Gefahr im laufenden Betrieb - DBB Beamtenbund und Tarifunion

1/2
dbb magazin
Januar/Februar 2016 – 67. Jahrgang
Postvertriebsstück • Deutsche Post AG „Entgelt bezahlt“
Personalmangel
und Befristungen:
Gefahr im
laufenden
Betrieb
Seite 4 <
Interview:
dbb Chef Klaus
Dauderstädt, Willi Russ
und Hans-Ulrich Benra
Seite 12 <
dbb Jahrestagung 2016:
Herausforderung für
die Demokratie –
Politik contra Bürger?
dbb
In eigener Sache:
<< Schwerpunkt: 57. dbb Jahrestagung
© stockasso - Fotolia.com
… wird der Einkommensrunde 2016 für die Beschäftigten von Bund und
Kommunen zukommen, die am 21. März in Potsdam beginnt. Ihr Ablauf
und vor allem ihr Ergebnis werden erweisen, ob die Kolleginnen und Kollegen, die seit Jahren in allen Verwaltungsbereichen aufgrund kurzsichtiger Sparpolitik Überlast fahren, von den öffentlichen Arbeitgebern die
Wertschätzung erhalten werden, die ihnen zukommt. In besonderer Weise trifft dies auch auf diejenigen Tarifbeschäftigten und Beamten zu, die
seit Monaten an Behörden, Schulen und Ämtern mit der Bewältigung des
Flüchtlingszustroms
beschäftigt sind und
dort über alle Belastungsgrenzen hinaus
arbeiten.
Die Gewerkschaften
werden bereits am 18.
Februar mit ihrer Forderung an die Öffentlichkeit gehen, nachdem die Kolleginnen
und Kollegen in den
Fachgewerkschaften des dbb auf einer Vielzahl von Branchentagen die
Gelegenheit hatten, die besonderen Probleme ihrer Berufsgruppen zu
diskutieren und die Forderungsfindung durch ihre Argumente mitzugestalten. (Siehe dazu den Bericht in dieser Ausgabe, Seite 20). Neben einer
spürbaren Lohnerhöhung will der dbb auch eine unbefristete Übernahme
aller Auszubildenden erreichen, weil die Befristung von Stellen im öffentlichen Dienst inzwischen ein Ausmaß erreicht hat, das die Kontinuität
des Verwaltungshandelns gefährdet.
Alles das ist den Verhandlungsführern von Bund und Kommunen bekannt, sodass sie am 21. März in Potsdam weder überrascht noch überfordert sein können. Sie wären gut beraten, angesichts der weiterhin großen Herausforderungen ebenso wie die Gewerkschaften einen zügigen
Abschluss mit einem für beide Seiten guten Ergebnis anzustreben. Die
erste Runde ohne Arbeitgeberangebot verstreichen zu lassen, würde
dem entgegenlaufen und weder bei den Beschäftigten noch bei den
­Bürgerinnen und Bürgern auf Verständnis stoßen, die sich darauf verlassen, dass der öffentliche Dienst seine Aufgaben effektiv, kontinuierlich
und rund um die Uhr erbringt. sm
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Erscheinen. Gedruckt auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet.
Sämtliche Personen- und Berufsbezeichnungen gelten jedoch gleichermaßen für alle Geschlechter.
ISSN 0941-8156
4
<
<
aktuell
<<
Interview mit Klaus Dauderstädt,
­Willi Russ und Hans-Ulrich Benra
<<
2. Flüchtlings-Gipfel im Bundes­
kanzleramt: Staat muss handlungs­
fähig bleiben
8
<<
Öffentliche Arbeitgeber: Klare
­Aufstiegsperspektiven schaffen
<<
Pflegeberufe: Qualität der
Ausbildung muss bewahrt werden 9
<
<
fokus
<<
57. dbb Jahrestagung in Köln:
­Herausforderung für die Demokratie – Politik contra Bürger?
9
12
18
31
12
die andere meinung: Einkommensrunde 2016 – wessen Krise?
17
<<
Nachgefragt bei ... Andreas Hemsing,
stellvertretender Vorsitzender der
dbb Bundestarifkommission
18
<<
Branchentage zur Einkommensrunde
2016: Mitglieder diskutierten
20
<<
Befristungen im öffentlichen
Dienst: Neue Studie offenbart
massive Strukturprobleme
22
<<
E-Government:
IT-Systeme vereinheitlichen
23
<
<
spezial
<<
Krisenmanagement: Politik hat
­Warnungen jahrelang ignoriert
3
24
<<
Jahreswirtschaftsbericht:
Leiharbeit befristen und begrenzen24
<<
Frauen in Führungspositionen:
­Regierung hinkt hinterher
25
<<
Bundesverfassungsgericht:
Willkür bei A-Besoldung beenden 25
<<
Zahlen Daten Fakten 2016:
­Dringender Personalbedarf
27
12. Frauenpolitische Fachtagung:
­Digitalisierte Welt: Frauen 4.0 –
rund um die Uhr vernetzt?
31
Die Briten und Europa:
Droht 2016 der „Brexit“?
32
<<
Der Fall des Monats
35
<<
Einstellungspraxis:
Befristungs-Irrsinn beenden
38
<<
40
8
<<
<<
32
4
<
<
finale
<<
Glosse: Die neue deutsche Welle ... 39
<<
Digitale Stadtentwicklung:
­Lebensader Internet <<
Mitgliedsgewerkschaften42
<<
Kulisse: Notlagen
40
47
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
aktuell
Signalwirkung …
dbb
Wir machen das!
Der dbb hat bei seiner Jahrestagung 2016 sehr konkrete Forderungen aufgestellt, um die Arbeit mit
Flüchtlingen zu verbessern. Darüber, und welche Themen 2016 noch wichtig werden, sprach das
dbb magazin mit der dbb Führungsspitze: Klaus Dauderstädt, Willi Russ und Hans-Ulrich Benra.
<<
dbb magazin
Herr Dauderstädt, es gab große Schwierigkeiten mit der Registrierung, Versorgung und
Integration von Asylsuchenden – und teilweise gibt es sie
immer noch. Ist es falsch, so
viele Flüchtlinge aufzunehmen?
<<
dbb magazin
Haben Sie konkrete Beispiele?
<<
Dauderstädt
Seit einer gefühlten Ewigkeit
warnen wir davor, dass der öffentliche Gesundheitsdienst
dem Anstieg der Flüchtlingszahlen. Rechtsanspruch auf
­Kita-Platz, aber keine zusätz­
lichen Erzieher. Kontrolle des
Mindestlohns, aber keine zusätzlichen Zöllner … wenn ich
alle betroffenen Bereiche nennen würde, säßen wir morgen
noch hier.
drei Jahre. Muss ich noch
mehr ­sagen?
<<
Schon verstanden. Sie haben
gerade noch die fehlende
Rechtssicherheit erwähnt.
Was meinen Sie damit?
<<
<<
Das ist primär eine politische
Entscheidung, die der dbb zur
Kenntnis zu nehmen hat. Das
Recht auf Asyl ist in der Verfassung verankert. Außerdem ist
Solidarität mit Schutzbedürftigen immer auch ein Grundgedanke allen gewerkschaftlichen Handelns. Fakt ist aber:
Wer eine politische Entscheidung trifft, der muss auch in
der Verwaltung die Voraussetzungen für deren Umsetzung
schaffen. Und da ist in den vergangenen Monaten einiges
schiefgelaufen. Auf diese
­Herausforderungen war der
öffentliche Dienst schlecht
­vorbereitet.
<<
dbb magazin
Was meinen Sie genau?
<<
Klaus Dombrowsky (3)
aktuell
4
Dauderstädt
Dauderstädt
Es fehlt oft schlicht an Ressourcen und daraus resultierend an Rechtssicherheit. Und
mit den Ressourcen meine ich
nicht nur Immobilien oder
Geld. Damit meine ich in erster Linie geeignetes Personal.
Leider ist das eingetreten, was
in den letzten Jahren schon so
oft passiert ist: Erst werden
neue Aufgaben beschlossen
und erst dann macht man sich
Gedanken, wer die überhaupt
schultern soll.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
<
< Bundesvorsitzender Klaus Dauderstädt
t­ otal unterbesetzt ist. Die Stellen reichen nicht und selbst die
vorhandenen bekommen wir
kaum besetzt, weil die Ärzte
bei fast jedem anderen Arbeitgeber besser verdienen. Die
Aufgaben dort waren vorher
schon kaum zu schaffen, und
jetzt muss noch eine Million
Flüchtlinge versorgt werden.
Wie soll das funktionieren? Genauso beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge oder
bei der Bundespolizei. Aber wie
gesagt, das ist keine neue Entwicklung, das gab es schon vor
<<
dbb magazin
Aber es wurden doch neue
Stellen geschaffen. Insbesondere in den von Ihnen genannten Bereichen, etwa beim Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge und der Bundes­
polizei.
<<
Dauderstädt
Zu wenige und zu spät, ein
Tropfen auf dem heißen
Stein. Die Ausbildung eines
Bundespolizisten dauert
dbb magazin
Dauderstädt
Durch die fehlenden Ressourcen sind die Beschäftigten t­ otal überlastet. Das
bleibt übrigens auf Dauer
auch gesundheitlich nicht
ohne Folgen. Hinzu kommt
das Risiko, dass rechtsstaatliche Standards nicht eingehalten ­werden. Der Wunsch
nach schneller und unkomplizierter Hilfe ist natürlich
nachvollziehbar. Die vielen
freiwilligen Helfer, deren Einsatz ich bewundernswert
finde, können da zum Beispiel auch relativ frei agieren. Ein Beschäftigter im öffentlichen Dienst kann das
nicht. Der macht sich im
Zweifel strafbar, wenn er seinem gesetzlichen Auftrag
nicht korrekt nachkommt.
Dabei möchte er genauso
gerne schnell helfen. Da
kann man sich noch so oft
über die angebliche Schwerfälligkeit der Behörden
echauffieren: Wir brauchen
geordnete und transparente
Verfahren, die im Fall der
­Fälle einer gerichtlichen
Überprüfung standhalten.
Alles andere ist einfach unfair den Beteiligten gegenüber, Flüchtlingen und Beschäftigten gleichermaßen.
<<
dbb magazin
Sie zeichnen ein düsteres Bild.
Ist die Lage so dramatisch?
dbb
Dauderstädt
Die wahre Größe der Herausforderungen wird sich sogar
erst in Zukunft zeigen. Denn es
wird eine langfristige Aufgabe.
Auch wenn die Fernsehkameras eines Tages wieder weg
sind und die Aufmerksamkeit
sich auf andere Dinge richtet,
wird der öffentliche Dienst
noch lange mit der Aufarbeitung beschäftigt sein. Aber es
gibt tatsächlich keinen Grund,
schwarz zu malen. Es gehört zu
unseren Aufgaben als dbb, den
Finger in die Wunde zu legen.
Es erfüllt mich aber auch mit
unglaublichem Stolz zu sehen,
wie die Kolleginnen und Kollegen sich in den vergangenen
Monaten ins Zeug gelegt haben. Da wurde bis zum Umfallen gearbeitet, um Menschen
in Not zu helfen. Das war ganz,
ganz stark. Und da wir im öffentlichen Dienst ja daran gewöhnt sind, auch mit schwierigen Rahmenbedingungen
umzugehen, traue ich mich,
zuversichtlich zu sagen: Wir
machen das.
<<
<<
dbb magazin
Oft wird über die sogenannten
„Tarif-Rituale“ geschimpft. Das
hört sich dann in etwa so an:
„Die Gewerkschaften fordern
X, die Arbeitgeber bieten nix
und am Ende trifft man sich in
der Mitte. Der Dumme ist der
Bürger, der unter den Streiks
leidet. Das muss doch anders
gehen.“
<<
Russ
<<
Da spielen viele Faktoren mit
rein. Wirtschaftswachstum,
Steuereinnahmen, allgemeine
Lohnentwicklung, Inflationsrate und viele mehr. Am Ende
steht ein Ideal als Forderung.
<<
dbb magazin
Wir leben aber nicht in einer
idealen Welt.
<<
Wer so redet, macht es sich
aber auch sehr, sehr einfach.
Zunächst sollte man festhalten, dass das keine „Tarif-Ritua-
Russ
Russ
Deshalb steht am Ende von
Verhandlungen immer ein
Kompromiss. Dabei kommen
17,49 Prozent.
<<
dbb magazin
Bitte?
<<
Russ
Nein, das ist natürlich Quatsch.
Die Forderung wird vor allen
Einkommensrunden von un­
seren Gremien beschlossen,
so auch dieses Mal. Jetzt
schon über Prozentzahlen
zu spekulieren, verbietet sich
einfach.
dbb magazin
Bei den Einkommensrunden
kämpft der dbb gemeinsam
mit ver.di. Wie läuft die Ko­
operation denn so? Und vor
­allem: Wie lange wird sie noch
Bestand haben? Stichwort
­„Tarifeinheitsgesetz“.
<<
dbb magazin
Russ
Russ
Ja, das hört man immer wieder
mal. Ist aber totaler Unsinn,
das ärgert mich wirklich. Glauben Sie mir: Alle Politiker –
­besonders die, mit denen wir
verhandeln – sind bestens informiert, was in den Medien
berichtet wird. Und da macht
es sehr wohl einen Unterschied, ob wir an einem Tag
3 000 oder 30 000 auf die Straße bringen. Da haben unsere
Verhandlungspartner ein sehr
feines Gespür. Für die Auswirkungen unserer Streiks auf das
öffentliche Leben ebenso.
<<
Sie haben bereits angesprochen, dass die Bezahlung bei
der Personalgewinnung eine
große Hürde ist. Im Frühjahr
steht eine Einkommensrunde
für Bund und Kommunen an.
Herr Russ, mit welcher Forderung werden Sie in die Ge­
spräche gehen?
<<
<<
<
< Zweiter Vorsitzender Willi Russ
le“ sind. Ich gebe Ihnen Brief
und Siegel, dass in der freien
Wirtschaft jede Verhandlung
nach dem gleichen Muster geführt wird. So laufen Verteilungskämpfe nun mal. Und
was unsere Forderung angeht:
Glauben Sie wirklich, wir überlegen uns ein gutes Ergebnis
und nehmen es dann einfach
mal zwei, um auf unsere Forderung zu kommen?
weitere Faktoren zum Tragen.
Welche Laufzeit hat der Tarifvertrag? Gibt es eine soziale
Komponente? Wurden zusätzlich nicht-monetäre Aspekte
wie die Arbeitszeit verhandelt,
die aber eingepreist werden
müssen? Und ganz wichtig:
Wie viel Druck konnten wir als
Gewerkschaft auf der Straße
erzeugen?
<<
<<
dbb magazin
Wie funktioniert es denn?
dbb magazin
Streiks werden aber gerne als
Folklore von gestern abgetan.
Russ
Das Gesetz wird derzeit vom
Bundesverfassungsgericht geprüft. Und wir sind nach wie
vor davon überzeugt, dass es
diese Prüfung nicht bestehen
wird. Ich hoffe, dass wir in
­diesem Punkt bald Klarheit
­haben. Die laufenden Kooperationen mit anderen Gewerkschaften sind davon meiner
Meinung nach aber ohnehin
nicht betroffen. Das funktioniert sehr ordentlich, auch
wenn es natürlich hier und da
immer mal wieder kleinere
Unstimmigkeiten gibt. Das
ist aber bei eigenständigen
Organisationen vollkommen
normal.
<<
dbb magazin
Nochmal zurück zur Einkommensrunde: Die wirkungsgleiche Übertragung des Tarifergebnisses auf die Beamtinnen
und Beamten ist eine immer
wiederkehrende dbb Forderung in allen Einkommens­
runden. Im kommenden Jahr
doch sicherlich auch, Herr
­Benra?
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
5
aktuell
<<
dbb
<<
Benra
Selbstverständlich.
<<
dbb magazin
Haben Sie die Befürchtung,
dass es Probleme bei der Umsetzung geben könnte? Immerhin wurde die Besoldung der
Bundesbeamten erst im November 2015 in einigen Punkten verbessert.
<<
aktuell
6
Benra
Moment. Die Verbesserungen,
die Sie mit dem 7. Besoldungsänderungsgesetz ansprechen,
waren eine Reaktion auf die
besonderen Herausforderungen durch die gestiegenen
Flüchtlingszahlen. Beispielsweise eine Erhöhung der Zulage für Dienst zu ungünstigen
Zeiten, also an Feiertagen,
während der Nacht und an
Wochenenden. Oder die Erhöhung der Reisebeihilfen an abgeordnete Beschäftigte, um
wenigstens eine wöchentliche
Heimfahrt zur Familie zu ermöglichen. BAMF-Beschäftigte
erhalten für die nächsten drei
Jahre eine Stellenzulage. Wer
seinen Ruhestandseintritt hinausschiebt, erhält bei Weiterbeschäftigung ebenfalls einen
Zuschlag. Für diese Verbesserungen haben wir gekämpft,
damit die außergewöhnliche
Leistung der Kolleginnen und
Kollegen wenigstens ansatzweise gewürdigt wird. Mit der
„normalen“ Besoldungserhöhung hatte das nichts zu tun.
Und wir werden nicht zulassen,
dass hier aufgerechnet wird.
<<
dbb magazin
Neben der Einkommensrunde
erwartet uns 2016 noch ein,
wenn man so will, doppeltes
Superwahljahr. Neben Landtagswahlen in fünf Ländern
finden beim Bund sowie in sieben Ländern – nämlich Bayern,
Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen – Personalratswahlen statt. Sie waren
selbst lange Zeit Personalrats-
vorsitzender im Bundesinnenministerium, Herr Benra. Welche Bedeutung für den dbb
messen Sie den anstehenden
Wahlen zu?
<<
Benra
Das ist gewerkschaftliches
Kerngeschäft, gar keine Frage.
Für den dbb ist es essenziell,
dass die Kandidatinnen und
Kandidaten aus unseren Mitgliedsgewerkschaften wieder
ein gutes Ergebnis erzielen,
wenn möglich sogar gestärkt
aus den Wahlen hervorgehen.
Wie könnten wir unsere Arbeit
<<
Benra
Zum einen gibt es natürlich
­logistische und materielle
­Unterstützung während des
Wahlkampfes. Dazu haben wir
beispielsweise eine Sonderseite auf dbb.de eingerichtet, wo
alle relevanten Infos gebündelt
sind. Darüber hinaus gibt es
zahlreiche Hilfestellungen zwischen den Wahlen. Seien es
Veranstaltungen und Schulungen zum Personalvertretungsrecht, unser Onlineforum für
den Austausch zwischen den
Praktikern oder etwa unsere
Initiative zur Bündelung der
gung 2015 gesprochen haben:
Sie haben für eine Rückkehr zu
einer bundesweit einheitlichen
Besoldung geworben, Herr
Dauderstädt. Wie ist der Stand
der Dinge?
<<
Dauderstädt
Leider hat sich meine Prognose
bestätigt: Das ist ein dickes
Brett, das da zu bohren ist.
2016 jährt sich die Verabschiedung der Föderalismusreform I
zum zehnten Mal. Nach feiern
ist bei uns aber niemandem
zumute. Vielmehr werden wir
dieses Jubiläum zum Anlass
nehmen, um eine kritische Bilanz zu ziehen. Und ich kann
schon jetzt sagen: Im Beamtenrecht wird sie größtenteils
verheerend ausfallen. Die Besoldung driftet immer weiter
auseinander. Langsam aber
­sicher hat auch das Bild des
­Flickenteppichs dafür ausgedient, denn selbst die Flicken
fallen auseinander.
<<
dbb magazin
Also keine Hoffnung auf
­Besserung in Sicht?
<<
<
< Stellvertretender Bundesvorsitzender Hans-Ulrich Benra
als Dachverband im Berliner
Politikbetrieb erledigen, wenn
sich die Kolleginnen und Kollegen mit ihrer praktischen Arbeit vor Ort überall in Deutschland nicht um die alltäglichen
Sorgen und Nöte kümmern
würden? Das garantiert einen
direkten Draht zwischen den
Beschäftigten, den Mitgliedsgewerkschaften und dem dbb.
<<
dbb magazin
Was tut der dbb denn genau,
um die Mitgliedsgewerkschaften zu unterstützen?
­gewerkschaftsübergreifenden
Interessen bei den Job-CenterPersonalräten. Aber ich sage
auch: Obwohl wir schon viel
tun, können und wollen wir
diese Angebote weiter aus­
bauen.
<<
dbb magazin
Das andere Superwahljahr,
mit Wahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und
Rheinland-Pfalz, MecklenburgVorpommern und Berlin, erinnert an ein Thema, über das
wir schon nach der Jahresta-
Dauderstädt
Das habe ich nicht gesagt.
Schauen Sie, die Föderalismusreform 2006 hatte eine Vorlaufzeit von vielen Jahren.
Und es ist ja nicht nur das Beamtenrecht betroffen, sondern
viele weitere Bereiche. Aber
2019 müssen die Finanzbeziehungen zwischen Bund und
den Ländern ohnehin erneut
überarbeitet werden, denn der
Länderfinanzausgleich läuft
ebenso aus wie der Solidarpakt
II. Da wird viel in Bewegung
­geraten, besonders unter dem
Druck der Schuldenbremse.
Daher gilt es für uns als dbb,
bereits jetzt in die Gespräche
einzusteigen und uns klar zu
positionieren. Und genau das
tun wir. Denn meine feste
Überzeugung ist: Ein einheitlich geregeltes Beamtentum
ist nicht nur gut für unsere
Mitglieder, es ist auch gut für
Deutschland.
Die Fragen stellte Michael Eufinger.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
dbb
2. Flüchtlings-Gipfel im Bundeskanzleramt:
Staat muss handlungsfähig bleiben
Die Handlungsfähigkeit des Staates muss sichergestellt bleiben. Das hat dbb Vize Willi Russ am
10. Dezember 2015 anlässlich des 2. FlüchtlingsGipfels im Bundeskanzleramt mit Blick auf die
nachhaltige Bewältigung des Flüchtlingszustroms
in Deutschland klargestellt.
ten müssten zudem die notwendigen Finanzmittel zur
­Erfüllung der ihnen übertragenen Aufgaben erhalten.
„In diesen nicht ganz einfachen
Zeiten ist es wichtiger, in die
Zukunft zu schauen als in der
Vergangenheit zu verharren“,
mahnte Russ. Gleichwohl betonte er, dass die jüngste von
Vorwürfen gezeichnete Debatte zwischen Kommunen und
Ländern einerseits und dem
Bund andererseits infolge der
letzten Innenministerkonferenz in Koblenz grenzwertig
rung, die die BAMF-Beschäf­
tigten vor der unberechtigten
Kritik in Schutz genommen
hatten. Mit „Schwarze-PeterSpielen“ komme man nicht
weiter, so der dbb Vize.
Gegenüber dem WDR (Funkhaus Europa) wies der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und komba-Chef Ulrich
Silberbach am 10. Dezember
zudem darauf hin, dass man
für die nicht nur im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise dringend benötigte
­Personalaufstockung im öffentlichen Dienst jetzt aber
auch einen langen Atem brauche, sofortige Entlastung lasse
sich dadurch nicht erreichen:
„Ausgebildete Fachleute wachsen auch in Deutschland nicht
auf den Bäumen, die müssen
gründlich, zum Teil sogar über
mehrere Jahre ausgebildet
werden.“
Öffentliche Arbeitgeber:
Klare Aufstiegsperspektiven schaffen
Die stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Astrid Hollmann hat vor einer sinkenden Attraktivität des
öffentlichen Dienstes als Arbeitgeber gewarnt. „Die freie Wirtschaft holt auf“, sagte sie im Interview mit
der „Rheinpfalz“ (Ausgabe vom 8. Januar 2016). Dies gelte sowohl bei der finanziellen Sicherheit und der
Vereinbarkeit von Familie und Beruf, als auch bei der Gleichberechtigung von Frauen und Männern. Diese
Entwicklung sei verheerend, weil der öffentliche Dienst gerade jetzt besonders gefordert werde.
