephan Scherzer Verband Deutscher Zeitschriftenverleger e.V. 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