Landtag von Baden-Württemberg Mitteilung

Landtag von Baden-Württemberg
Drucksache 15 / 7526
15. Wahlperiode
24. 09. 2015
Mitteilung
der Landesregierung
Bericht der Landesregierung zu einem Beschluss des Landtags;
hier:Petition 15/4620 betr. Beihilfe, Aufwendungen Fahrtkosten
Landtagsbeschluss
Der Landtag hat am 16. April 2015 folgenden Beschluss gefasst (Drucksache
15/6664, lfd. Nr. 1):
Die Petition wird der Regierung als Material überwiesen. Die Regierung wird
„
gebeten, in einem halben Jahr über das Veranlasste zu berichten.“
Bericht
Mit Schreiben vom 24. September 2015, Nr. I-0374. berichtet das Staatsministerium wie folgt:
Der Landtag hat in seiner 126. Sitzung am 16. April 2015 zu der vorgenannten
Petition beschlossen, diese der Regierung als Material zu überweisen und die Regierung gebeten, nach einem halben Jahr über das Veranlasste zu berichten.
Der Bericht über die Behandlung der Petition unter Ziffer 1 der Drucksache
15/6664 gibt dabei zutreffend wieder, dass es dem Berichterstatter um die Prüfung
geht, ob nicht „auch ein günstigeres Transportmittel zum Einsatz kommen könne“
und dann die Aufwendungen hierfür bei der Beihilfe berücksichtigungsfähig sind.
Als weitere Forderung aus dem Ausschuss solle „kein neuer beihilfefähiger Tatbestand geschaffen werden“.
Das Anliegen des Petenten war Folgendes:
Infolge einer Amputation musste der Petent zu vier Terminen der medizinischen
Nachsorge in zwei verschiedene Krankenhäuser, wobei die einfache Fahrtstrecke
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Eingegangen: 24. 09. 2015 / Ausgegeben: 02. 10. 2015
Drucksachen und Plenarprotokolle sind im Internet
abrufbar unter: www.landtag-bw.de/Dokumente
Der Landtag druckt auf Recyclingpapier, ausgezeichnet mit dem Umweltzeichen „Der Blaue Engel“.
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Drucksache 15 / 7526
von seinem Wohnort zum jeweiligen Krankenhaus ca. 20 Kilometer beträgt. Nach
seiner Darstellung habe ihn die Benutzung eines Taxis jedes Mal ca. 75 Euro für
die Hin- und Rückfahrt gekostet. Insgesamt seien dem Petenten somit Kosten in
Höhe von 300 Euro entstanden, welche sich über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Monaten verteilten. Die Beihilfestelle des Landesamtes für Besoldung und
Versorgung (LBV) gewährte hierzu keine Beihilfe, da Aufwendungen für Fahrtkosten im Nahbereich bis 30 Kilometer nach § 10 a Satz 1 Nr. 4 Satz 3 Buchstabe b
1. Halbsatz BVO nicht beihilfefähig sind.
Hiergegen wendete sich der Petent, da nach seiner Ansicht die Fahrtkosten mit einem Taxi wesentlich günstiger sind gegenüber einem (ärztlich verordneten) Krankentransport.
Anlässlich der Änderung der Beihilfeverordnung zum 1. April 2014 durch Änderungsverordnung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums vom 20. Dezember
2013 (GBl. 2014 S. 53) wurde der Bereich der Fahrtkosten einer eingehenden Prüfung unterzogen. In der Anlage sind die die Beihilfefähigkeit von Fahrtkosten regelnden Bestimmungen des § 10 a Satz 1 Nr. 4 BVO in der bis 31. März 2014 und
der ab 1. April 2014 geltenden Fassung abgedruckt.
Bei Fahrtkosten handelt es sich nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung um „Nebenkosten“ der eigentlichen Krankheitsbehandlung. Zu diesen Aufwendungen gebietet sich die Gewährung von Beihilfe nur dann, wenn das unter
Fürsorgeaspekten geboten ist, beispielsweise die amtsangemessene Alimentation
durch die Höhe der dem Beihilfeberechtigten verbleibenden Aufwendungen infrage gestellt wäre. Dann allerdings nur insoweit und in der Höhe wie dies die
Beihilfevorschriften ausdrücklich vorsehen (vgl. Urteil des BVerwG vom 10. Juni
1999 2 C 29/98).