Die sinkende Wettbewerbsfähigkeit beim Werben um Nachwuchs treffe den öffentlichen
Dienst angesichts der ohnehin
enormen Arbeitsverdichtung
schwer. Wenn man sich vergegenwärtige, „was an Mehrbelastung durch die Flüchtlings­
situation hinzukommt, dann
werden noch mehr Beschäftigte fehlen“, warnte Hollmann.
Und zwar für einen Staat, der
„schon heute nur noch auf
Sparflamme funktioniert, der
dem Bürger nur ein Mindestmaß an Leistungen bietet“.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
©Gajus – Fotolia.com
aktuell
8
„Der Staat muss in Gestalt des
öffentlichen Dienstes selbst
handeln und darf seine Verpflichtungen nicht dauerhaft
ehrenamtlichen Helfern überlassen. Dazu bedarf es vor allem einer entsprechenden Personalstärke. Aktuell fehlen uns
allein in Sachen Flüchtlings­
management fast 180 000 Beschäftigte“, erläuterte Russ.
Hinzu komme, dass reguläre
Verwaltungsaufgaben im
Dienste der Bürger auch weiterhin kontinuierlich erfüllt
werden müssen, so der dbb
Vize. Die Gebietskörperschaf-
­ ewesen seien: „Einfach den
g
Schuldigen bei den Beschäftigten des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge zu suchen,
ist nicht nur unzulässig, sondern stößt die Kolleginnen und
Kollegen auch vor den Kopf, die
in Anbetracht der von der Politik zu spät erkannten Versäumnisse einen großartigen Job
machen. Sie leisten schon seit
vielen Monaten Überstunden
in erheblichem Maße. Und sie
sind weiterhin bereit, hohe
Leistung zu bringen – weit über
das normale Maß hinaus. Es
geht jeweils um ein komplexes
rechtsstaatliches Verfahren,
das später justitiabel ist; solche
Fälle erfordern grundsätzlich
große Sorgfalt und schlicht
Zeit, und zwar nicht zum
Selbstzweck, sondern im Inte­
resse unseres Gemeinwesens.“
Russ begrüßte ausdrücklich die
„rückenstärkenden Worte“ von
Mitgliedern der Bundesregie-
Ein Teil des Problems sei die zunehmend hohe Zahl an befristeten Arbeitsverhältnissen im
öffentlichen Dienst, gerade bei
Nachwuchskräften. „Junge
Leute, die etwa eine Familie
gründen wollen, brauchen finanzielle und damit berufliche
Sicherheit“, sagte die stellver-
dbb
tretende dbb Bundesvorsitzende. Wenn sie diese mittlerweile eher in der Privatwirtschaft
bekämen, „dürfen wir uns
nicht wundern, wenn die jungen Menschen nicht mehr zu
uns kommen“. Auch die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit
einerseits sowie die berufliche
Entfaltung inklusive klarer Aufstiegsperspektiven andererseits dürften kein Gegensatz
sein.
Die Position von Frauen im öffentlichen Dienst müsse eben-
falls verbessert werden,
etwa bei der Bezahlung.
„Da gibt es nach wie vor geschlechtsspezifische Unterschiede“, bemängelte Hollmann. Zwar sei die Differenz
in der Privatwirtschaft derzeit noch höher, liege aber
auch im öffentlichen Dienst
„immer noch bei acht Prozent“. Nachholbedarf gebe es
beispielsweise bei der Bewertung von Berufen, in denen
überdurchschnittlich viele
Frauen arbeiten, etwa im
­sozialen Bereich.
Pflegeberufe:
Mit dem Pflegeberufereformgesetz will der Gesetzgeber
die Berufsausbildungen zur
Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege zu einem Ausbildungsgang zusammen­
fassen. Im Rahmen dieser
einheitlichen Ausbildung könnten sicher Schnittstellen und
gleiche Grundlagen in der theoretischen Ausbildung genutzt
werden, erklärte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach vor der Anhörung. „Allerdings sehen wir
die Gefahr, dass aufgrund der
Fülle theoretischer und praktischer Lehrinhalte – unter Beibehaltung der dreijährigen
Ausbildungszeit – nicht mehr
genügend Raum für die derzeit
in den Einzelzweigen des Pflegeberufs vermittelten Spezialkenntnisse bleibt.“
Positiv bewerte der dbb die
vorgesehene grundsätzliche
Schulgeldfreiheit und Ausbil-
dungsvergütung, so Silberbach. Beides könne zur Stei­
gerung der Attraktivität des
Pflegeberufs beitragen. Gesetzlich geregelt werden sollen
auch die seit Langem geforderten Vorbehaltstätigkeiten. Allerdings müsse stärker als im
vorliegenden Entwurf konkretisiert werden, um welche Tätigkeiten es sich dabei handelt.
Auf Zustimmung des dbb
­stoße auch die akademische
Öffnung des Pflegeberufs:
Durchlässigkeit und berufliche
Entwicklungsmöglichkeiten
seien starke Argumente bei der
Berufswahl und auch „eine
richtige Antwort auf die demografischen Herausforderungen
der kommenden Jahrzehnte,
die die Pflege in besonderem
Maße betreffen“, so der dbb
Vize. Allerdings müsse sowohl
mit Blick auf die Eingruppierung von Beschäftigten mit
Hochschulabschluss als auch
auf ein ausreichendes Angebot
9
entsprechender Studiengängen die Frage der Gegenfinanzierung geklärt werden. „Bei
allen Fortschritten, die die Pflegewissenschaft in den letzten
Jahrzehnten gebracht hat, dürfen Differenzierungen in der
Ausbildung nicht zu einer Spaltung der Belegschaft führen“,
mahnte Silberbach.
<< dbb Mitgliederzahlen
2015 erneut im Plus
Der dbb hat bei den Mitgliederzahlen weiter zugelegt. Zum Jahresende 2015 (Stand: 1. Dezember) verzeichnete der gewerkschaftliche Dachverband insgesamt 1 294 402 Mitglieder, das sind 11 573
mehr als zum gleichen Zeitpunkt des Vorjahres. „Dieser erneute
Zuwachs an Mitgliedern stärkt unsere Durchsetzungsfähigkeit als
gewerkschaftliche Spitzenorganisation“, sagte der dbb Zweite Vorsitzende Willi Russ am 21. Dezember 2015 zur Veröffentlichung
der neuen Verbandsstatistik in Berlin.
„Das verstehen wir auch als ein Votum für unsere erfolgreiche
­Interessenvertretung im Auftrag der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und der privatisierten Bereiche. Zudem erfreulich
ist, dass der dbb im Gegensatz zu vielen anderen Beschäftigtenvertretungen seit Jahren kontinuierlich Mitglieder hinzugewinnt.“
Von den 1 294 402 dbb Mitgliedern sind 915 256 Beamte (2014:
912 012) und 379 146 Angestellte (2014: 370 817). In den Reihen des
dbb organisiert sind nun 414 177 Frauen (5 820 mehr als im Vorjahr)
und 880 225 Männer (ein Zuwachs um 5 753 gegenüber 2014).
Unter dem Dach des dbb vereint sind Landesbünde in allen
16 Bundesländern sowie 43 Mitgliedsgewerkschaften, die Beamte
und Angestellte des öffentlichen Dienstes sowie Beschäftigte des
privatisierten Dienstleistungssektors organisieren.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
aktuell
Die Qualität der Ausbildung in den Pflegeberufen
darf nicht darunter leiden, dass künftig die Berufsausbildungen zur Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege zu einem generalistischen Ausbildungsgang gebündelt werden sollen. Das hat der
dbb in einer Stellungnahme zum Entwurf eines
Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (PflBRefG)
unterstrichen und auch bei einer Anhörung auf
Einladung des Bundesgesundheits- sowie des
Bundesfamilienministeriums zu dem Entwurf
am 11. Dezember 2015 in Berlin klargemacht.
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Qualität der Ausbildung
muss bewahrt werden
dbb
60 Jahre vbba – Gewerkschaft Arbeit und Soziales:
Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit
Die immer mehr auseinanderdriftende Bezahlung in den Jobcentern ist „ein Ärgernis“ und muss
­beseitigt werden. Das hat der Zweite Vorsitzende des dbb, Willi Russ, bei einer Festveranstaltung
zum 60-jährigen Bestehen der vbba – Gewerkschaft Arbeit und Soziales am 27. November 2015 in
Nürnberg betont.
aktuell
Der dbb Vize würdigte die vor
sechs Jahrzehnten gegründete
vbba als „maßgebliche und
mitgliederstarke Organisation“,
die als Fachgewerkschaft in der
Bundesagentur für Arbeit (BA)
und darüber hinaus wirksam
die Interessen der Kolleginnen
und Kollegen vertrete und „in
Zukunft noch stärker gefordert
sein wird“. Der Festakt zum
60-jährigen Bestehen stand
­unter dem Motto „ Flucht –
Schutz – Integration – Eine
­historische Herausforderung“.
Selten seien Politik und Gesellschaft so herausgefordert wie
durch die aktuellen Entwicklungen, stellte Russ fest und würdigte die Anstrengungen der
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in nahezu allen Bereichen
des öffentlichen Dienstes, darunter auch in den Arbeitsagenturen und Jobcentern: „Sie alle
leisten in dieser Zeit unendlich
viel dafür, dass Deutschland
diese Herausforderung bewältigt – ‚es schafft‘.“
Der Integration der Flüchtlinge
in den Arbeitsmarkt komme
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
in vielen Bereichen der Verwaltung mehr Personal, viel
mehr Personal“, konstatierte
Russ. Nach dbb Schätzungen
fehlen dem Staat derzeit fast
180 000 M
­ itarbeiter. Die Politik müsse Prioritäten setzen
und für eine aufgabengerechte Personalausstattung sorgen.
Manfred Feit
10
Die kommunalen Arbeitgeber
dürften sich nicht länger um
dieses Thema herumdrücken.
Der dbb habe in zurückliegenden Verhandlungen mit der
Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände (VKA)
dieses Problem häufig angesprochen und auf eine Lösung
gedrängt, sei aber damit bei
den Arbeitgebern bislang auf
taube Ohren gestoßen. „Wir
werden aber mit unserer Forderung nicht nachlassen, dass
hier dem Grundsatz ‚Gleicher
Lohn für gleiche Arbeit‘ zum
Durchbruch verholfen werden
muss“, versicherte Russ.
<
< Feierten 60 Jahre vbba: Rolf Habermann, Vorsitzender des Bayerischen
Beamtenbundes, BA-Vorstandschef Frank-Jürgen Weise, der Bundesvorsitzende des vbba, Waldemar Dombrowski, und der Zweite Vorsitzende
des dbb, Willi Russ (von links).
eine Schlüsselfunktion zu,
stellte Russ weiter fest. Viele
Unternehmen seien bereit,
Flüchtlinge zu beschäftigten,
aus- und weiterzubilden. Darin
liege einerseits eine Chance zur
Fachkräftegewinnung, andererseits biete es den Migranten
die Möglichkeit, schnell und
eigenständig für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. „Zugleich
sollte überlegt werden, an welchen Stellen bürokratische
Hürden für alle Beteiligten reduziert und Förderinstrumente
frühzeitig eingesetzt werden
können.“
Russ dankte „allen, die sich
täglich neben den zahlreichen
originären Aufgaben um die
Beratung, Vermittlung und
­Integration in den Arbeitsmarkt bemühen“. Dies erfor­
dere enormen Einsatz und
­Geschick, konfrontiere mit
menschlichen Einzelschicksalen und beschäftige die Kolleginnen und Kollegen weit über
den Arbeitstag hinaus. Damit
die Integration der Flüchtlinge
gelinge, „braucht Deutschland
Die vbba unter dem Dach des
dbb vertritt unter dem Motto
„offen – engagiert – nachhaltig“ die Interessen ihrer Mitglieder – Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte – in Arbeitsagenturen und Jobcentern.
Der dbb werde die Gewerkschaft bei der Durchsetzung
ihrer berufspolitischen For­
derungen auch künftig nach
Kräften unterstützen, versicherte Russ.
<< Arbeit 4.0
Der Mensch im Mittelpunkt
Im November 2015 hat der dbb einen Dialogbeitrag zum Grünbuch
„Arbeit 4.0“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS)
veröffentlicht. Darin werden die aus Sicht des gewerkschaftlichen
Dachverbandes wichtigsten Ziele für die Arbeitswelt der Zukunft
skizziert. Von zentraler Bedeutung wird demnach sein, dass auch
in der Arbeitsgesellschaft von morgen der Mensch im Mittelpunkt
steht.
So sollen die durch die Digitalisierung entstehenden Möglichkeiten genutzt werden, um Beschäftigungsbedingungen zu verbessern. Der dbb wird als Sozialpartner den Dialog über die dafür notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen mitgestalten, um die
Arbeits- und Sozialpolitik in diesem Sinne weiterzuentwickeln. So
sollen etwa flexiblere Arbeitszeitmodelle mit einer zufriedenstellenden Work-Life-Balance und der Ausbau der das Arbeitsleben
begleitenden Qualifizierungsmaßnahmen forciert und gleichzeitig
die sozialen Sicherheit inklusive eines angemessenen Lohnniveaus
sowie die Mitbestimmung gestärkt werden.
Im März 2016 wird ein Zwischenbericht des BMAS er­wartet, das
Weißbuch zum Thema soll zum Jahresende vorliegen.
dbb
57. dbb Jahrestagung in Köln:
fokus
12
Ganz im Zeichen der enormen Anstrengungen des öffentlichen Dienstes, die Aufgaben im Zusammenhang mit dem anhaltenden Strom von Schutz, ­Sicherheit und ein besseres Leben suchenden Menschen
nach Deutschland zu meistern, stand die 57. Jahrestagung des dbb vom 10. bis 12. Januar 2016 in Köln.
Mehr als 700 Teilnehmer aus den Reihen des dbb und Gäste aus Deutschland und Europa sowie zahlreiche Medienvertreter waren der Einladung gefolgt.
Zum Auftakt der Jahrestagung
begrüßte der Zweite Vorsit­
zende des dbb, Willi Russ, in
Vertretung des erkrankten
Bundesvorsitzenden Klaus
Dauderstädt die Teilnehmer.
Solidarität mit Schutzbedürftigen habe in Deutschland zu
Recht Verfassungsrang und sei
„immer auch ein Grundgedanke allen gewerkschaftlichen
Handelns“, betonte Russ.
<<
Russ: Handlungsfähige
Verwaltung unerlässlich
Zugleich mahnte er angesichts
der riesigen Herausforderungen an den öffentlichen Dienst
im Zusammenhang mit der
Flüchtlingsbewegung: „Wer
eine politische Entscheidung
trifft, muss in der Verwaltung
auch die Voraussetzungen für
die Umsetzungen schaffen.“
Ohne das besondere Engagement der Kolleginnen und Kollegen beispielsweise im Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge (BAMF), bei der
­Polizei in Bund und Ländern,
in den Kommunen, Kitas und
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
<
< Willi Russ
Schulen, im öffentlichen Gesundheitsdienst oder der Justiz
wäre die Situation nicht zu bewältigen, sagte der dbb Vize
und verwies auf die Dauerbelastung der Mitarbeiter bis an
die Grenze physischer und psychischer Leistungsfähigkeit.
Hinzu komme, dass immer häufiger Entscheidungen herbeigeführt würden, die mit rechtsstaatlichen Verfahren nur
schwer vereinbar seien. „Aus
der Sicht einer gewerkschaftlichen Spitzenorganisation des
öffentlichen Dienstes möchte
ich klarstellen, dass verbindliche Regeln nicht der Beschleunigung von Verfahren zum
­Opfer fallen dürfen“, so Russ.
Um für personelle Entlastung
zu sorgen, seien Verwaltungsverfahren zu straffen, Schnittstellen für den Datenaustausch
zu definieren und Zuständigkeiten zu bündeln, „zum Beispiel mit einer einheitlichen
Flüchtlings- und Integrationsverwaltung, die für Unter­
bringung, Versorgung und Integration zuständig ist“. Die
gesamtgesellschaftliche „Herkulesaufgabe“ mache auch
deutlich, „wie sich der seit Jahren von der Politik herbeigeführte Personalmangel in einer
aktuellen Krisensituation auswirkt“. Es gebe in der Verwaltung keine Reserven und die
Altersstruktur biete für die Zukunft keine Perspektive. „Die
Politik ist nun gefordert, Prioritäten zu setzen und wieder
stärker für eine aufgabengerechte Personalausstattung zu
sorgen“, sagte Russ. Die bislang
bewilligten neuen Stellen seien
zu begrüßen, aber die Beschäftigten müssen erst einmal gefunden, ausgewählt, ausgebildet oder in die konkrete
Aufgabe eingearbeitet werden.
„Das löst nicht die aktuelle Herausforderung“, machte Russ
klar und kritisierte zudem den
großen Anteil befristeter Stellen. Wenig hilfreich sei auch,
Schuldige für organisatorische
Missstände vorrangig bei den
Beschäftigten zu suchen. Die
Gebietskörperschaften müssten langfristig die notwendi-
Marco Urban (8)
Herausforderung für die Demokratie –
Politik contra Bürger?
dbb
Zur bevorstehenden Einkommensrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen
verwies Russ, der Verhandlungsführer des dbb sein wird,
auf die anhaltende konjunkturelle Erholung, den Anstieg der
Inflationsrate und die stabile
Arbeitsmarktlage in Deutschland. Der dbb werde in den
nächsten Wochen auf „Branchentagen“ an der Basis mit
den Mitgliedern über ihre Vorstellungen diskutieren, bevor
am 18. Februar die Gesamtforderungen für alle Statusgruppen präsentiert werden. Dabei
werde es auch um strukturelle
Forderungen – etwa die Absenkung des viel zu hohen Anteils
befristeter Arbeitsverhältnisse
von über 15 Prozent im öffentlichen Sektor – gehen, von dem
vor allem Arbeitnehmer unter
35 Jahren betroffen seien.
„Der öffentliche Dienst macht
im Rahmen seiner ihm gegebenen Möglichkeiten einen verdammt guten Job“, so Russ’
­Fazit. „Den wollen wir auch im
Rahmen der diesjährigen Einkommensrunde entsprechend
gewürdigt sehen.“
<<
de Maizière: Auf öffent­
lichen Dienst ist Verlass
Auch Bundesinnenminister
Thomas de Maizière brachte in
seiner Rede auf der Tagung
Dank für die Menschen innerhalb und außerhalb des öf­
fentlichen Dienstes dafür zum
Ausdruck, dass sie im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise „solidarisch und beherzt
Verantwortung übernommen
haben und manches Mal über
sich hinausgewachsen sind“.
Die aktuelle Lage beweise: „Auf
den öffentlichen Dienst ist Verlass. Dafür gibt es hunderte
gute Beispiele in ganz Deutschland.“ Die Flüchtlingskrise habe
gezeigt, wie notwendig ein
­guter öffentlicher Dienst ist.
Mit Blick auf die sexuellen
Übergriffe und Straftaten der
<
< Thomas de Maizière
Silvesternacht in Köln sagte
de Maizière, derartige Exzesse
habe es in dieser Dimension
und möglicherweise auch in
der Organisiertheit in Deutschland bisher nicht gegeben. Sie
seien inakzeptabel und müssten konsequent mit den Mitteln des Rechtsstaates verfolgt
werden. De Maizière vertrat
die Auffassung, dass neben der
Anwendung des geltenden
Rechts auch gesetzliche Verschärfungen notwendig seien.
Die Geschehnisse müssten
konsequent aufgeklärt, „nichts
darf unter den Teppich gekehrt
werden“. Es sei auch im Interesse der Flüchtlinge, aufzuklären, wer kriminell ist und wer
nicht, sagte der Minister.
Als wichtigen Schritt bezeichnete de Maizière das auf den
Weg gebrachte Digitalisierungsprojekt samt Gesetzentwurf, das die Verfahrensdauer
verkürzt und klar regelt. Die
gleichfalls notwendige Sicherung der europäischen Außengrenzen und eine faire Verteilung der Schutzbedürftigen
könnten nur in europäischer
Solidarität und Verantwortung
gelingen. Zur Wahrheit gehöre
auch: „Ohne erhebliche Anstrengungen aller Beteiligten,
auch und insbesondere der
Flüchtlinge, ohne beträchtliche
Mehrausgaben wird es nicht
gehen. Diese bewegen sich im
zweistelligen Milliardenbereich. Aber den Anspruch an
die schwarze Null sollten wir
halten.“
Erforderlich seien „Flexibilität
und Pragmatismus“. So könne
es für eine begrenzte Zeit nötig
sein, Anforderungen an die berufliche Qualifikation – etwa
bei Lehrkräften – abzusenken.
Berufliche Fertigkeiten der ins
Land Kommenden sollten am
besten direkt im Betrieb oder
in der Ausbildungsstätte „im
Echtbetrieb“ überprüft werden. Es sei Zeit und Gelegenheit, die Lage als Chance zu
Modernisierung und Flexibilisierung zu begreifen. Ausdrücklich dankte de Maizière
den Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden und Polizeien
von Bund und Ländern für ihre
„hervorragende Arbeit“. Bei
dieser Belastung sei es wichtig,
die Sicherheitsbehörden „deutlich zu stärken. Durch gute Gesetze, durch gute Ausstattung
und mit mehr Personal.“
„Wenn man will, dass der Staat
seine Aufgabe ordentlich erledigt, dann braucht er Personal
und Ausstattung“, betonte der
Minister und verwies auf den
Zuwachs von 1,5 Milliarden
Euro im Etat des Bundesinnenministeriums. Damit seien aber
die Probleme nicht vom Tisch.
„Viele Beschäftigte arbeiten
­bereits heute mehr als in der
Dienstvorschrift steht. Auf Dauer können wir nicht auf den hohen Einsatz mit zig Überstunden und unter hohem Druck
bauen.“ Um dringend benötigte Ressourcen zu erschließen,
müsse auch Personal umgeschichtet werden. De Maizière
versicherte, er werde in nächster Zeit mit den gewerkschaftlichen Spitzenorganisationen zu
einem Spitzengespräch über die
Probleme in den Verwaltungen
und für die Beschäftigten im
öffentlichen Dienst zusammenkommen.
<<
Patzelt: Offenen
­Meinungsstreit dulden
Eine große Diskrepanz zwischen den Erwartungen vieler
Bürgerinnen und Bürger und
der politisch Verantwortlichen
konstatierte Prof. Dr. Werner
Patzelt von der TU Dresden in
seinem Vortrag. Der Politikwissenschaftler, der zuletzt wegen
seiner in den Medien verbreiteten politischen Bewertung der
Pegida-Demonstrationen bekannt geworden war, referierte
<
< Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sagte in ihrem Grußwort auf dem Begrüßungsabend mit Blick auf das Tagungsmotto:
„Wir müssen von der Zuständigkeitskultur zur Lösungskultur wechseln.
Dann werden wir auch wieder mehr Interesse der Bürger an der Demokratie bekommen.“
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
13
fokus
gen Finanzmittel für die Erfüllung der ihnen übertragenen
Aufgaben erhalten.
dbb
zum Titelthema der Tagung.
Ein nennenswerter Teil der Bürger sympathisiere damit, was
Parteien wie die AfD und die
Anhänger von Pegida zum Ausdruck bringen. Dies sei, so Patzelt, unter anderem auf eine
„Repräsentationslücke“ im
rechten Parteienspektrum zurückzuführen. Patzelt sprach
von einer „Sozialdemokratisierung“ der Union, die sehr zum
Vorteil der Mitte der CDU sei.
„Von vielen, die bislang in der
CDU ihre politische Heimat finden, wird dies aber bedauert“,
sagte der Experte. Er sehe einen Konflikt zwischen dem,
was die Bundesregierung sagt,
und den Sichtweisen eines
Teils der Bevölkerung, der doch
eine Obergrenze der Flüchtlingszahlen will.
fokus
14
Statt hinzublicken, wer bei den
Demos von Pegida und AfD auf
die Straße geht und was diese
Menschen bewegt, „war man
sich schnell einig: ausgrenzen,
als dumm und ignorant bezeichnen“. Dies werde sich
auch in den Stimmergebnissen
bei den anstehenden Wahlen
bemerkbar machen und die Regierungsbildung erschweren,
zeigte sich Patzelt überzeugt.
