Lernstandsdiagnose im Richtig schreiben - ISB

Lernstandsdiagnose im Richtig schreiben
Das Erlernen des Richtig schreibens ist ein langer Prozess, der auch
am Ende der Grundschulzeit nicht abgeschlossen ist. Auf dem Weg
zum normgerechten Schreiben durchläuft ein Kind verschiedene Stufen
und wendet dabei unterschiedliche Strategien zum Richtig schreiben
an. Auf welchem Lernstand sich das Kind gerade befindet, kann mit
Hilfe verschiedener Diagnosemöglichkeiten festgestellt werden.
Rechtschreib- Die Basis für das normgerechte Schreiben ist das Schreiben nach der
strategien: alphabetischen Strategie: Kinder sprechen sich das Wort laut und deutlich vor und zerlegen den Lautstrom in einzelne Laute. Jeder Laut wird
Alphabetische dann durch einen entsprechenden Buchstaben vom Kind schriftlich
Strategie festgehalten.
Orthographische Allmählich erkennen Kinder, dass bei einigen Wörtern eine lautgetreue
Strategie Verschriftung für das normgerechte Schreiben nicht ausreicht. Bestimmte Laut-Buchstabenverbindungen weichen davon ab: Die Abweichungen müssen entweder auswendig gelernt werden (Merkelemente,
z.B. v statt f ) oder können nach bestimmten Regeln hergeleitet werden
(z.B. Mitlautverdoppelung „Koffer“).
Morphematische Mit Hilfe der morphematischen Strategie leiten Kinder die Schreibweise
Strategie eines Wortes von einem verwandten Wort bzw. von dessen Bausteinen
(v.a. Wortstamm) ab (fahren – Fahrschule) oder Ableitungen („Bäume“,
weil es von „Baum“ kommt, deshalb schreibt man nicht die lautgetreue
Schreibweise „Beume“).
Arbeitstechniken Auf dem Weg zum orthographisch richtigen Schreiben eigener Texte
müssen Kinder auch bestimmte Arbeitstechniken erlernen:

vorgegebene Wörter, Sätze und Texte fehlerfrei abschreiben

Wörter im Wörterbuch nachschlagen

orthographische Fehler in Wörtern, Sätzen und Texten erkennen und berichtigen
Die Beherrschung dieser Techniken kann auch durch Lernstandsdiagnosen ermittelt werden.
Herausgeber:
Staatsinstitut für Schulqualität
und Bildungsforschung
Schellingstraße 155, 80797 München
Tel.: 089 2170-2101, Fax: 089 2170-2105
www.isb.bayern.de
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Lernstandsdiagnose im Richtig schreiben
Werkzeuge zur Lernstandsdiagnose im Bereich
Richtig schreiben
1. Die „Hamburger Schreibprobe“ (HSP)
ab Mitte Klasse 1
Welche Rechtschreibstrategien
beherrscht
ein Kind?
Die HSP ist ein von Peter May entwickelter Test mit einem entsprechenden kostenpflichtigen Testbogen und einer standardisierten Auswertung auf der Basis bundesweiter Vergleichswerte. Dabei wird zunächst aufgrund der Anzahl der richtig geschriebenen Grapheme ermittelt, wie gut ein Kind schon normgerecht schreiben kann. Gleichzeitig
lässt sich bei der Auswertung feststellen, welche grundlegenden
Rechtschreibstrategien das Kind noch nicht beherrscht. So kann die
Lehrkraft den individuellen Förderbedarf eines Kindes erkennen.
Nähere Informationen:
www.peter-may.de/Komponenten/hsp.htm
2. „Wörterrätsel für Fortgeschrittene“
ab Jgst. 2 bis Jgst. 6
Rechtschreib- Etwas weniger aufwändig als die HSP ist das „Wörterrätsel für Fortgestrategien schrittene“ von Erika Brinkmann für Kinder der 2. bis 6. Klasse. Dabei
feststellen sollen Bilder auf einem Arbeitsblatt beschriftet werden. Die Kinder bekommen dabei genügend Zeit zum Nachdenken und Schreiben. Damit
die Bilder auch eindeutig erkannt und benannt werden können, werden
sie zunächst mündlich mit der Klasse vorbesprochen.
Anhand der Verschriftungen kann die Lehrkraft ebenfalls herausfinden,
über welche Rechtschreibstrategien die Kinder bereits verfügen, und
welche individuell noch gefördert werden müssen.
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3. Beobachtungsbögen Jgst. 1/2 und 3/4
Die Rechtschreibleistungen eines Kindes lassen sich auch ohne punktuelle Lernstandserhebung anhand der schriftlichen Arbeiten eines Kindes längerfristig über das Schuljahr hinweg beobachten. Dazu werden
selbst verfasste Texte des Kindes mit Hilfe eines Beobachtungsbogens
rechtschriftlich analysiert. Geschieht dies fortlaufend, so kann über einen längeren Zeitraum auch der Lernfortschritt festgestellt und dokumentiert werden.
4. Arbeitstechnik „Abschreiben“
Anhand von Abschreibaufgaben kann die Leistung eines Kindes im
Bereich „Abschreiben“ ermittelt werden.
Solche Abschreibaufgaben können sein:
Eigenes
Abschreibheft

situatives Abschreiben z.B. von Tafelanschriften im Unterricht

regelmäßiges Abschreibtraining durch abschnittsweises Einprägen und Aufschreiben eines Lerntextes mit Hilfe von:

Dosendiktat (einzelne Wörter oder Satzstreifen)

Schleichdiktat (ganze Texte)

