Meditation zum Umgang mit Störungen Machen Sie es sich in Ihrer

MBSR - Meditation zum Umgang mit Störungen
Machen Sie es sich in Ihrer bevorzugten Meditationshaltung bequem. Löse Spannungen in
den Muskeln und gebe dir Zeit, auf deinem Platz anzukommen. Richte bewusst die Aufmerksamkeit freundlich und wohlwollend auf die Empfindungen des Atems.
Bemerke, wenn deine Aufmerksamkeit abschweift. Bringe die Aufmerksamkeit in entschiedener Freundlichkeit und ohne Kommentar ganz einfach wieder zum Fühlen des Atems zurück.
Körperempfindungen
Es mag sein, dass sich nach einiger Zeit Körperempfindungen bemerkbar machen, vielleicht
Kribbeln oder Jucken der Haut, Unruhe in den Muskeln, Schmerzen in den Knien, im Rücken
oder den Schultern.
Du magst den starken Impuls in dir wahrnehmen, sofort die Stellung zu verändern, um dir
Erleichterung zu verschaffen. Bevor du jetzt allerdings reflexartig alle zwei Minuten die Stellung veränderst und so wohl kaum zur Ruhe kommen wirst, entscheide dich dafür, die Unannehmlichkeit als Übungsobjekt zu nutzen, um mit Schwierigkeiten umgehen zu lernen.
Nehme dazu das unangenehme Körpergefühl und den darauf entstehenden Bewegungsimpuls bewusst wahr. Doch lasse dich darauf nicht ein. Beobachte, was passiert, wenn du auf
die Störung nicht direkt reagierst. Stattdessen erlaube der Körperempfindung, da zu sein,
und dehne die Aufmerksamkeit auf den Körper als Ganzes aus. Erlaube deinem Körper, so
zu sein, wie er jetzt gerade ist, vielleicht unruhig, kribbelnd oder schmerzend. Sitze mit ihm
in einer wohlwollenden, annehmenden und offenen inneren Präsenz, ohne dich von den
Körperempfindungen faszinieren oder erschrecken zu lassen oder gar ein Drama daraus zu
machen. Löse dich immer wieder von kommentierenden oder dramatisierenden Gedanken
und komme zurück zum reinen Fühlen deines Körpers als Ganzes.
Sollte das Gefühl jedoch für dich so unangenehm sein, dass du deine Position wirklich verändern möchtest oder gar musst, dann gebe dir Zeit und wählen die Veränderung deiner
Position mit Bedacht. Bewege dich langsam und mit Aufmerksamkeit für die Bewegungsabläufe in die neue Position, in der das unangenehme Gefühl nachlässt. Bleibe in dieser Position, ohne sie erneut zu verändern.
Alternativ kannst du dich auch der Erforschung der unangenehmen Körperempfindung.
widmen und dich auf diese Weise der ungewollten Empfindung annähern. Beginne zu erforschen, was für eine Körperempfindung es ist und wo genau du sie spüren kannst. Was für
eine Qualität oder Struktur hat die Empfindung? Ist sie heiß oder kalt, bohrend oder reißend, prickelnd, stechend oder dumpf? Ist sie klar begrenzt oder fließt ihre Kontur auseinander, wandert sie, kommt sie in Wellen oder bleibt sie gleich, schwillt sie an und dann
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wieder ab? Beobachte, was passiert. Erlaube dir, statt dagegen anzukämpfen, dich in die
Empfindung hinein zu entspannen, wie du es auch schon vom Yoga her kennst. Sei dir dabei
deiner Reaktionen bewusst. Reagierst du innerlich mit Ablehnung, Ärger oder Ungeduld?
Lasse auch diese Regung da sein und beobachte einfach, was geschieht, wenn du alles lässt,
wie es ist, und nur fühlend beobachtest.
Es mag sein, dass deine Aufmerksamkeit ganz natürlich abschweift, sobald die körperliche
Empfindung nachlässt. Bemerke das und richte dann deine Aufmerksamkeit bewusst wieder auf die Empfindungen des Atems.
Geräusche
Lasse die Körperempfindungen nun in den Hintergrund treten und dehne deine Aufmerksamkeit auf die Geräusche in deinem Umfeld aus. Erlaube dir Moment für Moment, Geräusch für Geräusch, Ton für Ton wahrzunehmen. Bleibe aufmerksam im Jetzt und Hier.