Auf dieses Drängen nach Änderung und Gleichbehandlung hat der Verordnungsgeber schließlich mit der Neuregelung reagiert und die Kosten für die Nutzung
des privaten Kraftfahrzeugs und für Taxifahrten künftig insoweit gleichgestellt, als
diese im Nahbereich grundsätzlich nicht mehr beihilfefähig sind. Das heißt, dass
seit 1. April 2014 auch die Aufwendungen für eine Taxinutzung der Nahbereichsbegrenzung unterliegen und insoweit nicht mehr beihilfefähig sind. Um dem Vorwurf einer unangemessenen Belastung Beihilfeberechtigter durch Fahrtaufwendungen zu begegnen, wurde der Radius des Nahbereichs von 40 auf 30 Kilometer
reduziert und damit ein Gleichklang mit dem umzugskostenrechtlichen Begriff des
„Einzugsgebiets“ hergestellt. Weiterhin werden Fahrten bei Schwerbehinderung
mit außergewöhnlicher Gehbehinderung, Blindheit oder Hilflosigkeit, sowie bei
Pflegebedürftigen der Stufe 2 und 3, zu Dialysebehandlungen, Strahlen- und Chemotherapien und zu Behandlungen mit vergleichbar hoher Behandlungsfrequenz,
die auf einem Therapieplan beruht, der durch die Grunderkrankung vorgegeben
ist, ebenfalls von der Nahbereichsbegrenzung ausgenommen. In diesen Fällen
sind die Aufwendungen für Fahrten mit privat genutzten Fahrzeugen, Taxen oder
öffentlichen Verkehrsmitteln bei einfachen Entfernungen bis zu 30 Kilometern
beihilfefähig. Der Verordnungsgeber folgt hier dem Regelungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung und der Ausnahmekatalog erfasst die Personen und
Fallgestaltungen, bei denen die finanzielle Belastung spürbar und ein nicht mehr
zumutbarer Umfang erreicht werden könnte.
Fahrten mit einem Krankentransportwagen (KTW) sind demgegenüber weiterhin im Nahbereich uneingeschränkt beihilfefähig, da davon ausgegangen werden
muss, dass für diese Beförderungsform eine medizinische Notwendigkeit stets gegeben ist, die sich schon aus der zwingenden ärztlichen Verordnung dieser Beförderungsform ergibt.
Nicht zuletzt muss auch abgesehen von der kostenmäßigen Betrachtung bedacht
werden, dass der Verordnungsgeber nicht falsche „Anreize“ setzt. Im Vertrauen auf
die ordnungsgemäße Berufsausübung der behandelnden Ärzte und aus vorgenannten Gründen kann unterstellt werden, dass ein ärztlich verordneter Krankentransport seine medizinische Berechtigung hat. In diesen Fällen aus dem Beihilferecht
nicht immanenten Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten gleichwohl eine Beihilfe zu
Taxifahrten zu gewähren, kann Beihilfeberechtigte der Gefahr aussetzen im Glauben an Kostenersparnisse für den Landeshaushalt auf die während der Fahrt notwendige medizinischfachliche Betreuung zu verzichten.
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In die Überlegungen nach einer sachgerechten beihilferechtlichen Regelung des
Fahrtkostenkomplexes waren folgende Überlegungen einzubeziehen:
Fahrtkosten stellen Nebenkosten dar, die nur mittelbar im Zusammenhang mit den
Kosten einer unmittelbaren Krankenbehandlung stehen. Es handelt sich um Kosten
der Lebensführung. Damit gebietet die Fürsorgepflicht grundsätzlich die Erstattung von Fahrtkosten nicht. Eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht
mit der Folge eines Anspruchs unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG ist damit im
Grundsatz ausgeschlossen. Diese Kosten sind nur insoweit beihilfefähig, als dies
in der BVO ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. BVerwG Urteil v. 10. Juni 1999,
2 C 29/98).
Um dem Umstand der Kosten der Lebenshaltung Rechnung zu tragen und um die
Festsetzungspraxis zu entlasten, waren die Kosten für die Nutzung eines Pkw bzw.
von öffentlichen Verkehrsmitteln im Nahbereich von der Beihilfefähigkeit ausgenommen.
