Paradies auf Zeit im Velopark

Paradies auf Zeit im Velopark
Bevor im alten Verkehrsgarten Gutschick die Bagger fürs Sportzentrum Wincity auffahren, haben
Jugendliche sich den verwilderten Park als Freizeitoase erobert. Gestern und heute findet hier auch
das Sternen-Open-Air statt.
Von Michael Graf. 03.07.2015
Stichworte
Winterthur
Offene Jugendarbeit
Der Charme des Unfertigen: Im alten Verkehrsgarten Gutschick haben Jugendliche einen Ort
zum Hängen und Bauen. Oder eine Au!rittsmöglichkeit am Sternen-Open-Air.
Bild: Marc Dahinden
Das Schild des alten Verkehrsgartens Gutschick ist verhüllt. «Chill City, für Jugendliche»
steht darauf in bunten Buchstaben. Offen am Mittwoch- und Donnerstagnachmittag.
Ein verwunschener Ort: Zwischen den Miniatursträsschen wächst hohes Gras, im
Kreisel wuchert ein veritables Gebüsch.
Und das ist nicht das Einzige, was diesen Frühling in die Höhe geschossen ist. Aus
Schwartenbrettern, alten Fenstern und Bambus hat ein Grüppchen junger ​Erwachsener
die Strandbar «S Einzelchind» gezimmert. Brohemia nennt sich die Gruppe, eine
Mischung aus Bro’ (Bruder), Boheme und Utopia, erklärt Jeremias Müller (21). «Wir sind
ein kultureller Verein und wollen Jungen mit wenig Geld eine Auftrittsmöglichkeit
bieten. Ausstellungen, Lesungen und Konzerte hat man schon organisiert. Die
Einzelchind-Bar ist den Sommer über jeden Freitagabend in Betrieb.
«Der Ort ist perfekt», sagt Müller und deutet herum. «Mitten in der Stadt, und doch
kann man machen, was man will.» Tatsächlich atmet der wilde Park mit den
improvisierten Bauten jenen unperfekten Charme, den Schweizer gerne in Berlin
besichtigen und zu Hause vermissen. Ein Ort zum Sein und zum Selbermachen. Selbst
gebaute Skate-Rampen stehen auf den Wegen, daneben der Bauwagen der Mobilen
Jugendarbeit (Mojawi), die hier mit Jugendlichen im Schulalter spielt und eigene Hütten
zimmert.
Dieses Wochenende steht aber alles im Zeichen des Sternen- Open-Airs. An zwei Tagen
stehen rund ein Dutzend lokale Rock- und Hip-Hop-Gruppen auf der mobilen Bühne.
Der Sternen ist der Jugendtreff in Seen, auf dessen Parkplatz und mit dessen Support
die ersten vier Ausgaben des Open Airs über die Bühne gingen. Auch in den Reihen der
Brohemia, die den Anlass mitorganisieren, gibt es viele ehemalige Sternen-Besucher.
Und ohnehin viel Talent: Salzhaus-Booker Nik Petronijevic oder der angehende
Rockgitarren-Student Florian Sommer. Wie lange sie in «Chill City» bleiben können, ist
noch unklar, es hängt vom Baufortschritt des Sportzentrums ab. Wenn es nach
Brohemia und der Jugendarbeit ginge, könnte sich Wincity noch Zeit lassen. (Landbote)
(Erstellt: 03.07.2015, 20:39 Uhr)
Das Sternen-Open-Air im alten
Verkehrsgarten nutzte die städtische
Kinder- und Jugendbeau!ragte Mireille
Stau"er gestern Abend, um den
Jahresbericht der O"enen Jugendarbeit
(OJA) vorzustellen. Der Jugendtre"
Sternen in Seen gehört zur OJA, die Mobile
Jugendarbeit (Mojawi) ebenso wie ein
Dutzend weitere Tre"s. Die 15
Einrichtungen der OJA waren 2014
während 8191 Stunden für Kinder und
Jugendliche o"en.
Mehr als 30 000-mal wurden die Angebote
genutzt: 22 000-mal von Jungen, 8200-mal
von Mädchen. Zu rund 650 Kindern und
Jugendlichen hatten die Mitarbeitenden
regelmässigen engeren Kontakt und
nahmen eine aktive Rolle bei der Lösung
von Problemen ein. Schule und
Ausbildung gehörten zu den
Hauptthemen, Familie, Religion und
kulturelle Fragen ebenso. Sorgen bereiten
vielen Jugendlichen auch diese Themen:
Diskrepanz zwischen Wünschen, Träumen
und Wirklichkeit; fehlende Perspektiven
und Zukun!sangst; Selbstwertbildung;
Leistungsdruck und Noten.
Räume zum Nutzen bleiben ein grossen
Anliegen der Jugendlichen und der
Jugendarbeit. Es bestehe ein Konzept, wie
Räume vermittelt werden könnten, sagt
Stau"er, doch müsse dieses noch von den
Departementen und vom Stadtrat
besprochen werden. «Raumfänger» heisse
das Projekt und sei «ein Schwerpunkt der
nächsten Zeit». Die Zwischennutzung des
Verkehrsgartens findet sie ideal und
beispielha!. Es müsse nicht jede Nutzung
dauerha! sein, denn «auch Abschied
nehmen ist ein Lernfeld».? mgm