Ostschweiz 11 31. Mai 2015 Ostschweiz am Sonntag Seit der Aufhebung des Euromindestkurses purzeln die Exporte der Schweiz in die Eurozone. Die Thurgauer Industrie trifft das besonders hart: Sie ist immer noch sehr stark von Exporten in die Nachbarländer abhängig. Gefährliche Nachbarschaft KASPAR ENZ Die Aufhebung des Euromindestkurses zeigt Wirkung. In den ersten vier Monaten dieses Jahres gingen die Exporte aus der Schweiz im Vergleich zur Vorjahresperiode um 2,3 Prozent zurück. Allerdings zeigen sich grosse Unterschiede bei den einzelnen Kantonen. So gingen die Exporte aus den Kantonen St. Gallen, Ausserrhoden und Innerrhoden weniger stark zurück als im landesweiten Schnitt. Dafür zeigen sich die Auswirkungen des Entscheids der Nationalbank im Thurgau deutlich. Dessen Exporte fielen im ersten Trimester um 7,6 Prozent. Die wichtigsten Exportgüter des Kantons, Maschinen, Apparate und Elektronik, sind besonders betroffen: Sie brachen seit Anfang Jahr um 17,1 Prozent ein. Harte Zeit hinter sich Damit bestätigt sich, was eine Umfrage der Thurgauer Industrie- und Handelskammer bereits im März er- gab: Die grosse Mehrheit der befragten Unternehmen erwartete deutlich negative Auswirkungen vom Entscheid der Nationalbank. So überraschen die neuen Exportzahlen den IHK-Präsidenten Christian Neuweiler nicht. «Es ist, wie wir befürchtet haben», sagt er. Gerade für den stark industriell geprägten Thurgau kein gutes Zeichen. Denn auch die drei Jahre, in denen die Nationalbank den Mindestkurs von 1.20 Franken hielt, seien für die Exportindustrie nicht einfach gewesen. «2009 lag der Kurs noch bei 1.55. Die Industrie ging aus dieser Zeit nicht gestählt hervor», sagt Neuweiler. Krisen drückten Exporte Tatsächlich betrugen die Ausfuhren aus dem Kanton schon 2014 nur noch 85 Prozent des Wertes, den sie vor der Finanzkrise erreichten. Die Exporte von Maschinen und Apparaten sanken gar auf 82 Prozent. Auch der Nachbarkanton St. Gallen musste Einbussen verzeichnen: Seine Aus- fuhren lagen 2014 bei 91 Prozent des Wertes von 2007. Auch die St. Galler Maschinenindustrie litt überdurchschnittlich. Sie exportierte 2014 noch 81 Prozent des Höchstwertes. Damit stehen die Ostschweizer Maschinenund Apparatebauer zwar etwas besser da als die Branche landesweit. Die gesamten Exporte der Schweiz konnten seit 2007 doch um fünf Prozent zulegen. Geschrumpft sind in dieser Zeit vor allem die Exporte in die EU. Gingen 2007 noch 63 Prozent der Schweizer Exporte in die EU, waren es 2014 nur noch knapp 55 Prozent. Gerade die Thurgauer Exportindustrie ist stark von der EU und dem Nachbarn Deutschland abhängig. 2007 gingen noch 79 Prozent aller Thurgauer Exporte in die EU. 2014 waren es immer noch 72 Prozent. Auch deshalb wirkt sich der Schock der Aufhebung des Mindestkurses im Thurgau stärker aus: Um 23 Prozent gingen seither die Exporte in die Eurozone zurück. «Der Thurgau ist von kleinen Betrieben geprägt, die traditionell auf Deutschland ausgerichtet sind», sagt Peter Eisenhut, Ökonom beim St. Galler Beratungsunternehmen Ecopol AG. Mit mehr Ausfuhren nach Amerika und Asien konnten viele Schweizer Exporteure die Verluste in Europa zum Teil wettmachen, wie die Exportzahlen zeigen. Doch den Thurgauer Exporteuren scheint dies weniger schnell zu gelingen. «Für einen kleinen Betrieb ohne internationale Verkaufsorganisation ist das schwer», sagt Christian Neuweiler. «Da liegt Europa näher.» Vermehrt