Wenn du bemerkst, dass du mit deiner Aufmerksamkeit im Geiste davoneilst, vielleicht auf
die Straße zu dem vermuteten Ursprung des Geräuschs, bringe deine Aufmerksamkeit bewusst wieder zurück zum reinen Hören, zurück in das Zimmer, in dem du dich gerade befindest, zurück zu der Position, in der du sitzt, zurück zu deinen Ohren, und sei dir des Tons oder des Geräuschs, das jetzt in diesem Moment auftaucht, bewusst - ohne es zu bewerten,
mit einem Namen zu versehen oder es mit deiner Aufmerksamkeit zu verfolgen. Es taucht
auf und vergeht. Lasse es sofort wieder los und richte die Aufmerksamkeit wieder auf das
Aktuelle. So hast du immer wieder Platz in deiner Aufmerksamkeit für das Geräusch, das
jetzt auftaucht - Moment für Moment präsent -, immer wieder neu.
Nimm wahr, wie du auf die Geräusche reagierst. Wirst du unruhig, fühlst du dich von ihnen
gestört? Willst sie weghaben? Beobachte, was passiert, wenn du dich bewusst dafür entscheidest, dich für das Phänomen Geräusch zu öffnen, ohne es zu bewerten. Was passiert,
wenn du dir erlaubst, dass es da sein darf, und dich darin übst, Moment für Moment, Ton
für Ton wirklich aufmerksam zu bleiben.
Es ist eine Übung. Begegne dir selbst mit Freundlichkeit und Großzügigkeit, wenn es vielleicht heute nicht ganz so klappt, wie du es gerne hättest.
Wann immer du bemerkst, dass du abschweifst oder dich zu stark auf die Geräusche fixierst, dich in Bildern und Konzepten verlierst, bringe dich sanft, freundlich, aber bestimmt
wieder zurück in den gegenwärtigen Moment. Nimm Kontakt auf zu deinem Atem und
richte dann wieder die Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmungen deiner Ohren.
Gedanken
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Lasse die Geräusche in den Hintergrund treten und dehne deine Aufmerksamkeit auf deine
Gedankenaktivität aus. Statt sie als Störungen der Meditation zu sehen, mache sie zu deinem Meditationsobjekt.
Beginne zu beobachten, wie Gedanken und Bilder in deinem Geist auftauchen, kurz bleiben
und dann wieder verschwinden. Woher kommen sie, wohin gehen Sie? Betrachte als unbeteiligter Zuschauer deinen durch Gedanken bewegten Geist, ohne dich mit dem Inhalt der
Gedanken zu beschäftigen. Ganz ähnlich, als würdest du am Ufer eines Sees sitzen und dem
Spiel der Wellen zuschauen, ohne jedoch in ihm baden zu gehen. Das Spiel der Wellen ist
vergleichbar mit dem Spiel der Gedanken. So wie die Wellen die Bewegung des Wassers
sind, sind die Gedanken die Bewegungen unseres Geistes. Und so wie Wasser immer in Bewegung ist, fließt, sich ständig verändert, so ist auch unser Geist seiner Natur nach ständig
in Bewegung, fließt und bildet Gedankenwellen, die aufsteigen und natürlicherweise wieder
vergehen, wenn wir nichts mit ihnen machen. Schaue ihnen zu, wie sie auftauchen und wieder vergehen. Impulse flackern auf wie Blitze am Himmel, Bilder zeigen sich kurz und tauchen wieder ab ins Dunkel, werden abgelöst von neuen Bildern oder Wortfetzen. Schaue
einfach diesen Phänomenen zu, ohne darauf einzusteigen. Lasse das Spiel von selbst ablaufen. Bleibe offen für alles, was kommt. Wie auch das Meer offen ist für alle Wellenformationen oder wie ein langer, weiter Strand, an dem sich die Wellen, ob klein oder groß, auslaufen können.
Wenn du bemerkst, dass du dich in den Gedanken verfangen hast, träumst oder planst,
dann bringe dich wohlwollend, aber entschieden wieder zurück ins Hier und Jetzt. Spüre ,
wie dein Atem ein- und ausfließt, und sobald du dich wieder zentrierter fühlst, beginne wieder, deine Gedankenaktivität vollkommen wertfrei zu beobachten. Alle Gedanken und Bilder dürfen da sein, die angenehmen und die unangenehmen, die besonderen und die gewöhnlichen. Mache keinen Unterschied, vollkommen wertneutral. Lasse die Gedanken sich
frei in Ihrem Geistesraum bewegen, kommen und gehen, beobachte sie nur, ohne einzugreifen oder an ihnen kleben zu bleiben.