In der Flüchtlingskrise übernehme die Zivilgesellschaft
eine Rolle, die nicht hoch genug zu würdigen sei, aber die
Frage nach der staatlichen
­Verantwortung müsse auch
gestellt werden.
Eine „unzulängliche Rolle“ spielen laut Patzelts Einschätzung
die Massenmedien mit ihrem
„anwaltschaftlichen Journalismus“. So habe es das Bemühen
gegeben, die AfD „zunächst in
die rechte Ecke und dann in die
Bedeutungslosigkeit abzuschieben“. Der Staat müsse Anwalt eines offenen Meinungsstreits sein, nicht Anwalt einer
bestimmten politischen Ausrichtung. „Öffentliche Zustimmung lässt sich nicht erzwingen – redliche, pluralistische,
breit aufgestellte Diskussion“
sei erforderlich und ein legitimes Mittel dafür wäre der
Wahlkampf. „Wenn dabei
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
­ enug, um zwischen Ganoven
g
und Rechtschaffenden zu unterscheiden. In diesem Zusammenhang kritisierte Bosbach
auch die selektive Wahrnehmung der Medien, die zum Protestverhalten vieler Menschen
beigetragen habe: „Die Wahrheit ist politisch korrekt“, sagte
er und wandte sich gegen die
Tabuisierung von Problemen.
Daher müssten auch innerhalb
der Parteien unterschiedliche
Meinungen offen und nach
­außen diskutiert werden.
<
< Norbert Walter-Borjans
­ eikle Themen herausgehalten
h
werden, entzieht man dem
Bürger ein wirkungsvolles Mittel der Meinungsäußerung.“
Das führe zur Gründung von
Protest-Parteien und „die Nebenwirkungen können schädlich sein“, sagte Patzelt.
<<
Diskussion: Wähler abholen, nicht abstempeln
In einer Diskussionsrunde unter
der Leitung von ZDF-Moderatorin Dunja Hayali analysierten
im Anschluss Wolfgang Bosbach (CDU), Mitglied des Innenausschusses des Deutschen
Bundestages, und Prof. Patzelt
insbesondere die Rolle von Politik und Medien in der Flüchtlingskrise. Das im Impulsvortrag von Patzelt geforderte
plebiszitäre Element in der Gesetzgebung lehnte Bosbach ab:
„Der Wunsch nach Volksbegehren ist so alt wie die Bundes­
republik selbst“, sagte er. Das
Problem daran sei die Redukti-
on der Antwort auf „Ja“ oder
„Nein“, die Abwägungsprozesse vermissen lasse. Weiter sei
direkte Demokratie kein Rezept
gegen Politikverdrossenheit,
„weil die Menschen nicht politikverdrossen, sondern parteiund politikerverdrossen sind.
Die Diskrepanz zwischen Wählern und Gewählten wird immer größer.“ Mit Blick auf die
Flüchtlingsproblematik hänge
damit zusammen, dass sowohl
in den Parlamenten als auch in
den Medien die Tatsache zu
kurz gekommen sei, dass
Deutschland eben nicht über
unbegrenzte Integrationskraft
verfüge.
Zur AfD als Protestpartei stellte Bosbach klar: „Die Wähler
denken nicht, dass die AfD die
Probleme löst, sondern dass sie
den etablierten Parteien Feuer
unter dem Hintern macht.“ Es
sei falsch, die Bevölkerung unter den Generalverdacht zu
stellen, sie sei nicht klug
<
< Prof. Dr. Werner Patzelt, Wolfgang Bosbach und Dunja Hayali (von links)
Im Zusammenhang mit der
­Bewältigung des Flüchtlings­
zustroms lobte Bosbach das
über jedes normale Maß hinausgehende Engagement des
öffentlichen Dienstes und seiner Beschäftigten: „Wenn die
Probleme am größten werden,
werden die schönsten Eigenschaften von uns Menschen
sichtbar.“
Für Patzelt verlangt ein gangbarer Mittelweg in der politischen und medialen Diskussion
„intellektuelle Wachheit und
politischen Mut“. Die Medien
müssten sich den Vorwurf gefallen lassen, Beihilfe zur Verschleierungstaktik vieler Politiker geleistet zu haben. Jeder
sei bemüht gewesen, kein Öl
ins Feuer zu gießen, um nicht
in eine politische Ecke gestellt
zu werden. Die Ereignisse der
Silvesternacht in Köln und
­anderen Städten seien damit
sogar eine Chance für die Meinungsbildung, ohne politi­
schen Scharfmachern das Wort
reden zu müssen. „Wenn wir
dbb
In Ostdeutschland, insbesondere in Dresden, polarisiere das
Thema allerdings so stark, „dass
kein objektiver Diskurs möglich
ist. Gerade in diesem Umfeld
löst das Verscheuchen der Wähler keine Probleme.“ Vielmehr
treibe der „Ausgrenzungs- und
Beschimpfungsmodus“ immer
mehr Menschen in die innere
Kündigung gegenüber der Politik. Wirklich ausgegrenzt gehörten aber keine Bürgerinnen und
Bürger, sondern Rassisten und
Scharfmacher.
<<
Güllner: Diktatur der
­Minoritäten
Den programmatischen
Schlusspunkt des ersten Tages
setzte Forsa-Chef Prof. Manfred Güllner, der vor einer zunehmenden Entfremdung
­zwischen Politik und Bürgern
warnte. Die „Partei der Nichtwähler“ sei weitaus größer als
die allenthalben thematisierte
Abwanderung insbesondere
von den Unionsparteien in
Richtung der Rechten, sagte
Güllner in seinem Vortrag.
Man könne anhand der vorliegenden Daten nicht davon ausgehen, dass die „neue Rechte“,
vertreten von Parteien wie
AfD, NPD und Republikanern,
eine größere Anziehungskraft
als je zuvor auf die Wählerinnen und Wähler ausübe, führte
Güllner aus. Hätten die Rechten etwa Ende der 1960eroder der 1980er-Jahre zwischen 6 und 5,4 Prozent der
Wählerstimmen erhalten, erreichten AfD, NPD und Republikaner bei der letzten Bundes-
tagswahl insgesamt „nur“ 3,9
Prozent, bei der vergangenen
Europawahl „nur“ 3,7 Prozent.
Sehe man sich die Wählerbewegungen genauer an, könne
kein Vakuum am rechten Rand
der Unionsparteien belegt
werden: „Von den Unions-­
Abwanderern würden einige
wenige andere Parteien, mehrheitlich im Übrigen die SPD,
wählen, die ganz deutliche
Überzahl jedoch gibt an, ihr
Wahlrecht gar nicht mehr
wahrnehmen zu wollen“, so
der Forsa-Geschäftsführer. Einer Million weniger Stimmen
für die Unionsparteien standen
bei den vergangenen Landtagswahlen in Summe 48 000
mehr Stimmen für die AfD gegenüber – „der rechnerische
Rest ist aller Wahrscheinlichkeit gar nicht wählen gegangen“, so Güllners Schlussfolgerung. „Das Potenzial der AfD ist
weitgehend ausgeschöpft.“
Problematisch sieht der ForsaChef vor diesem Hintergrund
kein etwaiges „Vakuum rechts
der Union“, sondern vielmehr
die „deutlich nachlassende Bindekraft der Volksparteien“, die
ihren Ausdruck in erheblich
schwächeren Wahlergebnissen
und Vertrauenswerten für CDU
und SPD, für die große Koalition fänden. Auch die schlechten
Wahlbeteiligungswerte auf regionaler und kommunaler Ebene wie etwa bei Bürgermeisterdirektwahlen seien Ausweis
für einen nachlassenden Glauben der Wähler an die Sinnhaftigkeit des Wahlrechts. „Die
Konzentration auf die reinen
Wahlergebnisse verstellt die
Sicht auf die Tatsache, dass
­immer mehr Menschen nicht
zur Wahl gehen. Das aber ist
mittlerweile ein handfestes
Legitimationsproblem: Wenn
jemand sagt, ich bin euer
Oberbürgermeister, dann
stimmt das bei einer Wahlbeteiligung von 20 Prozent faktisch nicht mehr“, machte Güllner deutlich. Bedenklich sei
zudem, dass die Wahlbeteiligung insbesondere in sozial
schwachen Räumen noch
schlechter sei als andernorts.
„Experimente mit dem Wahlrecht“ lehnte der Forsa-Chef
mit Blick auf wenig erfolgreiche Reformen in Bremen, Hamburg und Hessen zur Verbesserung der Wahlbeteiligung ab.
Vielmehr, so Güllners Plädoyer,
müssten die Ursachen der
Frustration bei der großen Zahl
von Nichtwählern erkannt und
behoben werden. „Das ist keine Apathie aus Zufriedenheit.
Die Menschen empfinden, dass
die großen Parteien kein Ohr
mehr für sie haben bei all dem
lauten Streit untereinander“,
zudem orientiere sich Politik
zu sehr an den auch von den
Medien häufig und pointiert
transportieren Meinungen von
Minoritäten – diese „Diktatur
der Minoritäten“ sei es, die die
Menschen in die Aufkündigung
ihrer Beteiligung am politischen Prozess treibe. „Sie
­fühlen sich unverstanden.“
können diesen Ton nicht mehr
ertragen. Sie schalten ab.“
<<
Friedrich: Vertrauens­
vorschuss wird erwidert
Über erfolgreiche Anstrengungen Baden-Württembergs bei
der Aufnahme, Unterbringung
und Integration informierte der
Minister für Bundesrat, ­Europa
und internationale Angele­gen­
heiten des Landes, Peter Friedrich, zum Auftakt des zweiten
Konferenztages. „Das Recht auf
Asyl ist Grundrecht und nicht
verhandelbar“, sagte Friedrich
eingangs. Baden-Württemberg
habe in mehrfacher Weise auf
die vielfältigen Herausforderungen reagiert. „Wir haben in
den zurückliegenden Monaten
bis zu 1 500 Menschen täglich
aufnehmen und unterbringen
müssen. Ein schnelles Reagieren
war mit üblichen Strukturen
15
fokus
Menschen abholen wollen, denen eine politische Plattform
fehlt, brauchen wir eine Politik,
die vermeintliche Tabuthemen
besetzt, um kommunikative
Nischen zu vermeiden, in denen sich extreme Positionen
bilden können.“ Defizite attestierte Patzelt gerade der Opposition, die die Regierung und
ihre Politik vor sich hergetrieben und dabei Fehler übersehen habe, die sie eigentlich
aufdecken sollte.
<
< Prof. Manfred Güllner
Lohnend sei ein Blick nach
Skandinavien, wo die Wahlbeteiligung konstant bei über 80
Prozent liege, empfahl Güllner:
„Grund dafür ist wahrscheinlich die stärkere Konsensorientierung des politischen Systems und auch der Medien
dort. Auch die deutschen Wählerinnen und Wähler sind für
Kontroverse und kritische Diskussion – aber sie wollen am
Ende einen Konsens sehen.“
Die politische Diskussion und
Berichterstattung hierzulande
werde zudem zu sehr von
„Häme“ dominiert, so Güllner.
„Aber die meisten Menschen
nicht möglich.“ Deshalb seien
diese verändert und alle staatlichen Ebenen in eine Lenkungsgruppe eingebunden worden
– unter anderem Ministerien,
Bundeswehr, Feuerwehr.
Heute stünden rund 40 000
Plätze zur Erstaufnahme in Baden-Württemberg zur Verfügung. „Wir haben die Bearbeitungszeiten stark verkürzt und
versuchen, Abläufe optimal
­abzustimmen. Zu den Zielen
– etwa eines entsprechenden
Pilotprojektes in Heidelberg –
gehört, Kommunen und Landkreisen nur Flüchtlinge mit
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
dbb
Bleibeperspektive zuzuweisen.
Auch die Information über
Möglichkeiten der freiwilligen
Ausreise sei verbessert worden. 5 300 Menschen hätten
zwischen Januar und November des vergangenen Jahres
davon Gebrauch gemacht.
fokus
16
„Der öffentliche Dienst hat bewiesen, dass er effizient und
effektiv reagieren kann. Aber
die große Herausforderung
liegt eigentlich noch vor uns:
Wie werden die Menschen, die
dauerhaft bei uns bleiben, integriert? Das bedarf gemein­
samer Anstrengungen der gesamten Gesellschaft“, sagte
Friedrich. Dies betreffe nicht
nur den Arbeitsmarkt, wo er
für berufsbegleitende „duale
Integration“ plädiere. In Baden-Württemberg sei ein Anerkennungsgesetz für Berufsabschlüsse geschaffen worden,
Praktika seien ein gangbarer
Weg, Menschen ohne Ausbildung müssten schnellstmöglich qualifiziert werden. In
über 2 000 Vorbereitungsklassen würden Kinder auf den
Schulbesuch vorbereitet, auch
bei der Ganztagsbetreuung
und im Bereich der sozialen
Arbeit unternehme man in Baden-Württemberg große Anstrengungen. Allerdings fehle,
um etwa Stellen beim KitaAusbau zu besetzen, schlichtweg das geeignete Personal.
Schwierigkeiten gebe es auch
dabei, genug bezahlbaren
Wohnraum bereitzustellen.
„Wir wollen aber keine Ghettoisierung“, machte der Minister deutlich.
„Der Vertrauensvorschuss
durch Willkommenskultur wird
von den ins Land Kommenden
vielfach erwidert“, stellte Friedrich fest. „Aber wie eine Gesellschaft funktioniert, lernt man
nicht abstrakt, sondern durch
das Miteinander im Alltag.“
Deshalb plädiere er dafür, „weiterhin den Mut aufzubringen,
offen miteinander umzugehen
und damit einen Beitrag zur
­Integration zu leisten“.
<<
Diskussion: Von Regis­
trierung zu Integration
Die konkreten Herausforderungen für die öffentliche Verwaltung beim Umgang mit der
Flüchtlingssituation waren
auch das Thema der abschließenden Diskussionsrunde. Auf
dem Podium: Dr. Eva Lohse,
Präsidentin des Deutschen
Städtetages, Detlef Scheele,
Vorstand der Bundesagentur
für Arbeit, Peter Friedrich, baden-württembergischer Europa-Minister und der dbb Vize
Ulrich Silberbach. Die Moderation hatte erneut Dunja Hayali
übernommen. Im Fokus der Debatte standen insbesondere die
Kommunen, die durch die Betreuung der Flüchtlinge vor Ort
besonders gefordert sind. Lohse warnte, dass die Belastungsgrenze ­vieler Städte und Gemeinden bereits überschritten
sei. Sie betonte in diesem Zusammenhang die Verantwortungsgemeinschaft mit den
Ländern und dem Bund, von
denen sie ein auch finan­ziell
stärkeres Engagement erwarte.
„Wir geben gerade Geld aus,
<
dbb Vize Ulrich Silberbach, Peter Friedrich, Detlef Scheele, Dr. Eva Lohse
und Moderatorin Dunja Hayali ( von links)
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
das wir nicht haben“, sagte
Lohse mit Blick auf die Kosten
etwa durch die Unterbringung.
Auch Silberbach sieht die
Hauptlast bei den Kommunen.
„Von den 200 000 fehlenden
Stellen im öffentlichen Dienst
entfallen mindestens 120 000
auf den kommunalen Bereich“,
so der dbb Vize. Für die erforderliche Personalgewinnung sei
eine größere Wertschätzung
der Beschäftigten erforderlich.
Diese gelte für die Bezahlung,
„aber auch für die öffentliche
Anerkennung. Wenn sich nach
den furcht­baren Vorkommnissen der Silvesternacht nun
die Politik hinstellt und die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst mit Schelte
überzieht, dann finde ich das
absolut unangebracht. Die Politik hat den Stellenabbau im öffentlichen Dienst über Jahre vorangetrieben und wundert sich
nun, dass in diesen Zeiten besonderer Belastung nicht mehr
alles reibungslos funktioniert.“
Zweifel an der Tauglichkeit der
derzeit diskutierten politischen
Maßnahmen meldete der baden-württembergische Europa-Minister Friedrich an. Als
Beispiel nannte er die Diskus­
sion über die Ausweitung der
Wohnortauflagen. Eine Einschränkung der Freizügigkeit
sei sicher kaum das geeignete
Mittel, zumal „wir andererseits
ja auch Mobilität bei der Inte­
gration erwarten“, so Friedrich.
„Generell habe ich die Sorge,
dass wir derzeit schneller neue
Gesetze produzieren, als die
Verwaltung in der Lage ist, diese umzusetzen. So lösen wir
keine Missstände – schon gar
nicht von heute auf morgen.“
Bezüglich der Integration der
Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt betonte Scheele, dass
die Bundesagentur für Arbeit
(BA) erst nach Abschluss der
Asylverfahren tätig werden
könne. Daher erwarte er eine
stärkere Belastung der BA ab
dem zweiten Quartal 2016.
Die erfolgreiche Integration
sei „ein langer Weg“, grundsätzlich sei er aber optimistisch. Zwar fehle etwa 80 Prozent der Flüchtlinge vorerst die
formale Qualifikation für den
deutschen Arbeitsmarkt. Gelinge aber der Dreiklang aus
paralleler Kompetenzfeststellung, Spracherwerb und beruflicher Eingliederung, sei zukünftig die Integration von
450 000 z­ usätzlichen Kräften
in den ­Arbeitsmarkt aus seiner
Sicht realistisch.
Willi Russ würdigte in seinem
Schlusswort den Beitrag, den
die dbb Jahrestagung 2016 zur
vielschichtigen Debatte um
die Rolle von Politik und Bürgern, insbesondere bei der
­Bewältigung der Flüchtlings­
krise, leisten konnte. „Wir haben dazu zahlreiche Ein- und
Überblicke aus Bund, Ländern,
Kommunen, aber auch aus der
Wissenschaft bekommen und
ein Forum für den Dialog geboten“, so Russ. Er lud Teilnehmer
und Gäste für Januar 2017 zur
58. dbb Jahrestagung nach
Köln ein.
dbb
die andere meinung:
Einkommensrunde 2016 – wessen Krise?
Auf der anderen Seite sagte de
Maizière, man müsse an Befristungen festhalten, und er
hoffe überdies, die im Februar
kommende Einkommensrunde
werde ohne Erzwingungsstreiks und Schlichtung zügig
über die Bühne gehen.
Wenn der Innenminister betont,
niemand
hätte die
derzeitige
Situation
­bezüglich
­anhaltend
hoher Flüchtlingszahlen
voraussehen können,
kann man ihm bestenfalls
mit einem Kopfschütteln zustimmen. Trotzdem ist an der
Stelle auch lauter Widerspruch
angebracht. Zurecht sagte Willi Russ bei der Jahrestagung,
die Verwaltung sei auf Kante
genäht und: „Es gibt keine Reserven, und die Altersstruktur
bietet für die Zukunft keine
Perspektive.“
­normalen
Zeiten kaum noch gewährleistet ist, darf man sich nicht
wundern, wenn einem der Laden in einer Ausnahmesituation wie der derzeitigen bald um
die Ohren fliegt.
Wer in Berlin sich ummelden
möchte, wartet Monate auf
einen Termin. Schlanker Staat
at its best ... Die Überlastung
der Beschäftigten beim BAMF
oder auch die Überlastung der
Polizeien sind Teile des Gesamtbildes. Verweise auf
Überalterung und marode
­Infrastruktur komplettieren
diese Aufzählung nicht.
Was hat das mit der kommenden Tarifrunde für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen zu tun? Das liegt auf
der Hand. Nötig sind: Erstens
eine deutliche Einkommenserhöhung, zweitens ein Ende der
Befristungen für Ausgelernte
und drittens ein Beschäftigungsaufbauprogramm, das
seinen Namen verdient.
Da liegt auch der Widerspruch.
Wenn Bundesregierung nach
Bundesregierung den öffentli-
Erstens: Auf der einen Seite
steht die zeitliche Mehrbelastung, die Beamte und Beschäf-
chen Dienst auf ein Maß zusammenstreicht, mit dem die
Arbeitsfähigkeit mancher
Dienststellen und Behörden
schon in
tigte mitbekommen. Es gibt
Arbeitsschutzgesetze, geregelte Arbeits- und Ruhezeiten,
Überstundenregelungen. Der
Arbeitstag hat nur soundso
viele Stunden. Auf der
©XtravaganT – Fotolia.com
anderen Seite steht
die persönliche, die psychische Überlastung, und die hat
mit der emp­fundenen Wertschätzung für die geleistete
Arbeit zu tun. Nach Jahren des
Verzichts und der Arbeitsverdichtung sollte sich diese
Wertschätzung auch spürbar
im Geldbeutel niederschlagen
und nicht im Appell an eine
„friedliche“ Tarifrunde, wenn
der oberste Dienstherr schon
im Vorfeld durch die Blume ankündigt, dass viel aber nicht zu
holen sein wird. Das ist ein falsches Zeichen.
Der zweite Punkt hat damit zu
tun. Ein Ende der Befristungen
muss her. Wer gute Personalpolitik machen will, der muss
auch eine Perspektive für den
Einstieg ins Berufsleben bieten
und sich als guter Arbeitgeber
darstellen. Befristungen nach
Ausbildungsende helfen da
nicht weiter. In der Wirtschaft
mag es schwankende Auftragslagen oder Ähnliches geben, dass Befristungen rechtfertigt, aber im öffentlichen
Dienst gibt es keine Auftragslage, sondern einen Katalog
klar definierter Aufgaben, die
nicht weniger, sondern eher
noch mehr werden.
Der öffentliche Dienst braucht
drittens mehr Beschäftigte.
Das zeigt die aktuelle Situation. Und die findet man nur,
wenn man sich als attraktiver Arbeitgeber
darstellt, der
nach einer guten Ausbildung
einen sicheren
Einstieg ins Berufsleben zu einer vernünftigen Bezahlung
bietet. Es wäre
schön, würde angesichts des Lamentierens
über die Arbeitsbelastung
wegen der hohen Flüchtlingszahlen einmal das Pferd vom
Kopf her aufgezäumt, denn
eine „Flüchtlingskrise“ ist das
in dem Sinne nicht, sondern
unter anderem die Krise eines
öffentlichen Dienstes, der über
Jahre systematisch demontiert
wurde.
Jörg Meyer
<< Der Autor ...
... Jahrgang 1972, ist Redakteur bei der in Berlin erscheinenden Tageszeitung
„neues deutschland“. Sein
Fachgebiet sind Gewerkschaftsthemen. Er betreut
und erstellt die freitags im
„nd“ erscheinende Seite
„Betrieb und Gewerkschaft“.
Folgen Sie Jörg Meyer auf
Twitter: @doogle13
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
17
fokus
Jüngst kündigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in seiner
Rede bei der 57. Jahrestagung des dbb ein Plus von 1,5 Milliarden Euro in seinem Etat an. Was zunächst für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gut
klingt, ist es bei genauem Hinsehen nicht: Ausbau von Sicherheitsbehörden,
erhöhte Zulagen für Dienst zu ungünstigen Zeiten, ein Stellenpool für besondere Lagen, Zuverdienstgrenzen für Ruheständler, die weiter arbeiten wollen,
werden an- oder gar aufgehoben ... Das sind die falschen Instrumente.
dbb
Nachgefragt bei ...
... Andreas Hemsing, stellvertretender Vorsitzender der komba gewerkschaft
und der dbb Bundestarifkommission:
Alle Beteiligten müssen vom Reden
ins Handeln kommen
?
Aufmerksam beobachten Europa und der Rest der Welt, wie
Deutschland den enormen Zustrom von Flüchtlingen aus den
Krisen- und Kriegsgebieten bewältigt – die einen sagen: „die
schaffen das“, die anderen: „nie
im Leben“. Was sagen Sie aus
der Anschauung des öffentlichen Dienstes heraus?