verlagern Bild: ky/Steffen Schmidt «Die Betriebe werden mit der neuen Lage umgehen müssen», sagt Neuweiler. Nun werde es Verlagerungen geben. «Komponenten werden vermehrt im Ausland eingekauft statt hier produziert.» Damit würden die Schweizer Produkte zwar günstiger. «In der Schweiz wird das aber Arbeitsplätze kosten.» Die Thurgauer Maschinenindustrie spürt den starken Franken. Thurgauer Maschinenexporte brechen ein Seit der Aufhebung des Mindestkurses sanken die Exporte schweizweit. In der Ostschweiz ist der Thurgau am stärksten betroffen, insbesondere die Maschinenindustrie. Diese ist stärker von Exporten ins benachbarte Deutschland und in die Eurozone abhängig als der Schweizer Schnitt. Gesamthandel Veränderung in Prozent 15 10 5 0 -5 -10 -15 -20 -25 Januar 2015 Februar 2015 März 2015 April 2015 März 2015 April 2015 Maschinen, Elektronik, Apparate Veränderung in Prozent 15 10 5 0 -5 -10 -15 -20 -25 Januar 2015 Februar 2015 St.Gallen Thurgau Schweiz Exporte in Milliarden Franken Thurgau St.Gallen 4 3,5 3 2,5 EU 2 1,5 1 0,5 0 2007 Gesamtexport 2015 EU-Export 2007 Gesamtexport Maschinen, Elektronik, Apparate 2015 EU-Export Maschinen, Elektronik, Apparate Quelle: ezv/Swissimpex, Grafik: oas Der Kanton Thurgau unterstützt Gemeinden, wenn sie easyvote einführen wollen. Das Projekt soll junge Erwachsene zum Wählen und Abstimmen motivieren. Bis jetzt hat aber keine Gemeinde das Angebot angenommen. Thurgau will mehr Junge an der Urne MICHÈLE VATERLAUS FRAUENFELD. Die Stimmbeteiligung im Thurgau liegt oft unter 50 Prozent. Besonders unter jungen Erwachsenen – also unter den 18- bis 25-Jährigen – ist der Gang an die Urne nicht sehr verbreitet. Der Dachverband der Schweizer Jugendparlamente will das ändern. Vor wenigen Jahren lancierte er deshalb das Projekt easyvote: Die Abstimmungsunterlagen werden jugendgerecht aufgearbeitet und in einer verständlichen Sprache formuliert. So soll die Politik für Jugendliche zugänglicher werden. Easyvote kann von Gemeinden abonniert werden und kostet pro Jugendlichen und Jahr fünf Franken. Seit kurzem bekommen willige Gemeinden im Thurgau auch Unterstützung vom Kanton: Er bezahlt einen Franken pro Jugendlichen. an den Gemeinderat gerichtet, unterzeichnet von 27 der 30 Parlamentarier. Die Antwort fiel zwar nüchtern aus – der Gemeinderat wollte sich nicht dafür oder dagegen aussprechen und überlässt den Entscheid dem Parlament. «Doch die Anfrage haben fast alle Parlamentarier unterschrieben. Ich gehe davon aus, dass der Einführung nichts im Weg steht.» Curau weiss, dass es insgesamt 2000 junge Erwachsene braucht, die mit den Broschüren bedient werden, «dann wird easyvote sich auch darum kümmern, kantonale Abstimmungsvorlagen jugendgerecht zu übersetzen, und nicht nur die nationalen.» Verbreitete Skepsis Der Knackpunkt ist: Bisher nimmt keine Thurgauer Gemeinde an easy- vote teil, wie von den Projektverantwortlichen zu erfahren ist. «Bei uns sind bisher auch keine entsprechenden Gesuche eingegangen», sagt Pascal Mächler, Leiter der Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Familienfragen Thurgau, auf deren Anstoss die kantonale Unterstützung ins Leben gerufen wurde. Möglicherweise liegt es an der Skepsis, die gegenüber dem Projekt vorhanden ist – auch bei den Jungparteien. Sie finden zwar nichts Schlechtes an easyvote, bezweifeln aber die Wirkung auf den Urnengang. «Politik ist ähnlich wie ein Hobby: Es interessiert oder