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Sind unternehmerische Fehlleistungen per se als Untreue-Handlung zu werten?
Überblick. Mit 1.1.2016 trat die Strafrechtsreform 2015 in
Kraft. Im Zentrum der Reform steht neben den Bilanzdelikten
der reformierte Untreuetatbestand samt der sowohl im
GmbH-Gesetz als auch im Aktiengesetz nunmehr verankerten Business Judgement Rule („BJR“).
Beatrice Bachl
[email protected]
Libro-Entscheidung. Auf Basis der umstrittenen Ent­
scheidung des OGH in Sachen Libro im Jahr 2014 (12
Os 117/12 s) war eine Tendenz der Rechtsprechung
dahin­gehend zu befürchten, dass eine unternehmerische
Entscheidung, welche sich nachträglich als wirtschaftlich
nachteilig herausstellen sollte, per se als Erfüllung zumindest des objektiven Tatbestandes der Untreue gewertet
werden könnte. Positiv ist nun, dass die neue Rechtslage
diese Tendenz abzuschwächen scheint.
Untreuetatbestand. Das Delikt der Untreue verwirklicht
nunmehr, wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu
verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich
missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen
schädigt. Seine Befugnis missbraucht, wer in unvertretbarer
Weise gegen solche Regeln verstößt, die dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen. Bei dieser
Konkretisierung auf die Wortfolge „in unvertretbarer Weise“,
also den Bereich außerhalb des vernünftig Argumentier­
baren, handelt es sich bereits um eine Art BJR „light“. Steht
einem Entscheidungsträger ein Ermessensspielraum zur
Verfügung, ist das Überschreiten desselben tatbestandsmäßig. Wurden dem Entscheidungsträger hingegen klare
Anweisungen gegeben, ist zudem jede Abweichung davon
tatbestandsmäßig.
Business Judgement Rule. In Ergänzung zur neuen
Untreue-Regelung wurde sowohl im Aktiengesetz als auch
im GmbH-Gesetz eine BJR implementiert. Demnach ist
ein Vorstandsmitglied bzw ein Geschäftsführer dann nicht
strafbar, wenn er sich bei einer unternehmerischen Entscheidung nicht von sachfremden Interessen leiten
lässt und auf der Grundlage angemessener Information
annehmen darf, zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.
Handelt der jeweilige Entscheidungsträger dementspre-
chend, handelt er auf Basis der BJR jedenfalls im Einklang
mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes
(„Safe Harbour“) und hat keine strafrechtlichen Folgen zu
befürchten. Wird die BJR jedoch nicht eingehalten, bedeutet dies nicht per se einen strafbaren Sorgfaltsverstoß. Ein
möglicher Sorgfaltsverstoß ist sodann gesondert zu prüfen.
In der Praxis ist es daher empfehlenswert, die Entscheidungsgrundlagen zu dokumentieren. Dies gilt insbesondere
für jene unternehmerischen Entscheidungen, bei denen
vorab schwer einzuschätzen ist, ob sie möglicherweise wirtschaftlich nachteilige Auswirkungen haben könnten.
Präzisierung der bisherigen Rechtslage? Nach
bisheriger Rechtsprechung des OGH ist zur Erfüllung des
Untreuetatbestandes ein echter Verlust der Vermögens­
substanz erforderlich; eine bloße Vermögensgefährdung
reicht nicht aus (RS0095945). Der OGH judizierte also
bereits in jener Form, welche der Gesetzgeber nunmehr
ausdrücklich normiert. Ähnlich verhält es sich mit dem
Begriff des Missbrauchs. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung legt diesen Begriff bereits so aus, dass darunter
ohnehin nur unvertretbare Handlungen zu verstehen sind.
Es ist daher unklar, ob die neue Rechtslage tatsächlich zu
einer Präzisierung der alten Normen führt. Auch im Zusammenhang mit der im GmbH-Gesetz und im Aktiengesetz
normierten BJR stellt sich die Frage nach der vorgenommenen Präzisierung. Lehre und Judikatur berücksichtigten die
genannten Prinzipien bereits vor der Reform.
Fazit. In Hinblick auf die Untreue kam es zu einer Ergänzung des Tatbestandes durch Hinzufügen des Befugnismissbrauchs in unvertretbarer Weise sowie der Implementierung einer Business Judgement Rule. Großteils nahm der
Gesetzgeber Formulierungen auf, bei welchen es sich um
die Normierung der bereits praktizierten Judikatur handelt.
Im Wirtschaftsleben ist es in jedem Falle empfehlenswert,
die Grundlagen für eine unternehmerische Entscheidung
im Hinblick auf die BJR festzuhalten. Es bleibt letztlich
abzuwarten, ob die neue Rechtslage insgesamt zu größerer
Rechtssicherheit oder etwa zu veränderter Rechtsanwendung führt.
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