Die Beihilfefähigkeit von Taxi- oder KTW-Fahrten war nur dann gegeben, wenn
dies ärztlich verordnet wurde („unvermeidbar“). Für Fahrten zur Dialyse-, Strahlen- oder Chemobehandlung existieren Sonderregelungen (s. u.).
Bei einer vergleichenden Betrachtung mit der Regelung über die gesetzlichen
Krankenversicherung darf nicht übersehen werden, dass die gesetzlich Versicherten in allen Fällen der Kostenübernahme eine Zuzahlung zu leisten haben, die
10 % der von der Krankenkasse übernommenen Fahrtkosten, mindestens 5 Euro
und höchstens 10 Euro beträgt.
Vergleicht man die Zuzahlung bei den gesetzlichen Kassen mit dem bisherigen/
neuen Nahbereich bei der Beihilfe von 40/30 Kilometern auf der Basis des maßgeblichen Erstattungssatzes bei der Nutzung eines privaten Kraftfahrzeugs von
0,25 Euro je Kilometer nach dem Landesreisekostengesetz – LRKG (§ 6 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2 LRKG) errechnet sich ein „Kostenwert“ für den Nahbereich von
10 Euro/7,50 Euro. Das zeigt die finanzielle Vergleichbarkeit der Zuzahlung der
gesetzlichen Versicherung mit dem Nahbereichsausschluss im Beihilferecht.
Ausgehend von der bis 31. März 2014 geltenden beihilferechtlichen Bestimmung
wurden (nochmals) die denkbaren Änderungsansätze im Beihilferecht geprüft:
a) Im Nahbereich werden sämtliche Fahrten, also auch solche mit einem Taxi, ausgenommen
• Das wird nach der Rechtsprechung des BVerwG als rechtlich zulässig bewertet, hätte jedoch eine Schlechterstellung gegenüber gesetzlich Versicherten zur
Folge.
•
Ein gänzlicher Ausschluss von Fahrtkosten im Nahbereich insbesondere
bei regelmäßig, in kurzen Abständen wiederkehrenden Behandlungsfahrten
(bspw. Dialyse, Chemo- und Strahlentherapie) kann zu hohen Kosten bei den
Betroffenen führen, besonders dann, wenn aus in der Person des Behandlungsbedürftigen liegenden oder aus tatsächlichen Gründen keine Möglichkeit zur
Nutzung eines Pkw oder öffentlicher Verkehrsmittel besteht. Hierdurch könnte
die amtsangemessene Alimentation tangiert werden bzw. die Fürsorgepflicht
des Dienstherrn ist gefordert.
b) Keine Einschränkungen mehr bei Fahrten im Nahbereich – der Beihilfeausschluss wird aufgehoben
• Nach Einschätzung der Festsetzungspraxis würde dies zu erheblichem Verwaltungsmehraufwand führen, da sich die meisten Behandlungen im Nahbereich
abspielen und fast alle diese Fahrten mit Pkw, Bahn und Bus abgewickelt werden, für die dann Fahrtkosten belegt, berechnet und aufwändig überprüft werden müssten.
• Die vorstehenden Ausführungen lassen eine Vervielfachung der bisherigen
Beihilfeaufwendungen für Fahrtkosten (2014 rd. 8,3 Mio. Euro) erwarten.
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c) Im Nahbereich werden Fahrten mit privaten Kraftfahrzeugen, von Taxen sowie
regelmäßig verkehrenden öffentlichen Verkehrsmitteln lediglich für regelmäßig
wiederkehrende, „erhebliche“ Behandlungen zugelassen.
Sachgerecht scheint dabei die Anlehnung an die Regelungen bei der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 8 der Krankentransport-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) können Krankenfahrten zu ambulanten
Behandlungen dann verordnet oder genehmigt werden, wenn
•
der Patient mit einem durch die Grunderkrankung vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine hohe Behandlungsfrequenz über einen
längeren Zeitraum aufweist und
• die Behandlung oder der zu dieser Behandlung führende Krankenverlauf den
Patienten in einer Weise beeinträchtigt, dass eine Beförderung zur Vermeidung
von Schaden an Leib und Leben unerlässlich ist.
In der – nicht abschließenden – Liste in Anlage 2 der Richtlinie sind die Fälle
aufgeführt, bei denen die o. g. Voraussetzungen regelmäßig erfüllt sind:
• Dialysebehandlung
• onkologische Strahlentherapie
• onkologische Chemotherapie.