<<
Andreas Hemsing
Der öffentliche Dienst kann
vieles stemmen, das haben
vergangene Erfahrungen gezeigt. Die anhaltende Flüchtlingssituation ist ohne Zweifel
ein besonderer Kraftakt für die
Kolleginnen und Kollegen in
den Verwaltungen, Kindertagesstätten, sozialen Einrichtungen und Gesundheitsbetrieben. Sie alle zeigen seit
Monaten, zu welchen Leistungen der öffentliche Dienst in
der Lage ist. Dafür gilt ihnen
ein großer Dank. Deshalb bin
ich zuversichtlich, dass der öffentliche Dienst diese Situation
unter großen Anstrengungen
meistert.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
Friedhelm Windmüller (2)
fokus
18
Dass es keinen „Masterplan Flüchtlingshilfe“ gibt, obgleich die Einreisezahlen in die Bundesrepublik bereits seit drei Jahren drastisch angestiegen sind,
ist das eine. Dass es auch nicht mehr gelingen wird – weder in den Kommunen noch anderswo – einen solchen Masterplan zu entwickeln oder gar umzusetzen, ist das andere. Nichtsdestotrotz müssen in der Hauptsache kommunale Mitarbeiter von der Kita-Erzieherin bis zum Rettungs­sanitäter teils
traumatisierte Menschen mit Klein- und Schulkindern betreuen und in eine
G­esellschaft integrieren, deren Sprache den Mi­granten genauso fremd ist
wie deren Sitten und Gebräuche. Die Beschäftigten arbeiten längst am Limit, und die Kommunen benötigen dringend Entlastung durch Neueinstellungen und Finanz­hilfe. Niemand weiß dies aus zahllosen Ortsterminen und
Gesprächen mit Betroffenen besser als Andreas Hemsing. Das sture Festhalten an der Schuldenbremse hält der Experte für Kommunalpolitik für falsch.
Fakt ist aber auch, dass die zusätzlichen Aufgaben nicht nebenher zu schaffen sind. Der
Umgang mit Flüchtlingen und
die damit verbundenen Herausforderungen werden uns
noch Jahre beschäftigen. Daher müssen dringend die Weichen gestellt werden. Alle Beteiligten müssen vom Reden
ins Handeln kommen.
?
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Beschäftigten – sinkt die Motivation
nach Monaten am Limit?
<<
Andreas Hemsing
Die Kolleginnen und Kollegen
sind nach wie vor motiviert. Allerdings berichten die Beschäftigten über eine steigende Be-
lastung bis hin zur Überlastung.
Die eigentliche Arbeit der Kolleginnen und Kollegen fällt ja
aufgrund der Flüchtlingsthematik nicht weg. Die Aufgaben
werden zeitgleich erledigt, andere müssen einspringen oder
die Arbeit bleibt unerledigt,
weil Personal fehlt. Alle drei
­Situationen sind höchst unbefriedigend und führen zwangsläufig zu einer Mehrbelastung
aller Beschäftigten.
?
Was muss passieren, damit
„wir“ das schaffen?
Dass der öffentliche Dienst
­zusätzliches Personal benötigt
ist für uns unstrittig, aber die
Nachwuchskräfte lassen sich
nicht mal eben aus dem Boden
stampfen. In der jetzigen Si­
tuation müssen Sofortmaßnahmen – sozusagen als
­Überbrückung – greifen. Eine
kurzfristige Möglichkeit ist die
Reaktivierung der Pensionäre.
Hier muss die Hinzuverdienstgrenze deutlich angehoben
oder ganz ausgesetzt werden,
damit ein Anreiz für die Pen­
sionäre gegeben ist. Konkrete
Pläne dazu gibt es bereits. Ein
weiterer wichtiger Aspekt ist
die Wiederbesetzungssperre.
Diese muss endgültig fallen,
damit die Kommunen aufgrund der herrschenden per­
sonellen Engpässe schneller
reagieren können.
Die Kommunen kommen zudem nicht mehr dazu, all ihren
originären Aufgaben in vollem
Umfang nachzugehen. Hier ist
über eine Priorisierung nachzudenken. Hat es eine größere
Priorität, sich um die Themenfelder zu kümmern, bei denen
Menschen im Mittelpunkt ste-
dbb
hen, oder geht es um die Einhaltung der Schuldenbremse?
Diese würde mittelbar die
Kommunen treffen. Die Möglichkeit, den Eintritt der mit der
Schuldenbremse verbundenen
Maßnahmen zu verschieben
oder diese vorläufig aufzuheben, sollte daher diskutiert
werden.
Bei den wichtigen Debatten
über Registrierung und Unterbringung dürfen wir außerdem
nicht verpassen, die Integration der Flüchtlinge im Blick zu
halten. Da wartet eine Mammutaufgabe auf die Kommunen, die sie nur mit der Un­
terstützung von Bund und
Ländern schaffen können. Im
Sport würde man von einem
Marathon sprechen.
?
Wenn Sie von Integration
­sprechen, an welche Aspekte
denken Sie da konkret?
<<
Andreas Hemsing
Die Integration ist eine Querschnittsaufgabe, die viele Bereiche umfasst. Dazu gehört,
dass die Bleibeberechtigten so
früh wie möglich den Zugang
zur Bildung und damit den Zugang in unsere Gesellschaft erhalten müssen. Und auch dabei
sind die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes gefragt,
denn traumatisierte Kinder und
Eltern, kulturelle Barrieren und
mangelnde Sprachkenntnisse
sind für die Kita-Beschäftigten
genauso eine Herausforderung
wie für die Beschäftigten der
sozialen Arbeit und die Lehrer.
Der hohe zusätzliche Bedarf an
KiTa- und Schulplätzen sowie
die Betreuung der unbegleiteten Minderjährigen kann schon
heute nicht mehr abgedeckt
werden. Es werden zehntausende Kita- und Schulplätze
fehlen. Weitere Investitionen
in Bildung und Betreuung sind
daher zwingend erforderlich.
?
Muss auch über einen neuen
Zuschnitt der Finanzierung
nachgedacht werden – bei
den Kommunen liegt ja letztlich die Hauptlast dieses histo­
rischen Kraftaktes, der zweifellos mehrere Jahre lang andauern dürfte …
<<
Andreas Hemsing
... tatsächlich ist es so, dass
durch die gestiegenen Flüchtlingszahlen die Kosten in den
Kommunen explodieren. Die
meisten Bundesländer erstatten den Kommunen eine Pauschale pro Flüchtling. Diese ist
aber nicht kostendeckend. Zudem besteht das Problem, dass
einige Länder zusätzliche Mittel aus Bundeshand nicht 1:1
an die Kommunen weitergeben. Die Kommunen sind aber
nur dann handlungsfähig,
wenn die Bereitstellung von
Mitteln für Personal- und Sachkosten der Aufgabenfülle folgt.
Die Konnexität muss zu 100
Prozent erfolgen. > dbb magazin | Januar/Februar 2016
Branchentage zur Einkommensrunde 2016:
Mitglieder diskutierten
Im Vorfeld der Forderungsfindung zur Einkommensrunde 2016 für die Beschäftigten von Bund und Kommunen haben die in den dbb Fachgewerkschaften organisierten Kolleginnen und Kollegen das Wort. In einer Vielzahl
von Branchentagen erhalten sie Gelegenheit, die besonderen Probleme ihrer
Berufsgruppen zu diskutieren und das Forderungspaket durch ihre Argumente mitzugestalten.
„Die Kolleginnen und Kollegen
beim Bund und in den Kommunen haben eine spürbare Verbesserung ihrer Arbeits- und
Einkommenssituation mehr als
verdient“, stellte Willi Russ,
Zweiter Vorsitzender und Verhandlungsführer des dbb in
der bevorstehenden Einkommensrunde, zum Start der bundesweiten Branchentage klar.
„Das gilt für die mit der Bewältigung des Flüchtlingszustroms
beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an Behörden, Schulen und Ämtern. Dort
wird seit Monaten über alle Belastungsgrenzen hinaus gearbeitet. Das gilt aber auch für
die Kolleginnen und Kollegen
aller anderen Berufsgruppen
des öffentlichen Dienstes.
Denn die Personaleinsparungen der vergangenen 20 Jahre
haben die Arbeitsbelastung
überall schmerzlich erhöht.“
<<
Straßenwärter: Sicherheit und Anerkennung
Zum ersten Branchentag versammelte sich die Belegschaft
der Straßenmeisterei von Deizisau (Baden-Württemberg)
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
am 14. Januar 2016. Mit dem
Bundesvorsitzenden der Fachgewerkschaft der Straßenund Verkehrsbeschäftigten
(VDStra.), Siegfried Damm, der
auch stellvertretender Vorsitzender der dbb Bundestarifkommission ist, und dem
gungen vorgestellt hatte. Die
Beschäftigten der Straßenmeisterei nahmen anschließend kein Blatt vor den Mund.
Neben der Forderung nach einer spürbaren ­linearen Erhöhung sind die Arbeitsver­dich­
tung und die Unfallgefährdung
Damit die gewohnte Mobilität
erhalten bleibt, muss deutlich
mehr geflickt und kontrolliert
werden als früher, zumal aufgrund des erheblichen Personalabbaus wichtige Aufgaben
zur Verkehrssicherheit auf der
Strecke geblieben sind. Die
­Arbeitsverdichtung ist also
­vorprogrammiert.“
<
< ... mit dbb Vize Willi Russ in Dresden ...
Gut begründete Argumente
und konstruktive Forderungen
nach Verbesserungen ihrer Arbeits- und Einkommenssituation hatten auch die Teilnehmer
des zweiten Branchentages der
Straßenwärter am 19. Januar in
die Straßenmeisterei im sächsischen Freiberg mitgebracht.
Auch hier standen die Auswirkungen zunehmender Arbeitsverdichtung bei geringer Personalausstattung ganz oben auf
der Liste der Probleme. Die
Straßenwärter aus Sachsen
zeigten sich zugleich unzufrieden und enttäuscht, dass die
Gleichstellung Ihrer Arbeits­
bedingungen an den Westen
auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung noch nicht
­umgesetzt ist.
VDStra.-Landesvorsitzenden in
Baden-Württemberg, Robert
Wendling, diskutierten die Beschäftigten berufsspezifische
Inhalte, die in die Forderungsfindung des dbb einfließen
­sollen. Damm stellte sich der
Diskussion, nachdem er die tarifpolitischen Rahmenbedin-
„Ihr habt heute mit euren
­Vorschlägen und Anregungen
gezeigt, dass wir auch in der
Einkommensrunde 2016 auf
eine engagierte Basis vertrauen können“, fasste Damm die
Ergebnisse des Freiberger Branchentages zusammen. „Ich
werde mich dafür einsetzen,
Britta Ibald
fokus
20
<
< Kolleginnen und Kollegen aus allen
Bereichen des öffentlichen Dienstes
nutzten die dbb Branchentage zum
offenen Gedankenaustausch, wie
hier mit VDStra.-Chef Siegfried
Damm in Freiberg ...
vor Ort ein ganz großes Thema.
Damm zeigte Verständnis für
die Klagen der Beschäftigten,
„denn schließlich veraltet unser Straßennetz, einschließlich
der Autobahnen und wird aktuell von der Politik mit der
Ausnahme einiger Prestigeobjekte auf Verschleiß gefahren.
Friedhelm Windmüller
dbb
dbb
dass eure Anliegen im dbb
­Forderungspaket Berücksich­
tigung finden.“
<<
Bundeswehr: starke
Truppe für die Truppe
Willi Russ betonte in Dresden,
dass sich die deutlich gestiegene Arbeitsbelastung der Beschäftigten im öffentlichen
Dienst „im Gehalt widerspiegeln“ müsse. „Wir werden verhindern, dass der öffentliche
Dienst von der Lohnentwicklung in der Privatwirtschaft abAnne Oschatz
„Die Truppe braucht eine starke
Truppe im Hintergrund, die ihr
als leistungsfähiger ziviler Partner zur Seite steht“, betonte
Herbert Schug, Bundesvorsitzender des Verbands der Arbeitnehmer der Bundeswehr (VAB),
auf dem Branchentag der Bundeswehrbeschäftigten am 18.
Januar in Dresden. Die rund
75 000 zivilen Fachkräfte – davon rund 25 000 Beamte und
50 000 Arbeitnehmer – spielten
als Dienstleister in den Bereichen Personal, Ausrüstung,
­Informationstechnologie und
Nutzung, Infrastruktur, Um-
abbaus im Zuge der Umstrukturierung schon zu wenige sind,
um allein unseren originären
Auftrag zu erfüllen“, machte
der VAB-Chef deutlich. Die Beschäftigten erwarteten zumindest einen spürbaren Einkommenszuwachs als Zeichen der
Wertschätzung, sagte Schug.
„Auch die Ost-West-Angleichung der Jahressonderzahlung
ist nach mehr als einem Vierteljahrhundert deutscher Einheit
jetzt endlich einmal fällig.“
<
< ... und der Bundesgeschäftsführerin der Gewerkschaft der Sozialversicherung (GdS), Siglinde Hasse (dritte von links), in Hamburg.
weltschutz und Dienstleistungen sowie Rechtspflege und Militärseelsorge eine wesentliche
Rolle für die Armee. „Tagtäglich
sorgen Kollegen dafür, dass die
Soldaten sich voll und ganz auf
ihren Dienst konzentrieren können.“ Insbesondere in den vergangenen Monaten habe die
Bundeswehrverwaltung zahlreiche Aufgaben im Zusammenhang mit der Bewältigung
der Flüchtlingssituation geschultert: ­„Zusätzliche Transport-, Verpflegungs- und Unterbringungsherausforderungen
­wurden ebenso wie Unterstützungsabordnungen zum Bundesamt für Migration und
Flüchtlinge mit großer Hilfs­
bereitschaft und Motivation
angenommen – obwohl wir
­wegen des stetigen Personal­
gekoppelt wird.“ Neben einer
spürbaren Lohnerhöhung will
der dbb den Arbeitgeber Staat
attraktiver für den Berufsnachwuchs machen und eine unbefristete Übernahme aller Auszubildenden durchsetzen. „Die
Befristung von Stellen im öffentlichen Dienst hat ein unerträgliches Ausmaß erreicht“,
sagte Russ, damit müsse
Schluss sein, wenn der öffent­
liche Dienst qualifizierte und
motivierte junge Menschen
für sich gewinnen wolle.
<<
Sozialversicherung:
Mammutaufgabe
In Hamburg trafen sich am
18. Januar Beschäftigte aus
dem Bereich der gesetzlichen
Sozialversicherung. „Eine soli-
darische Gesellschaft braucht
eine starke Sozialversicherung“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der dbb Bundestarifkommission, Siglinde
Hasse. „Deshalb werden wir
in der Einkommensrunde für
bessere Arbeitsbedingungen
kämpfen, um auch in Zukunft
genügend qualifiziertes Personal für diesen Bereich werben
zu können.“
Als Beispiel für notwendige
Verbesserungen nannte Hasse
die Bundesagentur für Arbeit
(BA): „In den vergangenen Jahren wurde das ehemalige Arbeitsamt immer wieder umorganisiert, was die eigentliche
Sacharbeit erschwert hat.
Gleichzeitig hat sich der ge­
sellschaftliche Umgang verschlechtert, sodass es immer
häufiger sogar zu körperlichen
Übergriffen auf die Beschäftigten gekommen ist – teilweise
mit tödlichen Folgen. Und ganz
aktuell erwartet uns mit der
Integration der vielen Flüchtlinge und Einwanderer eine
weitere Mammutaufgabe. Da
ist es doch das Mindeste, die
Leistung der Beschäftigten
wertzuschätzen, auch in Form
von Teilhabe an der guten wirtschaftlichen Entwicklung. Außerdem muss die unsägliche
Befristungspraxis endlich ein
Ende haben. Mit 14,2 Prozent
liegt der Anteil der befristet
Beschäftigten bei der BA viel
zu hoch, sogar über der Quote
im gesamten öffentlichen
Dienst. Das zu ändern sollte
auch im Interesse der Arbeitgeber sein, denn nur so werden
wir dauerhaft ausreichend Personal gewinnen können.“
Der Bereich der gesetzlichen
Sozialversicherung umfasst
etwa die Unfall-, Renten- und
Arbeitslosenversicherung. Zu
den Trägern gehört neben der
BA beispielsweise die Deutsche
Rentenversicherung. Zwar gelten bei den Trägern oft eigene
Tarifverträge, diese sind aber
in der Regel eng an den Tarifvertrag für den öffentlichen
Dienst (TVöD) für Bund und
Kommunen angelehnt. > dbb magazin | Januar/Februar 2016
dbb
Befristungen im öffentlichen Dienst:
Neue Studie offenbart massive Strukturprobleme
Befristete Arbeitsverträge spielen im öffentlichen Dienst eine größere Rolle
als in der Privatwirtschaft, insbesondere bei der Einstellungspraxis. „Bei Befristungsquoten im Arbeitnehmerbereich zwischen 8,2 Prozent in Kommunen, 11,3 Prozent beim Bund und 12,3 Prozent in den Ländern, in wissenschaftlichen Einrichtungen sogar zwischen 50 und 90 Prozent, ist die Mär
vom ‚sicheren Arbeitsplatz öffentlicher Dienst‘ endgültig widerlegt“, kommentierte der Zweite dbb Vorsitzende und Fachvorstand Tarifpolitik, Willi
Russ, die Ergebnisse der aktuellen Studie zur Befristungspraxis im öffentlichen Dienst, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)
am 29. Dezember 2015 veröffentlicht hat.
©Nick Freund – Fotolia.com
fokus
22
„Die aktuellen Zahlen offen­
baren ein massives Strukturproblem der Personalpolitik
von Vater Staat: Befristete Beschäftigung kommt im öffentlichen Sektor immer häufiger
als Notlösung für fehlende
Stellen im Haushaltsplan zum
Einsatz. Damit muss endlich
Schluss sein. Insbesondere angesichts der Herausforderungen, die der öffentliche Dienst
mit Blick auf die aktuell und in
den kommenden Jahren anstehenden Aufgaben bewältigen
muss“, kritisierte der dbb Vize.
Gewerkschaften und Arbeitgeber hatten das IAB im Zuge der
vergangenen Einkommensrunde für die Beschäftigten von
Bund und Kommunen im Jahr
2014 mit der Erhebung valider
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
Daten zur Befristungspraxis im
öffentlichen Dienst beauftragt,
um die insbesondere von der
Arbeitnehmerseite zunehmend
scharf kritisierte ausufernde
Einstellungs- und Beschäftigungspolitik auf Zeit wissenschaftlich aufarbeiten und
­be­werten zu lassen. Dazu wertete das IAB zum einen vorhandene Daten aus dem Betriebs­
panel, der Personalstands­statistik und dem Mikrozensus
aus. Zum anderen wurden Beweggründe und Details zur Befristungspraxis im Rahmen von
Expertenbefragungen (Personalverantwortliche und Personalvertreter) in 15 repräsentativen Dienststellen erhoben.
Die IAB-Wissenschaftler ermittelten, dass der Anteil befriste-
ter Arbeitsverhältnisse bei den
Arbeitnehmern im öffentlichen
Dienst einschließlich des Wissenschaftsbereichs oberhalb
von 15 Prozent liegt. Zudem
zeige sich, dass vor allem jüngere Arbeitnehmer unter 35 Jahren häufig befristet beschäftigt
werden. Dort liegt der Befristungsanteil laut Studie mehr als
doppelt so hoch wie in den
­übrigen Altersgruppen. „Befristete Beschäftigung kommt im
öffentlichen Sektor vielfach
deshalb zum Einsatz, weil temporäre Personalausfälle kompensiert werden müssen oder
Personalressourcen nur befristet zugewiesen werden. Entscheidende Stellschrauben für
eine Reduzierung befristeter
Arbeitsverträge dürften somit
eine ausreichende Finanzierung
von Planstellen und eine Erhöhung der organisationalen Flexibilität beispielsweise über die
Schaffung von unbefristeten
Vertretungsstellen sein“, heißt
es weiter in dem IAB-Bericht.
„Es ist ein Skandal, dass vor allem jüngere Arbeitnehmer unter 35 Jahren mehr als doppelt
so häufig befristet beschäftigt
werden als alle übrigen Altersgruppen. In vielen Bereichen
kann der öffentliche Dienst
schon bei der Bezahlung nicht
mit der Privatwirtschaft mithalten. Wenn nun auch mehr
und mehr der Faktor Sicherheit
wegbröckelt, braucht sich niemand über den immer größeren Nachwuchs- und Fachkräftemangel zu wundern. Junge
Menschen bestehen zu Recht
auf echte Perspektiven, wenn
sie sich für einen Arbeitgeber
entscheiden“, warnte Russ und
kündigte an: „Deswegen werden wir die unbefristete Übernahme aller Auszubildenden
auch bei der im Frühjahr 2016
startenden Einkommensrunde
mit Bund und Kommunen wieder zum Thema machen. Es ist
an der Zeit, ein Zeichen zu setzen und den öffentlichen
Dienst als attraktiven Arbeitgeber zu positionieren. Das
Ende der heutigen Befristungspraxis, eine nachhaltige Personalpolitik und ein deutliches
Einkommensplus sind dafür
der richtige Weg. Befristung
schadet mehr als sie nutzt“,
betonte Russ. „Sie bindet Ressourcen der Stammbelegschaft, weil die befristeten Kollegen eingearbeitet werden
müssen und erst nach Monaten voll einsatzfähig sind. Und
nach zwei Jahren kommt schon
die nächste befristete Kraft.
Was dabei an Wissenstransfer
und Motivation auf der Strecke
bleibt, ist in keiner Hinsicht akzeptabel – weder für die Beschäftigten noch für die Bürgerinnen und Bürger.“
E-Government:
Vitt ist seit Oktober 2015 für
die Informationstechnik der
Bundesregierung zuständig
und damit auch für alle Fragen, die die Digitalisierung in
der Bundesverwaltung, aber
auch die Koordination im Verhältnis zu Ländern und Gemeinden betreffen. Bezüglich
der Flüchtlingssituation beste-
he insbesondere die Notwendigkeit, die Ausstattung des
Bundesamtes für Migration
und Flüchtlinge (BAMF) zu modernisieren und auszubauen.
Zudem gehe es darum, die Daten, die auf den unterschiedlichen staatlichen Ebenen in
verschiedenen IT-Systemen
vorgehalten werden, allen
<
< Hans-Ulrich Benra, Klaus Vitt und Willi Russ (von links)
­ eteiligten zugänglich zu
B
­machen, waren sich die Gesprächspartner einig. Der dbb
sieht darin einen unverzichtbaren Schritt, um die Situation
praktikabler zu machen. Russ
und Benra begrüßten die Einbindung des dbb in den nationalen IT-Gipfelprozess und
kündigten an, in Zukunft aktiv
in der Plattform „Digitale Verwaltung und öffentliche IT“
mitzuwirken. Im Rahmen des
IT-Gipfels gehe es nicht um
formalisierte Entscheidungsprozesse, sondern um die
­ebenenübergreifende Ent­
wicklung neuer Verfahren
und Strategien.
Bezüglich des neuen IT-Zen­
trums des Bundes, das seine
Arbeit am 1. Januar 2016 aufgenommen hat, verwiesen
Russ und Benra auf die Notwendigkeit einer frühzeitigen
und effektiven Beteiligung der
Beschäftigten bei der Einführung und Gestaltung neuer Abläufe. „Ohne die auch von der
Bundesregierung geforderte
Akzeptanz bei den Beschäftigten und der Berücksichtigung
ihrer praktischen Erfahrung
werden Neuerungen behindert“, so Russ. Darüber hinaus
erteilte Benra Privatisierungstendenzen bezüglich des ITZentrums eine klare Absage. 23
fokus
Es gibt kaum einen Bereich der öffentlichen
­Verwaltung, der nicht von den Auswirkungen
des Flüchtlingszustroms betroffen ist. Das ging
aus e
­ inem Gespräch des Zweiten Vorsitzenden
des dbb, Willi Russ, und des stellvertretenden
dbb B
­ undesvorsitzenden und Fachvorstandes
­Beamtenpolitik, Hans-Ulrich Benra, mit dem
Staats­sekretär im Bundesministerium des Innern,
Klaus Vitt, am 19. Januar 2016 in Berlin hervor.