Gefühle
Manchmal werden durch Gedanken auch Gefühle in uns wachgerufen. Wenn das gerade
bei dir passiert, nutze diese Gelegenheit, mit deinen Gefühlen auf achtsame und bewusste
Art umzugehen. Richte dazu deine Aufmerksamkeit auf das auftauchende Gefühl und
werde dir bewusst, was es ist. Ist es Trauer, Ärger, Wut oder Angst? Erlaube dir, ganz gleich,
welche Gefühle gerade auftauchen, dass du sie fühlen darfst. Es darf so sein, wie es ist. Du
darfst dich wütend und durcheinander fühlen, du darfst dich traurig, verletzt, verwirrt oder
einsam fühlen. Das gehört zu unserem Menschsein dazu. Es ist nichts daran verkehrt oder
schlecht.
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Wende dich dem Gefühl mit einer interessierten, freundlichen und wohlwollenden inneren
Haltung zu. Gefühle sind meist recht gut körperlich spürbar. Welches Gefühl ist jetzt gerade
im Vordergrund? Wo kannst du es im Körper wahrnehmen, vielleicht durch einen Kloß im
Hals, ein Engegefühl im Brustraum, Druck im Kopf, Schwere auf den Schultern oder Tränen
in den Augen?
Löse dich immer wieder aus den auftauchenden Bildern, Grübeleien und Selbstgesprächen
und wende dich entschieden mit voller Aufmerksamkeit dem reinen Fühlen zu. Erforsche,
wie sich das Gefühl bei dir ausdrückt. Halte es sanft in deiner Aufmerksamkeit. Erlaube dir,
es zu fühlen. Verändert sich das Gefühl? Wird es vielleicht durch ein anderes abgelöst? Verwandelt es sich oder löst es sich auf? Was auch immer in dir geschieht, bleibe bei dir, in einer annehmenden, wohlwollenden, offenen und liebevoll interessierten inneren Haltung,
sanft verbunden mit deinem Atem. Vielleicht tauchen die Gefühle in Wellen auf, schwellen
an, ebben ab. Was passiert mit den Gefühlen, wenn du sie nicht weiter mit Gedanken und
Bildern nährst?
Auch wenn sich Gefühle sehr massiv darstellen und sie unseren Körper stark beeinflussen
können, und du verlockt bist, sie so für wirklich und substanziell zu halten, sind sie doch
nichts anderes als flüchtige Durchgangsphänomene, die deinen Körper und Geist durchziehen wie dunkle Wolken den klaren Himmel. Je weniger du sie mit Gedanken und Bildern
nährst umso leichter ziehen sie vorbei und lösen sich auf. Das kannst du durch diese Übung
beobachten. Du brauchst nur ein, bisschen abwarten und, statt dich von ihnen erschrecken
oder faszinieren zu lassen, dich ihnen mit liebevoller, spürender Aufmerksamkeit widmen.
Gönne dir nun eine meditative Pause und erlaube dir, alle Objekte deiner Aufmerksamkeit,
denen du dich gerade gewidmet hast, loszulassen - die Atmung, die Körperempfindungen,
das Hören; die Gedanken, Bilder und Gefühle, und erlauben dir einfach nur, hier zu sitzen
und ganz da zu sein, ohne auf etwas Bestimmtes zu achten, vollkommen offen, mit wacher
Präsenz ohne einen Bezugspunkt. Alles darf aufsteigen, da sein, wieder vergehen. Entspanne dich in den offenen Raum dieser wachen Präsenz hinein.
Bringe nun deine Aufmerksamkeit zurück zum Atem. Fühle ihn. Nimm wahr, wie er ein- und
aus fließt, kommt und geht, und sei dir ganz des Atems bewusst.
Beende nun diese Meditation. Recken und strecken dich. Nimm einen tiefen Atemzug, und
wenn du gleich aufstehst, bewahre dir diese achtsame Präsenz der Meditation für die weiteren Aktivitäten des Tages.
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