Drehdiktat (Textvorlage auf der Vorderseite, Abschreiben
auf die Rückseite)

Abschreib-„Kinotasche“ (Text nur zeilenweise sichtbar)

eigenes Abschreibheft (Din A4, liniert; auf die Rückseite
wird dauerhaft eine Klarsichthülle geklebt)
Die Textvorlage kommt nicht auf den Tisch, sondern in
die Klarsichthülle auf der Heftrückseite. Das Kind merkt
sich einen Textabschnitt und schreibt ihn ins Heft. Am
Ende nimmt es die Textvorlage aus der Hülle und legt
sie neben das Heft, um die eigene Schreibung mit der
Vorlage zu vergleichen und zu berichtigen.
Was kann die Lehrkraft dabei beobachten und feststellen?

das Produkt, nämlich die Anzahl der Fehler bzw. die Anzahl der
richtig geschriebenen Wörter im abgeschriebenen Text

den Prozess, wenn die Lehrkraft ein einzelnes Kind unauffällig
beim Abschreiben beobachtet: Schreibt es Buchstabe für Buch-
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stabe ab, Wort für Wort, Sinnschritt für Sinnschritt oder Satz für
Satz? Vergleicht es seine Schreibweise noch einmal mit der
Vorlage? Kann es sich auf der Vorlage nicht orientieren und verliert immer wieder die Anschlussstelle aus den Augen?
Dementsprechend kann die Lehrkraft den Förderbedarf des
Kindes erkennen.
5. Arbeitstechnik „Fehler berichtigen“
Differenzierte Diese Leistung eines Kindes in diesem Bereich kann besser festgestellt
Anforderungen an werden, wenn das Kind seine aufgespürten Fehler mit einem andersdas selbstständige farbigen Stift berichtigt:
Berichtigen
 im Abschreibheft (siehe 4.):
von Fehlern
Hier kann das Erkennen und Berichtigen von Fehlern langfristig
beobachtet werden.

bei der Überarbeitung von fehlerhaften Texten (eigene Texte
oder von der Lehrkraft vorgegebene Lerntexte „Vorsicht, Fehler!“), bei denen die Fehler je nach Leistungsstand der Kinder
unterschiedlich von der Lehrkraft gekennzeichnet werden:

Die Gesamtzahl der Fehler wird am Ende des gesamten
Textes angegeben, das Kind muss die Fehlerwörter finden.

Die Anzahl der Fehler in einer Zeile wird am Rand der
Zeile angegeben, das Kind muss die Fehlerwörter erkennen.

Das fehlerhafte Wort wird ganz unterstrichen, das Kind
muss die fehlerhafte Stelle im Wort suchen.

Die fehlerhafte Stelle im Wort wird unterstrichen, das
Kind muss die richtige Schreibweise selbst überlegen.

Die fehlerhafte Stelle im Wort wird unterstrichen, die richtige Schreibweise wird darüber geschrieben, das Kind
muss das ganze Wort richtig abschreiben.
Was kann die Lehrkraft dabei beobachten und feststellen?

In welchem Umfang erkennt ein Kind selbstständig fehlerhafte
Schreibungen von Wörtern?

Findet ein Kind die richtige Schreibweise (evtl. auch mit Hilfe
des Wörterbuchs)?
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6. Arbeitstechnik „Wörter nachschlagen“
Verschiedene Je nach Jahrgangsstufe und Leistungsstand können Wörter in einer
Aufgaben Wörterliste, in einem Wörterheft oder in einem Wörterbuch nachgeschlagen werden.

Aufgabe: „Vorsicht Fehler!“
Die Kinder erhalten entweder eine Liste mit Wörtern oder einen
Text, in dem Wörter fehlerhaft geschrieben sind.
Sie haben die Aufgabe, so viele Fehler wie möglich in der Liste
aufzuspüren, die Wörter im Wörterbuch nachzuschlagen und
die falsch geschriebenen Wörter der Liste zu berichtigen.

Aufgabe: „Wo steht das ganze Wort?“
Die Kinder bekommen eine Liste mit Wörtern, bei denen in der
Mitte oder am Ende Buchstaben fehlen. Jedes Wort soll mit Hilfe des Wörterbuches ergänzt werden. Als „Beweis“ für das
Nachschlagen wird hinter das betreffende Wort die entsprechende Seite im Wörterbuch notiert.

Aufgabe: Wörterdiktat
Die Lehrkraft diktiert eine Reihe von Wörtern, die die Kinder zunächst nicht fehlerfrei schreiben müssen. Anschließend schlagen die Kinder jedes Wort im Wörterbuch nach und berichtigen
es. Auch hier kann wieder die Seite im Wörterbuch als „Beweis“
angegeben werden.
Was kann die Lehrkraft dabei beobachten und feststellen?

Wie viele Wörter findet ein Kind im Wörterbuch in einer bestimmten Zeit?

Kann es die Wörter aus dem Wörterbuch richtig abschreiben?

Findet es das Wort auch dann im Wörterbuch, wenn es nicht
genau so im Wörterbuch steht (z.B. Personalformen, zusammengesetzte Wörter,…)?
Literaturverweise Bartnitzky, H. und Hecker, U.: Beiträge zur Reform der Grundschule. Band
121: Pädagogische Leistungskultur: Materialien für Klasse 3 und 4. Frankfurt
am Main 2006
Spiegel, U.: Richtig schreiben. Grundlagen und Strategien. Übungen für die
2. - 4. Klasse. Berlin 2005
Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung München: Handreichung zum Rechtschreibunterricht in der Grundschule. München 2001
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