Jan Brenner
IT-Systeme vereinheitlichen
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
©Kenishirotie – Fotolia.com
dbb
Krisenmanagement:
Politik hat Warnungen
jahrelang ignoriert
Der dbb hat der Politik in Bund und Ländern vorgeworfen, zu spät auf die sich abzeichnende Flüchtlingskrise reagiert zu haben. „Die Flüchtlingskrise
ist keine Verwaltungskrise, sondern eine Krise der
politischen Führung“, sagte der Zweite Vorsitzende Willi Russ den Zeitungen der FUNKE Mediengruppe (Ausgaben vom 28. Dezember 2015).
hörden säßen deshalb nicht in
den Amtszimmern, sondern in
Regierungen und Parlamenten.
Gerade Haushaltspolitiker hätten Wünsche nach mehr Personal immer wieder abgeblockt,
berichtete Russ. Das Argu-
Um die bei den Behörden in den
vergangenen Monaten entstandenen „Millionen Überstunden“
abzubauen, schlug Russ einen
finanziellen Ausgleich vor. „Wir
fordern deshalb die öffentlichen
24
Jahreswirtschaftsbericht:
spezial
Der dbb habe schon vor Jahren
davor gewarnt, dass es an Personal und technischer Ausstattung fehle: „Die Politik hat diese Warnungen ignoriert.“ Die
Verantwortlichen für die angespannte Situation in den Be-
ment: Es gebe keine neuen
Stellen, der öffentliche Dienst
müsse sparen. „Wir brauchen
im gesamten öffentlichen
Dienst mehr als 180 000 neue
Kolleginnen und Kollegen“, verlangte der dbb Vize.
Leiharbeit befristen und begrenzen
Der Zweite Vorsitzende und
Fachvorstand Tarifpolitik des
dbb, Willi Russ, machte deutlich, dass der öffentliche Dienst
nach einer Studie des IAB bei
der Befristung von Arbeitsverträgen eine größere Rolle spiele
als die Privatwirtschaft. Ausdrücklich unterstützte er die
Pläne des Arbeitsministeriums,
die Voraussetzungen für Leihund Zeitarbeit zu begrenzen.
Darüber hinaus betonte er, dass
die Integration der Flüchtlinge
nicht auf dem Rücken des durch
Einsparungen geschrumpften
öffentlichen Dienstes durchgeführt werden dürfe.
In seinem Statement hatte der
Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, Dr. Rainer
Sontowski, darauf hingewie-
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
Jan Brenner
Die Spitze des dbb ist am 5. Januar 2016 in Berlin mit führenden Vertretern
der Bundesministerien für Wirtschaft und Energie, für Arbeit und Soziales
und dem der Finanzen zusammengetroffen, um sich unter anderem über
die wirtschaftliche Entwicklung dieses Jahres auszutauschen.
<
< Im Bild von links: Thomas Eigenthaler (dbb/DSTG), Thorben Albrecht
(BMWi), Willi Russ (dbb), Dr. Rainer Sontowski (BMWi) und Hans-Ulrich
Benra (dbb)
sen, dass Investitionen einen
Schwerpunkt im Jahreswirtschaftsbericht bildeten. Zusätzlich betonte er die Investitionserfordernisse aufgrund der
Flüchtlingslage. Sontowski
­äußerte zudem, dass das Sparvolumen im öffentlichen Dienst
mehr als ausgeschöpft sei.
Der stellvertretende Bundesvorsitzende und Fachvorstand
Arbeitgeber auf, Möglichkeiten
zu schaffen, wie Überstunden
im Einzelfall und ausschließlich
auf freiwilliger Basis finanziell
kompensiert werden können.“
Allerdings müssten die Mitarbeiter zunächst die Chance bekommen, Freizeitausgleich nehmen zu können. „Viele Kollegen
müssen einfach mal raus aus
dem Job, weil sie schlicht überlastet sind. Diese Überlastung
kann man mit Geld nicht abbauen“, sagte Russ.
Beamtenpolitik des dbb, HansUlrich Benra, betonte die Wichtigkeit des vom Arbeitsministerium angestoßenen Dia­logprozess zum Arbeiten 4.0, an dem
auch der dbb maßgeblich beteiligt ist. Der stellvertretende
Bundesvorsitzende des dbb und
Vorsitzende der Deutschen
Steuer-Gewerkschaft (DSTG),
Thomas Eigen­thaler, forderte
die rasche Umsetzung des sogenannten „BEPS-Aktionsplanes“ der G20-Industriestaaten,
um Steuerflucht über die Grenzen hinweg einzudämmen. Er
begrüßte grundsätzlich eine
weitere „Digitalisierung“ des
Besteuerungsverfahrens, zeigte
sich jedoch skeptisch hinsichtlich des Ziels der Bundesregierung, zukünftig rund die Hälfte
der Steuererklärungen vollautomatisch zu bearbeiten. Dies sei
ohne eine Steuervereinfachung
nicht machbar. Eigen­thaler äußerte die Er­wartung, dass der
öffentliche Dienst nicht mehr
als „Steinbruch“ für Einsparungen herhalten dürfe.
dbb
Frauen in Führungspositionen:
Regierung hinkt hinterher
Eine Ebene darunter – bei den
Abteilungsleitern – liegt der
Frauenanteil bei 23 Prozent.
Damit unterschreitet die Regierung die Vorgaben, die sie für
große Unternehmen festgelegt
hat. Nur fünf von 16 Bundesministerien hatten Stand
30. Dezember 2014 auf Ab­
teilungsleiterebene einen
­Frauenanteil von mindestens
30 Prozent: das Familien-, Justiz-, Entwicklungs-, Umweltund Gesundheitsministerium.
Neuere Zahlen konnte die Bundesregierung der Linken-Abgeordneten nicht nennen. Ein anderes Bild geben laut „Stern“
die Verwaltungen des Deutschen Bundestags und des
Bundesrats ab: Beide Institutionen haben jeweils zur Hälfte
Bundesverfassungsgericht:
Der dbb hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage
der verfassungsmäßigen Untergrenze amtsangemessener Alimentation
am 18. Dezember 2015 in Berlin begrüßt. Dazu Hans-Ulrich Benra, stell­
vertretender dbb Bundesvorsitzender und Fachvorstand Beamtenpolitik:
„Die ­Zeiten willkürlicher Besoldungsentscheidungen sind vorbei. Für die
­Gesetzgeber gelten jetzt klare Maßstäbe.“
tungsspielraum der Besoldungsgesetzgeber nach unten
verbindlich ein. Gleichwohl
­erwartet der dbb, dass sich
die Parlamente bei künftigen
Anpassungen nicht vorrangig
an dieser Untergrenze orien­
tieren.“
Die Arbeitsbelastung der Kolleginnen und Kollegen sei nicht
erst seit der Flüchtlingskrise
enorm gestiegen. Zudem stehe
dbb Vize Astrid Hollmann erklärt die Ungleichheit damit,
dass Frauen, die wegen der Familie in Teilzeit wechseln, mit
ihrer Karriere oft nicht mehr
vorankämen. „Außerdem sind
Männer bei Bewerbungen für
Stellen oft selbstsicherer. Frauen sind generell selbstkritischer und stellen ihre Quali­
fikation für hohe Positionen
eher infrage“, so Hollmann im
Gespräch mit dem „Stern“.
<< SuE-Tabellen online
Willkür bei A-Besoldung beenden
Erwartungsgemäß habe das
Gericht damit seine bereits in
der Entscheidung am 5. Mai
2015 zur Richterbesoldung aufgestellten Kriterien bestätigt
und bezogen auf die Besonderheiten der A-Besoldung moderat weiterentwickelt, erläutert
Benra: „Der Umstand, dass diese Maßstäbe künftig bei Besoldungsanpassungen in Bund
und Ländern gleichermaßen
gelten, grenzt den Gestal-
Frauen und Männer als Abteilungschefs.
der öffentliche Dienst vor großen Problemen bei der Nachwuchsgewinnung. Benra:
„Wir benötigen überall in
Deutschland eine attraktive
und wettbewerbsfähige Be­
soldung zur Motivation unserer Beamtinnen und Beamten
und für die künftige Gewinnung geeigneter Fachkräfte.
Die öffentlichen Aufgaben
­sollen ja auch in Zukunft bestmöglich erfüllt werden.“
Nach dem Abschluss der
­Redaktionsverhandlungen
im kommunalen Sozial- und
Erziehungsdienst hat der
dbb die aktuellen Entgelt­
tabellen als interaktives
­Excel-Modul zum Download
online gestellt.
Die Entgelttabellen
­berücksichtigen alle
neuen Regelungen sowie
selbstverständlich die ausgehandelten Erhöhungen:
http://goo.gl/uVemSy
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
25
spezial
Möhring, frauenpolitische
Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken, geht nun
hervor, dass unter den 28 beamteten Staatssekretären der
Bundesministerien nur fünf
Frauen sind. Das entspricht
­einem Anteil von weniger als
18 Prozent.
@mma23 – Fotolia.com
Seit Anfang März 2015 sind
börsennotierte Unternehmen
verpflichtet, 30 Prozent ihrer
Aufsichtsratsposten mit Frauen zu besetzen. Das Bundesgleichstellungsgesetz verpflichtet seit Mai 2015 auch
Bundesbehörden, Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils festzulegen. Im Sommer soll zum
ersten Mal ein Gleichstellungsindex für Bundesministerien
und andere oberste Bundes­
behörden erscheinen. Aus einer dem „Stern“ vorliegenden
Kleinen Anfrage von Cornelia
©Rido – Fotolia.com
„Es gibt auch im öffentlichen Dienst noch zu wenige Frauen in hohen Führungspositionen, wenn
man bedenkt, was jetzt gesetzlich von der Wirtschaft verlangt wird“, hat die stellvertretende dbb
Bundesvorsitzende Astrid Hollmann gegenüber
dem Magazin „Stern“ (stern.de vom 15. Januar
2016) erklärt.
dbb
Wiederanlage in der Niedrig-Zins-Epoche:
Was tun, wenn die Lebensversicherung fällig wird?
2016 enden überdurchschnittlich viele Lebensversicherungen: Zahlreiche
Menschen haben 2004 noch einen Vertrag mit der gesetzlichen Mindestlaufzeit von zwölf Jahren abgeschlossen. Damit sicherten sie sich den letztmals möglichen Vorteil einer steuerfreien Auszahlung. Wer nun in abseh­
barer Zeit sein Geld ausgezahlt bekommt, steht jedoch vor einer echten
Herausforderung: Was tun mit dem Kapital, wenn die Zinsen niedrig sind
wie nie zuvor?
©Ingo Bartussek – Fotolia.com
<<
spezial
26
Die aktuellen Zinsnotierungen
zeigen es schwarz auf weiß:
Geld auf vergleichsweise si­
chere Weise mit vernünftiger
Rendite anzulegen, ist heute
schwieriger denn je. So beträgt
der durchschnittliche Tagesgeld-Zinssatz nur 0,35 Prozent,
Staatsanleihen solider Länder
wie Deutschland notieren
­ähnlich niedrig, während die
Schweiz gar einen „Strafzins“
verlangt, der abgezogen wird.
Der Grund dafür ist die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken der großen Industrieländer
seit der weltweiten Finanzkrise
2008. Wer heute oder morgen
seine Lebensversicherung ausbezahlt bekommt, hat trotzdem noch so manch attraktive
Möglichkeiten, sein Kapital
sinnvoll wieder anzulegen –
zum Beispiel über die Angebo-
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
te der ­Kooperationspartner des
dbb vorsorgewerk.
<<
Ins eigene Zuhause
­investieren
Eigentümer einer Immobilie
etwa können mit einer einmaligen Einzahlung in das „Immobilienkonto Cash 5“ der Bausparkasse Wüstenrot in den
Werterhalt von Haus oder
Wohnung investieren und so
die gegenwärtig günstigen
Darlehenszinsen günstig für
die nächsten Jahre sichern. Mit
der Möglichkeit von Darlehen
bis zu 30 000 Euro ohne Grundschuldeintrag lassen sich zum
Beispiel energetische Sanierungen oder ein altersgerechter
Umbau entspannt finanzieren.
Ein etwaiges Restguthaben
steht nach 15 Jahren wieder
komplett frei zur Verfügung.
Über das dbb vorsorgewerk
sparen dbb Mitglieder die halbe Abschlussgebühr beim Bausparvertrag und bekommen
einen Zinsabschlag bei der
­Finanzierung.
Interessante Perspektiven bietet auch die Relax-Rente der
DBV Deutsche Beamtenversicherung. In Form einer ausgeklügelten Konzeption vereint
sie die – nach wie vor attraktiven – Renditechancen der Börsen mit der Sicherheit eines
Sparguthabens. Ein nahezu
einzigartiger Ansatz, der auch
in der Fachpresse großes Lob
fand. In der Version Premium
ist sogar ein sofortiger Auszahlungsbeginn möglich. dbb Mitglieder erhalten zusätzlich Sonderkonditionen.
Versorgungslücken
schließen
Auch eine Auslagerung des
Pflegefallrisikos sollte zumindest eine Überlegung wert
sein. Das Lebensrisiko zum
Pflegefall zu werden, steigt
im Alter erheblich an und wird
häufig unterschätzt: Knapp
drei Viertel aller Frauen und
jeder zweite Mann über 30
dürften im Laufe ihres Lebens
pflegebedürftig werden.
Über die Angebote des dbb vorsorgewerk kann im Pfle­gefall
die Versorgungslücke zwischen
Beihilfe beziehungsweise Kassenleistung und tatsächlichen
Pflegekosten ver­ringert oder
gar komplett ausgeglichen
werden. Ohne eine solche Zusatzversicherung muss eigenes
Vermögen aufgebraucht werden; auch die eigenen Kinder
können gegebenenfalls zur
Kasse gebeten werden.
Eine sinnvolle Vorsorge in anderer Angelegenheit bietet
eine Sterbegeldversicherung:
Sie übernimmt bis zu einer vereinbarten Höhe die Kosten für
die eigene Bestattung. Auch
diese sind ansonsten mitunter
von den Angehörigen zu tragen – und können sich rasch
auf fünf- bis zwölftausend
Euro summieren.
as
<< Info
Welche Möglichkeiten für
Sie bestehen, rechnen Ihnen
die Kolleginnen und Kollegen in der Kundenbetreuung des dbb vorsorgewerk
gerne aus. Diese sind montags bis freitags in der Zeit
von 8 bis 18 Uhr unter
030.4081 6444 für Sie da.
Gerne wird Ihnen auch ein
kompetenter Berater vor
Ort vermittelt.
Mehr Informationen:
www.dbb-vorsorgewerk.de.
dbb
Zahlen Daten Fakten 2016:
Dringender Personalbedarf
Die Informationsbroschüre
„Zahlen Daten Fakten“, die der
dbb jährlich aktualisiert herausgibt, erlaubt eine vorurteilsfreie
Orientierung über die wichtigsten Eckdaten des öffentlichen
Dienstes. Aufbauend auf den
jeweils neuesten Zahlen des
Statistischen Bundesamtes und
der Statistischen Landesämter,
auf Informationen der Bundesministerien und auf eigenen
Berechnungen liefert „Zahlen
­Daten Fakten“ fundiertes Basiswissen und eignet sich als
schnelles Nachschlagewerk,
das bewusst auf eine Kom­
mentierung verzichtet.
Die Zahlen sprechen für sich
und weisen auf Probleme hin,
die gelöst werden müssen, um
den öffentlichen Dienst auch
künftig funktionsfähig zu halten. Die Ausgabe 2016 zeigt
deutlich, dass Deutschland
nicht mehr ausreichend für
die Bewältigung besonderer
Situationen ge­rüstet ist. Nach
ak­tuellen Schätzungen des
dbb fehlen dem Staat mehr als
180 000 Beschäftigte, besonders in den Kommunalverwaltungen. Derzeit wird fieberhaft
neues Personal gesucht.
So ist zum Beispiel der Anteil
der Bundesbeamten im Alter
von 45 bis 54 Jahren vom Jahr
2000 bis 2014 um 14,4 Prozent
von 22,1 Prozent auf 36,5 Prozent gestiegen. Der Anteil der
Beamtinnen und Beamten im
­Alter von 55 bis 59 Jahren stieg
im gleichen Betrachtungszeit-
raum um 3,3 Prozent von 10,6
auf 13,9 Prozent. In den kommenden Jahren wird eine Pensionierungswelle auf den öffentlichen Dienst zukommen,
die ­Lücken im Personalbestand
schaffen wird. Der Arbeitsmarkt kann den Bedarf kaum
decken, weil qualifiziertes Personal zunächst ausgebildet
werden muss. Die Gewinnung
motivierten Nachwuchses für
den öffentlichen Dienst wird
daher eine der dringlichsten
Aufgaben für die kommenden
Jahre bleiben.
Dabei spricht wenig gegen
und vieles für Neueinstellungen, denn im europäischen
­Vergleich steht Deutschland
schlank da, was sowohl die
­Arbeitnehmerentgelte in Prozent des Bruttoinlandsproduktes als auch die Personalausgaben in Prozent des deutschen
Gesamthaushaltes betrifft:
Zahlen Daten Fak
ten
Die Personalausgaben sind von 1997
bis 2014 von 11,9
Prozent beinahe
stetig auf 9,9 Prozent ge­sunken und
­werden bis 2019
voraussichtlich
weiter sinken –
ein Zeichen für
die restriktive
PersonalpolitikZahle
im
nDatenFakten_2016
.indd 1
­öffentlichen Dienst. Im Europavergleich gibt die Bundesrepu­
blik mit Abstand am wenigsten
für das Personal im öffentlichen
Sektor aus: Unter den Entgeltausgaben von 7,6 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts stehen
lediglich die Tschechische Re­
publik mit 7,4 Prozent und die
Slowakei mit 7,1 Prozent. Zum
Vergleich geben Spitzenreiter
­Dänemark 18,3 Prozent und
Finnland 14,5 Prozent des
­Bruttoinlandsprodukts für
­Arbeitnehmerentgelte aus.
2016
27
­ araus ergeben sich im di­ 16.12.15
D
rekten Vergleich finanzielle
Spielräume, die genutzt werden sollten, wenn Deutschland auch in Zukunft einen
­reaktionsfähigen öffentlichen
Dienst bereithalten will, auf
den sich Bürgerinnen, Bürger
und Wirtschaft verlassen
­können.
Zahlen Daten Fakten 2016
kann über die Homepage des
dbb unter www.dbb.de als PDF
herunter­geladen werden.
Altersstruktur der Beamtinnen und Beamten des Bundes
(inklusive Richterinnen und Richter) im Vergleich der Jahre 2000 und 2014
2000
Altersgruppe
Anzahl
2014
Prozent
Anzahl
Prozent
unter 25 Jahre
8 965
6,8
2 580
2,0
25 bis 34 Jahre
31 405
23,7
16 355
12,9
35 bis 44 Jahre
41 078
31,0
33 175
26,3
45 bis 54 Jahre
29 353
22,1
46 055
36,5
55 bis 59 Jahre
14 038
10,6
17 515
13,9
7 745
5,8
10 620
8,4
132 584
100
126 300
100
ab 60 Jahre
Summe
Quelle: destatis, 2015
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
13:34
spezial
Der öffentliche Dienst in Deutschland hat ein Personalproblem:
­Während die zu bewältigenden Aufgaben nicht zuletzt mit Blick auf
die Flüchtlingssituation stetig anwachsen, ist der Personalbestand
seit 1991 fast kontinuierlich geschrumpft. Zusammen mit fehlendem Nachwuchs bringt sich der öffentliche Sektor in Deutschland
immer weiter an den Rand des Funktionsversagens. Das lässt sich
nicht nur an der wachsenden Zahl an Klagen aus der Praxis ablesen,
sondern auch an statistischem Zahlenmaterial.
dbb
Datenschutzrecht:
Vorbereitung auf
die neue Verordnung
spezial
28
Das Datenschutzrecht in
Deutschland wird sich in den
nächsten Jahren gravierend
­ändern. Zum einen wird der
Datenschutz – und hier insbesondere der Schutz der Persönlichkeitsrechte – im Rahmen
der voranschreitenden Digita­
lisierung der öffentlichen Verwaltung eine wichtige Rolle
einnehmen. Die Akzeptanz der
Umsetzung der E-GovernmentStrategien von Bund und Ländern steht und fällt mit der
­sicheren elektronischen Kommunikation und dem sicheren
Umgang mit elektronischen
Akten. Hier müssen noch zum
Teil datenschutzkonforme und
für die öffentliche Verwaltung
praktikable Lösungen entwickelt und erprobt werden.
<<
Neue DatenschutzGrundverordnung der EU
Neben der Weiterentwicklung
und Anwendung digitaler Technologien wird sich das Datenschutzrecht aber vor allem
durch die neue DatenschutzGrundverordnung der EU verändern. Am 15. Dezember 2015
haben die Vertreter von EUKommission, Europaparlament
und EU-Staaten eine ­Reform
des Datenschutzge­setzes beschlossen. Der Kompromiss
muss noch formal vom EU-­
Ministerrat und dem EU-Parlament angenommen ­werden.
Europas Datenschutzregeln
sind 20 Jahre alt, eine Neuregelung war längst fällig. Nach
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
fast vierjährigen Verhandlungen hat man sich nun auf einen Kompromiss geeinigt, der
den Flickenteppich aus nationalen Regeln durch eine einheitliche europäische Gesetzgebung ersetzen soll. Die neue
EU-Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) soll voraussichtlich 2018 in Kraft treten.
<<
Was wird sich ändern?
Welche Neuerungen die neue
DSGVO bringen wird, lässt sich
derzeit wie folgt skizzieren:
>>Neu ist, dass in allen 28 EULändern künftig gleich hohe
Standards gelten – bisher
war dies sehr unterschiedlich
geregelt. Datenschutz-Oasen
soll es somit in Europa nicht
mehr geben.
>>Künftig sollen die Rechte der
Betroffenen und Nutzer besser geschützt werden. Sie erhalten einen Anspruch auf
klare und leicht verständliche
Informationen darüber, wer
ihre Daten zu welchem
Zweck wie und wo verarbeitet. Dazu gehört auch, dass
sie künftig noch ausführ­
licher darüber informiert
werden müssen, wenn ihre
Daten gehackt wurden.
>>Nach DSGVO steigt das Mindestalter für die Abgabe einer rechtswirksamen Einwilligung in die Verarbeitung
personenbezogener Daten
auf 16 Jahre.
>>Firmen müssen die Zustimmung zur Datennutzung aus-
@bluedesign – Fotolia.com
Aktuelles technisches und juristisches Fachwissen,
rechtssicher antworten können, kompetent beraten – die Anforderungen im Bereich Datenschutz
sind hoch. Mit unseren aktuellen Veranstaltungen
unterstützen wir Sie bei der Erweiterung Ihrer
Handlungskompetenzen im Datenschutz.
drücklich einholen und ihre
Produkte datenschutzfreundlich voreinstellen.
DSGVO im Jahr 2018 zu überprüfen und anzupassen?
<<
<<
Fragen über Fragen
Unklar ist aber, welche weitergehenden Auswirkungen die
neue EU-Datenschutz-Grundverordnung auf das deutsche
Datenschutzrecht haben wird.
Engt die neue Zweckbestimmung der DSGVO die Erhebung
und Verarbeitung der personenbezogenen Daten ein oder
öffnet sie Tür und Tor für eine
weitreichende Nutzung der Daten? Ändert sich etwas an der
internen Datenschutzkontrolle,
die nach derzeitigem Recht
durch die betrieblichen und behördlichen Datenschutzbeauftragten wahrgenommen wird?
Was passiert mit dem Bundesund den Landesdatenschutzgesetzen? Welche Regelungen
sind bis zum Inkrafttreten der
Datenschutzseminare
im Angebot
In unseren Datenschutzseminaren halten wir Sie auf dem
Laufenden und informieren Sie
über die aktuellen Entwicklungen. Bei Bedarf werden wir in
2016 neben unseren Veranstaltungen im Jahresprogramm
auch Zusatzveranstaltungen
anbieten, die sich insbesondere mit den neuen DSGVO beschäftigen.
Ausführliche Informationen
und weitere Veranstaltungen
zum Datenschutz finden Sie
auch auf unserer Homepage
www.dbbakademie.de.