es interessiert nicht», sagt Lukas Weinhappl, Präsident der Jungen FDP Thurgau. Junge Erwachsene könne man vor allem an die Urne bewegen, wenn es sich um Weinfelden ist dran Skepsis Nur zwei Kantone machen mit Begeistert davon ist Samuel Curau, Präsident der Jungen CVP Thurgau. Curau ist Sekundarlehrer und arbeitet im Unterricht mit easyvote. «Die Schüler sprechen gut darauf an. Ich bin überzeugt, dass das Projekt etwas beitragen kann, dass die Jungen eher an die Urne gehen.» Deshalb begrüsst er es auch, dass der Kanton die Einführung von easyvote finanziell unterstützt. Curau hat bereits Anstrengungen unternommen, damit die Gemeinde Weinfelden easyvote einführt. Er hat eine Einfache Anfrage Easyvote ist eine Abstimmungshilfe für junge Erwachsene von 18 bis 25 Jahren. Vor Abstimmungen bekommen die Abonnenten die Botschaften in einer jugendgerechten Sprache zugestellt. Teile der Informationen gibt es auch online. Das Motto ist immer: «von Jugendlichen für Jugendliche». Zurzeit nehmen schweizweit 304 Gemeinden an easyvote teil. Neben dem Thurgau unterstützt auch der Kanton Luzern die Gemeinden finanziell, wenn sie Easyvote abonnieren. Der Bündner Regierungsrat steht dem Projekt skeptisch gegenüber, wegen der Aufarbeitung der Botschaften durch Dritte: Sie könnten ungenau, widersprüchlich oder gar einseitig sein, was rechtlich heikel werden könnte, wie das «Bündner Tagblatt» schreibt. Im Thurgau hat man keine Bedenken: «Easyvote garantiert ja die Neutralität», sagt Pascal Mächler, Leiter der Fachstelle für Kinder-, Jugendund Familienfragen. (mvl) Themen handle, die sie direkt betreffen. «Easyvote ist ein Nice-to-have, aber ich bin der Meinung, die Politik sollte den Schülern in der Schule nähergebracht werden.» Er bezweifelt auch, dass die Botschaften in Papierform etwas bringen. «Die Jungen informieren sich übers Netz. Und dort gibt es viele ähnliche Plattformen.» Er spricht damit Plattformen wie Vimentis oder Politnetz an. Flavio Brühwiler, Präsident der Juso, ist es ein Anliegen, dass junge Erwachsene die Demokratie in all ihren Facetten verstehen lernen. «Easyvote leistet einen Beitrag dazu.» Doch Brühwiler betont, dass zur Politik nicht nur Abstimmungen und das Abstimmungsbüchlein gehören. Zentral seien beispielsweise auch Podien. Sie machten Politik lebendig. Oliver Straub, Präsident der Jungen SVP, betont, es sei wichtig, dass sich junge Erwachsene mit Politik auseinandersetzen. Doch er fragt sich, ob das Projekt easyvote tatsächlich vom Kanton subventioniert werden müsse. Die Kosten, die damit anfallen, sind für Lukas Orellano, Präsident der Jungen GLP, sekundär. «Es ist zwar schwierig, den Nutzen abzuschätzen, dennoch finde ich die Unterstützung gut. Viel Geld ist es ja nicht, das ausgegeben wird.» Bald geht etwas Samuel Curau ist trotz der Zweifel zuversichtlich. Auch wenn sich bisher keine Thurgauer Gemeinde bei der Fachstelle für Kinder-, Jugend- und Familienfragen gemeldet hat, ist er überzeugt, dass sich das bald ändern wird. «Wir sind in Kontakt mit Parlamentariern aus anderen Städten.» So mit Arbon und Frauenfeld. «Es müssen nur drei grössere Gemeinden mitmachen, dann haben wir die 2000 Jugendlichen beisammen.» Anzeige <wm>10CAsNsjY0MDQxiTe2MDSwsAAA4XHWiw8AAAA=</wm> <wm>10CB3DzQaAQBAA4Dda82tmm2P2ECtJ98RaHZIOvb_o46s1NMF_LPNW1kBAkZ0dwT1QLAkga5BZsqzsAUpOgDogszAI5Vhan-7zuN70tP4BhzHT5FMAAAA=</wm>
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