Die Kunst des Schenkens

Schöne Bescherung: Die Kunst des Schenkens
Weihnachten steht vor der Tür und wieder einmal stellt sich die Frage: Was schenke ich
bloß? Krawatten, Kerzenleuchter, Kissenbezüge, auch Staubsauger, Schlagbohrer und
Schnellkochtopf - sind sie auch noch so hübsch verpackt - haben irgendwie ausgedient.
Sind es doch austauschbare, nicht besonders einfallsreiche Präsente – es sei denn, sie
werden ausdrücklich gewünscht. So entwickelte sich in den letzten Jahren ein ganz
anderer Trend: das Erlebnisgeschenk.
Dass die Beliebtheit von Geschenken wie Rundflüge, Konzertkarten, Exit-Games,
Kochkurse, Ballonfahrten oder Wellnesswochenenden steigt, bestätigt auch eine aktuelle
Weihnachtsumfrage* von Deutschlands größter Lifestyleplattform Groupon. 42,6 Prozent
der Teilnehmer gaben an, sich über ein Erlebnisgeschenk am meisten zu freuen. Also ein
Geschenk, das man gemeinsam mit Freunden und Verwandten einlösen kann. Diese Art
der Geschenke stellen ein Pendant zum Alltag dar und geben Anregungen, mal etwas
ganz Neues auszuprobieren. Und, wer mag es nicht, liebevoll beschenkt und wirklich auch
überrascht zu werden?
Es gibt Experten, die sich mit der Kunst des „Gabentransfers“ beschäftigen, wie der
Soziologe und Schenkforscher Dr. Friedrich Rost von der Freien Universität Berlin. „Was
den materiellen Wert angeht, können sich Erwachsene, sofern sie nicht verarmt sind, das
meiste, was sie sich wünschen, auch selbst kaufen. Worin besteht also der Sinn? Was wir
uns aber nicht kaufen können, sind eben Aufmerksamkeit, Zuneigung und Liebe, die uns
entgegengebracht wird“, so der Forscher. Das bestätigen auch 75,4 Prozent der Befragten
in der Umfrage: Sie schenken lieber etwas zum gemeinsamen Erleben. Denn Zeit, die wir
miteinander verbringen wird als sinnvoll verbrachte Zeit erlebt. So verwundert es nicht,
dass gemeinsame Momente rückblickend auch jene Geschenke sind, die besonders
nachhaltig im Gedächtnis bleiben.
Schenken schafft Bindung
Danach gefragt, warum die Deutschen denken, dass sie beschenkt werden, gaben über
die Hälfte Zuneigung an: Man wolle sie einfach glücklich machen. Interessanterweise ist
dies jedoch ursprünglich nicht der ausschlaggebende Grund gewesen, wie Dr. Friedrich
Rost weiß. „Geschenke sind eine stammesgeschichtliche, uralte Verhaltensform. Man gab
dem anderen freiwillig von seiner Nahrung ab, um gemeinsam Nachwuchs zu zeugen und
den Fortbestand der Art zu sichern.“ Der selbstlos erscheinende Akt des Schenkens ist
also nicht ganz zweckfrei? Rost verneint, denn schon damals war die grundsätzliche Basis
des Schenkens dieselbe: „Gaben können Beziehungen erhalten und stärken: Wer
schenkt, will binden.“
Der Wert des Schenkens
Schenken macht große Freude. Interessantes verrät jedoch der Schenker, wenn man sich
die realen Werte von Geschenken anschaut. Denn Gabe und Gegengabe, Geschenk und
Gegen-Geschenk hielten sich selten die Waage, wie Dr. Rost weiß: Frauen schenkten
öfter als Männer; Kinder würden weit häufiger beschenkt von ihren Eltern als umgekehrt.
Diese „Schieflage“ zwischen Eltern und Kindern sei sogar auch dann noch zu beobachten,
wenn die finanziellen Mittel der Kinder größer sind als die der Eltern. Zudem führt Dr. Rost
an: „Je gesicherter eine Beziehung, desto weniger wichtig wird es, gerecht zu schenken.
Geschenk und Gegen-Geschenk müssen vor allem dann gleichwertig sein, wenn zwei
Personen nur lose miteinander verbunden sind.“ Das gilt beispielsweise auch in
Geschäftsbeziehungen oder für Präsente unter Arbeitskollegen. Auch wenn es im
beruflichen Kontext förmlicher zugeht, steht stets im Vordergrund, einem anderen eine
Freude zu bereiten und mit dem Geschenk indirekt Danke zu sagen.