Ihre Ansprechpartnerin ist:
Margret Odijk,
Telefon: 0228.8193–136,
[email protected]
Unsere neuen Datenschutzseminare 2016
Grundlagen des Datenschutzes I
5. bis 6. April 2016 in Königswinter-Thomasberg (2016 Q051 MO)
Grundlagen des Datenschutzes II
7. April 2016 in Königswinter-Thomasberg (2016 Q052 MO)
E-Government-Kompetenz: Datenschutz und Datensicherheit –
­Verwaltungsmodernisierung braucht Datenschutz
23. bis 24. August 2016 in Königswinter-Thomasberg (2016 Q060 MO)
Aktuelle Tendenzen im Datenschutz
23. bis 24. November 2016 in Königswinter-Thomasberg (2016 Q063 MO)
Zertifizierte Fortbildung zum/zur behördlichen DSB Land
(Gesamtlehrgangs-Nr.: 2016 Q277 MO)
1. Modul: 25. bis 27. Oktober 2016 in Königswinter (2016 Q047 MO)
2. Modul: 15. bis 17. November 2016 in Königswinter (2016 Q048 MO)
3. Modul: 5. bis 6. Dezember 2016 in Königswinter (2016 Q049 MO)
Prüfung: 7. Dezember 2016 in Königswinter (2016 Q050 MO)
Fortbildung zum/zur Ergonomieberater/-in in der öffentlichen Verwaltung:
Dagegen kann man etwas unternehmen, denn optimal gestaltete Bildschirmarbeitsplätze tragen im Büroalltag viel zur
Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten bei.
Mit ein­fachen Veränderungen
des Verhaltens und der Anordnung der Arbeitsmittel lassen
sich viele Beschwerden vermeiden. Häufig fehlt den Beschäftigten allerdings das nötige
Wissen dazu.
Wie kann ein Büroarbeitsplatz
optimal ergonomisch gestaltet
werden und wie lassen sich
Belastungen und Fehlbeanspruchungen bei Bildschirmarbeitsplätzen reduzieren? Welche gesetzlichen Vorgaben
muss man beachten und welche praktischen Hilfestellungen kann man den Beschäf­
tigten am Büroarbeitsplatz
geben?
<<
Bindeglied zwischen
­Kollegen, Vorgesetzten,
Arbeitsmedizinern,
­Sicherheitsfachkräften
und Personalrat
Auf diese und weitere Fragen
gibt die zweimodulige Fortbildung Antworten. Als Ergo­no­
mieberater/-in stehen Sie mit
Rat und Tat beim Einrichten
der Büro- beziehungsweise
Bildschirmarbeitsplätze zur
Seite, geben Tipps zum richtigen Umgang mit den Arbeitsmitteln und informieren über
ergonomische Grundsätze
und gesundheitsförderliche
­Arbeitsweisen. Sie beraten
Ihre Kollegen/Kolleginnen
bei Bedarf in ergonomischen
Fragestellungen oder führen
gegebenenfalls Unterweisungen durch, die auf die individuelle Arbeitssituation im Büro
zugeschnitten sind.
<<
Auf einen Blick
>>Zwei Module à zwei
­Unterrichtstage
>>Modul 1: 23. bis 24. Juni
2016
>>Modul 2: 1. bis 2. September
2016
>>Teilnahmepreis: 1 080 Euro
(inkl. Ü/VP)
>>Nur als Gesamtpaket buchbar
>>Veranstaltungsort:
dbb forum siebengebirge,
Königswinter
Gerne organisieren wir die
Fortbildung auch als InhouseVeranstaltung für Sie.
Ihre Ansprechpartnerinnen
sind:
Brigitte Bojanowsky (Inhalte):
Telefon: 0228.8193–125,
[email protected]
Carina Schulte (Organisation):
Telefon: 0228.8193–263,
[email protected] ©eveleen007 – Fotolia.com
Moderne Büroarbeit beansprucht die Beschäftigten oft
über die Maßen hinaus. Nicht
selten leidet darunter die Gesundheit. Häufig sind schlechte
ergonomische Verhältnisse des
Arbeitsplatzes für Schmerzen
im Bereich von Rücken, Nacken, Kopf, Schulter und Arm
verantwortlich.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
spezial
29
Für gesundes Arbeiten am Büroarbeitsplatz
dbb
dbb bundesfrauenvertretung zur 57. dbb Jahrestagung in Köln:
Frauen stärker an demokratischer Willensbildung beteiligen
Um die demokratische Willensbildung zu stärken, müssen nach Ansicht der
dbb bundesfrauenvertretung Frauen stärker für politische Ämter geworben
werden. „Damit unsere Demokratie weiterhin funktioniert, müssen sich alle
Menschen in den Inhalten wiederfinden. Dazu gehört auch, die Interessen
und Rechte der weiblichen Bevölkerung auf allen Ebenen einzubringen und
glaubwürdig zu vertreten. Das geht nur, wenn sich Frauen aktiv in die Gestaltung der Politik einmischen und tatsächlich mitmischen können“, betonte Helene Wildfeuer am 11. Januar 2016.
Mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in der Silvesternacht hat
sich die dbb bundesfrauenvertretung für einen besseren
Schutz für Frauen vor Gewalt
ausgesprochen. „Wir können
die Uhr nicht zurückdrehen
und die Geschehnisse der Silvesternacht ungeschehen machen. Der Staat steht nun in der
Pflicht, die Ereignisse aufzuklä-
ren und sich um die Opfer zu
kümmern. Wir müssen aber
auch dringend darüber reden,
wie gewalttätige Übergriffe gegenüber Frauen grundsätzlich
verhindert werden können. Wir
Marco Urban
spezial
30
Der Weg ins politische Amt
müsse für Frauen deutlich erleichtert werden. Dazu gehöre
die direkte Ansprache und gezielte Förderung des weiblichen Nachwuchses ebenso wie
eine familien- und frauenfreundlichere Sitzungskultur.
„Nicht nur die großen Volksparteien müssen hier ihren Beitrag leisten. Auch wir als Gewerkschaften für den
öffentlichen Dienst sind jetzt
mehr denn je gefragt, unseren
Auftrag zur demokratischen
Willensbildung wahrzunehmen“, so die Vorsitzende.
begrüßen die Zusagen des Bundesinnenministers Thomas de
Maizière, bestehende Gesetze
konsequenter anzuwenden
und wenn nötig entsprechend
zu verschärfen. Gleichzeitig erwarten wir, dass die zusätzlich
geplanten 1,5 Milliarden Euro
im Etat des Bundesinnenministeriums zügig und zielgerichtet
eingesetzt werden – für mehr
Sicherheit der Bürgerinnen und
Bürger, für eine bessere Inte­
gration der Flüchtlinge, aber
auch für ein sicheres Arbeitsumfeld der öffentlich Bediensteten“, machte Helene Wildfeuer deutlich.. bas
<
< Für die weiblichen Mitglieder der dbb Organisationen ist die dbb Jahrestagung eine gute Gelegenheit zum Netzwerken.
Gleichstellung:
Statistik zum Frauenanteil im öffentlichen Dienst kommt
Das Statistische Bundesamt wird künftig alle zwei
Jahre eine Statistik zum Frauenanteil in den Dienststellen und Gremien des Bundes vorlegen. Damit
ist eine langjährige Forderung der dbb bundesfrauenvertretung erfüllt.
„Viele Jahre haben wir uns für
mehr Transparenz bei der Stellenbesetzung eingesetzt. Die
neue Statistik ist ein wichtiges
Instrument, um die im Bundesgleichstellungsgesetz formulierten Ziele zu verwirklichen.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
Insbesondere kann die Statistik, sofern richtig angewendet,
deutlich dazu beitragen, Benachteiligungen von weiblichen Beschäftigten im Bundesdienst zu beseitigen“, betonte
Helene Wildfeuer, Vorsitzende
der dbb bundesfrauenvertretung am 13. Januar 2016. Die
Erhebung helfe auch, Diskriminierungen bei Beförderungen
besser sichtbar zu machen.
„Um diese aber verhindern zu
können, müssen die Beurteilungskriterien bei dienstlichen
Beurteilungen genau geprüft
werden. Formulierungen, die
ein traditionelles Rollenverständnis von Mann und Frau
implizieren, müssen dringend
überarbeitet werden“, forderte
die Vorsitzende.
<<
Alle Dienststellen
müssen berichten
Die „Verordnung über sta­
tistische Erhebungen zur
Gleichstellung von Frauen
und Männern in den Dienststellen und Gremien des Bundes“ ist am 23. Dezember
2015 in Kraft getreten. Danach ist jede Dienststelle verpflichtet, alle zwei Jahre die
Zahl der dort beschäftigten
Frauen und Männer zu erfassen. Die Erhebung beinhaltet
dbb
1. Art des Dienstoder Arbeitsverhältnisses,
getrennt nach
Beamtinnen
und Beamten,
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, Auszubildenden, Richterinnen und
Richtern sowie Inhaberinnen
und Inhabern öffentlichrechtlicher Ämter,
2. V
ollzeitbeschäftigung und
Teilzeitbeschäftigung,
3. Form des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses, getrennt
nach unbefristeter und befristeter Beschäftigung,
4. B
ereichen, getrennt nach Besoldungs- und Entgeltgruppen, Laufbahnen, Berufsausbildungen einschließlich des
Vorbereitungsdienstes, Ebenen mit Vorgesetzten- oder
Oberste Bundesbehörden berichten jährlich
<<
com
lia.
Foto
–
i
j
© Onid
­Leitungsaufgaben einschließlich der Stellen und
Planstellen Vorsitzender
Richterinnen und Vorsit­
zender Richter, jeweils
­getrennt nach Vollzeitbeschäftigung und Teilzeit­
beschäftigung,
5. I nanspruchnahme einer
­Beurlaubung oder vollständigen Freistellung aufgrund
von Familien- oder Pflege­
auf­gaben nach § 3 Nr. 6 und
7 des Bundesgleichstellungsgesetzes.
Für die obersten Bundesbehörden besteht
zudem eine jährliche
­Berichtspflicht: Ein
gesonderter Gleichstellungsindex erfasst
die Zahlen nach Geschlecht und unterscheidet nach:
1. der Laufbahngruppe des
­höheren Dienstes,
2. den einzelnen Ebenen mit
Vorgesetzten- oder Leitungsaufgaben einschließlich der politischen Leitungsämter,
3. V
ollzeitbeschäftigung und
Teilzeitbeschäftigung, auch
für Beschäftigte mit Vorgesetzten- oder Leitungsaufgaben,
4. d
er Inanspruchnahme einer
Beurlaubung oder vollständigen Freistellung aufgrund
von Familien- oder Pflegeaufgaben nach § 1 Abs. 1
Nr. 5,
5. beruflichem Aufstieg.
Darüber hinaus ermittelt die
Statistik den Geschlechteranteil bei Bewerbungen im Vergleich zu den entsprechenden
Einstellungen, bei Führungskräften, Beförderungen und
Höhergruppierungen. Für die
Institutionen des Bundes gilt
eine Erfassungspflicht der Zahl
der durch den Bund bestimmten weiblichen und männlichen
Mitglieder von Gremien. << Webtipp:
Gleichstellungsstatistik­
verordnung beim Statis­
tischen Bundesamt:
https://goo.gl/d8O6pE
Broschüre des BMFSFJ zum
Bundesgleichstellungsgesetz: http://goo.gl/G4q18Z
31
© Sergey Nivens – Fotolia.com
12. Frauenpolitische Fachtagung:
Digitalisierte Welt: Frauen 4.0 –
rund um die Uhr vernetzt?
Die dbb bundesfrauenvertretung lädt
zum 12. April 2016 zu ihrer 12. Frauen­
politischen Fachtagung ins dbb forum
berlin ein. Zusammen mit Vertreterinnen
und Vertretern des Bundesministeriums
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
der Hertie School of Governance sowie
weiteren Persönlichkeiten aus Politik und
Wissenschaft werden Chancen und Risiken der Digitalisierung diskutiert.
Was bedeutet „Arbeit 4.0“ für die Organisationsstrukturen des öffentlichen
­Sektors? Welche Auswirkungen haben
die dynamischen Veränderungen auf
die Karriereentwicklung weiblicher Beschäftigter? Wie steht es um die Fürsorgepflicht der Vorgesetzten? Und wo können und müssen Gewerkschaften aktiv
werden?
<
Chancen benennen ...
Gerade junge, gut ausgebildete Frauen,
aber auch immer mehr qualifizierte Männer streben in öffentliche Verwaltungen,
weil sie flexibel und familienorientiert
arbeiten möchten. Das sind gute Nachrichten für den öffentlichen Sektor, der
mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen
hat. Gleichzeitig stehen die Verwaltungen unter Druck: Um den Attraktivitätsvorsprung gegenüber der Wirtschaft
­halten zu können, müssen öffentliche
­Arbeitgeber verstärkt auf neue Kommunikationstechniken, flexible Arbeitszeitmodelle und mobile Arbeitsplätze setzen.
<
... Risiken erkennen
Mit der zunehmenden Entgrenzung von
Arbeit sind aber auch Risiken verbunden.
Arbeitsverdichtung, ständige Erreichbarkeit, Dreifachbelastung durch Arbeit,
Haushalt und familiäre Pflege könnten,
so fürchten Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen, zu mehr Stress und gesundheitlichen Problemen und längeren
Ausfallzeiten führen. Zudem besteht die
Gefahr, dass die Älteren von den rasanten technischen Entwicklungen überfordert werden.
Anmeldung: per E-Mail an
[email protected].
Reden Sie mit – vor Ort und
bei twitter unter #FFT16!
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
spezial
die Zahl der Frauen und
Männer nach:
©Ezio Gutzemberg – Fotolia.com
dbb
Die Briten und Europa:
Droht 2016 der „Brexit“?
spezial
32
Großbritanniens Drohung mit dem EU-Austritt ist fast so alt wie die britische EU-Mitgliedschaft selbst. Wer auch immer in Downing Street No. 10 zu
Hause war, immer wurde eine Sonderrolle für Großbritannien in der Europäischen Union eingefordert. Doch nun wird es ernst: Premierminister David
Cameron hatte vor den letzten Unterhauswahlen ein Referendum angekündigt, schon in diesem Jahr könnten die Briten tatsächlich an die Wahlurnen
gerufen werden. Zuvor will Cameron die europäischen Partner zu weitgehenden Zugeständnissen bewegen.
Auch wenn das Datum für das
Referendum noch nicht endgültig feststeht, die genaue Fragestellung ist bereits bekannt:
„Sollte das Vereinigte Königreich ein Mitglied der Europäischen Union bleiben oder die
Europäische Union verlassen?“
Selbst über diese simple Formulierung hatte es lange innen­
politische Debatten gegeben.
Ursprünglich hätten die Europabefürworter mit einem einfachen „Ja“ antworten können.
Deutlich komplizierter dürfte
die europäische Debatte über
die britischen Forderungen
werden, die Cameron den Europäern vorgelegt hat. Diese
sollen die britischen Bedenken
gegenüber einer EU-Mitgliedschaft entschärfen. Unter vier
großen Schlagworten hat Cameron Vorschläge vorgelegt:
wirtschaftspolitische Steuerung, Wettbewerbsfähigkeit,
Souveränität und Immigration.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
<<
Wirtschaftspolitische
Steuerung
Hinter dem Begriff wirtschaftspolitische Steuerung
verbirgt sich das britische Interesse, auch künftig nicht an
der gemeinsamen Währung
beteiligt zu sein und auch keine negativen Auswirkungen
jedweder Art im Zusammenhang mit dem Euro befürchten
zu müssen. So soll unter anderem sichergestellt werden,
dass kein Land ohne den Euro
für Rettungsmaßnahmen mit
Bezug auf die Gemeinschaftswährung in Haftung genommen werden kann. Zudem
dürfe kein Land zur Teilnahme
an einer europäischen Bankenunion verpflichtet werden.
In diesem Bereich dürfte der
Europäischen Union eine Einigung besonders leichtfallen,
da die Forderungen weitest­
gehend dem Status quo entsprechen.
<<
Wettbewerbsfähigkeit
Ähnlich offene Türen rennen
die Briten auch in der Frage
der Wettbewerbsfähigkeit
ein. Im Kern fordern sie die
­Europäische Kommission auf,
ihren eingeschlagenen Weg
fortzuführen. Dazu gehören
der Abbau von überflüssigen
büro­kratischen Hürden und
die Schaffung eines echten
­digitalen Binnenmarkts. Bei
dieser Forderung weiß Cameron einen Großteil der euro­
päischen Regierungen hinter
sich.
<<
Souveränität
Deutlich problematischer werden die Gespräche hingegen
beim Thema Souveränität.
Schon in den Verträgen von
Rom hatten die Unterzeichner
ihren „festen Willen, die Grundlagen für einen immer engeren
Zusammenschluss der europäi-
schen Völker zu schaffen“
­erklärt. Großbritannien will
künftig nicht mehr an diese
Verpflichtung gebunden sein.
Zudem soll die Rolle der Parlamente der Mitgliedstaaten gestärkt werden, die künftig von
sich aus europäische Gesetzgebung stoppen können sollen.
Auch in Fragen von Justiz und
Innerem will sich Großbritan­
nien, trotz immer größerer
­gemeinsamer europäischer
­Sicherheitsherausforderungen, seine Souveränität ga­
rantieren lassen. Bis auf den
letzten Punkt ist eine uneingeschränkte europäische Zustim­
mung zu diesen Forderungen
kaum denkbar.
<<
Immigration
Die kontroversesten Diskussionen wird es aber vermutlich
über Camerons Vorschläge bezüglich der Rechte von EU-Arbeitnehmern geben. Er schlägt
vor, dass jeder EU-Bürger mindestens vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben
muss, bevor er Sozialleistungen in Anspruch nehmen kann.
Zudem soll es auch nicht mehr
möglich sein, Kindergeld für
Kinder außerhalb des Landes,
in dem jemand erwerbstätig
ist, zu beziehen. Vereinzelt hat
Cameron für diese Vorschläge
Unterstützung erhalten,
gleichzeitig gibt es aber große
Zweifel, ob diese Vorschläge
europarechtskonform sind.
Große, bislang undenkbare
Vertragsänderungen wären
vermutlich notwendig.
Der ambitionierte Zeitplan
der Briten sieht eine europäische Einigung zu diesen Fragen
bereits in diesem Februar vor.
Cameron scheint zuversichtlich, mit seinen Positionen eine
schweigende Mehrheit der europäischen Regierungen auf
seiner Seite zu haben. Doch
selbst wenn Europa zu diesen
historischen Zugeständnissen
bereit sein sollte: Das letzte
Wort werden so oder so die
britischen Wähler haben.
Schon im Sommer könnte
es soweit sein. sy
dbb
25 Jahre dbb magazin:
Blick über die Kirchturmspitze
Im September 1950 erschien zum ersten Mal die
­Mitgliederzeitschrift des dbb „Der ­Beamtenbund“.
Sie brachte es bis Dezember 1990 auf 492 Ausgaben. Im Januar 1991 ­erfolgte ein grundlegender
Wandel: Statt zweifarbig (Blau/Schwarz) wurde
künftig ­vierfarbig gedruckt, das Magazinformat
eingeführt und der Titel in „dbb magazin“ geän­
dert. Im ­Januar 2016 erscheint das „dbb magazin“
seit 25 Jahren. Ein Rückblick …
spezial
34
Bundeskanzler Konrad Adenauer ließ es sich nicht nehmen,
in der ersten Ausgabe der Beamtenbund-Zeitschrift das
­Geleitwort zu schreiben. Er
verwies darin auf die Regierungserklärung vom 20. September 1949, in der es heißt:
„Wir stehen grundsätzlich und
entschlossen auf dem Boden
des Berufsbeamtentums.“ Der
erste dbb Bundesvorsitzende
nach dem Krieg, Hans Schäfer,
stellte seinerseits heraus, dass
die neue Zeitschrift dazu beitragen möge, einerseits das Zusammengehörigkeitsgefühl
der Mitglieder zu stärken und
andererseits den Angriffen gegen das Berufsbeamtentum
mit soliden Argumenten entgegenzutreten. Diesem doppelten Zweck dient das dbb
­magazin noch heute.
Mit der Umstellung auf das
Magazinformat zum 1. Januar
1991 wurde für die Mitgliederzeitschrift des dbb aufgrund
veränderter Lese- und Informationsgewohnheiten auch ein
­neues Konzept eingeführt.
Künftig wollte der dbb seine
Mitglieder nicht nur über berufs-, besoldungs- und dienstrechtliche Entwicklungen informieren, sondern ebenso
unterhaltsam wie informativ
sein: Das Magazin sollte zur
identitätsstiftenden Visitenkarte des Dachverbandes werden und Lesestoff für „alle“
bieten. Die Mitgliederzeit-
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
schrift des Dachverbandes
wendet sich seitdem nicht nur
an Insider, sprich Beschäftigte
des öffentlichen Dienstes und
des privaten Dienstleistungssektors, sondern ebenso an
­Leser über diesen Kreis hinaus,
die sich für Tätigkeitsfelder des
öffentlichen Dienstes
­interessierten.
<<
Information, Orientierung, Unterhaltung
Damit diese unterschiedlichen
Zielgruppen über die eigene
Kirchturmspitze hinausschauen und Eindrücke von der Vielschichtigkeit der Interessenpolitik des dbb gewinnen können,
werden Interviews und Reportagen, Kommentare und Hintergrundberichte aufgenommen und feste Rubriken für die
Darstellung der Probleme der
jungen Beschäftigten, der
Frauen oder der Senioren regelmäßig bedient. Auch die europäische Entwicklung wird
nicht außer Acht gelassen, da
sie großen Einfluss auf den öffentlichen Dienst in Deutschland ausübt.
Mit der Januar/Februar-Ausgabe 1999 erschien nach acht
Jahren und 88 Ausgaben der
neuen Mitgliederzeitschrift
zum ersten Mal eine sogenannte Opti-Print-Ausgabe mit verjüngtem Layout, farbgeführter
Rubrizierung und einem innovativen Produktionskonzept:
<
< Das dbb magazin bel
egt in der Top Ten der
deutschen Fachzeitschrif
ten mit ­großem Abstan
d Platz eins.
In einem gemeinsamen Projekt bietet der dbb
seitdem ein Grundmagazin mit
48 Seiten und einem festen Anzeigenspiegel an. Elf Fachge­
werk­schafts­magazine sind zusätzlich mit eigenen Titeln und
eigenen Seiten plus dbb Seiten
in das sogenannte Opti-PrintProjekt integriert. Ferner werden sechs Landesbund-Magazine gedruckt, die als Um- oder
Einleger den Fachmagazinen
beigefügt werden. Darüber hinaus gibt es zusätzliche Regionalmagazine, zum Beispiel der
komba gewerkschaft oder der
Deutschen Polizeigewerkschaft.
Die Gesamtauflage beläuft
sich aktuell auf etwa 650 000
Exemplare. Die Mitglieder
­erhalten kostenlos eine Zeit-
schrift, die sie über ihr be­
rufliches Umfeld und über
­allgemeine Trends und Entwicklungen im öffentlichen
Dienst informiert und kostengünstig produziert werden
kann. Über ein modernes
­Redaktionssystem sind alle
­Redaktionen vernetzt, sodass
­Synergien genutzt und Dubletten bei der Berichterstattung vermieden werden. Zu
den Lesern der Magazine gehören über die Mitglieder
­hinaus politisch Verantwort­
liche in Bund, Ländern und
Kommunen sowie Medienvertreter und Entscheidungsträger in Parteien, Verbänden, Gewerkschaften und
Wirtschaft­seinrichtungen.
sm
dbb
Der Fall des Monats
©Salvatore Billeci – Fotolia.com
Leistungszulage:
Anspruch besteht auch bei
Freistellung als Vertrauensperson
für schwerbehinderte Menschen
Ein Bundesbeamter hat auch
dann einen Anspruch auf die
Zahlung einer Leistungszulage
gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 der
Verordnung des Bundes über
leistungsbezogene Besoldungsinstrumente, wenn er als freigestellte Vertrauensperson für
schwerbehinderte Menschen
keine dienstlichen Leistungen
erbringt, die einer Bewertung
durch den Dienstherrn zugänglich wären. Vertrauenspersonen dieser Art dürfen nicht
­ egen der Ausübung ihres
w
­Amtes benach­teiligt werden.