Im Verordnungstext der BVO wird eine Ausnahme für diese Behandlungen normiert (§ 10 a Nr. 4 S. 2 Buchst. b BVO) und ggf. um „ähnliche Behandlungen“
ergänzt. Näheres hierzu wird in gesonderten Verwaltungsanweisungen bzw. Verwaltungsvorschriften gesagt, insbesondere zur Auslegung des Begriffs „ähnliche Behandlung“.
d) Im Nahbereich werden über Buchst. c) hinaus durch Verwendung des Oberbegriffs „privat genutzte Fahrzeuge“ alle privaten Kraftfahrzeuge, Krafträder,
E-Bikes usw. erfasst bzw. ausgenommen. Zugleich wird die in Buchst. c) skizzierte Ausnahmebehandlung entsprechend § 8 der Krankentransport-Richtlinie
des G-BA umgesetzt.
• Mit dem Überbegriff „private genutzte Fahrzeuge“ werden alle Fahrzeugarten
erfasst, was aus Gleichstellungsgründen geboten ist.
• Der „Kostenwert“ des Nahbereichsausschlusses ist finanziell dem Wert der
Zuzahlung bei der gesetzlichen Kasse vergleichbar.
e) Anstelle der Nahbereichsbegrenzung wird ein (beispielsweise auf den Kalendermonat bezogener) Selbstbehalt eingeführt.
• Hiergegen spricht, dass mit zunehmender Anzahl von Selbstbehalten an verschiedenen Stellen in der BVO sich die allgemeine Kostendämpfungspauschale des § 15 Abs. 1 BVO zunehmend nur noch schwer begründen lässt.
• Soweit nur wenige Fahrten anfallen bzw. nur eine kurze Strecke zurückgelegt
wird, dürfte der Selbstbehalt nicht überschritten werden (Verwaltungsvereinfachung).
• Unabhängig davon, ob der Selbstbehalt monats- oder jahresbezogen ausgestaltet wird, müsste das LBV die jeweils beantragten Fahrtkosten ermitteln
und personenbezogen speichern, um bei Folgeanträgen die Ausschöpfung des
Selbstbehalts für Fahrtkosten prüfen und fortschreiben zu können (Verwaltungsaufwand).
Fazit:
In Abwägung aller beihilfefachlich relevanten Gesichtspunkte, der fürsorgerechtlichen aber auch der haushaltsmäßigen Aspekte und mit Blick auf die geltenden Be-
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stimmungen für die Angehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie
mit Blick auf die verwaltungsmäßige Umsetzung und Abwicklung in der Festsetzungspraxis ist nach Überzeugung des Ministeriums für Finanzen und Wirtschaft
die unter Buchst. d) ausgeführte Lösung die sachgerechteste, zudem ohne Beihilfemehrkosten und verwaltungseffizient.
Dies ist deshalb die Lösung, die das Ministerium für Finanzen und Wirtschaft mit
der Änderungsverordnung vom 20. Dezember 2013 in die BVO umgesetzt hat.
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Anlage
§ 10 a Satz 1 Nr. 4 Satz 3 Buchst. b) BVO in der bis 31. März 2014 geltenden
Fassung:
„Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für
….
b) die Benutzung privater Personenkraftwagen sowie regelmäßig verkehrender
Beförderungsmittel am Wohn-, Behandlungs- oder Aufenthaltsort und in deren
Nahbereich bei einfachen Entfernungen bis zu 40 Kilometern,“.
§ 10 a Satz 1 Nr. 4 Satz 3 Buchst. b) BVO in der ab 1. April 2014 geltenden
Fassung:
„Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für
….
b) die Verwendung private genutzter Fahrzeuge, Taxen sowie regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel am Wohn-, Behandlungs- oder Aufenthaltsort und
in deren Nahbereich bei einfachen Entfernungen bis zu 30 Kilometern; dies
gilt nicht, wenn eine Schwerbehinderung mit den Merkzeichen „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung), „Bl“ (blind) oder „H“ (hilflos) im Schwerbehindertenausweis oder eine Pflegestufe 2 oder 3 vorliegt, sowie bei Fahrten aufgrund einer Dialysebehandlung, onkologischer Strahlen- und Chemotherapie
sowie Behandlungen, bei denen eine Grunderkrankung nach einem vorgegebenen Therapieschema behandelt wird, das eine vergleichbar hohe Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum aufweist,“.
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