Handelsblatt vom 06.08.2015 Autor: Seite: Hofer, Joachim 022 Nummer: Auflage: Ressort: Gattung: Unternehmen & Märkte Tageszeitung Reichweite: 149 118.700 (gedruckt) 122.939 (verkauft) 128.976 (verbreitet) 0,48 (in Mio.) Die Fabrik im Laden In zwei Jahren will Europas größter Sportkonzern Adidas Schuhe direkt in seinen Geschäften produzieren. Joachim Hofer Herzogenaurach. -- Später soll in den Stores auch Kleidung entstehen. -- Vorstandschef Hainer braucht neue Impulse. Mit Ware aus dem Regal brauchen sich die Fans von Adidas bald nicht mehr zufriedenzugeben. Der Sportkonzern will in zwei Jahren damit anfangen, in seinen Geschäften nach den Wünschen der Konsumenten zu produzieren. "Die Kunden bekommen Schuhe, die genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind und perfekt zu ihren Füßen und ihrem Bewegungsablauf passen", sagte Adidas-Vorstand Glenn Bennett dem Handelsblatt. "Store Factory", also Ladenfabrik, nennt Adidas das Projekt. Mit dem Vorhaben will Europas größter Turnschuh-Hersteller eine neue Ära in der Sportbranche beginnen. Mit viel High Tech sollen die Käufer im Geschäft vermessen werden, damit sie ein paar Minuten später ihre individuell geformten und gestalteten Schuhe aus dem Automaten mit nach Hause nehmen können. Adidas erhofft sich dadurch nicht nur steigende Einnahmen, sondern auch ein engeres Verhältnis zu den Konsumenten. "Wir lernen unsere Kunden so gut kennen wie noch nie", hofft Vorstand Bennett. Der Amerikaner ist in dem Konzern für die Beschaffung zuständig. Bislang lassen die großen Sportmarken ihre Ware meist in riesigen Fabriken in Asien fertigen. Das ist kostengünstig, hat aber einen Nachteil: Die Labels müssen lange im Voraus planen. Das führt dazu, dass von manchen Schuhen letztlich zu wenig da sind; andere Teile lassen sich dagegen nur mit saftigen Rabatten losschlagen, weil sie sich als Ladenhüter herausstellen. Bei der Schuhfabrik im Shop soll es aber nicht bleiben. Künftig werde auch Kleidung in den Läden hergestellt, "die den Käufern perfekt passt und genau so aussieht, wie sie es wollen", unterstrich Bennett. Es hat seinen Grund, dass Adidas ganz neue Wege geht. Adidas-Chef Herbert Hainer hat dieses Frühjahr ein großes Versprechen abgegeben. Bis 2020 soll der Umsatz Jahr für Jahr um bis zu neun Prozent klettern, der Gewinn soll sogar um 15 Prozent jährlich steigen. Um das zu erreichen, möchte Adidas schneller werden, urbaner und offen für Ideen von außen. So hat es Hainer Ende März am Stammsitz in Herzogenaurach verkündet. "Creating the New" hat er seine neue Strategie genannt. Wichtiger Bestandteil der Strategie ist die "Store Factory", an der ein 35-köpfiges Team tüftelt. Die Franken binden ihre Zulieferer dabei eng ein, zum Beispiel Maschinenbauer und Rohstofflieferanten. Die Fabrik im Laden ist nicht das einzige Vorhaben, mit dem Adidas Neuland betritt. Bald wird die sogenannte "Speed Factory" in den Testbetrieb gehen, eine hochautomatisierte Schuhproduktion. "Kommendes Jahr werden wir die ersten 500 Paar Schuhe in einer ,Speed Factory' herstellen", betonte Bennett. Ein Prototyp entsteht derzeit beim Zulieferer Oechsler in Ansbach. Bewährt sich die Fertigungslinie, könnte sie künftig überall auf der Welt aufgestellt werden. Es gibt viele Gründe dafür, dass Adidas seine Ware nicht mehr nur in Fernost produzieren will. Der wichtigste: Die Franken wollen den Konsumenten etwas Neues bieten. "Wir müssen die Kunden jeden Tag überraschen", hat Konzernchef Hainer als Devise ausgegeben. Doch das ist nicht alles, gerade China ist als Produktionsstandort lange nicht mehr so attraktiv. So steigen die Löhne dort Jahr für Jahr zweistellig. Dazu kommt, dass die Fabriken in Asien lange Vorlaufzeiten haben und der Transport mehrere Wochen dauert. Die Sportmarken haben ihre Aufträge für nächsten Sommer bereits in den vergangenen Wochen abgegeben, obwohl sie heute noch gar nicht wissen, wie viel diese Saison über die Ladentheken ging. Adidas braucht neue Impulse auch, um die Investoren bei der Stange zu halten. Die vergangenen beiden Jahre waren eine Enttäuschung für die Anteilseigner. Die Franken haben ihre selbst gesetzten Ziele weit verfehlt. "Wir waren nicht so gut, wie wir uns das selbst erhofft hatten", gab sich Hainer im Frühjahr selbstkritisch. "Wir haben an Begehrlichkeit verloren, weil wir uns nicht genug auf die Bedürfnisse unserer Kunden konzentriert haben." 2014 gehörte Adidas zu den schwächsten Werten im Dax. Die Kunden überraschen, das geht am einfachsten in den eigenen Läden, weil die Franken da den vollen Zugriff haben. Mehr als 60 Prozent vom Umsatz will Adidas künftig auf selbst kontrollierten Flächen einspielen; bisher hat das Label nur 50 Prozent angepeilt. Dadurch soll die Marke mit den drei Streifen auch zügiger auf Trends reagieren können. Zudem sind die Margen in den eigenen Läden höher. Adidas steht auch durch die Konkurrenz kräftig unter Druck, vor allem Weltmarktführer Nike setzt den Deutschen zu. "Nike entwickelt sich nach wie vor sehr positiv", sagt Jochen Schnell, Vorstand der in Deutschland führenden Sporthandelskette Intersport. Vor zehn Jahren erzielte das Label von der amerikanischen Westküste noch etwa sechs Milliarden Euro mehr Umsatz im Jahr als Adidas. Inzwischen sind es zwölf Milliarden. Wenn Adidas nicht in die zweite Liga absteigen will, muss der Konzern schnell kräftig in Fahrt kommen. Nike denkt allerdings selbst darüber nach, näher bei den Kunden zu produzieren. Bis zu 10 000 Jobs könnte der Konzern aus Oregon in seiner amerika- nischen Heimat schaffen, unterstrich Nike-Chef Mark Parker im Frühjahr. Dies würde aber nur gelingen, wenn das transpazifische Freihandelsabkommen unterzeichnet werde, schränkte der Konzernherr ein. Falls die Zölle fielen, werde so viel Innovationskraft freige- setzt, dass Nike erstmals in großem Stil wächst, und so brauchen wir zusätzliin den USA fertigen könnte. che Kapazitäten", betont Einkaufschef Die vielen Hunderttausend Beschäftig- Bennett. ten in den Fabriken in Fernost werden trotzdem auch künftig noch genug zu tun haben, die Minifabriken ergänzen die Massenproduktion nur. "Adidas Sportartikelbranche: Aus welchem Land die wichtigsten Schuh- und Bekleidungsproduzenten kommen (MAR / Grafik) Abbildung: Abbildung: Wörter: Urheberinformation: © 2015 PMG Presse-Monitor GmbH Sneaker: Adidas will individuell geformte und gestaltete Schuhe anbieten. Bloomberg 895 Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH 2015: Alle Rechte vorbehalten. 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