Wenn die Ein­beziehung von
freigestellten Personalratsmitgliedern in die Leistungsbezahlung möglich ist, dürfe nichts
anderes für die Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen gelten. Es überschreite
jedenfalls das Ermessen des
Dienstherrn, wenn er wie hier
freigestellte Vertrauenspersonen von ­vornherein aus dem
Kreis der potenziell für eine
Leistungsprämie nach § 4 BLBV
anspruchsberechtigte ­Beamten ausschließt (Verweis auf
OVG Nordrhein-Westfalen,
­Beschluss vom 29. Juli 2014,
Az.: 1 A 2885/12).
<< Info
Der dbb gewährt den Einzelmitgliedern seiner Mitgliedsgewerkschaften berufsbezogenen Rechtsschutz.
Zuständig dafür sind die
­Juristen in den dbb Dienst­
leistungs­zen­tren in Berlin,
Bonn, Hamburg, Nürnberg
und Mannheim. Das dbb
­magazin dokumentiert den
„Fall des Monats“.
Das Verfahren wurde erfolgreich vom Dienstleistungs­
zentrum Ost vor dem Verwaltungsgericht Magdeburg (Az.:
5 A 234/13 MD) mit Urteil vom
9. Juni 2015 geführt. Das Urteil
ist noch nicht rechts­kräftig. ak
35
spezial
Wählen Sie das schönste Titelbild 2015:
Ausgabe 1/2
Ausgabe 3
Ausgabe 4
Ausgabe 5
Ausgabe 6
Ausgabe 7/8
Ausgabe 9
Ausgabe 10
Ausgabe 11
Ausgabe 12
Ein spannendes Jahr ging zu Ende und wieder laden wir Sie
zur Wahl des schönsten Titelbildes ein. ­Machen Sie mit – und
gewinnen Sie – und schicken Sie uns bis zum 17. Februar 2016
­unter dem Stichwort „dbb“ die Nummer ihres Favoriten per
Post, Fax oder E-Mail. Vergessen Sie Ihren Absender nicht,
denn unter allen Einsendern verlosen wir drei wertvolle
­Überraschungspreise.
Redaktion dbb magazin, Friedrichstraße 169, 10117 Berlin,
Fax: 030.40815599, E-Mail: [email protected]
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
dbb
Einstellungspraxis:
Befristungs-Irrsinn beenden
Befristungen sind im öffentlichen Dienst an der
Tagesordnung, so das eindeutige Ergebnis der
­aktuellen Studie zur Befristungspraxis im öffent­
lichen Dienst, die das Institut für Arbeitsmarktund Berufsforschung (IAB) am 29. Dezember 2015
veröffentlicht hat.
spezial
38
„Junge Menschen unter 35 Jahren werden dabei mehr als
doppelt so häufig befristet eingestellt als alle übrigen Altersgruppen, oft sogar mehrmals
hintereinander in sogenannten ‚Ketten-Verträgen‘“, kritisierte die dbb jugend-Vorsitzende Sandra Kothe. „Das ist
ein nicht länger hinnehmbarer
Skandal – dieser BefristungsIrrsinn muss ein Ende haben!“,
fordert sie.
Gewerkschaften und Arbeitgeber hatten das IAB im Zuge der
vergangenen Einkommensrunde für die Beschäftigten von
Bund und Kommunen im Jahr
2014 mit der Erhebung valider
Daten zur Befristungspraxis im
öffentlichen Dienst beauftragt,
um die insbesondere von der
Arbeitnehmerseite zunehmend
scharf kritisierte ausufernde
Einstellungs- und Beschäftigungspolitik auf Zeit wissenschaftlich aufarbeiten und bewerten zu lassen. Im Ergebnis
ermittelten die IAB-Wissenschaftler, dass der Anteil befristeter Arbeitsverhältnisse bei
den Arbeitnehmern im öffentlichen Dienst einschließlich des
Wissenschaftsbereichs oberhalb von 15 Prozent liegt. Damit spielen befristete Arbeitsverträge im öffentlichen Dienst
eine größere Rolle als in der Privatwirtschaft, insbesondere
bei der Einstellungspraxis. „Befristete Beschäftigung kommt
im öffentlichen Sektor vielfach
deshalb zum Einsatz, weil temporäre Personalausfälle kompensiert werden müssen oder
Personalressourcen nur befristet zugewiesen werden. Entscheidende Stellschrauben für
eine Reduzierung befristeter
Arbeitsverträge dürften somit
eine ausreichende Finanzierung
von Planstellen und eine Erhöhung der organisationalen Flexibilität beispielsweise über die
Schaffung von unbefristeten
Vertretungsstellen sein“, heißt
es weiter in dem IAB-Bericht.
dbb jugend magazin
„Lebendig, offen, stark“ – so lauten der Titel der neuen
Ausgabe des dbb jugend magazin und das Motto der
Krefelder Buchenschule, deren Integrationsarbeit
t@cker vorstellt (t@cker-story). „Es ist ein gutes Gefühl
zu sehen, dass Willkommens- und Integrationskultur
mit dem passenden Konzept und vor allem mit ausgebildeten, engagierten und motivierten Profis – tollen
Lehrern, Sozialpädagogen und Erziehern – funktionieren kann“, schreibt dbb jugend-Chefin Sandra Kothe
im Editorial. „Diese Best Practice aus NordrheinWestfalen zeigt aber auch, dass man die Integra­
tionsarbeiter nicht alleine lassen darf: Rektor
­Thorsten Vetterkind und sein Team könnten locker
doppelt so viel Personal gebrauchen, um den
­Unterricht noch optimaler für alle Beteiligten zu
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
„Bei Befristungsquoten im Arbeitnehmerbereich zwischen
8,2 Prozent in Kommunen, 11,3
Prozent beim Bund und 12,3
Prozent in den Ländern, in wissenschaftlichen Einrichtungen
sogar zwischen 50 und 90 Prozent, ist die Mär vom ‚sicheren
Arbeitsplatz öffentlicher Dienst‘
endgültig widerlegt“, kommentierte die dbb jugend-Chefin.
Die dbb jugend verweist auf
die gravierenden Probleme
und Folgen von Befristungen
insbesondere für die junge Generation: fehlende Planungs­
sicherheit zum Beispiel für
Mieten einer Wohnung oder
die Gründung einer Familie,
fehlende soziale Sicherheit,
­geringere Attraktivität der
­Ausbildung und des Berufes
im öffentlichen Dienst, Ineffizienz durch die Notwendigkeit
der permanenten und wiederholten Einarbeitung von befristet Beschäftigten. „In vielen
Bereichen kann der öffentliche
Dienst schon bei der Bezahlung
nicht mit der Privatwirtschaft
mithalten. Wenn nun auch
mehr und mehr der Faktor Sicherheit wegbröckelt, braucht
sich niemand über den immer
größeren Nachwuchs- und
Fachkräftemangel zu wundern.
Junge Menschen bestehen zu
Recht auf echte Perspektiven
und echte Wertschätzung,
wenn sie sich für einen Arbeitgeber entscheiden“, warnte
Kothe und kündigte für die im
März startende Einkommensrunde für Bund und Kommunen an: „So kann und darf es
nicht weitergehen, zumal der
öffentliche Dienst als Arbeitgeber mit Vorbildfunktion agiert
und vor großen Herausforderungen wie der Bewältigung
des demografischen Wandels
und der hohen Zahl von Menschen auf der Flucht steht.
Deswegen fordern wir wei­
terhin die unbefristete Übernahme der Auszubildenden,
ebenso die Übernahme aller
Beamtenanwärter in ein Beamtenverhältnis auf Probe. Befristete Beschäftigungsverhältnisse müssen auf das absolut
notwendige Maß beschränkt
werden.“ Zudem gehörten die
Möglichkeiten der sachgrundlosen Befristungen in § 14
Abs. 2, 2 a, 3 des Teilzeit- und
Befristungsgesetzes abgeschafft, insbesondere auch der
Befristungsgrund der Zweckbindung von Haushaltsmitteln
(§ 14 Abs. 1 (2) Nr. 7 TzBfG), da
dieser zunehmend zur Umgehung des Kündigungsschutz­
gesetzes zweckentfremdet
werde.
online
gestalten. Aktuell arbeitet das Kollegium der Buchenschule ‚am Limit‘ – das geht natürlich an die
Substanz der Pädagogen und der Qualität, wer könnte das abstreiten. Auch hier müssen die politischen
Weichensteller zügig bessere Rahmenbedingungen
schaffen, mehr Flexibilität ermöglichen – dann läuft’s
auch mit der Integration“, so Kothe. Neben dieser spannenden Reportage gibt es im dbb jugend magazin wieder allerlei Nachrichten aus dbb jugend und dbb.
t@cker-fokus informiert über das attraktive Seminar­
angebot der dbb jugend und ihrer Mitgliedsverbände,
die t@cker-tipps machen schlau in Sachen JAV- und Personalratswahlen – schließlich ist 2016 Superwahljahr!
Einfach reinsurfen unter www.tacker-online.de!
dbb
Glosse:
Die neue deutsche Welle ...
Stephan Remmlers & Co
damals war, sind die neuen Veganbuletten leider
nicht zu verdauen.
Gesundheit und Fitness, obgleich mehrstöckige Veggiemonster, garniert mit Pommes, Majo und Limo, locker die
1 000-Kalorien-Grenze überschreiten. Der Staat, der nicht
nur für die Volksgesundheit,
39
finale
Unsere Fastfoodrestaurants huldigen dem
Fleischkult und bieten
zwischen pappigen Brötchenhälften graue Hackfleischscheiben, die an
Geschmacklosigkeit kaum
zu überbieten sind. Jetzt
gibt es, welch ein Widerspruch in sich, diese Gastronomie-Highlights mit
viel Zwiebeln und teils paniert
– auch fleischlos – also mindestens bio, besser noch veggie, um verloren gegangenes
Kundenterrain neu zu erschließen. Aufwendig beworben
suggerieren die Gemüseklopse
sondern auch für einen
funktionierenden öffentlichen Dienst verantwortlich ist, sollte
einschreiten und die
Kalorienbombensteuer
einführen. In Dänemark gibt es längst die
Fettsteuer, in Ungarn
die Junk-Food-Steuer
und Frankreich erhebt
Steuern auf zuckersüße Getränke. Also, worauf warten wir noch?
Die Fastfoodketten haben den Weg bereitet
für eine Sanierung der Staatsfinanzen: Courage, Herr Finanzminister. Werbewirksam könnten Sie diese neue deutsche
Welle auch als Veggie-BürgerSteuer vermarkten. Bio zieht
immer. sm
©gekaskr – Fotolia.com
... ist ein Dauerphänomen.
­Immer wieder gibt es etwas
atemberaubend Neues und
niemand weiß, wie er vorher
– ohne das Neue – zurechtgekommen ist. Einst eroberte die
Neue Deutsche Welle die Musik. – Sie erinnern sich: „Da da
da. Ich lieb Dich nicht, Du liebst
mich nicht, aha!“ Und wir
summten sie begeistert mit,
die Melodien, die wir uns merken konnten, mit deutschen
Texten von anrührender
Schlichtheit. Heute ist es das
vegan-biologische Fastfood,
das das Land erobert und ohne
das unser Leben uns nicht das
bieten könnte, was wir verdienen: das Gefühl der angenehmen Leichtigkeit des Seins.
Und wir essen begeistert mit.
Doch so einfach wie die Musik
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
dbb
Digitale Stadtentwicklung:
Lebensader Internet
Das Netz gewinnt zunehmend Bedeutung als wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Motor. Wie gut eine Stadt oder Kommune dasteht, hängt immer
stärker mit dem Stand des Netzausbaus zusammen. In Deutschland haben
bisher nur wenige Städte die Nase vorn, was Bürgerfreundlichkeit und politische Partizipationsmöglichkeiten betrifft.
finale
40
Köln, Hamburg und München
sind die hervorstechendsten
digitalen Hauptstädte Deutschlands. Zu diesem Ergebnis ist
eine Untersuchung gekommen,
die die Wirtschaftsprüfungs­
gesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zusammen mit
dem Geographischen Institut
der Universität Bonn im Jahr
2015 durchgeführt hat. Die
­Ergebnisse: Digitale Angebote
sind schon heute wichtiger
Standortfaktor, unzureichender
oder fehlender Breitbandausbau hemmt die Entwicklung
der Kommunen und digitale
Städte sind wirtschaftlich besser aufgestellt als Städte mit
schlechter Netzanbindung.
Anhand von 20 Kriterien, die
die Bereiche Verwaltung und
Politik, Kommunikation, Infrastruktur und Energie abdeckten, wurde untersucht, wie
­digital die 25 bevölkerungsreichsten Städte Deutschlands
sind. Alfred Höhn, Leiter des
­Bereichs Öffentlicher Sektor in
Deutschland bei PwC, fasst das
so zusammen: „Eine entwickelte digitale Infrastruktur ist für
die Kommunen schon heute ein
zentraler Standortfaktor. Ihre
Attraktivität für Bewohner, Arbeitnehmer und Unternehmen
hängt entscheidend von ihrem
Digitalisierungsfortschritt ab.“
Die besten zehn Städte wiesen
durchschnittlich deutlich bes-
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
sere Kennzahlen auf als die
Städte auf den übrigen Plätzen.
Das gelte beispielsweise für das
Gewerbesteueraufkommen,
das von 2009 bis 2013 in gut
vernetzten Städten um 30 Prozent gestiegen sei, in schlechter vernetzten dagegen nur um
21 Prozent. Ebenso lasse sich
das an den Beschäftigtenzahlen und dem Anteil an Hochqualifizierten ablesen, der in
der Spitzengruppe mit 20,2
Prozent deutlich höher sei als
in anderen Städten mit durchschnittlich 14,7 Prozent. Die Bevölkerung der Städte auf den
Plätzen eins bis zehn sei durchschnittlich um 3,9 Prozent und
damit fast doppelt so stark gewachsen wie in den anderen
Städten.
<<
Keine klaren Konzepte
Insgesamt wurden im Rahmen
der Untersuchung mehr als
200 Städte und Landkreise zur
Bedeutung und zum Stand der
Digitalisierung befragt. Dabei
gaben 70 Prozent an, die Digitalisierung spiele eine große
oder sehr große Rolle in der
Entwicklungsstrategie ihrer
Kommune. „Obwohl Städte
und Gemeinden die Digitalisierung als wichtige Zukunftsaufgabe erkannt haben, werden
heute vor allem solche Onlinedienste angeboten, die vergleichsweise leicht zu etablieren sind“, sagt Felix Hasse,
PwC-Experte für die Digitalisierung von Kommunen.
An vielen Orten in Deutschland
sei es zum Beispiel möglich,
online einen Termin für das
Bürgeramt zu vereinbaren oder
per Handy ein Busticket zu
kaufen. Auch eine Präsenz in
den sozialen Medien sei inzwischen bei den großen Städten
weitgehend Standard. Seltener
zu haben seien dagegen komplexere Serviceleistungen:
„Nur in neun der 25 untersuchten Städte können Bürger zum
Beispiel einen Anwohnerparkausweis online beantragen.
Onlinegewerbeanmeldungen,
die etwa in den Vereinigten
Staaten seit Jahren zum Standard zählen, bietet nur Bremen
an“, so Hasse. „Vor allem die
Chance, Bürger online an kommunalen Entscheidungen teilhaben zu lassen, bleibt vielfach
ungenutzt.“
Für 64 Prozent der befragten
Kommunen ist die angespannte Haushaltslage ein wesentlicher Hemmschuh für die Digitalisierung. Ohne dass heute
zusätzliches und qualifiziertes
Personal eingestellt wird, kann
die Digitalisierung in den Kommunen kaum vorangetrieben
werden – auch wenn auf lange
Sicht Einsparungen zu erwarten sind. Weil die notwendigen
finanziellen Mittel fehlen,
kommt auch der Ausbau der
technischen Infrastruktur nicht
voran. Als Hindernis für eine
erfolgreiche Digitalisierung der
Kommunen geben die Befragten außerdem unklare rechtliche Rahmenbedingungen an.
Nur unzureichend sind etwa
die Folgen vollkommen neuer
Prozessabläufe berücksichtigt,
die sich durch eine Digitalisierung der Verwaltung ergeben.
Auch wichtige Fragen des Datenschutzes sind ungeklärt. In
der digitalen Agenda der Bundesregierung ist allerdings eine
Verbesserung in Aussicht
­gestellt.
Besonders der Ausbau des
Breitbandnetzes ist ein zen­
trales Problem – ein Punkt, in
dem Deutschland im europäischen Vergleich seit Jahren zurückliegt. Besonders die baltischen und skandinavischen
Länder sind in Sachen Netzausbau und Digitalisierung öffentlicher Dienstleistungen viel
weiter. Lediglich Köln und
Bonn halten zum Beispiel für
95 Prozent der Haushalte ein
Breitbandnetz mit einer Geschwindigkeit von mindestens
50 Mbit/s vor und setzen sich
damit schon jetzt vom sogenannten Ausbaukorridor der
Bundesregierung ab, an dem
sich zwar viele Städte orientieren, den Experten aber als nicht
ausreichende Zielvorgabe gilt.
Einen großen Anteil daran hat
der regionale Telekommunikationsdienstleister NetCologne
mit dem konsequenten Ausbau
der Infrastruktur. Das Unternehmen wurde am 31. Oktober
1994 von der Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke Köln AG
(GEW, heute Rheinenergie), der
©rcfotostock – Fotolia.com
dbb
<<
Verwaltungsvorgänge
neu denken
„Es besteht die Gefahr, dass
sich der digitale Graben zwischen den fortschrittlichen
Kommunen und denjenigen
weiter vertieft, die die Digitalisierung nicht systematisch in
Angriff nehmen“, warnt Prof.
Claus Wiegandt vom Geographischen Institut der Universität Bonn, der Co-Autor der Studie ist. Noch fehle den meisten
Kommunen ein klares Konzept,
um das Thema Digitalisierung
anzugehen. Meist werde Digitalisierung als Querschnittthema, nicht aber als eigenständi-
ger Sachbereich verstanden.
20 der 25 im Detail untersuchten Städte verfügten weder
über einen Digitalisierungs­
beauftragten noch über eine
entsprechende Strategie.
„Um bestehende Verwaltungsvorgänge effizienter zu machen, genügt es nicht, dass
man einen Termin im Bürger­
amt online vereinbaren kann.
Digitalisierung muss als Organisationsaufgabe verstanden
und Verwaltungsvorgänge aus
Sicht des Bürgers völlig neu gedacht werden. Ziel sollte es dabei sei, den Gang zur Behörde
vollständig digital zu ersetzen“,
sagt Felix Hasse.
<<
Köln ist Spitzenreiter
Dass Köln heute als Medienmetropole die digitalste unter
den deutschen Städten ist,
hängt mit dem konsequenten
Ausbau der digitalen Infrastruktur und deren ebenso
konsequenter Nutzung zusammen. Nicht nur Medienunternehmen profitieren von der
guten Anbindung, sondern
auch Bürgerinnen und Bürger.
Beispiel digitales Rathaus: Die
„Digitale Willkommenskultur“
zeigt zum Beispiel die Auskunftsbereitschaft der Kommune. Im Idealfall müssen
­Bürger zur Klärung von Fragen
nicht mehr selbst ins Bürger­
büro kommen, sondern erhalten online eine Rückmeldung.
Zur Ermittlung der digitalen
Willkommenskultur hat PwC
eine identische Informationsanfrage per E-Mail an die untersuchten Städte gestellt. Dabei wurden die bürokratische
Abwicklung sowie die Angebo-
te bei einem Neuzuzug in die
jeweilige Stadt erfragt. Die gesandte E-Mail wurde von der
Stadt Köln mit 14 Minuten Reaktionszeit als erste und damit
schnellste Stadt der 25 untersuchten Städte ausführlich
­beantwortet.
menhang stattgefundenen Sitzungen sowie die Niederschriften der Sitzungen abrufen.
Mit dem Onlinebürgerhaushalt
bietet die Stadt ein Instrument
der kommunalen Bürgerbeteiligung und ermöglicht Bürgerinnen und Bürgern eine teilweise
Mitbestimmung über die Verwendung der Haushaltsmittel.
Das entsprechende Beteiligungsportal ist nutzerfreundlich und bezirksübergreifend
gestaltet. Nutzer können dort
nicht nur Vorschläge zur Verwenung von Mitteln machen, sondern ebenso andere Vorschläge
bewerten. Im Anschluss wird
eine Bestenliste erstellt. Nach
Prüfung und Stellungnahme
durch die Verwaltung werden
die besten Vorschläge den politischen Gremien zum Beschluss
vorgelegt. Der Rat entscheidet
durch den Beschluss des Haushaltsplans, welche der Vorschläge letztlich umgesetzt
werden – ein Prozess, bei dem
er sich wiederum über das Ratsinformationssystem auf die Finger schauen lässt. Wer in Köln
also Transparenz statt Klüngel
leben möchte, kann das jederzeit tun. So kann Köln für den
Bürgerhaushalt 2015 (Abstimmungsrunde vom 17. November bis 7. Dezember 2014) 3 958
Teilnehmer, 664 Vorschläge
1 940 Kommentare der Vorschläge sowie 19 888 Bewertungen vorweisen.br
Darüber hinaus genießen die
Bewohner der Domstadt ein
hohes Maß an digitaler Parti­
zipation. Das Onlineratsinformationssystem der Stadt bildet demokratische Strukturen
und Entscheidungen der Kommune durch ein EDV-gestütztes Informations- und Dokumentenmanagementsystem
ab und stellt diese online zur
Verfügung. Es bietet zum Beispiel die Möglichkeit, den Sitzungskalender einzusehen und
für die jeweilige Sitzung die
Punkte Einladung, Tagesordnung und das Beschlussprotokoll als PDF herunterzuladen
oder den Sitzungskalender
nach Monat und Jahr zu durchsuchen. Unter einem für jede
Sitzung angelegten separaten
Reiter mit dem Namen „Anwesenheit“ ist es den Bürgerinnen
und Bürgern zudem möglich,
die Anwesenheit der stimm­
berechtigten Mitglieder sowie
die Parteizugehörigkeit einzusehen. Ebenso können Bürgerinnen und Bürger Informationen über das Gremium des
entsprechenden Ausschusses,
die bereits in diesem Zusam<< Digitale Partizipation in Köln
Ratsinformationssystem:
https://ratsinformation.stadt-koeln.de/infobi.asp
Bürgerhaushalt:
https://buergerhaushalt.stadt-koeln.de/2015/
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
41
finale
Stadtsparkasse Köln (heute
Sparkasse KölnBonn) und den
Kölner Verkehrs-Betrieben in
Köln gegründet. Seit 2004 ist
die Holdinggesellschaft GEW
Köln zu 100 Prozent Gesellschafter des Unternehmens.
Zusätzlich zum Eigenausbau
führt NetCologne auch eine
Reihe von Kooperationsausbauprojekten in der Region
durch. Durch Partnerschaften
mit Städten, Kommunen und
Energieversorgern wird das
Glasfasernetz ständig erweitert. Dabei übernehmen die
Kooperationspartner den Ausbau der Infrastruktur, NetCologne installiert im Anschluss die
aktive Technik. Zu den Ausbaugebieten gehören Windeck,
Siegburg, Burscheid, Betzdorf
und Niederkassel. Zudem wurden Projekte in Wesseling,
­Frechen, Pulheim, Kerpen und
Hürth gestartet. Insgesamt
umfassen die Projekte ein
­Potenzial von knapp 75 000
Haushalten und Gewerbe­
betrieben.
dbb
<< komba gewerkschaft
<< BVÖGD
Ehrenamt unbezahlbar
Neue Arztstellen in Gesundheitsämtern unerlässlich
Ehrenamtliches Engagement
hat Ulrich Silberbach, Bundesvorsitzender der komba gewerkschaft und dbb Vize, als
wertvollen Bestandteil unserer
Gesellschaft gewürdigt. Zum
Tag des Ehrenamtes am 5. Dezember erklärte er: „Wachsender Individualismus prägt unsere Zeit. Umso wichtiger ist
es, Werte wie Hilfsbereitschaft
finale
42
> Ulrich Silberbach,
Bundesvorsitzender der
komba gewerkschaft
und Verantwortung zu leben.