Für die Liebsten ist uns nichts zu teuer
Die größte Freude jedoch bereitet uns die Bescherung innerhalb der Familie. So wundert
es nicht, dass die aufwendigsten Gaben innerhalb der Familie ausgetauscht werden, wie
Dr. Rost bei seinen Forschungen herausfinden konnte. Sogar der Verwandtschaftsgrad
zweier erwachsener Personen lässt sich aus dem ökonomischen Wert eines Geschenkes
vorhersagen: Je näher sich zwei Menschen stehen, desto wertvoller sind die Präsente.
Der Geschenkforscher sieht darin die unausgesprochene Hoffnung, dass im Ernst- und
Krisenfall die Verwandten eng zusammenhalten und sich zur gegenseitigen Hilfe
wohlwollend verpflichtet fühlen.
Wenn wir überlegen, womit wir nahestehenden Menschen eine Freude bereiten können,
kommen zwei Vorgänge zum Tragen. In dem einen suchen wir konkret etwas aus. Der
Geschenkfindungsprozess wird vornehmlich von dem Gedanken geleitet: Hauptsache das
Geschenk gefällt! In dem zweiten Vorgang prüfen wir unbewusst: Wie wichtig ist mir die zu
beschenkende Person und was möchte ich mit meinem Geschenk aussagen bzw.
erreichen? Daraus resultiert anschließend die Einschätzung Zeit und Geld. Die meisten
von uns legen vor den Festtagen sogar ein Budget für die anstehenden Geschenke fest.
Laut der Groupon Umfrage rechnet ein Drittel der Befragten mit Ausgaben um die 251,bis 500,- Euro. Mit durchschnittlich 359 Euro liegen die Deutschen mit ihren Ausgaben für
Weihnachtsgeschenke im europäischen Vergleich absolut im Durchschnitt. Spitzenreiter
sind die Briten mit durchschnittlich mehr als 700 Euro**.
Die Einfachheit des Schenkens
Beim Aussuchen sollte unbedingt die Freude am Schenken im Vordergrund stehen.
Deshalb ist es ratsam, sich nicht erst kurz vor dem Fest mit dem „Gabentransfer“ zu
beschäftigen. Hilfreich ist es, schon Wochen vor Weihnachten innerlich eine Art Checkliste
durchzugehen und zu überlegen: Wie wichtig wird das Geschenk für den anderen sein?
Was passiert schlimmstenfalls, wenn es nicht gefällt? Dr. Rost rät zu diesen
Überlegungen, damit der Geschenkefindungsprozess entspannt vonstatten gehen kann,
ohne in die innere Bedrängnis zu kommen, etwas ganz Besonderes leisten zu müssen.
Auch wer sich in allzu engen Erwartungshaltungen gefangen fühlt, weil gegebenenfalls zu
viele Geschenke anstehen, sollte einfach den Mut aufbringen, alte Traditionen zu
durchbrechen und Pflichtgeschenke zu beenden. Denn im Zweifelsfall gilt der Grundsatz:
Eine gute Beziehung braucht kein Geschenk, um wirklich gut zu sein!
Eine schöne Geschenkalternative bieten aber auch gemeinsame Erlebnisse. „Denn sie
sorgen für Flexibiltät beim Schenken und können eingelöst werden, wenn dem
Beschenkten der Sinn danach steht“, so Dr. Rost. Vor allem, so gaben fast 61 Prozent der
Befragten an, schaffen Unternehmungen besondere Erinnerungen und bleiben meistens
unvergesslich. Der Forscher bestätigt: „Erlebnisse lösen positive Emotionen aus, die
nachklingen und im Gedächtnis bleiben. Oftmals stärken sie die Beziehung nachhaltig und
sorgen für eine tiefe Verbundenheit.“
Das Schönste also, was wir verschenken können, und von dem wir alle zu wenig von
haben, ist Zeit. Miteinander und füreinander.
* Große Weihnachtsumfrage unter 1.398 Groupon-Kunden in Deutschland über 18 Jahre; November 2015
** Große Weihnachtsumfrage unter 8.889 Groupon-Kunden über 18 Jahre in England, Frankreich, Deutschland, Italien,
Spanien, Polen, den Niederlanden und Belgien, November 2015