Kurseinheit: Zivilrecht/ BGB/ Systematik

Rechtskunde AG Rechtsanwalt Frank Lee
Kurseinheit: Strafrecht AT/ Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt/
Objektiver Tatbestand
Objektiver Tatbestand
Der objektive Tatbestand beschreibt die geschriebenen Tatbestandsmerkmale eines
Straftatbestandes. Er bezieht sich auf das äußere Erscheinungsbild der Tat.
1. Täter (Tatsubjekt)
a) Grundsätzlich können Delikte von jedermann verwirklicht werden, sog.
Gemeindelikte.
b) Sonderdelikte: diese Delikte können nur von Tätern begangen werden, die
besondere Eigenschaften aufweisen,
z.B. § 331 StGB: „Ein Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders
Verpflichteter, der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten
fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“,
§ 203 StGB: „Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen
Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis,
offenbart, das ihm als Arzt, Rechtsanwalt etc…“
c) Eigenhändige Delikte: manche Delikte kann nur derjenige begehen, wer die
Handlung unmittelbar selbst vornimmt, sog. eigenhändige Delikte
z.B. § 315 c StGB: „Wer im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des
Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder b)infolge
geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu
führen…“
2. Opfer (Tatobjekt)
z.B. einen anderen Menschen (Totschlag, § 212); fremde bewegliche Sache
(Diebstahl, § 242)
3. Tathandlung
Für eine Handlung im strafrechtlichen Sinn muss zumindest ein menschliches
willensgetragenes Tun oder Unterlassen vorliegen.
(-) bei Reflexhandlungen, Zwang, Hypnose etc.
4. Taterfolg
a) Überwiegend gehört der Eintritt eines bestimmten Taterfolges zum gesetzlichen
Tatbestand, z.B. Tod eines Menschen (§§ 211,212 StGB), Körperverletzung (§ 223
StGB)
b) Daneben gibt es Tatbestände, die lediglich eine bestimmte Tathandlung fordern,
z.B. falsch Aussagen (§ 153 StGB)
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5. Kausalität zwischen Handlung und Erfolg
Die Handlung muss ursächlich für den Erfolg gewesen sein um einen Straftatbestand
zu erfüllen:
Eine Handlung ist dann ursächlich für einen Erfolg, wenn sie nicht
hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt
entfiele. Dabei reicht Mitursächlichkeit aus. (conditio sine qua non)
Fall 1: T schlägt O ins Gesicht. Diese bekommt daraufhin ein blaues Auge. Ist die
Kausalität gegeben?
(+) Hätte T dem O nicht geschlagen, hätte O auch kein blaues Auge bekommen.
Sonderfälle der Kausalität
Fall 2: A und B schütten jeweils ein tödliches Gift in die Cola des O. O stirbt,
nachdem er sich einen Schlug aus der Falsche genehmigt hatte. Waren die
Handlungen des A und B kausal für den Erfolg?
Bei Anwendung der Conditio sine qua non-Formel wären sowohl A als auch B
mangels Kausalität ihrer Handlung straffrei:
Würde die Handlung des A weggedacht, wäre O trotzdem wegen der Handlung des
B gestorben. Der Erfolg wäre also bei Hinwegdenken der Handlung des A nicht
entfallen. Genauso würde es sich bei B verhalten. Bei Hinwegdenken der Handlung
des B wäre O aufgrund der Handlung des A gestorben. Das kann im Ergebnis nicht
sein!!!
Führen mehrere selbständige Handlungen einen Erfolg herbei und jede Handlung
hätte für sich schon den Erfolg herbeigeführt (sog. alternative Kausalität) wird die
conditio sine qua non-Formel in der Form abgeändert, dass jede Bedingung
ursächlich für den Erfolgseintritt ist.
Fall 3: A und B schütten wieder Gift in die Cola des O. Anders als in Fall 2 waren die
Gifte jedoch diesmal für sich genommen nicht tödlich. Nur das Zusammenwirken der
beiden Gifte führte zum Tod des O.
Bei Anwendung der Conditio sine qua non- Formel wären sowohl A und B straffrei:
Würde die Handlung des A (bzw. des B) hinweggedacht, wäre der O nicht gestorben.
ABER: Nach der Conditio sine qua non-Formel ist Mitursächlichkeit ausreichend.
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Fall 4: T erschießt den todkranken O, der nur noch 2 Monate zu leben hätte. War die
Handlung des T kausal für den Erfolg?
Anwendung der Conditio sine qua non-Formel: Hätte T den O nicht erschossen wäre
dieser trotzdem aufgrund seiner Krankheit gestorben. Aber: Es kommt ja auf den
konkreten Erfolg an. Zwar wäre O gestorben aber nicht aufgrund des Schusses,
sondern aufgrund der Krankheit. Der Schuss des T war somit Kausal für den Tod des
O.
Reserveursachen, die den Erfolg zu einem späteren Zeitpunkt auf eine andere Weise
herbeigeführt hätten, bleiben unberücksichtigt. (sog. hypothetische Kausalität)