Genau das tun die Ehrenamt­
lichen. Ihnen gilt ein großer
Dank.“ Für andere einzustehen
sei ein wesentlicher Faktor für
den Zusammenhalt einer Gesellschaft. Das zeige sich derzeit vor allem in der Flüchtlingssituation. Zahlreiche
Bürgerinnen und Bürger engagierten sich unermüdlich für
notleidende Menschen und
sorgten für ein solidarisches
Miteinander. Im besten Fall bereichere und ergänze die ehrenamtliche Arbeit bestehende Strukturen. „Damit sich
auch weiterhin Menschen für
ein freiwilliges Engagement
entscheiden, müssen die Bedingungen, aktiv zu werden
und es auch zu bleiben, attraktiv sein. Ehrenamt darf darüber hinaus nicht dazu benutzt
werden, dauerhaft staatliche
Leistungen zu ersetzen oder
Mängel zu kompensieren“,
sagte Silberbach. Der internationale Tag des Ehrenamtes
wird jährlich am 5. Dezember
begangen und würdigt das Engagement aller ehrenamtlich
Aktiven.
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
Angesichts des weiterhin starken Zustroms von Asylbewerbern hat die Bayerische Staatsregierung beschlossen, im
Nachtragshaushalt 2016 zusätzliche 70 Stellen für Ärztinnen und Ärzte an den Gesundheitsämtern auszubringen.
„Mit der Initiative, den öffentlichen Gesundheitsdienst personell zu stärken, hat die Staatsregierung den richtigen Weg
eingeschlagen“, stellte die Vorsitzende des BVÖGD (Bundesverband öffentlicher Gesundheitsdienst), Ute Teichert, dazu
fest. „Wir erwarten, dass auch
in den anderen Bundesländern
eine Trendwende vom Stellenabbau hin zu einer personellen Verstärkung des ÖGD
erfolgt.“ Im Rahmen der Zuwanderung von Flüchtlingen
spiele die medizinische Versorgung eine große Rolle. „Die
ämtern der öffentliche Gesundheitsdienst seine wichtigen bevölkerungsmedizinischen Aufgaben in Krisensituationen nicht weiter bewältigen“, machte Teichert klar.
<< VBE
2016 zum Jahr der Bildungsgerechtigkeit machen
Auch im Jahr 2016 werden die
Beschulung der Flüchtlingskinder und die Inklusion die bestimmenden Themen in den
> Udo Beckmann,
Bundesvorsitzender des VBE
Schulen sein. „Ich fordere alle
Politiker dazu auf, 2016 zum
Jahr der Bildungsgerechtigkeit
zu machen“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), Udo
Beckmann, am 18. Dezember
2015. „Denn wo keine Gerechtigkeit herrscht, ist der soziale
Friede bedroht.“ Lege man die
> Dr. Ute Teichert,
Bundesvorsitzende des BVÖGD
Flüchtlinge sind nach ihrer
Flucht geschwächt und häufiger krank als andere Menschen. Deshalb ist der öffent­
liche Gesundheitsdienst vor
Ort gefordert, zusammen mit
den Leistungserbringern im
Gesundheitssystem die Erstuntersuchungen der Flüchtlinge
durchzuführen. Auch mögliche
Behandlungen sind kurzfristig
zu organisieren“, erläuterte
­Teichert. Weil die Zahl der
­Ärztinnen und Ärzte in den
­Gesundheitsämtern in den
­vergangenen 18 Jahren um
ein Drittel zurückgegangen
sei, könne ohne zusätzliche
Stellen in den Gesundheits­
Schätzungen der Kultusministerkonferenz (KMK) zugrunde,
wonach mindestens 325 000
Flüchtlingskinder zu beschulen
seien, würden rund 23 000 zusätzliche Lehrerstellen gebracht, vorausgesetzt, die bisherige Lehrer-Schüler-Relation
von 1:14 habe Bestand. Beckmann warnte die Politik vor Zögerlichkeit: „Kitas und Schulen
können zum Zusammenhalt
der Gesellschaft viel beitragen.
Lehrer sind Integrationsmotoren. Frühwarner gegen Radikalisierung zu sein, ist nur ein
Punkt auf der langen Aufgabenliste, die Politiker ihnen in
den letzten Wochen angetragen haben. Wenn die Schulintegration scheitert, werden die
gesellschaftlichen Kosten später um ein Vielfaches höher
ausfallen.“ Beckmann weiter:
„Dass einige Kommunen inzwischen dazu übergehen, Flüchtlinge auf bestimmte Standorte
zu konzentrieren, hält der VBE
für integrationsfeindlich. Die
Flüchtlingskinder sollen möglichst schnell in die Regelschulen integriert werden. Die Herausforderung dabei wird sein,
allen Kindern, mit und ohne
Handicap sowie mit und ohne
Migrationshintergrund, gerecht zu werden. Das zu leisten, erfordert Mehraufwendungen, die deutlich über dem
bisher zur Verfügung gestellten, liegen.“ << Kurz notiert
VDStra.
Der Bundesvorsitzende des Verbandes Deutscher Straßenwärter
(VDStra.), Siegfried Damm, fordert, dass die Fahrzeuge der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten Blaulicht bekommen. „Die gelben
Rundleuchten, die derzeit im Einsatz sind, werden nach unserer
Erfahrung von Verkehrsteilnehmern ignoriert. Jeder Traktor hat so
ein Licht“, zitiert das Onlineportal „Der Westen“ Damm am 8. Dezember 2015. Blaues Licht könne die Straßenwärter bei ihrer Arbeit, besonders beim Einrichten und Abräumen einer Baustelle,
besser schützen. Anlass war der Tod eines Mitarbeiters einer vom
Landesbetrieb beauftragten Baufirma, der beim Einrichten einer
Baustelle vor dem Autobahnkreuz Oberhausen von einem Auto
erfasst und getötet worden war. Allein die rund 2 000 Straßenwärter beim Landesbetrieb Straßen NRW haben jedes Jahr einen Unfalltoten zu beklagen. Ein Sprecher des Betriebes sagte, das Risiko,
bei dieser Arbeit tödlich zu verunglücken, sei 13-mal so hoch wie
bei anderen Beschäftigten.
dbb
<< VDR
Standards in der Lehrer­
ausbildung nicht absenken
In der von Bundesinnenminister Thomas de Maizière angestoßenen Diskussion über die
Ausbildung von Lehramtsstudierenden, warnt der Vorsitzende des Verbands Deutscher
> Jürgen Böhm,
Bundesvorsitzender des VDR
finale
44
Realschullehrer, Jürgen Böhm,
vor einer Absenkung der Qualifikations-Standards. Der Innenminister hatte auf der dbb
Jahrestagung vorgeschlagen,
die Anforderungen zeitweilig
abzusenken, um den erhöhten
Lehrerbedarf zur Integration
von Flüchtlingen decken zu
können. Dagegen wendet sich
der VDR-Vorsitzende mit
Nachdruck: „Lockerungen, die
vielleicht im Rahmen kommunaler Bauvorschriften oder bei
der Vergabe von Aufträgen an
Wirtschaftsunternehmen für
eine Übergangszeit möglich
sind, verbieten sich in den
Lehramtsberufen aufgrund
der mit ihnen verbundenen
hohen intellektuellen und pädagogischen Anforderungen
von selbst“, stellte der VDRBundesvorsitzende klar. Besonders jetzt brauche es bestens ausgebildete Lehrkräfte,
um die Integrationsaufgaben
erfolgreich meistern zu können: „Nur mit professionellem
pädagogischen und fachlichen
Know-how kann es gelingen,
Schülern eine selbstverantwortete Teilnahme am ge­
sellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Die Politik muss
erkennen, dass es hierfür eine
fundierte Ausbildung der Lehrkräfte braucht, anderenfalls
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
entsteht mehr Schaden als
Nutzen“, so Böhm abschließend.
<< dbb sachsen-anhalt
Wiedereinführung des
Weihnachtsgeldes für
­Beamte zügig umsetzen
Nach heftiger Kritik des Beamtenbundes an der schlechten
Besoldung der Beamtinnen
und Beamten in Sachsen-Anhalt reagiert die CDU-Fraktion
mit der Ankündigung, das
Weihnachtsgeld wieder einführen zu wollen und damit
das Landesbesoldungsrecht
verfassungskonform zu machen. Für den dbb Landesvorsitzenden Wolfgang Ladebeck
ist der „Sinneswandel“ der
CDU eine Reaktion auf die vielen politischen Initiativen des
dbb sachsen-anhalt zur Ver­
besserung der Besoldung der
> Wolfgang Ladebeck, Vorsitzender
des dbb sachsen-anhalt
Beamten. „Ich habe die Politiker seit Monaten darauf aufmerksam gemacht, dass Sachsen-Anhalts Beamte die am
schlechtesten bezahlten in
ganz Deutschland sind, aber
nur Lippenbekenntnisse geerntet“, sagte Ladebeck in der Mitteldeutschen Zeitung (Ausgabe
vom 13. Januar 2016). Erst letzte Woche habe er dem Ministerpräsidenten in einem offenen Brief mitgeteilt, dass die
Stimmung unter den Beamten
durch die ihnen in den letzten
Jahren zugemuteten Einkommenskürzungen auf einem
„besorgniserregenden Tiefstand“ angekommen sei. Die
Wiedereinführung des Weihnachtsgeldes ist eine der zen­
tralen Forderungen des Beamtenbundes. Vor zehn Jahren
wurde das Weihnachtsgeld für
die Beamten gestrichen, während bei den Tarifbeschäftigten diese Sonderzahlung
schrittweise bis 2018 auf das
Westniveau angehoben wird.
Einen Gleichklang in der Bezahlung zwischen Tarifbeschäftigten und Beamten gibt es nicht
mehr. „Ich freue mich natürlich
über den Sinneswandel der
Union. Der Ankündigung müssen aber noch vor der Landtagswahl Taten folgen. Deshalb appelliere ich an die
SPD-Fraktion, den Vorschlag
des Koalitionspartners zu unterstützen“, so Ladebeck.
<< DPVKOM
Tarifkonflikt bei der Post
beigelegt
Der Tarifkonflikt bei der
­Deutschen Post ist endgültig
beigelegt. 85 Prozent der bei
der Deutschen Post beschäftigten Mitglieder der Kommunikationsgewerkschaft DPV
­(DPVKOM) haben im Rahmen
einer zweiten Urabstimmung
dem Tarifangebot der Deutschen Post zugestimmt, teilte
die Gewerkschaft Mitte Dezember 2015 mit. „Der Arbeitgeber hat uns schriftlich zugesichert, regelmäßig Gespräche
zum Thema Überlastung im
Bereich der Brief- und Verbundzustellung zu führen.
Das ist ein wichtiger Schritt in
die richtige Richtung“, sagte
der Bundesvorsitzende der
­DVVKOM, Volker Geyer. „Unser
Ziel ist es nach wie vor, die Arbeitssituation der Zusteller der
Deutschen Post zu verbessern.
Trotz der wochenlangen Streiks
unserer Mitglieder war in dieser Tarifrunde – nicht zuletzt
> Volker Geyer,
Bundesvorsitzender
der DPVKOM
aufgrund des zwischenzeitlich
in Kraft getretenen Tarifeinheitsgesetzes – einfach nicht
mehr drin.“ Im Rahmen der Urabstimmung stimmten die befragten Mitglieder auch über
das Tarifangebot der Deutschen Post ab, das diese der
DPVKOM unmittelbar nach
der Tarifeinigung mit einer anderen Gewerkschaft Anfang
Juli vorgelegt hatte. Es sieht
neben einer Einmalzahlung
von 400 Euro unter anderem
auch noch zwei Entgelterhöhungen von 2,0 Prozent zum
1. Oktober 2016 und um wei­
tere 1,7 Prozent zum 1. Oktober 2017, einen Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen
bis zum 31. Dezember 2019
­sowie einen Ausschluss der
Fremdvergabe von Arbeit in
der Brief- und Verbundzustellung bis Ende 2018 vor.
<< Kurz notiert
DPolG
Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft
(DPolG), Rainer Wendt, hat darauf hingewiesen, dass jeder für sich
selbst entscheiden muss, ob er einen so genannten kleinen Waffenschein für sich beantragen möchte. Nach den Exzessen der Silvesternacht hatte die Kölner Polizei auf ihrer Facebook-Seite Hinweise
dazu gegeben. Daraufhin gab es Vorwürfe, die Behörde unterstütze
damit die Selbstbewaffnung der Bevölkerung. „Wir haben als Polizei die Aufgabe, darauf hinzuweisen“, sagte Wendt der „Berliner
Zeitung“ (Ausgabe vom 16. Januar 2016). „Wir rufen nicht dazu auf.
Wir werden aber auch nicht widersprechen. Der Gesetzgeber hat
das so geregelt. Die Polizei ist nur die Vollzugsbehörde.“
dbb
<< DPolG
Videotechnik und ­Bodycams
einsetzen
Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) fordert vor dem
Hintergrund der Vorfälle in
Köln in der Silvesternacht, die
Ausstattung der Polizei zu verbessern. So müsse darüber
nachgedacht werden, bundesweit an öffentlich sensiblen
> Rainer Wendt,
Bundesvorsitzender der DPolG
finale
46
­ rten wie Bahnhöfen und groO
ßen Plätzen, intelligente Videoüberwachung einzusetzen.
DPolG- Bundesvorsitzender
Rainer Wendt sagte am 8. Januar 2016: „Die intel­ligente Videoüberwachung ­ermöglicht
das Erkennen von Unregelmäßigkeiten, so zum Beispiel auffällige Personenbewegungen.
Diese Auffälligkeiten können
sofort an die Einsatzzentralen
der Polizei vor Ort weitergeleitet werden, die dann schnell
über Maßnahmen entscheiden.
Der Einsatz intelligenter Videotechnik kombiniert mit gezieltem Personal­ein­satz kann
­deshalb bei derartigen unvorhersehbaren Eskalationen wie
in Köln hilfreich sein.“ Überdies
müsse in allen Bundes­ländern
zeitnah über die Anschaffung
und Nutzung von Mini-Schulter-Kameras, sogenannter Bodycams, entschieden werden.
Diese dienen sowohl der Prävention als auch der Möglichkeit, beweiskräftige Aufnahmen festzuhalten. Wendt: „Ein
Pilotprojekt in ­Hessen verlief
erfolgreich. Die Er­fahrungen
sollten sich die ­anderen Bundesländer, die noch keine Bodycams eingeführt haben, jetzt
zunutze machen. Eigene, lang-
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
wierige Feldversuche mit offenem Ausgang zu starten, wäre
fehl am Platz.“
<< GdS
tungserhöhung durchsetzen
können, die das anhaltende
­Engagement der Beschäftigten
in den einzelnen AOKs anerkennt“, so das Fazit des GdSBundesvorsitzenden Maik
Tarifabschluss für AOK-Beschäftigte richtungweisend
<< Kurz notiert
Im Tarifbereich der gesetzlichen
Krankenkassen hat die Gewerkschaft der Sozialversicherung
(GdS) einen ersten richtungweisenden Tarifabschluss für das
Jahr 2016 erzielen können. In
der dritten Verhandlungsrunde
am 14. Januar 2016 in Berlin
verständigte sich die GdS-Tarifkommission mit der AOK-Tarifgemeinschaft (TGAOK) auf
­einen Kompromiss, der den
AOK-Beschäftigten in den
nächsten beiden Jahren als
­zentrales Ergebnis eine tabellenwirksame Erhöhung der Vergütungen um insgesamt 4,65
Prozent und 450 Euro Einmalzahlung bringen wird. Konkret
­ agner. „Durch die Gehalts­
W
verbesserungen wird eine an­
gemessene Beteiligung aller
Mitarbeiter am wirtschaftlichen Erfolg des AOK-Verbundes sichergestellt.“
DSTG
Zu einem umfassenden Meinungsaustausch haben sich der
­Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft (DSTG),
Thomas Eigenthaler, und der Präsident des Liechtensteinischen
Bankenverbandes, Adolf E. Real, Anfang Dezember 2015 in Berlin
getroffen. Eigenthaler bescheinigte Liechtenstein sichtbare Fortschritte auf dem Weg zu einem steuerseriösen Bankenplatz und
riet Verbandschef Real zu einer konsequenten „Weißgeldstrategie“, um verloren gegangenes Vertrauen Schritt für Schritt wieder
zurück zu gewinnen. „Steuerhinterziehung durch Schwarzgeldkonten und kriminelle Geldwäsche sind gesellschaftlich out“, sagte
Eigenthaler, der auch dbb Vize ist. Vertrauen, Seriosität und Transparenz seien die Stichworte der Zukunft.
BDF
Der vom Bund Deutscher Forstleute (BDF) verliehene Titel „Waldgebiet des Jahres“ geht 2016 an den Küstenwald Usedom. Der
Bundesvorstand des BDF wählte diesen Wald, weil es hier in besonderer Weise gelingt, den hohen Besucherdruck sowie die wichtige Aufgabe des Küstenschutzes in Einklang mit Naturschutz und
forstlicher Nutzung zu bringen. Die Forstleute der Landesforst
Mecklenburg-Vorpommern und die Kollegen der anderen Waldbesitzer bewirtschafteten das Waldgebiet naturnah und verantwortungsvoll und sorgten mit zahlreichen Partnern für die vielfältige
Nutzung, den Schutz und die Pflege.
VBB
> Maik Wagner,
Bundesvorsitzender der GdS
beinhaltet die Tarifeinigung
eine lineare Steigerung der Gehälter um 3,0 Prozent rückwirkend zum 1. Januar 2016 sowie
um weitere 1,6 Prozent ab
1. März 2017, die Laufzeit des
Tarif­vertrages endet am 31. Dezember 2017. Dazu kommt eine
Einmalzahlung in Höhe von 450
Euro (Auszubildende 225 Euro),
die die Beschäftigten im Januar
2017 erhalten werden. Fortgeschrieben wurde zudem die Regelung zur unbefristeten Übernahme aller Auszubildenden
nach erfolgreicher Abschlussprüfung in ein Vollzeitarbeitsverhältnis. „Mit dem Tarifergebnis haben wir unsere
Forderung einer dauerhaften
tabellenwirksamen Vergü-
Probleme in der Bundeswehr waren Thema eines Gespräches, zu
dem sich der Bundesvorsitzende des Verbandes der Beamten der
Bundeswehr (VBB), Wolfram Kamm, mit dem Vorsitzenden des
Bundestags-Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, getroffen hat. So ging es unter anderem um die Kopfstärke der Bundeswehr, teilte der VBB am 18. Januar 2016 mit. So sei zuletzt in
den Medien von unterschiedlicher Seite die Forderung erhoben
worden, die Umfangszahlen bei der Statusgruppe der Soldaten
anzuheben. Aufgrund der zahlreichen Auslandseinsätze sowie infolge der Beteiligung der Bundeswehr an der Flüchtlingshilfe müsse der militärische Personalumfang nach oben korrigiert werden.
Von den zivilen Kolleginnen und Kollegen, die neben den angestammten Aufgaben ebenfalls zusätzliche Aufgaben bei der Bewältigung der Schutz suchenden Menschen übernommen haben,
sei dabei „wie immer keine Rede gewesen“, kritisierte Kamm.
DBB NRW
Dem DBB NRW ist es gelungen, einen neutralen Beirat beim Sondervermögen einrichten zu lassen. Sowohl im Unterausschuss Personal als auch im Haushalts- und Finanzausschuss wurde der Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und von BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN zum Gesetz zur Einrichtung des Pensionsfonds des Landes NRW angenommen, der unter anderem den Beirat institutionalisiert, dem auch ein Vertreter des DBB NRW angehören wird.
DBB-Landeschef Roland Staude äußerte sich am 22. Januar 2016 in
Düsseldorf zufrieden zu dem Antrag, gleichwohl sehe er den Zuführungsbetrag als zu gering an. Mit Blick auf die Generationsgerechtigkeit erwarte der DBB NRW eine zusätzliche Zuführung von
500 Millionen Euro ab 2018.
<<
in Szeged angefallen war, kaufte 20 Liter schweres Heizöl und
asphaltierte mithilfe seines
Sohnes die Straße selbst. Die
Szegeder Stadtverwaltung hat
diese allgemeinnützige Bürgerinitiative bislang nicht kommentiert.
Selbst ist der Mann
sagte sich Malermeister Istvan
Febert aus Szeged in Ungarn.
Die 260 Meter lange Straße zu
seinem Haus war seit Jahr und
Tag nur eine Schlaglochpiste,
die lediglich im Schneckentempo befahren werden konnte.
Alle Eingaben und Anträge der
Anwohner bei der Stadtverwaltung auf Ausbesserung
fruchteten nicht. Also beschaffte sich der verärgerte
Maler schließlich Asphaltabfall, der beim Bau einer Brücke
<<
Was der Reeperbahn
recht ist
ist dem Kölner Hauptbahnhof
billig. Hier wie dort leiden Besucher unter den (Geruchs-)
Belästigungen von Wildpink-
Was Sie schon immer
über Zahnärzte wissen
wollten aber bisher nicht zu
fragen wagten, geht aus dem
neuen Statistischen Jahrbuch
der Bundeszahnärztekammer
hervor. Dort erfährt der staunende Leser, dass Zahnärzte im
Schnitt 51,6 Jahre alt sind, 4,5
Mitarbeiter beschäftigen und
47,1 Stunden in der Woche in
der Praxis verbringen. Rund
75 Prozent ihrer Patienten verbrauchen pro Jahr nicht nur
5,2 Tuben Zahnpasta und verschleißen 2,9 Zahnbürsten,
sondern trinken auch 21,1 Liter
Wein und rauchen 1 633 Zigaretten. Kein Wunder, dass zu
den am häufigsten nachgefragten Prophylaxemaßnahmen die professionelle Zahnreinigung gehört.
Wörtlich genommen
haben Diebe die Werbebotschaft an einem Metallständer
für sechs Fahrräder in einer
­Geschäftsstraße in Bielefeld:
„Danke für dein Rad“. Allerdings ließen sie nicht nur das
zur Dekoration angekettete
alte Damenrad mitgehen, sondern klauten den Fahrradständer gleich mit. Zur Ausführung
der dreisten Tat muss ein größeres Fahrzeug mit passender
Ladefläche im Einsatz gewesen
sein. Beobachtet hat offenbar
niemand etwas.
©alphaspirit – Fotolia.com
<<
<<
lern, die ihre Notdurft an
­Wänden statt in den kostenpflichtigen Toilettenhäuschen
verrichten. Die einschlägigen
Stellen wurden deshalb bis
zu einer Höhe von einem Meter mit einem Speziallack beschichtet, der extrem flüssigkeitsabweisend ist. Sein Effekt:
Ein auftreffender Wasserstrahl
kommt im selben Winkel zurück, in dem er auf die Wand
trifft. In Köln warnen Hinweise
die Wildpinkler vor der Selbstverschmutzung. In HamburgSt. Pauli gibt es inzwischen sogar beschichtete Wände ohne
Warnschilder nach dem Motto:
„Wer’s ignoriert, wird nassgemacht.“
> dbb magazin | Januar/Februar 2016
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finale
©ViewApart – Fotolia.com
Rabiate Spitzbuben
widersetzen sich ihrer Festnahme notfalls mit Gewalt. Das
ist in den einschlägigen Filmen
so und auch im echten Leben
nicht anders. In einem Ulmer
Kaufhaus stellte der Hausdetektiv einen Ladendieb, der ein
Elektrogerät eingesteckt hatte
und zum Ausgang lief. Der
­Angestellte konnte den Langfinger festhalten, doch der
wehrte sich mit roher Gewalt.
Zunächst ergriff er eine Schere
aus dem Sortiment und stach
nach dem Detektiv, dann
schlug er mit einer Bratpfanne
zu. Am Ende half alles nichts,
er wurde überwältigt und der
herbeigerufenen Polizei übergeben. Die Beamten fanden in
seinem Rucksack nicht nur gestohlene Ware, sondern auch
die Ausweispapiere: Der gewalttätige Dieb war erst 13
Jahre alt.
©Fotolia RAW – Fotolia.com
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dbb